fenbwng dieser Gegenstände verursacht werden, desgleichen Porto. kosten für Geldsendungen an Aerzte. welche Liquidationen eingereicht haben, bestritten. Alle diese Ausgaben sind nur ärzt- liche und keine Kassenausgaben. Doch nicht genug damit, auch die Arbeiten, die daraus entstehen, die nur im Interesse der Aerzte liegt, muß die Vereinigung resp. der Vorstand machen. Der Verein der Berliner Hilfskasscnärzte kündigte zum ». April d. I. den Vertrag, um besser« Bedingungen zu erzielen, d. h. um von den Kassen noch mehr Rechte zu erhalten, denn daß sich die freien Hilfskassen dem Verein der freigewählten Kassen- ärzte nicht anschließen würden, wußten die Aerzte genau. Die Vereinigung kundigte den Vertrag ihrerseits, um mit dem Vereine überhaupt keinen Vertrag abzuschließen. Die Kündigung war vor sechs Monaten im Prinzip schon von der Vereinigung be- schlössen, da die Kassen an Händen und Füßen sich durch den Vertrag gebunden hatten. Der jetzige Vertrag wäre auch von den Hilfskassen nicht angenommen worden, wenn mehr Zeit zum Verhandeln gewesen wäre; die Aerzte hatten eS verstanden, die Verhandlungen hmzuziehen. Von den Gründen, welche die Vereinigung zur Kündigung veranlaßte, sollten nur ein paar hier angeführt werden. Wenn Beschwerden gegen einen Arzt von Patienten gemacht wurden, so bekam nie der Patient Recht, immer der Arzt, wenn das Unrecht des Arztes zu klar zu Tage trat, so lag dann Jrrlhum des Arztes vor, so daß in der Versammlung der Vereinigung kon- statirt wurde, eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus. Bei Liquidationen fremder Aerzte(z. B. für Unfälle auf Bauten oder in Werkstätten, ganz plötzlicher Erkrankung u. f. w.), wenn ein Vereinsarzt nicht zu erlangen war, oder sich verleugnen ließ, oder den Besuch bei Nacht überhaupt ablehnte(jetzt liegen wieder ein paar Fälle vor), wollten die Aerzte diese Kosten, trotzdem dieselben von den Aerzten laut Vertrag beglichen werden mußten, nicht zahlen. Erst nachdem vom Vorstande der Vereinigung energisch vorgegangen wurde, ließ sich der Vorstand der Aerzte herbei, diese Liquidationen fremder Aerzte, wenn sich nichts mehr entgegnen ließ, zu honoriren, nachdem vom Patienten ein Rechtfertiguugsschreiben beigebracht wurde, in dem die Forderung detaillirt war. Wenn man nun bedenkt, wie schwer den Arbeitern das Schreiben wird, so begreift es sich wohl, daß Viele auf Ersatz der Honorarforderung verzichteten, wenn sich nicht ein Kassenbeamter herbeiließ, dieses Schreiben einzureichen. Bei Unfällen, speziell in neuen Stadtvierteln, wenn weder ein Vereinsarzt, noch ein anderer Arzt zu erlangen war, die Wunden aber sofortige Reinigung, Blutstillung und Verband er- forderten, mußten die Patienten zu einem Heilgehilfen gehen resp. gebracht werden. Die Liquidationen derselben für Ver- bände, welche doch unstreitbar ärztliche Thätigkeit ist. weigern sich die Aerzte überhaupt zu honoriren. Es ist vorgekommen, daß die Honorarforderung eines Arztes für Verband 6 M. betrug, welche bewilligt wurden. Für denselben Verband, bei einem anderen Mitglied von einem Heilgehilfen ausgeführt, welcher l,S0 Mark kostete, lehnten die Aerzte die Bezahlung der Forderung runtnveg ab. Auf dem Gesund brunnen war seinerzeit nur ein Arzt angestellt, trotzdem die Vereinigung den Aerztevorstand gebeten hatte, doch mindestens einen weiteren Arzt anzugeben, welcher geneigt sei, für die Hilfskassen zu praktiziren. Als der alleinige Arzt'seine Pflichten nichterfüllte, wurde ein Arzt, welcher sich gemeldet hatte, von der Vereinigung in Vorschlag gebracht; dieser Arzt wurde vom Aerztevorstand seines sittlichen Verhaltens wegen abgelehnt. 