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Amerika und der Handelskrieg. Die Note an Veutschlanü. Amtlich. Berlin . 13. Februar.(SB. T. B.) Sie amerika­nische Note an Deutschland h a t folgenden Wortlaut: Euere Exzellenz: Ich bin von meiner Regierung beauftragt. Euerer Exzellenz fol- gende» zu übermitteln: Sie Regierung der Vereinigten Staaten ist durch die Bekannt- machung des deutschen Admiralstabes vom 4. Februar 1915 darauf auf­merksam gemacht morden, daß die Gewässer rings um Großbritannien und Irland, einschließlich des gesamten englischen Kanals, als Kriegs- gebiet anzusehen seien, daß alle in diesen Gewässern nach dem 1 8. d. SW. angetroffenen feindlichen Kauffahrteischiffe zer- stört lverden sollen, ohne daß es immer möglich sein werde, die Be- satzungen»nd die Passagiere zu retten, und daß auch neutrale S ch i f f e in diesem Kriegsgebiet Gefahr laufen, da angesichts des Miß- brauche neutraler Flaggen, der am 31. Januar von der Britischen Re- gierung angeordnet worden sein soll, und angesichts der Zufälligkeiten des Seekrieges es nicht immer vermieden tverden könne, daß die auf feindliche Schiffe berechneten Angriffe auch neutrale Schiffe träfen. Die amerikanische Regierung erachtet es daher als ihre Pflicht, die Kaiserlich Deutsche Regierung in aufrichtiger Hochschätzung und mit den freundschaftlichsten Gefühlen, aber doch ganz offen und ernstlich auf die sehr ernsten Folgen aufmerksam zu machen, die das mit der Bekanntmachung offenbar be- absichtigte Vorgehen möglicherweise herbeiführen kann. Die Amerika - nische Regierung schätzt diese möglichen Folgen mit solcher Besorgnis ein, daß sie es unter den obwaltenden Umständen als ihr Recht, ja, auch als ihre Pflicht erachtet, die Kaiserlich Deutsche Regierung zu er- suchen, vor einem tatsächlichen Vorgehen die kritische Lage zu erwägen, die in den Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Deutschland entstehen könnte, falls die deutschen Seestreitkräfte in Befolgung der durch die Bekanntmachung des deutschen Admiralstabes angekündigten Maßnahmen irgendein Kauffahrteischiff der Vereinigten Staaten zer- st ö r t e n oder den Tod eines amerikanischen Staats- an gehörigen verursachten. Es ist selbstverständlich nicht nötig, die deutsche Regierung daran zu erinnern, daß einer kriegführenden Nation in Bezug auf neutrale Schiffe auf hoher See lediglich das Recht der Durch- s u ch u n g zusteht, es sei denn, daß eine Bloikadeerklärung ergangen ist und die Blockade effektiv aufrecht erhalten wird. Die Regierung der Vereinigten Staaten nimmt an, daß eine Blockade im vorliegenden Fall nicht beabsichtigt ist. Eine Erklärung oder Aus- ühung des Rechts, jedes Schiff anzugreifen und zu zerstören, das ein näher umschriebenes Gebiet auf offener See befährt, ohne erst fest- gestellt zu haben, ob es einer kriegführenden Nation gehört, oder ob feine Ladung Konterbande ist, wäre eine Handlungsweise, die so sehr im Widerspruch mit allen Präzedenzen der See- kriegführung steht, daß die amerikanische Regierung kaum an- nehmen kann, daß die Kaiserlich Deutsche Regierung im vorliegenden Falle sie als möglich ins Auge faßt. Der Verdacht, daß feindliche Schiffe zu Unrecht eine neutrale Flagge führen, kann nicht eine berechtigteVermutung schaffen, dahingehend, daß alle Schiffe, die ein näher umschriebenes Gebiet durchfahren, demselben Verdacht unterliegen. Gerade um solche Fragen aufzuklären, ist nach Ansicht der amerikanischen Regierung das Recht der Durchsuchung anerkannt worden. Die amerikanische Regierung hat von der Denkschrift der Kaiser - sich Deutschen Regierung, die zugleich mit der Bekanntmachung des Admiralstabes ergangen ist, eingeheich Kenntnis genommen. Sie be- nutzt diese Gelegenheit, die Kaiserlich Deutsche Regierung mit größter Hochschätzung darauf aufmerksam zu machen, daß die Regierung der Vereinigten Staaten zu einer Kritik wegen»ich: neutraler Hallung, der such nach Ansicht der Deutschen Regierung die Regierungen gewisser anderer neutraler Staaten ausgesetzt haben, keine Veranlassung ge- geben hat. