Ein Sericht über Sie Lage in Rußland . Tcr„Bremer Bürger-Zeitung" wird geschrieben: Tie Petersburger Genossen haben Anfang Januar zwei Delegierte ins Ausland geschickt. damit sie mit den im Ausland lebenden Führern der russischen Sozialdemokratie Rücksprache nehmen sollten wegen der Haltung dein.Kriege gegenüber. Die beiden Genossen, die schon mit Martow, Trotzky, Plechanow , Lenin sich»erständigt hatten, schil- dertcn uns detailliert die Lage in Rutzlaard, die Strömungen in der Partei, die Aussichten des Kampfes gegen den Zarismus. Die ruhige, objektwc Art der Auslassungen, wie die Tatsache, das; es sich hier um einen Bericht von Männern handelt, die bis Januar mitten in der Parteiarbeit steckten, gibt den Jnformatio- neu besonderen Wert. Wir behielten in unserem Bericht die Form der Unterredung bei, weil wir nichts von uns beifügen loollten. Auf die Frage über die Haltung der russischen Ar- heiter schaft beim Kriegsausbruch erklärten die Tele- gierten:„Wir können aus eigener(hrfahrung nur von Petersburg sprechen. Auf Grund des Berichtes eines Genossen, der vor kurzem die sibirischen Städte und den Süden Russlands bereist hat, wollen wir unsere Petersburger Beobachtungen ergänzen. In Petersburg war die Partei, und Gewerkschaftsbewegung durch massenhafte Arreste am Vorabend des Krieges vollkommen desorgani- s i e r t. Die Arbeitermasse blieb ohne irgendwelche Weisungen seitens der Partei. Trotzdem waren die sozialdemo- kratischcn Arbeiter gegen den Krieg. Sie versuchten auf eigene Faust, gegen die patriotischen Demonstrationen, die von der Polizei und dem Kleinbürgertum organisiert waren. Gegen- demonstrationen zu organisieren. Sie wurden überall von der Polizei auseinandergetrieben. Von der Provinz bekamen wir ähnlich lautende Berichte. Wir lasen den Delegierten die Berichte Kummers auS der „M ctallarbeiterzeitung" vor, über die patriotische Stimmung der Petersburger Arbeiter, über die Verfolgung der deutschen Arbeiter in den Fabriken. Der jüngere Delegierte äusserte sich darüber so drastisch, dass wir seine Aeutzerung weg- lassen müssen. Der ältere griff begütigend ein.„Wir kennen Genossen Kummer nicht, er verkehrte bei seinem Aufenthalt in Petersburg in unseren Kreisen nicht. Ich will deswegen seinen Bericht nicht bewusste Verleumdung der russischen Arbeiterschaft nennen. Aber Kummer war wahrscheinlich, wie es Ausländern bei kurzem Aufenthalte in einem fremden Lande leicht passiert. nicht imstande, den schlechtangezogenen Pöbel(schmal), der von der Polizei zusammengetrieben war. von den i n d u- striellen Arbeitern zu unterscheiden, die im grossen ganzen kriegsfeindlich waren. Was die Verfolgung der deutschen Arbeiter in den Petersburger Fabri- k c n anbetrifft, so berichteten die liberalen Blätter triuin- phierend über zwei bis drei solcher Fälle. Obwohl es auf der Hand lag, dass bei der Verschiedenheit der Stufen der Entwicke- nmg verschiedener Schichten der Arbeiterschaft solche Einzelfälle nicht ausgeschlossen tvaren, gingen wir der Sache nach. Wir stellten feit, dass es sich um folgendes gehandelt hat. In den grossen Aietallfabriken gibt eS viele d e u t s ch e M e i st e r. Die Arbeiter führen mit ihnen, wie mit allen Meistern, einen Guerillakrieg. Während der Revolution haben sie sie oft auf Karren aus der Fabrik hinausgeführt. In den Jahren der Konterrevolution nah- men die Meister Rache dafür, denunzierten die aufgeklärten Ar. beiter. Diese waren demgegenüber machtlos, da die Fabriksver- tvaltung jeden, der es mit den Meistern verdarb, der Polizei auslieferte. Als der Krieg ausbrach, nützten die Arbeiter in einigen Fabriken die Situation aus und forderten die Entfernung der besonders verhaßten Meister. Nun mag man der Meinung sein, dass dies in dem Moment unterbleiben mutzte, wo gegen� die Deutschen als solche von der bürgerlichen Presse, eine arge Hetze getrieben wurde. Wir haben deswegen auch dagegen Stellung genommen. Jedenfalls handelte es sich hier nicht um den Nationalhah. sondern� um die Austragung eine» sozialen Konfliktes."") Und wie ist die Stimmung unter der Arbeiter- f ch a f t j e tz t? fragten wir.