24 Stunden später war der Grund des sittlichen Verhaltens be- kannt: der Arzt war Antisemit. Diese Beispiele dürsten genügen, sie könnten noch beliebig vermehrt werden. Das sind auch die Gründe, welche die Ver- einigung zu dem Entschlüsse veranlaßten, mit dem Verein der Berliner Hilsskassen-Aerzte einen neuen Vertrag nicht mehr ein zugehen. Es ist«ine grobe Unwahrheit, daß die Vereinigung sich heim- lich mit einzelnen Aerzten in Verbindung gesetzt habe, die Ver einigung hat sich nur mit den alten Aerzten in Verbindung ge setzt und jedem, den die Versammlung der Vertreter nicht abge> lehnt hat, zwei Verträge nebst Begleitschreiben zugesandt. Nun zu dem neuen Vertrag-, welchen der Artikelschreiber rigoros und unannehmbar bezeichnet. In dem neuen Vertrage sind dieselben Bedingungen enthalten, wie in dem alten, mit Ausnahme, daß von diesem Vereine keine Rede mehr ist. Der Vertragsentwurs ist jedem Vertreter der Vereinigung ge- druckt zugesandt worden, desgleichen dem Vorstande des Verbandes der Freien Krankenkassen in Hamburg ; der Vertrags- eutwurf war in den Händen der einzelnen Vertreter eine Woche, damit dieselben ihn genau prüfen konnten, der Vertrag ist dem- nach nicht das Werk des Vorsitzenden, sondern ist von den Ver- treten, der Kassen, so wie derselbe vorliegt, nach längeren Verhandlungen angenommen worden. Auch wurde zur Aus- arbeitung desselben«ine Kommission von S Vertretern Nur das Abendroth guckt in den stillen Winkel hinein und wirft seinen glühenden Widerschein auf ihr schönes Gesicht, das aufwärts, ihm zugeivendet bleibt und auf das er Kuß um Kuß drückt. .Auf Wiedersehen!* sagen sie und sagen eS immer wieder, weil sie sich nicht zu trennen vermögen. Endlich geht er doch. Aber ehe er um die Ecke biegt, muß er noch einmal sich umsehen. Sie stebt an die Mauer gelehnt, wie in seliger Er- mattung und lächelt und grüßt mit den Augen. Und in seinem überströmenden Glück überkommt ihn der alte Uebermuth: mit beiden Händen faßt er die zarten weißen Blüthen der Waldrebe zu einem Büschel zusammen und schlingt die langstieligen Winden und Wicken darüber und formt einen großen Blumenknäuel, den er ihr' zuwirft, als seinen endgiltig letzten Liebesgruß. Die blauen und weißen Blumen umrieseln sie. Sie faßt sie zusammen, drückt sie an ihr Herz, an ihre Lippen, und während Thränen aus ihren Augen stürzen, befragt sie sich selbst über das Wunder: Ist es denn möglich'■ Ist es möglich, daß alles, was sie erstorben glaubte, nun erst z» Blüthe und Dust gekommen ist! X. Der große weitläufige Perron des Bahnhofes in Winter- thur, wo die verschiedensten Linien zusammentreffen, zeigte, wie immer während der Reisesaison, bei Ankunft und Ab- gang der Züge, eine mannigfaltige, ineinander fluthende Bewegung. Diele Reisende verlassen hier'den Zug, um die Richtung zu wechseln, andere kommen herzu. Unter Denen, welche, um die rasch nach einander eintreffenden Züge zu erwarten, den Perron auf- und abschritten, be- fanden sich auch Konrad und ein jüngerer Genosse, die sich indeß absichtlich von«inander fern hielten. Konrad hatte seinen zugespitzten Knebelbart