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2. Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Ar. 34 Dienstag, den 6. Marz 1894. 11. Jahrg. Gevtllftls�Beitung. Gewerbegericht. Kammer I. Sitzung vom 28. Februar Die Schneiderin R. klagt gegen die Slella'schen Eheleute au' Zahlung von 8,4S M. rnckftäu.igen Lohn. Herr St. rechtfertigt die Nichtzahlung der genannten Summe durch Hinweis auf eine Bestimmung seiner Arbeitsordnung. Das Gericht verurtheilte ihn unter der Begründung, daß es nicht zulässig sei, dem Arbeiter den Lohn kontraktlich zu entziehen, die betreffende Bestimmung in der Arbeitsordnung sei unzulässig. Tie Näherin W. behauptet, Herr Guttfeldt, welcher Spillen (Zippelmützen) fabrizirt, sei ihr I0,eo M. schuldig geblieben, und verlangt die Berurtheilung des Herrn zur Zahlung dieser Summe. Zum Verhandlungstermin ist sie nicht erschienen. Sie wird abgewiesen, weil durch Vernehmung dreier Zeuginnen der Beweis für die Behauptungen des Beklagten. daß er Klägerin das Geld nicht schuldig sei, erbracht wird. Es wird festgestellt, daß für das Dutzend Spillen die Klägerin nach der mit ihr getroffenen Vereinbarung nicht S0 und 60 Pfg., sondern 15 Pfg. bekommen sollte; ferner, daß sie verschiedene Dutzend des nützlichen Bekleidungsgcgenstandes so gefertigt hatte, daß di* selben für den Originalpreis nachgearbeitet werden mußten. Der Schneidermeister Lau hatteso viel zu thun", daß er seine fünfzednjährige Tochter zur Prozeßvertreterin durch regel- recht ausgestellte Vollmacht ernannte. Ter Gerichtshof war so unhöflich, das sich alsvollendete Dame" geberdende kleine' Ding nichtfür voll" anzusehen und sie nicht als Vertreterin des Papas anzuerkennen. Papa wurde durch Versäumnißurtheil ver­pflichtet, der klagenden jugendlichen Nähmamsell H. 1,20 M. als rückständigen Lohn für zwei Tage zu zahlen. Kammer VII. Vorsitzender: Assessor Karow . Sitzung vom 1. März. Ter Holzhändler Heene führte gegen eine Lohnent- schädigungs-Klage der Bretterträger W. und O. ein Komplott ins Feld, welches, ihn zu schädigen, die Kläger mit noch einigen anderen Trägern gegen ihn geschmiedet haben sollen. Er hätte, so ließ Beklagter sich vernehme», die Entladung eines halben Kahnes Bretter einer Kolonne, in welcher die Kläger waren, in Stundenlohn übertragen; die Vereinbarung eines Akkordes hätte in diesem Falle zu Weitläuftigkeiten geführt. Im Akkord vergeben, hätte die Arbeitden Leuten" einen größeren Verdienst gebracht. Sie seien deshalb auf die Idee versallen, langsamer zu arbeite», damit das Geld, welches sie bei Akkordarbeit mehr bekommen hätten, von ihm, Beklagten , dem Schiffer als Liegegeld gezahlt werden sollte. Er sei thatsächlich durch das Verhallen der Kläger geschädigt worden. Die Aus- sagen mehrerer Zeugen bestimmten die Mehrheit des Gerichts- Hofes, dieSchuld" der Kläger anzunehmen und sie mit der Klage abzuweisen. Die Einführung desWeißlackirten" im Droschkem fuhrwesen war in letzter Linie die Ursache eines Lohn-Eni s chädigungsprozesses, welchen der Droschkenkutscher M., genannt der Rechtsanwalt", gegen den Fuhrherrn Graßnick führte. Der Beklagte stellte gegenüber den Angaben desRechtsanwalts" den Sachverhalt so dar, als sei derselbevon selbst" gegangen Kläger sei nickt entlasten worden am 3. Januar, wie er angebe, sondern Beklagter habe ihm freigestellt, zu fahren, nur habe er den weißen Hut oder denPudel" aufsetzen und den Wagen mit Taxameter nehmen sollen, den er Ende Dezember gefahren hätte. Das habe er, wie alle Kutscher , unter der Ausrede, dann aus der Straße todtgeschlagen zu werden, verweigert. Am 1. und 2. Januar habe Beklagter