„Wir kommen mit Arbeitern mehrerer Kategorien zusammen und können bestimmt behaupten, dass mit jedem Tage die Gegnerschaft gegen den Krieg sich verschärft. Wir haben keinen einzigen Arbeiter getroffen, der sich für den Burgfrieden mit dem Zarismus aussprach. Die in einem Teil der sozialdemo- kratnchen Intelligenz herrschende Angst, die Niederlage Russlands könnte die soziale Entwickelung Nutzlands aufhalten usw. lässt die russischen Arbeiter ganz kalt. Selbst unter den früheren Anhängern Plcchanows gibt es keine Arbeiter, die den Kampf gegen den Zaris- mus einstellen möchten. Das haben wir Plechanow gesagt. Den besten Einblick in die Stimmung der Arbeiter geben die geheimen Au f r n f e, die die Arbeiter selbst— denn die sog. Partciintelligenz ist fast durchweg arretiert—, sei'» gedruckt, sei'S mit der Schreibmaschine geschrieben oder hektographiert ausgeben. Sie erscheinen in allen Jen- tren und kein einziges handelte über was anderes, als den Kampf gegen den Zarismus. Ein zweiter Be- weis: die Arbeiter lehnen die Teilnahme an den K r i e g s g e l d s a m m l n n g e n ab. Sie sagen: der Zarismus ist, iusoweit Russland in Betracht kommt, für den Krieg verantwort- lich. Möge er für die Kriegsteilnehmer sorgen, wir wolle» ihm die Arbeit nicht erleichtern. Um den Beweis des Patriotismus der Ar- beiter zu' erbringen, lassen die Fabrikverwaltungen der grossen metallurgischen Fabriken Sammellisten kursieren. Wer nicht unter- zeichnet, dem droht die Gefahr, dass er entlassen und dann zum Militärdienst eingezogen wird, denn die Metallarbeiter sind zum Teil als unabkömmlich zu Hause gelassen worden. Trotzdem haben z. B. im Petersburger„Vulkan" oWX) b i S KlOO Arbeiter nur 300 Beiträge gezeichnet. Nein, die aufgeklärten russischen Arbeiter sind Kriegs- und Zaren- seindegeblieben. Das bezieht sich nicht nur auf Petersburg . Wir haben eingehende Berichte aus den Ostseeprovinzen, wo die lettische Sozialdemokratie heldenhaft kämpft. Dasselbe besagen Berichte aus Warschan: dort gehen die Arbeiter aller sozialisti- scheu Parteien Hand in Hand." Wie stehts mit der Parteiarbeit?„Die Organisationen waren zertrümmert. Seit 2 bis 3 Monaten arbeiten wir a n ihrer Wiederherstellung. Es geht leider nur illegal. Die Arbeiter aller Richtungen schlietzen sich zu gemeinsamen Orga- uisationen zusammen. Wir gründen emstlveilen Gewerkschaftsblätter, weil politische sofort unterdrückt würden. Or- gane der Schriftsetzer und Textilarbeiter sind bereits erschienen. Andere folgen. Wir dachten auch an die Gründung politischer Blätter, aber einstweilen gelang es noch nicht." Auf die Frage nach den politischen Plänen der Partei antworteten die Genossen:„Die aktuellste Frage ist der Krieg gegen den Krieg. Wir wußten nicht, was die ausländischen Genossen vorhaben, aber wir waren der Meinung, dass alles g e- macht werden mutz, um eine Bewegung zu organi- sieren, die die Regierung nötigt, dem Kriege ein Ende zu bereiten. Wir werden den Kampf unter der Losung des Friedens ohne Annexionen führen und die demokratische Repu- blik erstreben."
