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Es wäre auch völlig unverständlich, wenn der Staat auch gegenwärtig noch an dem Prinzip der Beihilfen festhalten wollte. Tas ist leider in der Beroangenheit zu oft geschehen. Sachsens  Industrie ist durch Slaal-geld, d. h. aus dem Sättel dss Volkes geradezu groß gepäppelt worden? man schlage nur -einmal in der Geschichte nach. Sachsens   gewaltige Staatsschulden basirten zu einem großen Theile im vergangenen Jahr- hundert wie auch in dem laufenden aus Staatsbeihilfen an das Kapital. Die durch diese Beihilfen groß gewordene Industrie hat sich aber an ihren Arbeitern wenig dankbar erwiesen. Sie bat jederzeit schlechte Löhne gezahlt und sich auch sonst des Wohles der Arbeiter nur wenig angenommen. Ter Staat ist vor wenige» Jahren erst einer Reihe bankrotter Silbergruben insofern zu Hilfe gekommen, als er dieselben ankausle. Damals. wie heute, schützte man die Arbeiter vor, welche man entlassen müsse, sobald kein Geld bewilligt würde. Auch die Zwilterstocks- Gewerkschaft machte geltend, daß sie im Falle der Versagung der£KXK) Mark ihre 140 Arbeiter entlasten würde. Die Arbeiter schiebt man bekanntlich imnker vors Loch, wenn man vom Staate etwas erreichen� will, das ist eine bekannte Sache. Soll der Staat die Industrien erst subventioniren, so könnte er besser gleich zur Verstaatlichung schreiten, doch dann dürfte er nicht nur verkrachende Industrien, sondern auch die guten, blühenden Industrien expropriiren, wie es das Programm unserer Partei verlangt. Die Slaatsbeihilse an das Kapital ist eine der wider- lichsten Erscheinungen in der ganzen Geschichte der Volkswirth- schasl. Die SOOV Mark sind gleichwohl genehmigt worden, weil man im Ablehnungsfalle die Stadt Altenberg  , die Zinnberg- arbeit«? und auch die Gewerkschaft in Fahrlichkeiten zu bringen fürchtete. Man denke, lumpige 9000 Mark sollen da ein Unter- nehmen halten, wo nach des Präsidenten Aussage 100 000 Mark jährlich an 165 Arbeiter und 20 Beamte des genannten Werkes in Gestalt von Löhnen und Gehältern gezahlt werden müssen. Tie 9000 Mark stellen ein reines Geschenk an eine verkrachte Industrie dar. Stolle meinte noch lustig: wenn man die Privat- industrie stützen wolle, so möge Ackermann doch seinen Schwieger- söhn Mehnert, der Direktor des landwirthschastlichen Kreditvereins ist, ersuchen, die 9000 Mark zu geben, aber dem Staat solle man nicht zumuthen, sein Geld zu verlieren. Zur Besserung der Wohnungsverhältuisse will die sitelchsregierung nicht die Hand bieten, wie die unten folgende Antwort des Staatssekretärs Dr. Bötticher auf eine bezügliche Eingabe des Verbandes der evangelischen Arbeitervereine von Rheinland   und Westfalen   beweist. Die- selbe lautet: Dem Ausschuß erwidere ich auf die gefällige Eingabe vom 9. Februar ergebenst, daß ich bei aller Anerkennung der sozialen Bedeutung der Wohnungsfrage Bedenken trage, von Reichs wegen eine durchgreifende En- quete über die Beschaffenheit der Arbeiter- Wohnungen in den einzelnen Bundesstaaten anzuregen. Ein derartiger Schritt würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn in Aussicht genommen werden könnte, zur Bekämpfung der durch die En- quete ermittelten Mißstände den Weg der Reichsgesetzgebung zu betreten. Wie ich aber schon in der Sitzung des Reichstags vom 6. dieses Monats näher ausgesührt Kode(Stenogr. Bericht Seite 1053), halte ich bei der Verschiedenartig- keit der zu