dem M. gestattet, einen Wagen ohne Taxameter zu nehmen, der sonst nur im Sommer benutzt werde. Ties sei geschehen, weil er vom Kläger gewußt hätte, daß derselbe den weißen Hut nicht tragen mochte. M. bestritt entschieden, daß Graßnick ihn am 3. Januar aufgefordert hätte, mit weißem Hut oder Pudel angelhan einen Taxameter zu fahren. Als er des Morgens gekommen sei, habe der Beklagte sofort gesagt: Wir haben einen Ring geschlossen, ich kann Sie nicht weiter beschäftigen. Natür lich habe er das als Entlassung betrachtet und sei gegangen. Vierzehn Tage später habe er sich aus dem Hofe des Beklagten eingesunden, um zu sehenwie es stehe", erst dann sei ihm vom Beklagten gesagt worden:Sie hätten ja fahren können, Ihr Wagen sieht ja da." Am 3. Januar hätte er vielleicht doch angespannt, wenn Graßnick ihm die Be- dingung. den Taxameter und Weißlackirten betreffend, gestellt hätte. Die bezügliche Behauptung desselben entspreche nicht der Wahrheit. Der Buchhalter Putz sagt aus, fünf Kutschern habe er am 3. Januar gesagt, sie könnten nur anspannen, wenn sie Taxameter fahren wollten. Sie hätten das abgelehnt, unter ihnen sei jedenfalls auch der Kläger gewesen. Der Stallmann Schulze, ebenfalls als Zeuge vernommen, äußert, M. habe in der letzten Zeit im alten Jahre simmer Taxameter gefahren. Schon vor Neujahr habe er ihm, dem Zeugen, in Ausgsicht gestellt, daß er nach Einführung desweißen Hutes" auf keinen Fall einen Taxameter nehme. Der Kläger schiebt dem Beklagten den Eid zu. Derselbe beschwört, es sei nicht wahr, datz er zum Kläger am 3. Januar gesagt habe: Wir haben einen Ring gebildet und daraufhin darf ich Sie nicht mehr anspannen lassen; vielmehr sei wahr, daß ihm freigestellt wurde, weiter zu fahren, Freie Volksbühne. Mit dem am Sonntag Nachmittrg im L e f s i n g- Theater" gegebenen DramaS o d o m s E n d e" hat der VereinFreie Volksbühne" seinen Mitgliedern nunmehr alle dramatischen Schöpfungen Suder manu's vorgeführt. Alle drei Stücke,Die Ehre",Die Heimath" und zetztSodoms Ende", haben bei diesem sast ausschließlich der Arbeiterklasse an- gehörenden Publikum Anklang und Beifall gesunden, und alle drei sind vorher lange Zeit hindurch imLessingtheater", dessen Abendpublikum zum größten Theile der besitzenden Klasse an» gehört oder wenigstens zu ihr hält, gern gesehene Zugstücke ge­wesen. Ueber das letztere muß man sich viel mehr wundern, als über das erster?. Sudcrmann unterscheidet sich nämlich von manch' anderem Lieblingsdichter der Bourgeoisie dadurch, daß er den Muth hat, diese ihn bewundernde Bourgeoisie so darzustellen, wie er ije sieht. Und wenn er sie auch nicht in allen Punkten so siehi?wie sie ist, so erfaßt und zeigt er von den Schäden dieser Gesellschaftsschicht doch immer noch mehr, als ihr eigentlich lieb sein sollte. InSodoms Ende" verfährt Suderniann mit der Bour- geoisie am unglimpflichsten.Sodoms Ende" ist der Titel eines den Untergang des biblischen Sodom darstellenden, preis- gekrönten Gemäldes des noch jugendlichen Malers Willy Janikow. Das Bild, welches sofort überall das größte Aufsehen erregt hat, ist von Adah Bacczinowski. der Frau eines emporgekommenen Börsenjobbers, angekauft worden, und aus diesem Anlaß ist der plötzlich berühmt gewordene, aus der jetzt verarmten Familie eines biederen, ehemaligen Guts- besitzcrs stammende Künstler in Frau Adahs schlüpfrige Salons gerathen, die einem moderne» Sodom gleichen, Willy Janikow wird von der stark sinnlich veranlagten, leidenschaftlichen Frau uiii strickt, wird zu ihrem Geliebten und verliert sich und seine künstlerische Schaffenskrast in hohlem, geistlosen