heute noch etwas kürzer geschnitten; er trug keine Kravatte; der Hemd- kragen war weit zurückgeschlagen und der Rock bis an den Bals zugeknöpft, so daß auch kein Streifen Wäsche zum erschein kam. Eine junge Engländerin, die promenirend auf und nieder schritt und bald von rechts, bald von links an ihm vorbei schlenkerte, äußerte sich ihrer Begleiterin gegenüber sehr entrüstet über diese Inkorrektheit,„ll'üo fsllov looks shocking!" versicherte sie. Aber die Acltere kicherte, während sie hinter ihrem gewählt. Die Bereinigung hat ferner abgelehnt, mit dem Verein Berliner Hilfskassenärzte einen Vertrag einzugehen welcher in seinem Statute den einzelnen Vereinsärzten unter sagt, mit dem Vorstande der Vereinigung sowohl wie mit einem Vorstande der betheiligten Kassen in Konkurrenz zu treten, es mußte demnach jede Beschwerde dem Vorstande der Aerzte erst eingereicht werden. Außerdem stand den Aerzten das Recht zu. jederzeit auszutreten, so daß es vorkam, daß die Patienten längere Zeit sich vergebens bemühen mußten, ehe sie ärzt liche Hilfe erhielten. Die Anstellung und Absetzung der Aerzte wrrd nach§ 4 des Vertrages mit einem aus sieben Aerzten bestehenden Ausschuß gemeinsam berathen, die Aus führungen dieser Beschlüsse erfolgt von Seiten der Vereinigung. wie es auch nach dem allen Vertrage gehandhabt wurde. Die Ab- [etzinig eines Arztes soll ohne weiteres erfolgen wegen sittlicher Verbrechen oder Vergehen, darunter versteht die Vereinigung solche, wie sie ein Arzt im vorigen Jahre in Rixdorf be- gangen hat. Im übrigen soll der Ausschuß der Aerzte dieselben Funk- tionen haben, wie jetzt der Vorstand der Aerzte. Die Jnstruk- tionen und sonstigen Bestimmungen werden ebenfalls mit dem Ausschuß gemeinsam getroffen. Verbolen ist den Aerzten in keiner Weise, einen Verein zu bilden, resp. ihren Verein zu behalten, die Vereinigung schließt nur mit jedem einzelnen Arzte den Vertrag. Welcher Fachverein kann heut die Fabrikanten bestimmen, diesen oder jenen Arbeiter einzustellen, jeder Fabrikant würde die Arbeiter nur auslachen, wenn ihm so etwas zugemuthet würde. Wenn die Vereinigung noch nicht gewußt hätte, daß sie den Aerzten gegenüber keine Rechte nach dem alten Vertrage hätte, so belehrte sie der Vorsitzende der Aerzte in der letzten gemein� samen Sitzung, in der er ausführte, die Unterschrist des einzelnen Arztes unter dem alten Vertrage sei gegenstandslos, indem der Vertrag mit dem Vereine der Berliner Hilsskassenärzte ge schloffen sei. Die Garantie für Arzthonorar w. von Seiten der Kasse» bleibt ebenso gesichert, wie sie es bis jetzt war; da dieselben sich statutarisch verpflichtet haben, allen ihren Verpflichtungen zu dem festgesetzten Termin nachzukommen. Einen recht komischen Ein- druck ruft der Aufruf des Vorstandes der Berliner Hilsskassenärzte in der„Medizinischen Reform" Nr. 4 vom 27. Januar d. I. und in dem vertraulichen Rundschreiben, welches an die Aerzte ver- sandt wurde, hervor. In demselben wird im letzten Absatz der Vorstand der frei gewählten Kassenärzte angefleht, doch ja den »ölhigen Druck(d. h. event. Ausschluß aus dem Vereine der frei gewählten Kassenärzte) auf seine Mitglieder auszuüben, was inzwischen geschehen ist. Dem einzelnen Milgliede soll eventuell verboten sein, einen Vertrag k vnt den Freien Hilfsknssen einzugehen; dem Verein der Berliner Hilfs- kassen-Aerzte als solchem muß dieses