*) Nach uns zugegangenen Berichten bewährter russischer Padeigenosseii werden die Vorgänge auf den Petersburger Fa- bnkcn zu Beginn des Krieges ähnlich geschildert. Es wird hinzu- gefügt, dass die organisierten russischen Genossen verschiedentlich Sammlungen veranstalteten, um den aus Petersburg ausgewiesenen deutschen Arbeitern die Abreise zu«rmög- lichen oder durch Geschenke ihre Stimmung ihnen gegenüber auS- zudrücken. Um so bedauerlicher ist es in Anbetracht alle? dessen, dass die Anschuldigungen gegen die Peersburger Arbeiter in Umlauf gesetzt worden sind. Red. d..Vorw.".
Wir fragten nach dem Eindruck, den dieHaltuugderSo- zialdemokratie anderer kriegführender Länder auf die russischen Sozialdemokraten gemacht habe. Die russischen Delegierten äusserten sich sehr zurückhaltend.„In Russland waren wir angewiesen auf die Berichte der bürgerlichen Presse, die auf uns einen niederdrückenden Eindruck machten. Aber wir sagten uns: wir haben keine genügende lleberficht, deswegen wollen wir keine Richter der Bruderparteien sein. Man darf sich durch Fehler der Brwd erparteien nicht von der Erfül- lung der eigenen Pflichten abhalten lassen. Nur durch die eigene Tat können wir Einfluß auf die Bruderparteien gewinnen. Wir werden den eigenen Weg des Kampfes gehen und hoffen, daß die Erfahrungen des Welt- kriegcs die Internationale gestärkt, geschlossener a u f e r st c h e n lassen werde. Sie wird in einer A t rn o- s p h ä r e verschärfter Gegensätze zu wirken haben, des- wegen hoffen wir. dass alle schädlichen Illusionen ver- schwinden werden." Das waren, kurz zusammengefaßt, die Ausführungen der De - legierten der Petersburger Arbeiter! Wir schieden von ihnen mit dem Bewußtsein, daß kein Krieg i m st a n do ist, den H ä n- den der russischen Arbeiter die alte Sturm sahne zu entreißen.._
Zur Londoner Konferenz. Aus Kreisen der russischen Sozialdemokratie lvird der..Benier Tagwacht" mitgeteilt, daß die offizielle russische Sozialdemokratie, trotzdem sie zu der Londoner Kon- ferenz nicht eingeladen wurde, beabsichtigt babe, als Vertreter des Zentralkoniitees den Genossen Ma r t o f f nach London zu senden. Der englische Konsul habe aber dem Genossen Mar- toff einen Paß verweigert, und ebenso sei es einem Vertreter der polnischen Sozialdemokratie ergangen. Um nun trotzdem der Stellungnabine des überwiegenden Teils der russischen Sozialdemokratie Ausdruck zu verleihen, ist zwischen Vertre- tern der Richtung Axelrod-Martoff und der Richtung Lenin eine Erklärung vereinbart worden, in der die Haltung der russischen Sozialdemokratie in folgender Weise umschrieben wird: „t. Das Prinzip, nach dem die Londoner Konferenz als eine Konferenz der Sozialdemokraten der alliierten Länder einberufen wurde, die durch eine provisorische Gemeinschaft verknüpft sind, widerspricht dem Wesen nach den internationalen Aufgaben des Proletariats. 2. Da? Bestreben der Regierungssozialisten der alliierten Länder, auf der oben gekennzeichneten Grundlage die einberufene Konferenz zugunsten der moralischen und politischen Unterstützung der Politik des Dreiverbandes, zur Auftechterhaltung der Jlln- sion von der sozialistischen Pflicht zur„nationalen Verteidigung" und des angeblichen Charakters des Befteiungskrieges, zur Sanktionierung der Parole Grey-Viviani-Ssasonoff vom Durch- halten bis zum Ende, versucht aufs neue einen verbrecherischen Mißbrauch der Ideen und der Autorität des internationalen So- zialismus, indem dieser die ihm feindlichen Interessen des russi- scheu, englischen und französischen Imperialismus decken soll. Die Grundaufgabe der wirklich sozialistischen Elemente der alliierten Länoer gegenüber der Londoner Konferenz besteht in der Aufdeckung üer Tendenzen dieses Krieges und in der Klar- legung gegenüber der Sozialdemokratie der„feindlichen" Länder, daß die Regierangssozialisten nicht die Meinung aller Sozialisten der alliierten Länder vertreten. 