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat keinen Maß- nahmen zugestimmt oder hat es bei keiner solchen bewenden lassen, die von den andern kriegführenden Nationen im gegenwärtigen Kriege getroffen worden sind, und die auf eine Beschränkung des Handels hin« zielen. Vielmehr hat sie in allen solchen Fällen eine Haltung einge- nommen, die ihr das Recht gibt, diese Regierungen in der richtigen Weise für alle eventuellen Wirkungen auf die amerikanische Schisfahrt verantwortlich zu machen, welche durch die bestehenden Grund-

sähe des Völkerrechts nicht gerechtfertigt sind. Daher erachtet sich die amerikanische Regierung im vorliegenden Falle mit gutem Gewissen, auf Grund anerkannter Prinzipien für berechtigt, die in der Note an- gedeutete Haltung einzunehmen: falls die Kommandanten deutscher Kriegsschiffe auf Grund der Annahme, daß die Flagge der Vereinigten Staaten nicht in gutem Glauben geführt werde, handeln sollten und auf hoher See ein amerikanisches Schiff oder das Leben amerikanischer Staat sangehöriger der- nichten sollten, so würde die Regierung der Ver- einigten Staaten in dieser Handlung schwerlich etwas anderes als eine unentschuldbare Verletzung neutraler Rechte erblicken können, die kaum in Ein- klang zu bringen sein würde mit den sreundschaft- lichen Beziehungen, die jetzt glücklicherweise zwischen den beiden Regierungen bestehen. Sollte eine solche beklagenswerte Situation entstehen, so würde sich die Regierung der Vereinigten Staaten , wie die Kaiserlich Deutsche Regierung wohl verstehen wird, genötigt sehen, die Kaiser- l i ch Deutsche Regierung für solche Handlungen ihrer Marine behörden streng verantwortlich zu inachen und alle Schritts zu tun, die zum Schutze amerikanischen Lebens und Eigentums und zur Sicherung des vollen Genusses der anerkannten Rechte aus hoher See für die Amerikaner erforderlich sind. In Anbetracht dieser Erwägungen, die die Regierung der Ver- einigten Staaten mit der größten Hochschätzung und in dem ernstlichen Bestreben vorbringt, irgendwelche Mßverstä rdaisse zu vermeiden, und zu verhindern, daß Umstände entstehen, die sogar einen Schatten aus den Verkehr der beiden Regierun- gen werfen könnten, spricht die amerikanische Regierung die zuver- sichtliche Hoffnung und Erwartung aus, daß die Kaiserlich Deutsche Regierung die Versicherung geben kann und will, daß amerikanische Staatsbürger und ihre Schiffe anders als im Wege der Durchsuchung durch deutsche Seestreitkräfte, selbst ig dem in der Bekanntmachung des deut- schen Admiralstabes näher bezeichneten Gebiet, nicht belästigt werden sollen. Zur Information der Kaiserlichen Regierung wird hinzugefügt, daß der Regierung Seiner Britannischen Majestät bezüglich des onge- rechtfertigten Gebrauchs der amerikanischen Flagge zum Schutze briti- scher Schiffe Vorstellungen gemacht worden sind. Ich benutze diesen Anlaß, Euere Exzellenz erneut meiner aus- gezeichneten Hochachtung zu versichern. goz. James W. Gerard . Sr. Exzellenz Herr v. Jagow. Staatssekretär des Auswärtigen Amts. Notiz deß W, l. V.; Di« von der amerikanischen Regierung erbeten« Aufklärung wird, wie wir annehmen, in demselben freundlichen Tone er- folgen, indemdieamerikanischeNotegehalteni st. deutfthe Kommentare. DerLokal-Anzeiger" schreibt zur amerikanischen Note: Die Neutralen haben sich den KriegSmaßnahmen Englands unterworfen und alle Fragen und Beschwerden über ihr Verhalten mit