Getändel. Um nicht dauernd einem unthätigen Schmarotzerdasein zu verfallen wenn er die polizeilicherseits vorgeschriebene Kopfbedeckung tragen und seinen Taxameter nehmen wolle. Der Gerichtshof hielt durch den Eid für erwiesen, daß es dem Kläger freigestellt war, weiter zu arbeiten, daß er also nicht entlassen wurde. Dem- gemäß wnrde er abgewiesen. Interessant aus der Verhandlung ist noch die Mittheilung des Herrn Graßnick, daß er durch den Taxameterstreik" 2000 M. verloren habe. Er besaß zur Zeit 11 Droschken mit Kontrollaparaten. Ist der Gendarm, Landjäger w. eine Behörde? Wenn Jemand wegen falscher Anschuldigung verurtheilt werden soll, so ist es erforderlich, daß er seine Anschuldigung bei einer Be- Hörde angebracht hat. Häufig werden nun solche Anzeigen bei dem Gendarm angebracht, und es fragt sich, ob derselbe als Behörde im Sinne des Strafgesetzes anzusehen ist. Der 3. und der 2. Strafsenat des Reichsgerichts haben in dieser Beziehung Entscheidungen gefällt, die sich direkt entgegenstehen. Der 2. Strafsenat hat in zwei Urtheilen ausgesprochen, daß in einer Anzeige bei einem untergeordneten Organe der Polizeibehörde eine Anzeige bei einer Behörde gesunden werden kann, indem er anscheinend davon ausging, daß das untergeordnete Organ als ein Organ die Behörde selbst repräsentire. Der 3. Straf- senat hat ausgesprochen, daß der Gendarm keine Behörde sei und daß eine bei ihm gemachte Anzeige als eine bei einer Be Hörde gemachte nicht anzusehen sei und daß, um wegen falscher Anschuldigung verurtheilen zu können, erst festgestellt werden müsse, daß die Anzeige von dem Gendarm oder Polizei beamten an die vorgesetzte Behörde weitergegeben worden sei. Eine Fundgeschichte. Auf einem Zaun an der Frank- furter Chaussee fand der Arbeiter Friedrich Krolow eines Tages ein Jaquet. Salonfähig war dasselbe keineswegs, sondern im Gegentheil augenscheinlich werthlos. Deshalb fand K. auch kein Gehör für seine Fundsache, als er dieselbe auf dem Polizeirevier-Bureau ablieferte. Das von Schmutz-, Fett- und Kalkflecken aller Art starrende Fundobjekt ward zur polizei- lichen Verwahrung nicht angenommen, sondern dem glücklichen Finder gerathen:Legen sie es man wieder dahin!" Zum Fort werfen erschien das Jacket dem p. Krolow noch nicht geeignet. Er vervollständigte damit seinen eigenen sehr defekten Anzug und erschien mit dem Kleidungsstück am nächsten Tage im Lokal des Schankwirths Arndt in Friedrichsberg. Zufällig befand sich hier der Verlierer des Jaquels, ein Kutscher, dieser machte dem Wirth die Mittheilung, daß Krolow ein gestohlenes Jacket trage. Von den anwesenden Gästen war Krolow aufgefordert, den Fund wieder herauszugeben. Da Letzterer bezweifelt wurde, erfolgte eine Anzeige bei der Behörde wegen Diebstahls. Das Schöffengericht hatte das Hauptverfahren wegen Unterschlagung gegen den bisher unbescholtenen Krolow beschlossen, jedoch auf Freisprechung erkennen müssen, da die Am gäbe des Angeklagten glaubwürdig erschien, wonach ihm der Polizei- Wachtmeister bei Anmeldung der Fundsache gesagt, daß er das Jacket als werthlos mit nach Hause nehmen könne. Der unglückliche Finder kam indessen noch nicht zur Ruhe, denn gegen das freisprechende Urtheil hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt mit der Begründung: die Angabe des Angeklagten sei nicht erwiesen. Vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts II ward die Fundgeschichte endgiltig zu gunsten des Angeklagten erledigt. Aus der Beweisausnahme ging klar hervor, daß Krolow aus den Aeußerungen der Polizeideamten entnehmen durfte, er könne das Jaquet beHallen. Dies beruhte allerdings