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Nr. 58.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,50 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Big. frei In's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mi tluftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Boft- Abonnements 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Deiterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Breisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 10 Bfg., für Vereins: und Bersammlungs Anzeigen 20 Bfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis Uhr Nachmittags in der Ervedition abgegeben werden. Die Grpedition in an Wochen= tagen bis 7 Ubr Abends, an Sonn und Feittagen bis 9 Uhr Bor­mittags geöffnet.

Eernsprecher: Amt I. 1508. Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonnabend, den 10. März 1894.

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Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Am Mittwoch, den 7. Februar d. J., bringt der Vorwärts",

Bur Naturgeschichte Dieses Muster- Schriftstück spricht Bände. Für die Ver-| Regierung für Interessen arbeiten, die sie als staatliche, säumniß der Zeit durch Ausübung des Wahlrechts bei den d. h. als solche des Allgemeinwohls anzusehen lieben. des Dreiklassen- Wahlsystems. Reichstagswahlen wird den preußischen Eisenbahn­Die Gründe, aus welchen die preußische Regierung mit Arbeitern, wie einzelne Unterbehörden naiver Weise scheinen so zäher Hartnädigkeit an dem elende sten aller Wahl- angenommen zu haben, keine Entschädigung gewährt, dazu Der Rechtsstreit der Hilfskaffen liegt, wie Herr Thielen sagt, kein Bedürfniß" vor. gesete festhält, werden durch ein Rundschreiben illustrirt, 23 arum liegt aber ein Bedürfniß vor für die Versäumniß und deren Aerzte. das uns das Märzlüfterl wieder einmal auf unseren der Zeit bei den Landtagswahlen? Sehr einfach: weil das Redaktionstisch wehte. Das fragliche Schreiben ist aus dem Reichstags- Wahlrecht geheim ist und man die Abstimmung 2. Beiblatt unter der Ueberschrift der Lohnkampf der Berliner Eisenbahnministerium hervorgegangen und trägt die Unter nicht kontrolliren kann, wohingegen bei dem Landtags Hilfefaffen- Aerzte" aus ärztlichen Kreisen einen Artikel, auf den schrift jenes Ministers, der sich bisher sowohl durch die Wahlrecht die Stimmabgabe öffentlich ist, der Abstim. die Bereinigung freier eingeschriebener Hilfskaffen von Berlin schrift jenes Ministers, der sich bisher sowohl durch die Lohn und Gehaltsherabsetzungen und sonstige Er­sparnisse, die in seinem Ressort an der Tagesordnung sind, werden kann. Kein Eisenbahnarbeiter darf wagen, öffent Aerzte mit den Arbeitern auf eine Stufe, desgleichen die ärzt mende also in bezug auf seine Abstimmung kontrollirts und Umgegend folgendes erwidert: In der Einleitung des Artikels stellt der Artikelschreiber die wie durch die strammen Maßregeln gegen Arbeiter lich für lich für einen einen der Regierung geguerisch gesinnten lichen Vereine mit Fachvereinen, Gewerkschaften 