Einzelbild herunterladen
 

Nr. 131.- 32. Jahrg.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Breis pränumerande: Bierteljährl 8,30 m, monatl 1,10 wöchentlich 25 Bfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 6 Bfg. Sonntags nummer mit illustrierter Sonntags Beilage Die Neue Welt" 10 Big. Bost Abonnement: 1,10 Mart pro Monat Eingetragen in die Post Beitungs Breisliste. Unter Kreuzband für Deutschland   und Desterreich. Ungarn  2,50 Mart, für das übrige Ausland 4 Mart pro Monat Bostabonnements nehmen an: Belgien  , Dänemark  , Holland  , Italien  , Quremburg, Portugal  Rumänien  , Schweden   und die Schweiz  

Ericheint täglich.

.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

5 Pfennig

Die Infertions- Gebühr

beträgt für die sechsgespaltene Kolonel zeile oder deren Raum 60 Pfg., für bolitische und gewerkschaftliche Vereins und Bersammlungs- Anzeigen 30 Pig. ,, Kleine Hnzeigen", das fettgedruckte Wort 20 Pfg.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pig. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erste Wort 10 Pẞfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buch­staben zählen für zwei Borte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Donnerstag, den 13. Mai 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplak, Nr. 151 90-151 97.

Auch die östliche russische Karpathenfront erschüttert.

ruſſiſche

Die Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 12. Mai 1915 vormittags.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplaz.

Feindliche Flieger bewarfen gestern die belgische Stadt Brügge   mit Bomben, ohne militärischen Schaden anzurichten. Deftlich von Ypern   nahmen wir eine wichtige, von Hochländern verteidigte Höhe. Dünkirchen   wurde weiter von uns unter Feuer ge­gehalten. Deftlich Digmuiden schossen wir ein englisches Flugzeug ab.

Die zwischen Carency und Neuville( in der Gegend nördlich von Arras  ) von den Franzosen in den letzten Tagen genommenen Gräben find noch in ihrem Besik.

Im übrigen waren auch gestern alle Durchbruchsversuche des Feindes vergeblich; feine Angriffe richteten sich hauptsächlich gegen unsere Stellungen östlich und südöstlich von Vermelles, gegen die Lorettohöhe, die Orte Aiblain, Carench sowie gegen unsere Stellungen nördlich und nordöstlich von Arras  . Sämtliche Vorstöße brachen unter den schwersten Verlusten für den Feind zusammen.

Ein Versuch des Gegners, uns den Hartmannsweilerkopf wieder zu ent­reißen, scheiterte. Nach starker Artillerievorbereitung drangen französische Alpenjäger hier zwar in unser auf der Kuppe gelegenes Blockhaus ein, sie wurden aber sofort wieder hinausgeworfen.

Deftlicher Kriegsschauplatz.

Bei Szawle   ist ein noch unentschiedenes Gefecht im Gange.

An der Bzura wurde ein russisches Bataillon, das einen Versuch zum Ueber schreiten des Fluffes machte, vernichtet.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Unsere Verfolgung zwischen Karpathen und Weichsel   ist im vollen Zuge geblieben. Dem Feinde wurde auf der ganzen Front weiterhin schwerer Abbruch getan. So nahm ein Bataillon des 4. Garderegiments zu Fuß allein 14 Offiziere( darunter einen Oberft), 4500 Mann gefangen und erbeutete 4 Geschüte, eine bespannte Maschinengewehrkompagnie und eine Bagage. Die verbündeten Truppen überschritten den San zwischen Sanok   und Dynow  . Weiter nordwestlich erreichten sie die Gegend von Rzeszow- Mielec. Die in den Karpathen beiderseits des Stryi tämpfenden Truppen warfen den Feind aus seinen Stellungen.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 12. Mai.  ( W. T. B.) Amtlich wird ver­

Lautbart: 12. Mai 1915, mittags:

Oberste Heeresleitung.

Die italienische Krise.

Vor der Entscheidung.