berücksichtigenden Verhältnisse es kaum für möglich, in der Wohnungsfrage zur Auf- stell ung Überein st ininrcn der, für das ganze Reich geltender Grundsätze zu gelangen. Viel- mehr glaube ich, daß hier zweckmäßig nur auf dem Wege ort- licher oder für gewiste größere Bezirke zu erlassender An- ordnnngen vorgegangen werden kann, wie solche in einzelnen Bnnde-staaten und von mehreren Stadtgemeinden bereits ge- troffen oder beabsichtigt sind. Schwcnuigcr und sein Doppelgänger. Betreffs des russischen Handelsvertrags sollte der Hosgänger von Friedrichsruh   erklärt haben, die Ablehnung des Vertrages bedeute den Krieg mit Rußland  . Die Aeußerung wurde von dem Urheber, der doch bei seinen Leuten nicht in den Geruch kommen will, für Caprivi agitirt zu haben, heftig abgeleugnet, und schließlich durch absolut unanfechtbares Zeiigniy aus Mittheilungen des bismarckschen Hausheiligen: des Dr. Schwenuiger zurückgeführt. Dieser erklärt nun, er habe nie etwas ähnliches gesagt. Er muß also einen Doppel- gängcr haben. Vor zwanzig Jahre» und mehr, als er auf dem Kirchhof in München   mit der Frau seines Universitäts  . Lehrers erwischt wurde, bebauptete er auch, er habe einen Doppelgänger. Damals glaubte man ihm nicht und schickte ihn wegen schamlosen Sittlichkeitsvergehens inS Gefängniß. Sollte er damals nicht gelogen haben? Wer weiß, viel- leicht findet er jetzt den Doppelgänger und beweist seine Unschuld. Ein geadelter 48er. Ludwig August Frankl  , einer der Führer der Wiener   studentischen Bewegung des Jahres 1848, der Verfasser des ersten zensurfreien Gedichtes Die Universität" ist in Wien   im Alter von 84 Jahren ge» storben. Er war«in sebenso eingebildeter, wie unfähiger Dichter, er krebste mit den Erinnerungen des Jahres 1848, über dessen Märztage er alljährlich in der abgeblaßt liberalen Nnim Freien Presse' Erinnerungen veröffentlichte. sSeine revolutionäre Gesinnung war aber so ungefährlich, daß er trotz seiner jüdischen Konsession vom Kaiser von Oesterreich  geadelt wurde. Wir hätten seines Todes nicht Erwähnung gethan, wenn die bürgerliche Presse ihn nicht so stark feiern lvürde. Der internationale Arbeiterschich-Kougress wird in Zürich   vom 19. 2L. August tagen. Die Stellung der deutschen   Sozialdemokratie zu diesen« Kongresse ist unseren Lesern bekannt. Tie Erbschaftssteuer für die Erbfolge auf Seiten- linien«vird im schiveizerijchen Kanton Frciburg erhöht. Ter Beginn des Zusanilnenbruchs. Aus Paris  wird uns unterm 11. März geschrieben: Seit die Re- girnrng ihren von den Sozialisten längst durchschauten neuen Geist' in öffentlicher Sitzung verkündigte, geht eS mit ihr schnell abwärts. Die Abgeordneten erhalten von allen Seilen Zuschriften von ihren Wählern, gegen die nun offenbare ReatliG, der Regierung.   den armen Leuten mußte erst Spullcr das Tüpschen auf dem i setzen, bevor sie sie sahen Front zu machen, weshalb sie sich denn auch immer«nchr und mehr von der Regierung abtvenden, die denn auch gestern, zum ersten Mal, in der Minorität blieb. Der Abgeordnete Mas hatte nämlich einen Dring- lichkeitsantrag eingebracht, der dahin geht, die städtischen Zollabgaben für alle hygienischen Getränke vom f. Januar 1895 aufzuheben. Herr Casimir Pcrier sprach sich dagegen anS, sich gleichzeitig darauf berufend, daß die Regierung versprochen habe, einen Gesetzentwurf, bcmffuid die Reform der Geträukesteuer einzubringen, bei welcher Gelegenheit ma«, denn auch die städtischen