2c. Hierauf ist und Beamte einen wohl nicht viel beneideten Kandidaten zu stimmen bei Strafe der Entzu erwidern, daß der Arzt sich wohl bestens bedanken Namen machte. Es ist also wie unsere Leser jetzt wissen, I aſſung das zeigen die Erfahrungen, welche unter würde, wenn der Bruder Arbeiter dem Bruder Arzt sich gleich Herr Thielen, der uns zu Gemüthe führt, daß ein Staats- dem Regimente des Herrn Thielen, als Leiters der stellen wollte. Wie sollte dies auch anders sein, stammen doch betrieb einmal dazu da ist, Plusmacherei zu gunsten des Eisenbahndirektion zu Hannover , die dortigen Eisenbahn- die Aerzte nur aus der Bourgeoisie und als echte Bourgeois Staats und auf Koften des Publikums zu betreiben, und arbeiter gemacht haben. Wer also von den Eisenbahn - nehmen sie Anstoß daran, daß die Krankenkassen sich nur das das andere Mal den Zweck hat, staatserhaltende Politik arbeitern bei den Landtags= Wahlen stimmte, stimmt Recht vorbehalten wollen, das Arzthonorar mit zu bestimmen. regierungsfreundlich, und diesen läßt Herr lichen Blätter, das Honorar in der Sprechstunde des Arztes auf Das Rundschreiben lautet: Thielen eine Ermunterung" zur Wahlbetheiligung eine Mark, in der Wohnung des Patienten auf zwei Mark zu Ministerium der öffentlichen Arbeiten. zukommen, indem er ihnen eine Entschädigung für die ver- normiren. In den Berliner ärztliche Mittheilungen" Nr. 2 vont fäumte Beit gewährt. Wie liebenswürdig, wie nett Herr Jahre 1892 steht ausdrücklich gedruckt, Entscheidend in dieser Thielen ist. Frage kann doch nur dasjenige feiu, was uns unserm Ein verbiffener Sozialdemokrat könnte behaupten, daß Biele, nämlich, daß die Berliner Kaffen bei freier Arztwahl darin eigentlich eine Bestechung liege und der§ 109 des jede einzelne Dienstleistung zur vollen Tage honoriren, näher Reichs- Strafgesetzes Anwendung finden mußte. Wir gehören erjireben. Ob die Raffen resp. die Mitglieder dieses hohe Honorar bringt u. f. w." Hieraus ist genau zu ersehen, was die Aerzte nicht zu diesen Verbissenen und sprechen deshalb Herrn Thielen aufzubringen in der Lage find, ist den Aerzten ganz gleichgiltig. von dem Verdachte frei, daß er durch Gewährung einer Stellte doch der jetzige Vorsigende des Berliner Hilfskaffenärzte­folchen Entschädigung eine Art Bestechung habe ausüben Vereins die Forderung auf, daß in erster Linie für das Arzt­wollen. Herr Thielen hatte sicher nichts anderes im honorar zu sorgen sei, es wurde ihm aber bedeutet, daß erst die Auge, als den preußischen Eisenbahn Arbeitern die Krantenunterstüßung fomme. Es tritt immer flarer zu Tage, Bethätigung ihrer politischen Bürgerpflicht zu erleichtern; daß die sogenannten sozialpolitischen Geseze nur der Bourgeoisie und wenn diese Erleichterung zu gunsten der eben im zu gute kommen. Das Krankenkassengeset den Aerzten und vor Regimente sigenden Männern ausfällt, unter denen zufällig allem den Apothekern. auch Herr Thielen sich befindet, dann kann nur sozial demokratischer Nörgelgeist darin etwas Unrechtes sehen.