Ein Brief unseres römischen Korresponden­ten, der allerdings schon vom 7. Mai stammt, schildert die damalige Situation in Italien   folgendermaßen:

Keiner verhehlt es sich mehr: Italien   steht dicht, ganz dicht vor der Entscheidung, und alles spricht dafür, daß die Regierung Krieg und nicht Frieden in den Falten ihrer Toga birgt. Schon morgen oder übermorgen fann es zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Desterreich kommen. Alles ist bereit. Man ist sprungfertig: neue Energien, neue Ströme lebendigen Blutes werden dem furchtbaren zer­störungsmechanismus zugeführt, der Europa   in einen Trümmerhaufen zu verwandeln droht.

Wer, wie wir, diese neun Monate Neutralität mitdurch­lebt hat, die nun vorüber sind, der kann das eine bezeugen: Italien   hat den Krieg nicht gewollt. Dic Zentralmächte haben ihn natürlicherweise noch weniger gewollt. Woher kommt es denn nun, dieses erdrückende Gefühl der Unvermeidlichkeit, das heute auf allen ruht, auf den Gegnern des Krieges, wie auf seinen Verfechtern? Ist es nur das Produkt journali­stischer Stimmungsmache oder der geschickten Kampagne der Ententemächte, deren Interesse an Italiens   Eingreifen offen am Tage liegt? Wir haben dieses Gefühl herankommen und sich verdichten sehen, wie eine Gewitterwolfe, langsam aber unaufhaltsam. Wir haben gesehen, wie es gleichzeitig dic Kriegsstimmung erzeugte und von ihr erzeugt wurde, haben es mit erlebt, wie es in der Nervenverfassung der Menschen wurzelte und im Milieu, im Bewußtsein und in den Dingen. Dieses Gefühl der Unvermeidlichkeit bestand für den, der über alle denkbaren Lösungen der Lage nachgegriibelt hatte, mic für die vielen, die nur ganz unklare Vorstellungen von den Wirren hatten, aus denen es Auswege zu finden galt. Es war etwas Algegenwärtiges und Unfaßbares, das Boden ge­wann, wie die Reime einer Seuche.

Heute stehen wir am Vorabend des Krieges, nachdem man monatelang berhandelt hat, um ihn zu verhindern. Das dunkle Vorgefühl scheint recht behalten zu sollen, denn er muß wohl unvermeidlich gewesen sein, wenn er über das Land ge­kommen ist, das ihn nicht wollte. Soll man sich aber mit diesem dumpfen Fatalismus abfinden? Lassen sich die Fäden nicht entwirren und erkennen, die sich zum Tau der heutigen Zwangslage verwoben haben?

Wir wollen hier nicht mit abgedroschenen Redensarten von Imperialismus und Eroberungspolitik aufwarten. Den maßgebenden Persönlichkeiten, gereiften und nicht abenteuer­frohen Leuten, stand der Sinn nicht nach Eroberungen. Was ein paar Nationalisten deklamiert haben, ist nicht als Not­wendigkeit in das Gespinst eingegangen: es war Spinnweb, das die Wirklichkeit fortkehrt.

Aber da war zunächst die 3 wangslage der Rüstungen. Italien   mußte zum Schuße seiner Neutrali­tät zahlreiche Fahrgänge einberufen und sein Heer in Kriegs­bereitschaft seßen. Und mit dem Waffengerassel kam das Um­werben durch das Ausland, das Locken von der einen und der gende Gefühl, die Entscheidung in der Hand zu haben. Lang­sam fing der Gedanke eines Eingreifens an, sich wenigstens in der Phantasie heimisch zu machen. Man nahm ihn nicht ernst, aber man spielte doch mit ihm.

Die Niederlage der russischen dritten und die Entscheidung der italienischen Kammer anderen Seite und mit ihm das objektiv faum zu rechtferti­

achten Armee vergrößert sich von Tag zu Tag. In regel­lofen Kolonnen, teils in Auflösung, fluten die russischen Truppen und Trains dieser Armeen in den Richtungen

Die aus dem Raume Sanok- Lisko nach Ost flüch­

vorbehalten?