Zoll- abgaben AHandeln könne. Nichtsdestoweniger hatte sich die Kammer mit 272 gegen 204, das ist mit einer Mehrheit von 68 Stimmen für die Dringlichkeit des emgebrachten Antrages erklärt. Es ist die erste bedeutende Schlappe, der Beginn des Zusammenbruchs der Regierung Perier- Raynal-Spuller. In derselben Sitzung hat die Kammer beschloffen, den von Jules Guesde   eingebrachten Antrag, der dahin geht, die Freiheit der Wahlversammlung zu sichern, in Berathung zu ziehen trotz der Einwände, die Herr Raynal   gegen den Antrag zu machen hatte. Ja, das Wasser dringt immer mehr ins Regierungsschiff, es beginnt zu sinken. Militär-Amncstie. Die sozialistische Fraktion der französischen   Kammer hat wie uns aus Paris   geschrieben wird ans Antrag unseres Freundes Vaillant beschlossen, demnächst einen Antrag auf Amnestie für alle militärischen Verurtheilungen einzubringen, welchen politische Ursachen oder Disziplinarvergehen zu Grunde liegen. Ursache und Wirkung. In Frankreich   wird seit Anfang dieses Jahres ungewöhnlich viel geraubt und gestohlen. Die Presse bringt das mit den Massen-Haus- suchungen und der Anarchistenjagd in Verbindung. Die Polizei kann natürlich nicht an zwei Orten zu gleicher Zeit sein, und sie hat mit den politischen Verbrechen soviel zu tbun, daß sie um die anderen sich nicht bekümmern kann. Wir wundern uns nicht; wir»rissen ja, daß in Deutsch  - land die einzigen Menschen, die für das Sozialistengesetz schwärmten, die Spitzbuben waren die großen und die kleinen. Für die HerrenSeidenhemden" ist jene Tbat- fache allerdings sehr schmeichelhaft sie beweist, daß ivenigstens nicht alle Diebe und EinbrecherAnarchisten sind. Mit Gesetzen schlägt man den Anarchismus nicht todt, trotzdem fabrizirt die französische   Regierung ein Gesetz nach dem anderen, so liegt jetzt der Deputirtenkaminer eines vor, welches die Veröffentlichung der Untersuchung und Verhandlung in Anarchistenprozessen verhindert. Nächstens wird wohl die Folter und das Rädern eingeführt iverden. In Italien   zieht sich die Situation zusammen. Die Kammer wird sich allen, Anscheine nach weigern, Crispi Generalvollmacht zu ertheilen und Crispi soll daran denken, die Diktatur gegen den Willen des Parlamentes an sich zu reißen. Er will blind ins Verderben rennen und die Re- volutiou gegen sich selbst anrufen. Im englischen Parka, nent folgt der Verlesung der Thronrede stets eine A d r e ß d e b a t t e, in der das ganze Gebiet der inneren und äußeren Politik behandelt wird und zwar findet sie gleichzeitig in den zwei Häusern statt. Diesmal ist die O b e r h a u s d e b a t t e die inter- essantere, weil sowohl der Führer der Opposition, wie der Chef des Ministerinms dem Oberhause angehören. Das einzige der Erwähnung werthe, ist denn auch im Oberhaus gesagt worden. Freilich auch das ist kaum der Erwähnung werth. Lord Roscbery gab auf Lord Salisbury's   Anzapfungen genau die Erklärungen ab, die jeder halbivegs aufgeweckte Politiker erwartet hatte: allgemeine Redensarten, die nichts bedeuten und zu nichts verpflichten. In bezng ans die zwei Fragen, die von G l a d st o n e als die brennendsten hingestellt waren: der Homerulebill und der O b e r h a u s r e f o r m die beide bezeichnender Weise in der Thronrede gar nicht erwähnt sind drückte Lord Rosebery   sich so diplomatisch aus, daß aus seinen Worten Alles herauszulesen ist und er vollständig freieHand hat. Viele Liberalen halten seine Rede für zu