ans einer falschen Auffassung des Angeklagte». Der Staatsanwalt erklärte darauf, daß er die Berufung zurücknehme. Eine traurige HeirathSgcschichte erzählte eine junge Frau, welche Sonnabend vor der 130. Abtheilung des Schöffengerichts gegen ihren Ehemann, den Maler Farr, als Zeugin aufzutreten hatte. Farr war beschuldigt, seine Ehefrau wiederholt mit dem Ver- brechen des Todtschlags bedroht zu haben. Im vorigen Frühjahr arbeitete Farr als Gehülfe in Stargardt. Er wohnte bei einer Wittwe, mit deren Tochter er sich verlobte. Die Trauung hatte stattgefunden und die Hochzeitsgesellschast saß fröhlich beim Mahle. Da sei der Angeklagte wie die Zeugin erzählte plötzlich ohne jede Veranlassung aufgesprungen, sei nach der Küche gerannt, habe sich mit einem Beile bewaffnet und sei dann wieder in den Saal gestürzt, mit der Drohung, seine ihm soeben an- getrauteFrau niederschlagenzu wollen. Die erschrecktenGäste seien aus der Wohnung geflüchtet, die Verwandten der junge» Frau hätten den Rasenden mit Muhe beruhigt, die Zeugin sei aber noch an demselben Abend nach der Wohnung ihrer Mutter zurückgekehrt. Sie habe gehört, daß ihr Mann am folgenden Tage Stargardt ohne Abschied verlaffen habe. Zufällig hätten sie sich nach Monaten wieder in einem Wagenabtheil der Berliner Ring bahn wiedergetroffen. Bei ihrem Anblick sei der Angeklagte wieder wie rasend geworden, er habe sich auf sie stürzen wollen, die Fahrgäste hätten sie aber geschützt. Der Angeklagte müsse erfahren haben, daß sie hier eine Stellung angenommen habe, denn die Begegnungen hätten sich wiederholt und jedesmal habe der Angeklagte sie mit dem Tode bedroht. Schließlich habe sie die Hilfe der Polizei in An- spruch nehme» müssen. Sie sei sich einer unrechten Handlung und gänzlich zu verlumpen, will er sich von Adah losreißen. Aber Adah, welcheglücklich sein will", wie sie sagt,und wenn nicht anders, mit Gewalt", giebt ihr Opfer nicht los. Sie will den sich von ihr abwendenden Liebhaber mit ihrer Nichte K i t t y verkuppeln, damit er ihr nahe und so vielleicht dauernd in ihrem Netze bleibt. Unfähig, sich aus seiner Ohnmacht auf- zuraffen, erliegt Willy ohne ernsthaften Widerstand und hält um Kitty an. Wider Erwarten findet er, daß das Mädchen, das ihm schon halb verdorben schien, sich in der Umgebung der Frau Adah doch noch einen tüchtigen Kern bewahrt hat. Er klammert sich jetzt an Kitty, wie an seine Retterin. Durch sie hofft er, anders als Frau Adah es ge- dacht, aus seinem Faullenzer- und Sklavenlebcn loszu- kommen und sich wiederzugewinnen. Er bedarf jetzt doppelt einer solchen Stütze und Hilfe; denn eben erst hat er eine schwere Schuld aus sich geladen, die ihn vollends an sich selbst ver- zweifeln machte. Er hat K l ä r ch e n, das Kind seines ehe- maligen Lebrers, das bei Frau Janikow als Pflegetochter wohnt, verführt. Aber Kitty stößt seine Hand zurück, als sie die Fäden des von Adah und, wie sie meint, auch von Willy gesponnene» Netzes durchschaut, das über sie geworfen werden soll. Sie flieht aus dem Hause der Tante. Willy folgt ihr und führt die nach stundenlangem Umherirren müde und willenlos Gewordene in das Atelier, das ihm Adah eingerichtet hat, damit es ihr selbst künstig als ein behaglich sicheres Nest für ihre Zusammenkünfte mit ihm diene. Und Kilty, durch Willy und ihre Liebe zu ihm besiegt, willigt ein, als sein Weib bei ihm zu bleiben. Willy's Lebcnsmuth kehrt zurück, aber das neue Glück, das er sich an Kitly's Seite von der Zukunft erhofft, wird durch die an Klärchen begangene und bei aller Hoffnungsjreudigkeit schwer auf ihm lastende That zerstört. In derselben