4. Von diesem Standpunkt ausgehend wäre die Boykottie- rung der Konferenz nicht zweckmäßig, da sie sonst zur antrsozia- listischen Demonstration werden könnte. Die aktive Teilnahme der revolutionären Elemente der russischen Sozialdemokratie an der Konferenz ist daher eine� Notwendigkeit, zwecks entschiedener Gegenüberstellung der Aufgaben des revolutionären Sozialismus und der unsozialistischen Bestrebungen des angeblich sozialistischen Imperialismus.... In weiteren Punkten, in denen teilweise auch gegen die sozialdemokratische Taktik anderer Länder Stellung genommen wird, wird die rasche Beendigung des Krieges unter strikter Ablehnung jeder gewaltsamen Annexion und die Wiederauf- nähme des politischen und ökonomischen Kampfes in allen Ländern gefordert. Schliesslich wird jede Verantwortung für die Aeußerungen einiger sozialdemokratischer Schriftsteller (Plechanow , Alexinskp, Maßloff u. a.) abgelehnt und erklärt, daß die sozialdemokratischen Arbeiter Rußlands nicht auf diesem Standpunkt stehen.
Italienische Friedensdemonstrationen. Eine am Sonntag in Mailand stattgefundene, von etwa 6000 Personen besuchte Versammlung sprach sich scharf gegen eine Beteiligung Italiens am Kriege aus und forderte unbedingte Wahrung der Neutralität. Referent>oar der sozialistische Bürgermeister Mailands , Rechtsanwalt Caldara. Der Versuch der Kriegshetzer, diese machtvolle Demonstration zu stören, mißlang vollständig. In V e n e d i g und in T u r i n fanden ähnliche Kundgebungen statt. Das in großen Massen ausgebotene Militär fand keinen Anlaß einzuschreiten. Anders in Rom . wo die voll der Sozialdemokratie veranlatzte Kund- gebung von den Kriegstreibern derart gestört wurde, daß es zu Handgreiflichkeiten kam, die erst durch daS Eingreifen des Militärs ein Ende fanden. Eine Hetzrede Narkows. Kopenhagen , L2. Februar.(W. T.©.) ES liegt das Original der Rede des Führers der rechten Parteien Markow II in der russischen Reichsduma vor. Markow sagte:„Unserer Armee darf nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie nicht die glän« zenden Siege erringt---" Hier wurde der Redner unterbrochen.(Starke Ausrufe:„Wieso erringt sie keine Siege?") „Stört mich nicht, sonst ist eS eine Provokation," erwiderte Markow. „Unserer Armee darf nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie keine glänzenden Siege erringt und dass wir uns nicht so rasch auf Berlin bewegen, wie die? von jedem ehrlichen russischen Herzen gewünscht wird. Wir erringen allerdings Siege, aber keine ent- scheidenden."... Der Redner fährt fort, indem er nachzuweisen sucht, daß die Schuld an dem Versagen des Heeres die S p i o n a g e« tätigkeit der deutschen Kolonisten(I) in Russland treffe, die auf jeden Fall ihrer Güter verlustig gehen müßten, die ihnen durch die Schwachheit ftüherer russischer Herrscher übergeben worden seien. Es bleibt bei üer Iuüenunterürückung. Petersburg, 22. Februar. (W. T. B.) In der Konferenz, die vor der Eröffnung der Duma zwischen Regierung und Abgeordneten abgehalten wurde, hat der Minister des Innern laut Mitteilung der Zeitschrift„Nowi-Woichod" in bezug auf die Jndenfrage erklärt, dass die Regierung unter den obwaltenden Verhältnissen zur Besserung der Lage der Juden nichts tun könne. Ein tzilferuf für polen . Auf dem neutralen Boden der Schweiz hat sich auS hervor- ragenden Polen ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit und zu