diplomatisch. Die Opposition dagegen ist sehr zufrieden. Gewiß ist, daß Jemand, der zu durch- greifendem Vorgehen entschlossen ist oder auch nur daran denkt, nicht s o diplomatisch sich ausdrücken kann. Genug Gladstone ist weg, und der radikale Theil seines Programms ist ihm nachgeworfen worden. In Bukarest  , der Hauptstadt von Rumänien  , kam es, wie. es scheint, anS Anlaß des von unS schon erwähnten Osfizierstreiks, zu Zusammenstößen zwischen dem Volke und der bewaffneten Macht. Die rumänische Regierung scheint Tclcgralnme über die Vorgänge unterdrückt zu haben, so daß Näheres noch nicht berichtet werden kann. Tas Ende des brasilianischen Bürgerkrieges scheint gekommen. Von allen Seiten auch über Washington, wo man am vesten unterrichtet ist kommen Nachrichten, die den vollständigen Sieg der Regierung melden. Tie Aufständischen im Hafen von Rio Janeiro haben bereits Bereitivilligkeit, sich zu ergeben, angezeigt. Es ist unzweifelhaft, daß die ainerikanische Regierung einen entscheidenden Einfluß ausgeübt hat und noch ausübt, was jedenfalls sehr im Interesse des Landes. Vnrlcuueilkcml'rfzes. Die Stempelsteuer Kvu»uission, welche bei Berathung der Börsensteuer nichl vonvärts kam, hat heute, nachdem der Theil des Gesetzes, welcher die Börsensteuer betrifft, erledigt ist, die Quiitungs- und Fracktbrief-Sleuer abgelehnt. Der konservative Abgeordnete v. d. Gröben-Arenstein wollte seine Geschicklichkeit im Stcnerobjekifinden beweisen und hatte folgenden Antrag gestellt: An Stelle der Nr. lila.(Quiltungsstempel) und Ulc(Fracht- brief-Stcinpel) des Gesetzentwurfs sind folgende Bestimmungen vorbehaltlich der Schlußredaktion zu setzen: 1. Von allen im Deutschen Reich erfolgenden Verkäufen und geschäftlichen Umsätzen, sei es auf Rohprodukte oder Fabrikate, erhebt das Reich eine Abgabe von Ve pro Tausend vom Werthe. 2. Für einen jede» geschäftlichen Umsatz, welcher mehr als 20 M. beträgt, ist dem Käufer eine Nota anszustellen und solche mit einer Steinpclinarke in Höhe des zu entrichtenden Umsatz steuerbetrages. zu bekleben.(S. Nr. 4.) 3. Die Stempelmarke ist durch Ausfällung des Datums (ähnlich der Wechsel-Stempelmarke) zu enlwerthen. 4. Alle Beträge von 20 bis 100 M. unterliegen einer Steuer von 5 Pf.; jede angefangenen weiteren 100 M. werden mit weiteren 5 Pj. besteuert. Jedes Tausend trägt also 50 Pf. Steuer. 5. Kein Verkauf über 20 M. verpflichtet zur Zahlung, wenn nicht ein» mit der nölhigen Stempelmarke versehene Nota bei gegeben wird. 6. Keine Faktura hat irgend einen rechtsverbindlichen Werth, wenn nicht die gesetzliche Umsatzsteuer in vorgeschriebener Form (s. Nr. 2) entrichtet ist. 7. Wer gegen die Bestimmung in Nr. 2 verstößt, verfällt in eine Strafe gleich dem 10 fachen Werth der hinterzogenen Steuer. ö. Von der Entrichtung der Umsatzsteuer sind befreit: ») Alle diejenigen Umsätze, welche durch die Börsensteuer in irgend einer Form und Höhe bereits betroffen(de- steuert) sind. d) Alle Wechsel und Umsätze, welch« lediglich Geldüber Mittelungen zun« Zwecke haben. o) Alle von Deutschland   nach dem Auslande erfolgenden ge* schäftlichen Umsätze. d) Alle diejenigen Umsätze, welche lediglich den Tranfit- resp. Durchgangsverkehr des Auslandes betreffen. e) Die Erzeug nisse der Laudwirthschaft, so- weit dieselben durch den Produzenten ver- kauft werden.. Sehr eingehend suchte der Antragsteller seinen Antrag zu be- gründen und zu beweisen, daß durch Annahme dieses Antrages