dem Eingeständnis ihrer Machllosigkeit gegenüber der Be­herrscherin der Meere beantwortet. Wir waren und sind also auf uns allein angetviesen, und wir sind gezwungen und ent- schlössen, daraus alle Konsequenzen zu ziehen. Nichts anderes, als England gegen uns seit dem November praktisch durch- führt, werden wir jetzt gegen England anivenden. England hat keine Blockade gegen die deutschen Küsten angesagt, und auch wir wollen von einer Blockade der englischen Küsten nichts wissen. Aber wir werden die englischen Gewässer als Kriegsgebiet deHandeln und diese Maßnahm« mit den modernen Mitteln de« Seekrieges durchführen, die un» zu Gebot« stehen. Dieser Schritt hat aus- gesprochenermahen den Zweck, England von seiner Zufuhr nach Möglichkeit abzusperre-n, mag diese Zufuhr nun in Lebensmitteln oder Kriegsvorrat bestehen und kommen, woher sie will. Dem Faß den Boden ausgeschlagen hat schließlich der berühmt« Geheimbesehl der britischen Admiralität, der auch noch die neutralen Flaggen der ganzen Welt der englischen Kriegführung unterordnet, die neutralen Staaten zu Vasallen Englands macht. Für die Zwangs- läge, in die wir aus diese Weise durch England geraten sind, sollte man auch in Amerika einiges Verständnis zeigen. Keine»-

falls aber sollte man an all diesen Tatsachen stillschweigend vor- übergehen, als hätten sie nur für die beiden unmittelbar beteiligten Länder Interesse. Das sollte man in Washington um so weniger tun, als ja selbstverständlich auf englischer Seite mit umfassenden Abwehrmatznahmen gegen unseren Unterseebootskrieg zu rechnen ist, die auch ihrerseits wiederum die neutrale Schiffahrt mit großen Unbequemlichkeiten und Gefahren bedrohen. Warum englische Kriegsmaßnahmen befolgt oder widerspruchslos hingenommen, deutsche dagegen, obwohl sie genau den gleichen Charakter tragen. und mit aller Rücksichtnahme auf die neutralen Interessen recht- zeitig angekündigt werden, als völkerrechtswidrig abgelehnt werden. dafür fehlt uns jedes Verständnis. Eine rein krämerhafte Auf- saffung und Behandlung der geioaltigen Aktion aus dem Kontinent dürfen wir lediglich den Engländern, nicht aber dem jungen, aber stolzen amerikanischen Volke zumuten, durch dessen gewaltige Ader- gänge so unendlich viel edles deutsches Blut strömt. Jedenfalls darf man nirgendwo darauf rechnen, mit einer solchen ungleichc-n Behandlung gleicher Dinge Deutschland von den klar erkannten und fest beschlossenen Zielen seiner Kriegführung abdrängen zu können. Die deutsche Regierung wird eS an einer in ebenso freund­schaftlichem Ton gehaltenen Antwort an Amerika nicht fehlen lassen und alle Aufklärungen geben, deren man in Washington noch zu benötigen scheint. Jnziwschen wird der 18. Februar heran- rücken und damit endlich die Zeit des Handelns ge- kommen sein." DieKreuzzcitung" bemerkt zu der Note:Es ist selbstoer- ständlich, daß unser Unterseebootskrieg in der Entschiedenheit seiner Durchführung durch die amerikanischen Vorstellungen nicht beeinträchtigt werden kann. Wenn die Not« nicht nur für Unantastbarieit der amerikanischen Schiffe, sondern auch der amerikanischen Staatsbürger eintritt, so wird sie diesen Anspruch hoffentlich nicht aufrechterhalten für diejenigen Amerikaner, die es gegenwärtig für angebracht halten, eng­lische Schiffe zu benutzen. Reuter meldet nämlich aus Liverpool , daß die amerikanischen Passagiere, di« auf dem englischen Cunard- dampferLusitania " die Heimreise antreten wollen, bei der Cunard- gesellschaft darum einkamen, daß auf derLusitania " die ameri- kanisch« Flagge gesetzt werde. Wenn amerikanische Bürger selber auf diese Weise für den Mißbrauch der amerikanischen Flagge zum Schutze englischer Schiffe eintreten, kann man sich in Washing ton nicht wundern, wenn