ausschließlich philanthropischen Zwecken ein GeneralhilfS- komitee für die Kriegs leiden den in Polen gebildet, dessen Präsident, der polnische Dichter Henruk Sienkiewicz. einen warmen Aufruf veröffentlicht, in dem um Spenden gebeten wird, um den unglücklichen Bewohnern Brot und Obdach zu verschaffen. Der Sitz des polnischen GeneralhilfSkomiteeS ist Lausanne . Die Schweizer Nationalbank ist ermächtigt, Geldspenden entgegen- zunehmen. Ein Schwinöe! öer„Norning Post". Berlin , 21. Februar.(W. T. B.) Am Dezember 1914 be- richtete ein„eigener Korrespondent" der„Morning Post", einer seiner Freunde habe von einem ans M i iud e n zurückgekehrten französischen Geistlichen einen entsetzlichen Bericht über die an englischen Gefangenen daselbst verübten Grausam- k e i t e n erhalten. Die deutschen Wachtsoldaten versetzten den Eng- ländern Fusstritte in den Unterleib, schlügen sie mit ihren Gewehren so lange auf den Rücken, bis die Gewehre zerbrächen und zwängen sie. an sumpfigen Plätzen zu schlafen. So sei es gekommen, daß viele Engländer an Schwindsucht erkrankt seien und 30 von ihnen aus Verzweiflung über die ausgestandenen Qualen die Bitte aus- gesprochen hätten, man möge sie erschießen. Eine in der internationalen Gesangenenfürsorge tätige Dame sandte diesen Bericht an den Berliner Theologwprofessor D. D e i ß- mann mit der Bitte, der Sache auf den Grund zu gehen. Obwohl die Einzelheiten des Berichtes den Stempel der Unwahrheit an der Stirne trugen, wurde von der Inspektion der Gefangenenlager im Bereiche des 7. Armeekorps eine sirenge Untersuchung eingeleitet, deren Aktenstücke dem Professor Deitzmann dann im Ori- ginal vorgelegt wurden. Daraus ergab sich folgendes: Ein ftanzösi- scher Geistlicher ist aus dem Lager Minden bis jetzt nicht entlassen worden. Damit ist schon der Gewährsmann der„Morning Post" als fingiert erwiesen. Sämtlichen weissen und farbigen En ginn- dern in Minden ist der Artikel der„Morning Post" durch einen ver- eidigten Dolmetscher vorgelesen worden, und alle haben durch Namensnnterschrift erklärt, dass ihnen von deck dort behauptete»: Ding-n nicht das Mindeste bekannt sei. Bei Beantwortung der Frage nach der Bitte der 30 um Erschießung sind, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt, sämtliche Engländer in ein Gelächter aus- gebrochen. Befragt, ob sie irgendwelche Beschwerden sonst hätten, geben drei Engländer ganz geringfügige, von ihnen selbst als iolchc bezeichnete Einzelheiten an, die mit der von der„Morning � Post" behaupteten in keinem Zusammenbang stehen und zum Teil durck, einen mißverstandenen und darum nicht richtig ausgeführten Befcvl an einen Gefangenen veranlasst waren. Der leitende Arzt des Gefangenenlagers stellte auch seinerseits fest, dass Schwindsucht-?- fälle überhaupt noch nicht vorgekommen seien. Von den im ganzen nur 6(l) im Lazarett behadnelten Engländern seien 6 wegen Kriegswunden und Krankheiten, 1 wegen Mandelentzündung in Pflege gewesen. Taraus ergibt sich, daß der Gesundheitszustand der Engländer in Minden ein ausgezeichneter genannt werden muß. Die ganze, sehr sorgfältige Untersuchung, die durch einen im Zivilberus als Landrichter tätigen Offiziersstellvertreter geführt worden ist, ergibt somit, daß die Angaben der„Morning Po st" ohne Ausnahme erlogen find. Der ganze Fall ist ein klassisches Beispiel für die moralischen Methoden der„Morning Post". Wie sich aber jede derartige Handlung zuletzt gegen ihren Urheber wendet, so auch in diesem Falle. Daraus berechnet, die Ehre Deutschlands zu beschmutzen, hat der Artikel wohl nun den Haupterfolg gehabt, daß zahlreiche emg- lische Familien ohne jeden Grund wochenlang sich in Angst um ihre gefangenen Angehörigen verzehrt haben.