eine gerechte Steuer geschaffen wird. Gerecht im Sinne dieses Herrn ist jede Steuer, von welcher dl« Grundbesitzer wenig oder garnicht getroffen iverden. Gegen den Zlntrag sprachen der Antisemit Werner, M ü l l e r- Fulda(Zentrum) und Richter. Der letztgenannte Redner führte aus, daß die Summen, welche durch die Quittungs- steuer, die Frachlbriefsteuer oder den Antrag v. d. Gröben aus- gebracht werden sollen, garnicht erforderlich sind. Durch die Erhöhung der Börsen- und Lotteriesteuer wird eine Mehr- einnähme von zirka 24 Millionen Mark geschaffen. Ferner ist der Etat durch die Abänderungen, welche er in der zweiten Lesung erhalten hat, um 2022 Millionen Mark günstiger ge- stellt. Das ganze Defizit, zu dessen Deckung neue Steuern er- forderlich wären, ist beseitigt, folglich können wir die ganzen Borschläge ablehnen. Singer spricht sich ebenfalls gegen die Annahme des Ge­setzes, sowie gegen den Antrag aus. Er sagt, wenn der Antrag v. d. Gröben angenommen würde, dann könnte man das bekannte Volkslied mit folgender Variante singen:So kleben wir, so kleben wir, so kleben wir alle Tage". Auch huldigt der Antrag dem Grundsatz derjenigen, welche das Gebet zum heiligen Florian erfunden haben. Ebenfalls birgt der Antrag eine juristische Ungeheuerlichkeit i» sich. Eine einseitig ausgestellte Faktura kann nie rechtsverbindlich sein. Die juristischen Bedenken über den Antrag theilt auch der Abg. Rinielen(Zentrum). Er giebt im Namen der ganzen Fraktion die Erklärung ab, daß das Zentrum geschlossen gegen die Quittungs   st euer, gegen den Fracht- briefstempel, gegen den Checkstempel und gegen den Antrag von der Gröben stimmen werde. Der Staatssekretär Graf Posadowsky giebt zu, daß der Etat jetzt günstiger gestellt ist, als er bei seiner Aufstellung aussah. Die Sieuervorlagen sind aber nicht gemacht, um äugen- blickliche Verlegenheiten zu beseitigen,� sondern um die Steuer- reform durchzuführen. Die Steuerreform sei nöthig, um die Etats der Einzelstaaten zu entlasten. Er sucht die Regierung zu entschuldigen, daß sie die Steuervorschläge gemacht hat. Früher haben Vertreter der liberale,» Partei die Stempelsteuer vorge- schlagen, so z. B. Lasker, Löwe, Kalbe  . G a n> p ist für die Steuerreform. Die Einzelstaaten ge- brauchen Geld. Um so unsympathischer ist ihm die Quittungs- steuer, besser ist schon der Frachlbrief- und der Checkstempel. Er glaubt aber, daß man vorläufig noch ohne diese Steuer aus- kommen kann, wenn der Depeschentaris wieder aus 6 Pf. pro Wort und das Drucksachenporto auf 5 Ps. erhöht werde. Böttcher(nall.) ist für die Finanzreform, aber gegen die Quittungssteuer. Der Antrag v. d. Gröben wird gegen die Stimmen der Konservative» abgelehnt. Für den Antrag des Antisemiten Leuß, welcher für Quit- tungen über eine Sunime von 50500 M. eine Steuer von tO Pf. und für jede weiteren 500 M. oder einen Theil derselben 10 Pf. mehr erheben will, stimmten ebenfalls nur dies Konser- vativen. Ohne Debatte wurde denn auch der Checkstempel und die Frachtbriefsteuer, sowie der Theil des Gesetzes der Steuer- Vorlage,«velcher sich aus diese drei Steuerraten bezieht, ab- gelehnt. Die übrigen drei Stenergesetze, welcher dieser Komnnsston überwiesen sind, sollen erst nach Ostern begraben werden. Vsvkeinclöltvittlkeu. lieber Polizeizustände in Sachsen   schreibt man uns: Es sind doch liebliche Zustände, welche in unserem schönen Sachsen   zu Tage treten. Für auswärtige Redner ist