aber gestattet werden, trotz- dem dieselben alle im Verein der freigewähllen Kassenärzte sind. Jetzt erinnern sich auch die Hilsskassen-Aerzte ihrer Kollegen, an welche sie sich mit dem Ersuchen wenden, ja nicht einen Vertrag mit der Vereinigung einzugehen. Als ihnen das Bestimmungs- recht der Anstellung bei der Vereinigung zustand, da waren ihre Kollegen für sie nicht vorhanden, es wäre ja dann ein kleinerer Antheii des Arzthonorars auf sie entfallen. Man ging sogar so weit, daß, als der Aerzte- vorstand der Vereinigung das Anstellungsrecht zugestehen mußte, er erklärte, an den ohne seine Zustimmung aufgenommenen Arzt kein Honorar zu zahlen. Einen schweren Kanipf hatte es ge- kostet, um wenigstens zwei Nnturheilärzte aufzunehmen: Homöopathen dürfen aber unler keinen Umständen aufgenommen werden, die wurden einfach für Kurpfuscher erklärt. Jetzt sind aber alle werthe Kollegen, damit nur ja nicht ein Vertrag zu stände komme. Wenn der Vorstand des Vereins der freien Arztwahl die Aerzte, welche einen Vertrag mit der Vereinigung eingehen, ausschließen würde, müßten logischer Weise auch die Gewerks-Krankenkassen- Aerzte, die Armenärzte und die sonstigen Aerzte, welche ander- weitige Verträge z. B. mit der Schutzmannschast, Pferdebahn, Eabrikkassen, Krankenpflegerverein, Schneider und Schuhmacher rlskasse u. a. m. eingegangen sind, ausgeschlossen werden; Was würde wohl dann noch übrig bleiben von dem Verein der sreigewählten Kassenärzte? Es sei hier ausgesprochen, daß den Kampf, den die Hilsskaffen mit ihren Aerzten jetzt ans- kämpfen, nach kurzer Zeit die freie Vereinigung der Ortskassen mit dem Verein der freigewählten Kassenärzte zu führen gezwungen f ein wird, wenn das Weilerbestehen der Kassen nicht gefährdet werden soll. Die Vorpostengefechte haben bereits stattgefunden. Dies zur Kenntniß der Mitglieder freier eingeschriebener Hilfskassen. Die Vereinigung ist keinen Augenblick im Zweifel, mit ihrem Vorgehen gegen die Aerzte den richtigen Weg ein- geschlagen zu haben; dies ergab auch die Versammlung von Vorstandsmttgliedern am 13. o. Mts., die von dem Aerzte- Fächer den Wäschelosen noch aufmerksamer betrachtete und meinte, daß dieses„Sdort ok Imsn" nur Koketterie von dem Manne sei, um seinen kräftigen, schön gebauten Hals sehen zu lassen. Konrad schenkte den Damen keine Aufmerksamkeit. Er lächelte wohl einmal, worauf sich die Beiden mit den Ellen- bogen stießen und ein„look at hiß teeth" einander zuflüsterten, aber das Lächeln schien nur seinen eigenen Ge- danken zu gelten. Der heranbrausende Zug machte diesem müssigen Zeit- vertreib ein Ende und nahm die Aufmerksamkeit Aller in Anspruch. Ein Hasten und Hinundherlanfen begann, ein Rufen nach den Kommissionärs, ein sich Rüsten zum Einsteigen, denn der Zug hatte nur einige Minuten Aufenthalt. Konrad hatte sich breit auf den Perron hingepflanzt, um sich jeden Aussteigenden genau anzusehen. Zwei Herren gingen an ihm vorüber und musterten ihn verstohlen. „Schwarzer Rock— keine Kravatte— keine Wäsche das stimmt ," flüsterten sie; der Eine kam auf ihn zu: „Mein Herr, können Sie uns sagen, wo hier der Doktor Pförtner woynt?" Konrad nickte.