Nacht, in der er Kitty in /ein Atelier führt, hat sich 5tlärchen vor seinem Hause er- trankt. Der Leichnam wird in seine Wohnung gebracht, Willy wird von einem Blutsturz befallen und stirbt. Willy Janikow ist ein Opfer der kapitalistischen Gesellschafts- ordnung. Er geht an der Gunst der besitzenden Klasse künstlerisch zu Grunde, wie andere Künstler an der Ungunst und Gleichgiltigkeit gegenüber ihrem Manne nicht bewußt und könne sich sein sonder» bares Verhalten nicht erklären. Der Angeklagte, der im Ter- mine einen ganz vernünftigen Eindruck machte, konnte auch keinen Grund für sein Verhalten angeben, er meinte, er müsse nicht recht im Kopse sein. Der Gerichtshof beschloß, ihn in Haft zu nehmen, damit er auf seinen Geisteszustand untersucht werden könne. Wege» Ehebruchs kann ein rechtsgiltiger Strafantrag gegen den schuldigen Ehegatten und dessen Mitschuldigen erst dann gestellt werden, wenn die Ehe durch richterliches Erkenntniß gelöst und das Ehescheidung aussprechende Urtheil rechts- kräftig geworden ist. Mit dieser authentischen Auslegung des§ 172 des St.-G.-B. hatte sich das Landgiericht zu H ä m- b u r g in Widerspruch gesetzt, als es am 27. Oktober v. I. den Barbier Heinr. Wilh. Louis Rudolph und die Friederike Wittenberg daselbst wegen Ehebruchs zu je einem Monat Gefängniß verurtheilte. Beide Angeklagten haben den Ehebruch eingestanden. Aber der Strafantrag ist seitens der Ehefrau des Rudolph gegen die Schuldigen zu einer Zeit gestellt worden, zu welcher zwar ihre Ehe gerichtlich gelöst war, das die Scheidung aussprechende Urtheil jedoch noch keine Rechtskrasl erlangt hatte; und nach Ablauf dieser einmonatlichen Frist hat sie den Strafantrag nicht wiederholt. Infolge dessen legte die Staatsanwaltschaft zu gunsten der Angeklagten Revision ein; und im Einklang mit dem Antrage des Sieichsanwaltes hob der III. Strafsenat des Reichsgerichts das Urtheil auf und er- kannte auf E i n st e l l u n g des Verfahrens, weil es an einem rechtsgiltigen Strasantrage fehle, der nur nach eingetretener Rechtskraft des die Ehescheidung aussprechenden Urtheils gestellt werden dürfe. ReichsgerichtS -Entscheidnngen. Das heimliche,«nberech- tigte Mitfahren auf dem Trittbrett eines in einen E i s e n b a h n z u g eingestellten Personenwagens in der Absicht, sich so eine unentgeltliche Beförderung zu verschaffen, ist, nach einem Urlheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 20. Oktober 1803 als Betrug zu bestrafen. In Beziehung auf§ 127 der Reichs-Gewerbe-Ordnung: Der Lehrling ist der väterlichen Zucht, des Lehrherrn unterworfen" hat das Reichsgericht, IV. Strafsenat, durch Urtheil vom 24. Oktober 1803 ausgesprochen, daß im Gebiete des preußischen Allgemeinem Land- rechts nur der Gesundheit des Lehrlings unschädliche Zwangs- maßregeln zu gebrauchen sind. Schläge, insbesondere sog. K o p f st ü ck e, die die Gesundheit schädigen können, sind als Ueberschreitungen des Zuchtrechts, eintretenden Falles als fahr- lässige Körperverletzung zu bestrafen. Ein Rechtsanwalt ist nach einem Beschluß des Reichs- gerichts, IV. Zivilsenats, vom 2. November 1803, zur Ver- Weigerung des Zeugnisses nicht nur über die ihm in dieser seiner Eigenschaft von der Partei gemachten M i t- theilungen, sondern-überhaupt über alle Thatsachen berechtigt, die von ihm innerhalb der ihm übertragenen Geschäfts- führung wahrgenommen worden sind. Soziale LteberlMN. An die Bureau-Angestellten und verwandten Berufs- genossen. Kollegen! Die Arbeiter aller Branchen organisiren sich, um geschlossen gegen das Ausbeutungssystem Front machen zu können. Bedenken wir nun, daß wir