Rom  , 12. Mai.  ( W. T. B.) Der Ministerrat war

auf Jaroslau  , Przemysl   und Chyrow zurüd. heute von 10 bis 12,30 Uhr versammelt. Alle Minister Dann kam die wirtschaftliche rise. Diese hat für die eigentliche Kriegsstimmung die Hauptrolle gespielt. tenden starken feindlichen Kräfte werden von Süden her waren anwesend. Eine im Anschluß daran veröffent. Die Produktion und der Handel liegen danieder, die Arbeits­durch die über Baligrod und Polana vorgedrun lichte amtliche Mitteilung enthält einige Beschlüsse losigkeit drückte, das Gefühl der Unsicherheit entnervte. Alz  genen eigenen Kolonnen angegriffen. gewöhnlichen Charakters. Nach dem Giornale d'Ita- bloßer Rückschlag des Krieges wäre die Krise schwer, aber doch erträglich gewesen: unerträglich wurde sie, weil die Drohung des italienischen Eingreifens jeder Initiative den Ausblick verrannte, jede Anpassung an das Neue unmöglich machte,

Die siegreichen Truppen haben in weiterer Verfolgung lia" ist die Meinung verbreitet, die Regierung habe be­die untere Wisloka überschritten, Rzeszow   erschlossen, vor die Kammer zu treten und dieser obert, Dynow  , Sanok   und Lisko sind in unse­rem Besiz. ihr Urteil über die Lage zu unterbreiten.

Giolittis Einfluß.

weil sie völliges Dunkel warf über den kommenden Tag. Wenn es möglich gewesen wäre, die Gewißheit zu geben, daß Italien   vom Kriege fern blieb, so hätte die Krise überwunden, ihr Rückschlag auf die Stimmung verhindert werden können. So drängt aber die Möglichkeit des Krieges zum Kriege. Rom  , 12. Mai 1915.( Privattelegramm des Bor- Das Land trug schwer an den Rückschlägen des Krieges, und man sagt sich, daß der Krieg selbst weniger schlimm wäre, als dieses wehrlose und tatenlose Verkommen.

"

Durch den bisherigen außerordentlichen Erfolg in West­und Mittel- Galizien beginnt nun auch die russische Kar­pathenfront östlich des Uszoker Passes zu wanken. Deutsche   und österreichisch- ungarische Truppen find nun auch hier auf der ganzen Front im Angriff, der wärts") Giolitti hat dem König und Salandra gegenüber er Feind im Raume bei Turka, im Orowa- und Oportlärt, daß interventionistische Blätter die Nachricht von einem parla­tale im Rückzugc. mentarischen Komplott der Giolitticner zum Sturze Salandras ver­Nördlich der Weichsel   sind unsere Truppen breiten, daß diese Nachricht aber unglaubwürdig sei. über die Nida vorgedrungen. Eine minimale Entspannung seit gestern ist unverkennbar, In Südost galizien sind starke russische Giolittis Einfluß zugunsten der Neutralität ins Gewicht fällt. Kräfte über den Dnjestr   in Richtung auf Horodenka vorgestoßen. Zaleszczyki   wurde von uns geräumt. Die Kämpfe dauern fort.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Giers in Rom   eingetroffen.

da

Rom  , 12. Mai.  ( W. T. B.) Der neue russische Botschafter lv. Giers ist hier eingetroffen.

Aber diese Stimmung des Landes, die, ohne Kriegs­freudigkeit zu sein, doch darauf hinauslief, den Gedanken an den Krieg näherzurüden, konnten nicht für die verantwort­lichen Streife, für König und Ministerrat, den Ausschlag geben. Man weiß, daß weder der König noch die Minister, vont Kolonialminister Martini abgesehen, den Krieg anstreben. Was in ihnen gegen den Krieg sprach, wurde sicher nicht um­gestimmt durch jene Gereiztheit und Nervosität, die die Rüstungen und die Wirtschaftskrise im Lande auslösten. Für fie konnten überhaupt die innerpolitischen Rückschläge der auswärtigen Lage nur in ganz sekundärer Weise in Betracht