die amerikanische Flagge nicht respektiert wird." Sehr scharf ist der Kommentar derDeutsche « Tugeszeitung". Es heißt da:Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß die Herren Wi l s o n und B r y a n im Notenverkehr mit mexikani- schen Prätendenten und Rebellensührern sich«inen Ton an- geeignet haben, der im Verkehr mit der Regierung des Deutschen Reiches nicht angemessen ist... Alle? in allem kann man also nur wiederholen: der einzige Weg zur Erhaltung der bestehenden Beziehun- gen zwischen dem Deutschen Reich und den Bereinigten Staaten bildet eine tatsächliche amerikanische Anerkennung der deutschen Kriegsgebieterklärung und die Berück- sichtigung der in ihr ausgesprochenen Warnun g." die amerikanische Note an Englanü. London , 14. Februar. lW. T. B.) In der von den Blättern veröffentlichten Note der Washingtoner Regierung an die britische Regierung heißt eS: Der gelegent­liche Gebrauch der Flagge einer neutralen oder feindlichen Macht unter dem Druck einer Verfolgung, der nach Berichten der Presse als Präzedenzfall für die Rechtfertigung de» Vorgehens der britischen Negierung benutzt zu werden scheint, erscheint der Regierung der Bereinigten Staaten sehr verschieden von der au»- drücklichen Sanktionierung durch die kriegführende Regierung, daß die Handelsschiffe innerhalb getvisser Zonen der See allgemein die Flagge einer neutralen Macht führen, in Zonen. die, wie man annimmt, von feindlichen Kriegsschiffen befahren werden sollen. Die formell« Erklärung einer solchen Politik zum Zweck de» allgemeinen Mißbrauchs der Flagge einer neutralen Macht gefährdet die Schiffe der Neu- traten, die diese Gewässer besuchen, in besonderem Maße, weil sie den Verdacht wachruft, daß die Schiffe feindlicher Nationalität sind, was für eine Flagge sie auch führen mögen. Angesichts der deutschen Erklärung würde die Regierung der Bereinigten Staaten jeden allgemeinen Gebrauch der Flagge der Vereinigten Staaten durch britische Schiffe mit großer Besorgnis betrachten.

Ungarische krlegsbriese. Genosse Franz Gondör, Redakteur des ungarischen Parteiblattes Nöpszava" berichtet vom östlichen Kriegsschauplatze: r. Zehn Tose in Ruffisch-Polen . Mitte Januar zogen wir aus dem kleinen Städtchen, in dem das Kriegspreffequartier bis setzt stationiert war. Schnell er- reichte unser Zug die deutsche Grenze. Wir durchfuhren«in kleine« Stückchen deutsches Gebiet und berührten Ratibor , Sheinersin und eine ganze Anzahl kleiner Städte und Ortschaften Deutschlands . Hier n,erkt man eigentlich gar nicht, daß Krieg ist. Die Sonne des Friede»« scheint auf die Bevölkerung, die ihrer Beschäftigung ruhig nachgeht und sich so gibt, als ob Deutschland nicht mit beinahe der ganzen Welt ,m Kriege steht- Daß Krieg ist, erkennt man nur an den vielen in Trauertteidung gehüllten Frauen. Abends Uhr gelangten wir in Kattowitz an, wo wir über- nachteien. Kaiiowitz ist«ine herrliche, blühende deutsche Stadt. deren bell beleuchteter, reiner Bahnhof und die peinlich /auberen und schön ausgebauten Straßen mit den eleganten Häuiern und schönen Geschäftsläden förmlich überraschen, Ein kleines Städtchen ist diese« Kattowitz , das aber wie eine Großstadt jeden Komfort i» charakieristisch deutscher Art, in intimer, feiner und solider Weise bietet. Die Schaufenster der Kaufläden sind so hell beleuchtet, wie die der Waitznerstraße in Budapest , nur die Preise find mäßiger, das Leben billiger. Der Fremde wird nicht ausgewurzelt, ist un- erhörter Weise übervorteilt, und es scheint, daß hier die Leute nicht schnell reich werden und den Krieg nicht für ihre Borteile aus­nützen wollen, Wenn man so durch die rejnen, ruhigen Straßen von Kattowitz schreitet, möchte man beinahe verstehen, weshalb der Deutsche