zu treiben..

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Berlin , den 13. Februar 1894. Die durch den Erlaß vom 19. v. M.- P. IV( 1) 10 398 ertheilte Ermächtigung, den bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeitern für die durch Ausübung ihres Wahl rechts versäumte Arbeitszeit auch bei fünftigen Wahlen eine Lohnvergütung zu gewähren, soll sich, wie ich der Röniglichen Eisenbahn Direktion auf den Bericht vom 3. b. m. 1 A. 762 erwidere, nur auf die Land tagswahlen beziehen. Für die Reich 3 tagswahlen besteht zum Erlaß einer entsprechenden allgemeinen Anordnung tein Bedürfniß. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. An die Königliche Eisenbahn- Direktion in Elberfeld . Abschrift zur Kenntniß und gleichmäßigen Beachtung. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. ( gez.) Thielen.

An

die übrigen Königlichen Eisenbahn- Direktionen.

P. IV.( I) 988. Hannover , den 21. Februar 1894. Abschrift übersenden wir unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 31. v. Mts. S. 107 I zur Kenntnißnahme. Königliche Eisenbahn- Direktion. Förster.

An

die Königlichen Eisenbahn- Betriebsämter,

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zwischen der Vereinigung Freier eingeschriebener Hilfskaffen und In dem Artikel heißt es weiter, daß der Kampf, der jetzt den Aerzten entbrannt sei, nur von dem Vorsitzenden der Ver­Wer im Rohre fißt, schneidet sich die Pfeifen", sagt einigung gegen die Aerzte geführt werde. Diese Ansicht ist, wie ein Sprichwort, und Herr Thielen sizt im Rohre und thut jeder weiß, der unsere Organisation tennt, unrichtig. Die zur nur, was andere vor ihm gethan haben. Warum ließen Bereinigung gehörigen Kassen wählen jede für je 1000 Mit­aber die bürgerlichen Parteien, die so lange in der zweiten glieder refp. für das angefangene Tausend einen Vertreter Kammer am Dönhoffsplay die Majorität besaßen, ein Wahl- resp. Stellvertreter, diese bilden die Vereinigung. Die Vertreter recht bestehen, das in so offenbarer Weise die Beeinflussung Borstand zur Leitung der Geschäfte. Sämmtliche Beschlüsse wer­resp. Stellvertreter wählen einen aus 7 Personen bestehenden hier durch die Regierung und ihre Werkzeuge, dort durch den nur von den Vertretern gefaßt. In den Arbeiterorganisa­die herrschenden Klassen und ihre Werkzeuge ermöglicht? tionen ist der Vorstand resp. Vorsitzende nur zur Ausfüh Weil die bürgerlichen Parteien zu egoistisch, zu charakter- und rung der gefaßten Beschlüsse befugt. zu gewissenlos sind, um nicht ein Wahlsystem zu stützen, das Eine Arbeiterorganisation würde keinen Vorstand dulden, rechtigkeit fördert.

die Herren Vorstände und Vorsteher der Abtheilungen des ihre eigenen Interessen auf Kosten von Wahrheit und Ge­

Zentralbureaus und der Hauptkasse,

die Herren Vorstände der Hauptwerkstätten, den Herrn Telegraphen- Inspektor Fink, hier, den Herrn Eisenbahn- Bau- u. Betriebs- Inspektor Everken, hier, den Herrn Landbauinspektor Bergmann in Osnabrüd, den Herrn Eisenbahn Bau- und Betriebs Inspektor Meyer in Harburg ,

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den Herrn Abtheilungs- Baumeister Diesel in Detmold , den Herrn Abtheilungs- Baumeister Hengen in Gladenbach ( je besonder 3).

No. S. 279 I ad.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

( Alle Rechte vorbehalten [ 63

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Das elendeste und erbärmlichste aller Wahlgesete iſt aber ganz vortrefflich geeignet, um als Werkzeug der Klassen­herrschaft zu dienen, und wer immer unter den gegen­wärtigen Verhältnissen in der Regierung fitt, es sind nur die Bevollmächtigten der herrschenden Klassen, die die Inter­effen der letzteren wahrnehmen.

welcher eigenmächtig handelte, der Vorstand als solcher würde verantwortlich gemacht werden, wenn er duldete, daß der Vor­ſizende nur versuchte, willkürlich zu handeln, das weiß jeder organisirte Arbeiter. Weiter heißt es, von dem Arzthonorar würden 5 pGt. Berwaltungstoffen in Abzug gebracht und die Sache so dargestellt, als ob die 5 pet. nur für die Bereinigung bestimmt seien.

In Wirklichkeit ist die Sache wesentlich anders. Von den 5 pCt. werden die Rezeptformulare, die Bons zur Beweisführung Das Rundschreiben des Herrn Thielen beweist nur der ärztlichen Behandlung, die Zirkulare, betreffend Angabe der wieder, mit welcher Rücksichtslosigkeit die Männer in der Mitgliederzahl und die ungeheueren Portofoften, welche bei Ver­

Und er steht noch immer vor ihr mit wild klopfendem jagenden Pulse, sein eigenes Herz klopfte nicht heftiger; Herzen, ein Wort erwartend, einen Blick nur, der diesen aber er umschlang diese zitternde Hand mit keinem Sturm in seinem Innern beschwören soll; aber als er den heißeren Druck und ohne ein Wort zu sagen geleitete er Schauer beinerkt, der sie überrieselt, erbleicht seine männ- sie durch den dunkelen, gewundenen Korridor in's Freie. liche Wange.

In diese bewegte Stille drang das Abendläuten vom Thurme von Andelfingen her, dem die Glocken von Ossingen antworteten.