„Ja." Dann mit den Augen den jüngeren Genossen bezeichnend, der einige Schritte von ihm stand:„Wenden Sie sich an diesen, er wird Sie führen." Konrad grüßte und ging zurück, um gleich darauf von einem Zweite» angesprochen zu werden und hierauf von einem Tritten. Das Frage- und Antwortspiel wiederholte sich noch oft an diesem Vormittage. Mit den von allen Richtungen anlangenden Zügen waren nach und nach sämmtliche Delegirte eingetroffen. Sie wurden nach ihrem Namen befragt und hierauf ein Gasthaus in Wintcrthur ihnen bezeichnet, in deffen Saal sie sich, ohne Aufsehen zu erregen, zusammenfanden. Hier hatten sie sich zu legimitiren und erst nachdem ihre Identität unzweifelhaft festgestellt war, erfuhren sie den Ort des Kongresses aus dem Munde des rothen Post- meisters selbst. Truppweise wurden sie nun von ihm auf verschiedenen Wegen nach Schloß Wyden dirigirt. Die Einen fuhren mit der Bahn nach Andelfingen , die Anderen nach Ossingen , die Meisten zogen als fahrende vorstand einberufen war. Hoffentlich ist der Aerztevorstand be- lehrt worden, daß bei den Arbeitern nicht der Wille des Einzelnen, sondern der Gesammtheit maßgebend ist. Zum Schluß können wir erfreulicher Weise mittheilen, daß jetzt die Einigung mit den Aerzten statrgefunden hat. Der Vorstand der Vereinigung freier eingeschriebener Hilfskassen von Berlin und Umgegend. I. A.: Jul. Schindler, Vorsitzender. Polinfttje ZtebevVxtftf. Berlin , den 9. März. Aus dem Reichstage. Die ersten Stunden wurden heute ausgefüllt mit der Berathung der Verwaltung der Reichs-Eisenbahnen, des Reichs-Schatzamtes und des Reichs- tages. Tie Debatte erhob sich bei keinem dieser Etats über einige allgemeine Bemerkungen. Etwas lebendiger wurden die Verhandlungen, als die gestern zurückgestellten Schiffsbauten dran kamen. Der Abg. Richter hatte für beide Schiffe namentliche Abstimmung beantragt. In der Debatte suchte der Abg. Bachem den Umfall des Zentrums, das voriges Jahr gegen diese Schiffe gestimmt hatte, zu rechtfertigen. Da er bei dieser Gelegen- heit sich ein paar dumme Redensarten über die„Minorität leistete, welche sich den LuxuS der Ablehnung erlauben könne", fertigte Richter den vorwitzigen Herrn etwas derb, aber durchaus zutreffend ab. In der Abstimmung wurde bei 228 abgegebenen Stimmen das Schiff Ersatz„Preußen" mit 134 gegen 90 bewilligt. Das zweite Schiff Ersatz„Leipzig " dagegen bei 212 anwesenden Abgeordneten mit 117 gegen 95 Stimnien abgelehnt. Einige Nationalliberale und Zentrumsabgeordnete hatten das zweite Mal mit Nein gestimmt. Die weitere Forderung: Bau eines Aviso- Dampfers Ersatz„Falke" mußte durch Hammelsprung entschieden werden, wobei sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergab. Es stimmten 184 Abgeordnete, davon 99 mit Nein und 85 mit Ja. Das Haus wird hierauf bis 9 Uhr Abends vertagt. Bundesrath. In der am 8. d. M. unter dem Vorsitz des Vize-Präsidenten des Staatsministeriunis, Staatssekretärs des Innern, Dr. von Bötticher, abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde dem Entwurf eines Gesetzes wegen Verlängerung des bestehenden Handelsprovisoriums zwischen dem Reich und Spanien , sowie dem Ansschußantrage zu dem Entwurf von Bestimmungen, betreffend den Nachrichten- dienst in Viehseuchen -Angclegenheiten die Zustimmung er- theilt. Der Antrag Anhalts, betreffend die Zulassung ge- mischter Privattransitlager ohne amtlichen Milverschluß für Getreide am Wallwitzhafen bei Dessau , und die Vorlage, betreffend die zollfreie Ablassung von Bleiröhren bei Ver- wendung zur Ausrüstung von Seeschiffen wurden den zu- ständigen Ausschüssen überwiesen. Endlich wurden Eingaben vorgelegt.