Deutschland , Teutschland über alles" singenh in den Krieg zieht,.... » Am 15. Januar, morgen« Ü Uhr, Überschriften wir die russische Grenze und kamen in dem im �Morgennebel liegenden Sosnovic« an. In der ersten russischen Station hält ein deutscher Soldat Wache, deutsche Eisenbahnen durchmessest das Gebiet, aber da« Stqtioiisgebände selbst hat den russischen Charakter beibehalten: es ist ärmlich und schmutzig. Juden in Kastans lungern auf der Straße. Ein sehr trauriges und trostloses Bild bietet diese erste rüsstiche Ortschaft Sosnovice. Aber auch hier sieht man nicht Spure» des Krieges. Die zweite Station, in die wir einfuhren, ist Bendzin . Deutsche Soldaten stehen auf Wache, aus dem Bahnkörper stehen deutsche Eisenbahnwagen, auch einen ungarischen Wagen mit der Aufschrift Mav erblicke ich, und deutsche Trainwagen in großer Anzahl. Die ganze andere als bisher beobachtete Bauart der Häuser tälft besonders aus, dort ein« schlanke Kirche, weiter davon ein indischer Tempel, Basteien usw-, ja. das ist schon eine ander« Welt, das ist Russisch-Polen. lind es kommen andere Stationen: Dom- brvwa. Das Bahnhofsgebäude ist vollgepropft mit schmutzigen pol- nischen Juden. In den Gesichtszüge» spiegelt sich ihre Armut

wieder, as ob jeder von ihnen ein Bettler wäre. Bunt ist das Treiben auf der Station. Vielseitig spiegelt sich das Elend der Bevölkerung ouf den ersten Blick in dem Auge de» Beobachters. Zu rasch ist der Uebergang von den reinen schönen deutschen Städten in das Grau des russischen Elends. Einige Kilometer von hier der Glanz wirtschaftlicher Stärke eines mächtige» Staates, hier nur Armut, Schmerz und Mist. Nach dem reinen, trauten Kattowitz mit seiner sicher auftretenden und ruhigen Bevölkerung, Tombrowa mit seinen zerfallenen armseligen Hütten und den unruhigen, ver- folgten traurig drein stierenden Kaftanjuden. Das gibt zu denken und macht den Unterschied begreiflich ztoischen den deutschen und den russischen Soldaten. Die ersten Zeichen des Krieges sieht man bei Zawierrie. Das Bahnhofsgebäude ist zerschossen und liegt in Trümmern. Aus den noch rauchenden russigen Mauern wehen österreichische und deutsche Fahnen. Von hier Weiter liegt schon alles in Trümmern. Nur einige Stationsgebäude wurden verschont. Myschkow gleicht einem Schutthausen. Die Granaten haben hier furchtbare Zerstörungen angerichtet. Nachmittags gegen 1 Uhr langten wir in Czenstochau an. In der Umgebung des Bahnhofs, der pom Kriege sehr mitgenommen wurde, standen Tausende von Arbeitern in Reihen, Eßschalen»n der Haiw haltend. Sie ivarteten auf das Mittagessen. In Czenstochau sind ausschließlich deutsche Soldaten, die diese ziemlich große, interessante russisch-polnische Stadt besetzt halten. Auf dem Bahnhof wogt«in reges, buntes Leben. Die Bevölkerung besteht zum überwiegenden Teile aus polnischen Juden. Diese laufen auf der Station umher, stehen in den Hausfluren und bieten aus den breiten und geraden Straßen ihre Waren feil. Auch in Friedenszeiten wohnen tu Czenstochau- verhältnismäßig wenig Russen! meisten« nur Beamte. Diese jedoch flüchteten vor dem siegreichen Vordringen der Deutschen . ES flüchteten auch viele Polen . In ihrer vollen Zahl scheinen nur die polnischen Juden zurückgeblieben zu sein, die in großer Not darben. Czenstochau hat ein buntes Strahenleben, Camelots laufen den ganzen Tag in den Straßen auf und ab und bieten lautschreiend deutsche und hebräische Zeitungen feil, die gierig gekauft und auf der Straß« gelesen werden. Czenstochau hat auffallend breite Straßen, die aber ziemlich schmutzig und unordentlich sind. Einige künstlerisch schöne Bauten, in einem ganz besonder« eigentümlichen interessan- ten Stile erbaut, fesseln das Aug«. Czenstochau hat auch Nachtleben. Gleich