auch nur Arbeiter sind. und schaffen wir uns eine große Organisation, durch welche wir in der Lage sind, einen Lohn zu erkämpfen, rvornit wir ein menschenwürdiges Dasein sühren können. Die überaus lange Arbeitszeit muß aushören, es muß der Lehrlingszüchterei schars entgegengearbeitet werden, auch haben wir als Menschen eine anständige Behandlung zu verlangen. Kollegen! Es liegt nur in unserer Hand, diese Mißstände zu beseitigen, organisiren wir uns nur. Heute Abend>/-0 Uhr findet bei H e n s e l, Jnvalidenstr. l, eine öffentliche Versammlung statt(siehe Inserat) und ist das Erscheinen aller Kollegen unbedingt erforderlich. Der Einberufer. Robert Kunkel. Achtung» Töpfer! Wir bringen den Kollegen hiermit zur Kenntniß, daß die Lohndifferenzen bei den Töpfermeistern Herm. Graf und Wolf beigelegt sind. Bei der Firma Titel(Aktiengesellschaft) ist, da dieselbe sich noch nicht erklärt hat, der Zuzug streng fernzuhalten. I. A.: Richard Topf, Gipsstr. 3. Die Weistgerber der Firma C. Pohl mann, Glace- leder-Fabrik in Oranienburg sind am 26. Februar in Streik getreten; sie verlangen eine Lohnerhöhung von lA/s pCt. und zehnstündige Arbeitszeit. Vor zwei Jahren war den Arbeitern ein Lohnabzug von 18 pCt. gemacht und auch elfstündige Arbeits- zeit eingeführt worden. Der seiner Zeit hiergegen geführte Ab- wehrstreik siel zu Ungunsten der Streikenden aus, da es damals dieser Klasse wirthschaftlich und damit gleichfalls künstlerisch zu Grunde gegangen sind. Das Mäcenatenthum, in welchem sich die Bourgeoisie de» Künstlern gegenüber gefällt, geht nicht immer von so niedrigen Motiven aus, wie bei Frau Adah, aber es wirkt auf den Künstler immer in derselben Weise entnervend. Die sittliche Verkommenheit dieser sich als Gönner undFördercr der Kunst geberdenden Gesellschaft, wie sie sich inSodoms Ende" zeigt, grenzt ans Fabelhafte. Wer das Leben in den Salons solcher Parvenüs nicht kennt, fühlt sich vielleicht versucht, zu hoffen, daß der Dichter doch wohl übertrieben habe. Aber Sudermann lebt in und mit dieser Gesellschafisschicht und hat Gelegenheit genug, sie zu studiren. Es ist auch aus Anlaß der Erstaufführung des Stückes imLessing-Theater" die Behauptung, daß das vom Dichter entworfene Bild in der Zeichnung verzerrt und zu grell in den Farben sei, nur ver- einzelt aufgestellt worden. Es bleibt also nichts anderes übrig, als an die Lebenswahrheit der Schilderung zu glauben. Die Aufführung vom Sonntag bot dadurch ein erhöhtes Jnter- esse, daß den Mitgliedern derFveien Volksbühne" wieder einmal Gelegenheit gegebe» wurde, Emanuel Reicher zu sehen. Er gab den Willy Janikow. Es wollte uns jedoch scheinen, als ob das rücksichtslos realistische Spiel dieses bewunderungswürdigen Künstlers nicht auf allen Seiten die verdiente Anerkennung fand. Die Frau Adah der M a r i a R e i s e n h o f e r war ein Weib von dämonischer Leidenschaftlichkeit. Unter den übrigen Mit- wirkenden zeichnete sich Luise von P ö l l n i tz(als Willy's Mutter) aus. Von der Aufnahme, die ihr Spiel bei einem Theile, zum Glück dem kleinsten Theile der Zuhörer fand, ist Aehnliches zu sagen, wie bei Reicher. Solche dem Leben ab- gelauschte Gestalten, wie diese alte Frau Janikow der Pöllnitz, können nur richtig gewürdigt werden, wenn man etwas anderes ins Theater mitbringt als nur de» Wunsch, sich über jede durch eigene Schuld falsch aufgefaßte Bewegung und jeden miß- verstandenen Ton zu amüsiren. Es ist ein gutes Zeichen für den bildenden Einfluß, den dieFreie Volksbühne" auch in dieser Hinsicht ausübt, daß solche Ungehörigkeiten von den ernsteren Mitgliedern sofort unterdrückt werden. Lr.