Sachsen  , speziell unser Leipzig  , ein Paradies, denn hier läuft keiner Ge- fahr, sich die Kehle wund zu reden. Unserer Aufforderung gemäß kam Genosse Hoffmann-Berlin nach hier, um an drei Abenden Versammlungen abzuhalten. Die erste im Frauenverein gestattete man, die zweite in Plagwitz   mit dem ThemaModernes Raub- ritterthum" und die dritte mit dem ThemaDie zehn Gebote und die besitzenden Klassen" wurden von unserer für- sorglichen Polizei vorher verboten. Doch damit ja nichts passirte, beorderte man am 3. d. Mts- nach Connewitz, wo wir statt der geplanten öffentlichen unsere regel­mäßig wiederkehrende Mitgliederversammlung abhielten, zwei Krimmaibeamte, I Wachlmeister und 4 Schutzleute zur Be- wachung. Genosse Wiesenthal hielt seinen Vortrag über:Ent- stehung des Adels". Genosse Hoffmann(welcher sofort Mit- glied unseres Vereins geworden war) nahm in der Dwkusston das Wort zum Vortrag. Er sprach sehr ruhig und sachlich- als er aber die unschuldig« Redewendung gebrauchte: Wo der Adel diese Wege(nämlich des Grop- betriebes) betreten hat, kann er sich nur auf die Dauevnoch halten", entzog ihm der Ueberwachende das Wort. Warum? Jedenfalls hatte seine milleidige Seele bemerkt, dap unser Genosse H. heiser war, wollte er ihm vor gänzlichem Verbrauch seines Kehlkopfs hindern? Das Erheilernste der Sache war aber, daß die Bewachung auch nach Schluß der Ver- sammlung anwesend blieb, das störte uns aber nicht, im Gegenlheit verweilten wir alle bis gegen 1 Uhr Nachts im Lokal. Ob die besorgte Polizei glaubte, wir wollten uns für das Verbot durch einegeheime" Nachtversammlung entschädigen? Lolrales. Schon wieder eine Blutthat! Eine blutig« Eisersuchts- szene hat sich am Dienstag Abend kurz vor 6 UhrZim Hause Paro- chialstraße 9 abgespielt. In diesem Hause wohnt zwei Treppen hoch die seit einem Jahre verwiltwete Frau Marie Iben, eine Frau mit drei Kindern; drei Treppen hoch wohnt der Schuh  - wacher Jagischewski mit seiner Familie. Am heutigen Nach- mittag kam Frau I. zu der Frau Iben und warf derselben vor, mit ihrem Mann im Keller gewesen zu sein und Ehebruch ge» trieben zu haben. Frau Iben, die sich des besten Leumunds er- freut, verwahrte sich entschieden gegen diese Beschuldigung und ging bald daraus nach der J.'schen Wohnung hinauf, um den Schuhmacher zu ersuchen, seine Frau aufzufordern, derartige unwahre Beschuldigungen zu unterlassen, bezw. zu widerrufen. Dieser Vorgang spielte sich in aller Ruhe ab, bald darnach muß wohl Frau I. ihrem Mann in den Ohren gelegen und diesen aufgereizt haben, denn selbst diese Annahme würde den weiteren Verlaus der Sache nichl aus- reichend erklären. Schuhmacher Jagischewsky drang nämlich um b/iS in Gemeinschaft mit seiner Frau in die Wohnung der Frau Iben; Frau I. schlug sofort mit der Faust in das Gesicht der Frau Iben und I. selbst hieb mit einein Schustermeffer ans die- selbe ein und brachte ihr zwei klaffende, bis auf die Knochenhaut reichende Stiche aus dem Kopfe bei. Damit noch nicht genug, lief er nach der Küche und holte ein Beil. Frau Iben, die dies bemerkte, lies die Treppe hinab, I. konnte sie mit dem Beil« nicht mehr erreichen, stieß sie aber noch mit dem Fuße in beiz Rücken, so daß die Verletzte die letzten Treppenstufen hinab? stürzte. Nachbarn hielten den I. von der Fortsetzung seiner Brutalitäten ab und brachten die Verletzte zu einem Arzt, de: die Verletzungen als schwere, wenn auch nicht lebensgefährliche erkannt«.