(Notiz: von Professor Dr. Adolf D c i ß m a n n, genehmigt Stellvertr. Generalkommando Münster.) die Kriegsfürsorge vor öem preußischen MgeorSnetenhaufe. Am Montag ist das Plenum des Mgeordnetenhause» wieder zusammengetreten, um den Etat des Staatsministe- riuins und in Verbindung damit den Gesetzentwurf über Bei- Hilfen zu Kriegswohlfahrtsansgaben der Gemeinden und Ge- meindeverbände zu beraten. Räch dem von den Fraktionen vorbereiteten Plan er- stattete zunächst der konservative Abgeordnete Dr. Hoof ch den Bericht der Bndgetkommission über die Kapitel Volks- ernährung, Viehhaltung, Feldbestellung und Geldverkebr. Was er darüber zu sagen hatte, ist durch die Ver- öffentlichungen der Presse bereits bekannt. Wir müssen uns in unserer Kritik aus leicht ersichtlichen Gründen einer gewissen Zurückhaltung befleißigen, wir be- gnügen uns deshalb mit der Andeutung, daß wir keineswegs in allen Punkten den Ausführungen des Referenten bei- pflichten können, und daß insbesondere seine Berufung auf den Artikel von Kaliski in den„Sozialistischen Monatsheften" besser unterblieben wäre. Unser Vertreter in der Kommission hat keinen Zweifel gelassen, daß die Partei nicht hinter Kaliski stehe und daß die jetzige Lage nicht für, sondern gegen die Richtigkeit der agrarischen.Wirtschaftspolitik spricht. Von der Aeußerung des Berichterstatters, daß sich in der Kommission keine Partei ihrer vaterländischen Pflicht entzogen habe, nehmen wir mit Genugtuung Notiz, soweit es sich um die Sozialdemokratie handelt, denn unser Streben war nicht nur in der Kommission, sondern überall von Beginn des Krieges an darauf gerichtet, die Ernährung des Volkes sicherzustellen. Ebensogut wie es nach Ansicht de? Berichterstatters auf dem Gebiete der Nahrungsmittelversorgung steht, steht es nach Ansicht des zweiten Berichterstatters, des freikonservativen Abgeordneten Frhn. v. Z e d l i tz auf dem Gebiete der Kriegs- fürsorge. Seine Ausführungen erweckten den Anschein, als -ob es im ganzen Deutschen Reich keinen Angehörigen eines Kriegsteilnehmers gebe, der Grund zum klagen habe, und als ob auch die Arbeitslosen sich eines mehr als ausreichenden Schutzes erfreuen. In dieses Loblied stimmte namens aller bürgerlichen Parteien der Abg. Dr. Friedberg ein. Einen etwas anderen Ton brachten die Sozialdemokraten in die Debatte, deren Redner Genosse Hirsch zwar die Znstim- mung seiner Freunde zu dem Gesetzentwurf erklärte, im übrigen aber aus der Praxis nachwies, wieviel in bezug auf die Krnegsfürsorge noch zu tun ist, wie die Regierung br- sonders in der Nahrungsmittelfrage vielfach versagt hat und wie mangelhaft es um die Fürsorge für die Arbeitslosen be- stellt ist. Wir wollet» hoffen, daß die Fülle von Anregungen, die unser Genosse gab, nicht unbeachtet bleiben; die Behörden können daraus lernen, wo der Hebel anzusetzen ist, die Fa- Milien der Kriegsteilnehmer aber werden sich der Ucberzeu- gunst nicht verschließen können, daß sie auf die Sozialdemo- kratie in allen Lebenslagen rechnen können. Nach einstimmiger Annahme des Gesetzentwurfs über Kriegsbeihilfen wurde die weitere Beratung deS Etats auf Dienstag vertagt. Es wird dann die Frage des BelagerungS- zustandet und der Zensur zur Erörterung stehen.