— Eine Sitzung, die keine Sitznng ist. Wenn man es genau nimmt, ist die heutige Abendsitzung des Reichstages nur ein Abend kr änzchen, ohne jede gesetzgeberische Eigenschaft. Der Präsident„vertagte" nämlich heute Nachmittag die Sitzung bis auf den Abend 9 Uhr. Er that dies, weil ein Hammelsprung die Beschluß- Unfähigkeit des HauseS festgestellt hatte. Nach festgestellter Beschlußunfähigkeit hört aber eine Sitzung auf. Und eine Sitzung, die aufgehört hat, die also nicht mehr ist, kann selbstverständlich nicht vertagt werden. Der Prä- ident hätte eine neue Sitzung anberaumen müssen. Kein Zweifel hieran. Freilich— niemand hat ein Interesse daran, die Sitzung für ungiltig zu erklären, und so wird ein Aug- zugedrückt, und die Sitzung, die thatsächlich weder ein ver- tagter Sitzungsrest noch eine selbständige Sitzung ist, wird 'ür voll genommen.— Die UngiltigkeitserklSrung der Wahl deS Reichstags- Abgeordneten Polenz hat denbesondcrenZorn der,�reuz-Ztg. erregt. Das Blatt meint, daß in der„Wahlprüfungs- kommission sonderbare Vorgänge" sich abspielen. DaS ist nun keineswegs der Fall. Gesellen gleich von Winterthur auS zu Fuß dem alten Raubschloß entgegen, in dessen Mauern sich am Abend des 20. August sämmtliche Theilnehmer des Kongresses ver- einigt hatten. Die Winzer, die in einer Reihe von Häuschen in der Umgebung des Schlosses sich angesiedelt, waren von der Arbeit nach Hause gekommen und hatten sich bald daraus �ur Ruhe begeben. Keiner sah nach dem alten Schlosse hinüber, das wie immer in Stille und Dunkel begraben lag. Aber plötzlich wurde es darin lebendig; die Fenster er- chienen erleuchtet und die leeren Wände hallten wieder von auten kräftigen Stimmen. Tie Männer, die aus allen Gauen Deutschlands , aus Oesterreich und der Schweis sich hier zusammengefunden hatten, schüttelten sich die Hände mir jenem festen, innigen Druck, mit dem sich Brüder und Kämpfer begrüßen. Sie alle sind sich der Bedeutung des Augenblicks wohl Iiewußt, und es ist wie ein Ueberspringen von Kraft und Feuer von einem zum anderen, das seine einigende und belebende Wirkung übt. Sie alle waren Angefeindete und Verfolgte. Die meisten waren ihrer bürgerlichen Existenz beraubt, getrennt von Weib und Kind, und doch hatte keiner ge- zögert, das Mandat anzunehmen, daS seine Genoffen ihm vertrauensvoll übertragen hatten. Es war ein tiefernster, feierlicher Moment, als einer der Führer der Partei, ein Mann noch jung an Jahren, ein Denker mit klarem, weitschauendcm Blick sich erhob, um die Genossen, die sich unter den schwierigsten Um- tänden hier versammelt hatten, in warmen, freudig be- wcgten Worten zu begrüßen. Ein edles Hochgefühl leuchtete auS seinen Augen, jener Muth, jenes Feuer, die nur der Kamps für unpersönliche und hohe Ziele entzündet. Mit Befriedigung und Rührung konnte er darauf hinweisen, daß die Partei trotz der Drangsalirungen der ! etzten Jahre an Haupt und Gliedern gesund geblieben war. Ungebrochen, voll innerer Lebenskraft, von den Verhält- nisscü selbst vorwärts getrieben, verlangte sie gebieterisch nach Weiterentwicklung. Und so konnten denn Alle, die hier ver- ammelt waren, im Namen jener großen Gemeinschaft sprechen, die zu einer Macht sich gestaltet, bestimmt die Welt in neue Formen zu wandeln.' (Fortsetzung folgt.)
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