Konrad richtete sich auf. " Ich muß fort!"

Auch sie erhebt sich.

Helene. Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky . Sie haben den ungleichen Pakt zerrissen es war eine fittliche That!... Jezt sind Sie frei und unab­hängig... heute brauchen Sie niemand zu fragen.. heute fönnen Sie Ihren Gatten selbst wählen, und eine Che schließen, die einzig diesen Namen verdient... Eine Ehe, wo sich zwei Menschen zusammenfinden in ihren feinsten, dann ist es hohe Zeit." subtilsten Empfindungen, aber auch in ihrem kräftigsten physischen Wollen und Verlangen und"... er hielt inne, in flammender Erregung und plöglichem Bagen seine zitternden Lippen sprachen nicht weiter... aber seine Augen fetten die leidenschaftliche Werbung noch fort.

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Und sie empfindet den ganzen Zauber dieser keuschen und frischen Männlichkeit, und es ist der berückendste, den ein Mann auf ein Weib üben kann aber gerade seine jungen flehenden Augen brachten einen Stachel in ihre Seele, ein jähes Erschrecken.

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Wenn Sie den Zug in Dffingen noch erreichen wollen, Er rührt sich nicht er steht unbeweglich was geht in ihm vor? Da ergreift fie's wie Angst, und in zitternder Ver­fie weiß taum was fie thut springt sie gegen wirrung fie weiß faum was fie thut die Thür und öffnet sie. Er nimmt seinen Hut und geht ihr nach. Sie sind im Stiegenhaus oben hat das Pochen und Hämmern aufgehört.

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Der Kastellan wird gleich herunterkommen," flüstert sie; darauf gehen sie rascher die Treppe hinab, als flüchteten Sie tam sich ihm gegenüber plötzlich alt vor.... fie vor einem Feind. Als sie die Halle erreicht hatten, hörte ihre Blüthe war abgestreift. Eine so schreckliche Ehe, wie man im oberen Stockiverke die Thüre öffnen. die ihrige, verwüstet sie nicht den Geist und den Körper? Helene, die voran ging, beschleunigte ihre Schritte. Und kann aufs neue erblühen, was zerpflückt und zertreten Da entfuhr ihr ein leises" Ah!" ihr Fuß strauchelte ist? Wie ein großer Schmerz überkommt sie's, über ein zu über die ausgebrochene Stelle. spät erkanntes, unwiederbringlich verlorenes Glüd. Thränen stürzen in ihre Augen, die sie rasch mit den Händen bedeckt.

Aber ebenso rasch hatte er sie gefaßt und vor dem Hinstürzen bewahrt.

Er behielt ihre Hand in der seinen und fühlte ihre

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Die Sonne war schon gesunken, aber die Höhen leuchteten in einem glühenden Roth, das alles verklärte. Er hatte ihre Hand losgelassen und sie gingen die Mauer entlang, stumm neben einander her.

Schon konnte man durch die Bäume nach dem Anger blicken, da war niemand, er konnte sich unbemerkt entfernen. Er blieb stehen.

Leben Sie wohl, Helene."

Sie sah zu ihm auf und blieb betroffen vor der ernsten nervösen Entschlossenheit, die sich in jedem Zuge seines Gesichtes aussprach.

Nie vorher hat sie ihn so gesehen und sie kann nicht loskommen von diesen ernsten Augen mit dem tiefen Schatten unausgesprochenen Wehes.

Er wird gehen in seiner trogigen Männlichkeit und schweigend es tragen aber sie

Sie wankt und lehut sich gegen die Mauer... Etwas Außerordentliches geht in ihr vor... plöglich ist es flar sie wußte bisher nicht, was Liebe sei, weil Keiner, Keiner sie noch geliebt hat, wie er, mit jenem heiligen und großen Gefühl- das auch ihr die Brust zersprengen will und das ein Almosen verwirft, weil es nur Alles um Alles tauscht.

Errieth er, was sie bewegt? In einer energischen Be­wegung streckt er ihr beide Hände entgegen.

Sie wirst sich an seinen Hals... ihre Arme um­schlingen ihn fest.