cm der Bahnstation finden wir ein Cafehaus, das zugleich auch Restauration ist. Hier wird alles verkauft, hier kann man alles haben. Die Einrichtung ist farbenprächtig gehalten. Be- quem« Nischen, Tische und Sessel stehen dicht aneinandergereiht. Die Glaswände sind mit Bildern und Spiegeln reich beladen. Neben ganz primitiven Stilleben Heiligenbilder, schwimmende Schwäne, geflügelte Engel, Amoretten, kleine küssende Kinder. Landschaften reihen sich im bizarren Durcheinander. Kein Zu. sammenhang und kein Geschmack und trotzdem nimmt es den Menschen gefangen. Neben jedem Tisch steht«in« Palm«, Ein tlebnns Palmenhain, hex hei elektrischer Beleuchtung dem

Czenstochauer Unterhaltungsort ein malerisches Gepräge verleiht. Müde, bleiche polnische Kellner, die noch vor einigen Monaten auf russisches Kommando Speisen und Getränke kredenzten, be- dienen die deutschen Soldaten. In Czenstochau besichtigt« ich die allerorts berühmt«Schwarze Madonna . Da« Kloster mit seiner schönen Kirche ist geräumig. liegt aus einem weiten Platze und bat viele wertvolle Kunst- schätze, Gold- und Silbergegenstände, Glitzernde Edelsteine zieren die Wände und Säulen. Lauter Spenden bußetuender Polen, die von weit und breit hierherziehen. In einer der düsteren Kapellen befindet sich das Madonnenbtld mit dem schwarzen Antlitz, rund- herum glänzen Gold und Edelsteine. Ein unendlicher Reichtum ist hier aufgestapelt und bildet den Stolz der Polen . In der Kirche war eben Gottesdienst. Weißköpfige, kleine Greise trippelten zu den Betschemeln und«in sehr alter polnischer Geistlicher flüsterte die Gebete unter den emporragenden großen Kerzen. In stiller Andacht kniete die ganze Versammlung gläubi- ger Christen in dem Halbdunkel des Kirchenschiffes. Polnische Bauern, Stadtleute und Kinder knieten vor dem Madonnenbild und beteten für den Frieden. Arme Polen ! Von der Madonna verlangen sie den Frieden, den der Zar nicht haben will.... -1° AI « wir Czenstochau verließen, kamen wir nach Klomnice. Das Stationsgebäude ist fast vollständig in Trümmer gelegt. In langen Reihen steht hier der Train der österreichisch-ungarischcn Truppen. Bauernwagen kommen an und fahren weiter, ein elvjges Hin und Her, fortwährende Bewegung und kein rechter Stillstand. Jetzt fahrt ein langer Zug in vi« Station ein. Ein Soldatenzug. Es sind lauter Ungarn . Ich frug sie natürlich wo- her und wohin des Weges. Alle antworteten fast zu gleicher Zeit: In die Schwarmlinie!"In den Kampf gegen die Russen!" Sie sagten das einfach, unvermittelt, als ob e« die selbst- verständlich!te Sache von der Welt wäre, in dieSchwarmlinie zu gehen. Ruhig und gelassen redeten sie von demJn-die-Feuer- linie-gehen", wie von etwas nebensächlichem, von einer Werktags- anaelegenheit. Und in der fröhlichsten Laune zogen sie weiter, nicht, als ob sie morgen schon in der Feuerlinie und m Lebens- gefahr stehen müßten. Brave Soldaten! Auch wir zogen weiter. Langsam im Schneckentempo rollt der Zug. Es wird Abend. Der Zug ist nicht beleuchtet. So geht es einige Stunden in die Finsternis hinein. Da plötzlich wird es taghell um uns. Der Sonne gleich beleuchten mächtige Reslektocen die Gegend, wo Hunderte Arbeiter fleißig schafften. Riesig große Pfähle wurden gehoben und mittelst schwerer Hämmer in die Erde gerammt. Vor uns rauschte unruhig ein Fluß: die Warthal Die Warthabrücke wurde von den laufenden Russen in die Luft ge- sprengt und nun wird der Schaden wieder gut gemacht. Die Brücke war schon so weit wieder in Stand gesetzt, daß unser Zug langsam und vorsichtig hinüber fahren konnte. Die Brücke batte fei» Seitengeländer. ES war, als führen wir über ein freischweben- de« Schienenpaar und, als ob wir jede Minute in die Wartha stürze» sollte». Franz Gondör.