Gewerkschaftliches. Deutsches Reich . Ter Tariflohn muh bezahlt werde«! In dem Gas» und Wasserleitungsgcschäfl von F.W. Schmidt wurde ein Arbeiter eingestellt, der noch nicht im Nohrlegergewerbe tätig war. Nach kurzer Zeit wurde das Arbeitsverhältnis wieder gelöst. Der Arbeiter, der SS Pf. Stundenlohn verlangte, aber nur 4V Pf. bekam, klagte wegen der Differenz beim Gewerbegericht. Er begründete seine Forderung damit, daß öS Pf. gegenwärtig der übliche Lohn für Robrlegerhelser sei. Dagegen sagte der Beklagte, der Kläger sei nicht Helfer, denn er hätte erst angelernt werden müssen, um als Heiser gelten zu können. Er sei als ge- wöhnlichcr Arbeiter beschäftigt worden und habe keinen Anspruch auf den Helferlohn.— Demgegenüber behauptete der Kläger , er habe alle Arbeilen eines Helfers verrichtet.— Das Gericht entschied dahin: Die im Rohrlegertarif festgelegten Arbeitsbedingungen gellen als ortsüblich. Der Tarif unterscheidet nur zwischen Rohrlegern und Helfern, eine dritte Arbeilerkategorie ist im Tarif nicht benannt. Der Kläger hat deshalb den im Tarif festgesetzten Mindestlohn für Helfer, 88 Pf. pro Stunde, zu beanspruchen. Die Differenz von 4,83 M. hat der Beklagte zu zahlen.
Die Metallarbeiter der Militärcffekrcnbranche hatten sich am Dienstag versammelt, um ihre Lage zu besprechen. Allgemein wurde betont, daß die gegenwärtig üblichen Stundenlöhne von SS bis 75 Pf. unter den jetzigen Teuerungsverhältnissen unzureichend sind. Es wird als unbedingt notwendig angesehen, von den Unter- nehmern angemessene Teuerungszulagen zu fordern. Da die Be- schästigung der Branche zurzeit ungewöhnlich günstig ist, und die Unternehmer glänzende Geschäfte machen, so werden sie keine Gründe gegen eine den Teuerunqsverhältnissen entsprechende Lohnzulage geltend machen können. Die Angelegenheit soll zunächst in den einzelnen Betrieben besprochen und nach dem Ausgang der Be- sprechungen das weitere veranlaßt werden.
Tie Berliner Zigarettenfabrikanten gegen Teuerungs- s zulagen. Infolge der ungeheuren Preissteigerungen aller Lebensmittel und sonstiger Bedarfsartikel beschlossen die in den hiesigen Zigaretten- fabriken beichäfligien Arbeiterinnen und Arbeiter an die Fabrikanten mit einer Lohn- oder Teuerungszulage heranzutreten. Der neuge- gründete Verband der Zigaretten- und Zigarettenhülsenfabrikanten von Groß-Berlin lehnte aber eine Teuerungszulage rundweg ab. Begründet wird die Ablehnung unter anderen init folgenden Worten:„Wir haben festgestellt, daß für die Arbeiter unserer Betriebe bei Lohnbemessung bereits die durch den Krieg ge- schaffenen Verhältnisse in weitem Umfange Berücksichtigung gefunden haben." Demgegenüber sei festgestellt, daß in hiesigen Betrieben noch Stundenlöhne von 17 bis 18 Pf. existieren, die arich schon vor dem Kriege bezahlt worden sind. Nur in ganz wenigen Betrieben haben allgemeine Lohnaufbesserungen stattgefunden, so daß von einer Berücksichtigung der durch den Krieg entstandenen Teuerung nicht geredel werden kann. Ja einer gutbesuchten Versammlung für die Zigarettenbranche wurde über den ablehnenden Bescheid verhandelt. Es wurde eine Protestresolution angenommen, in der die Verbandsleitung des Deutschen Tabakarbeiter-Verbandes ersucht wurde, nochmals mit dem Arbeitgeberverband in Unterhandlungen zu treten, um den berech- tigten Wünschen der Arbeiter Geltung zu verschaffen. Ein parteirat über Sie Lanösturnworlage. Aus Amsterdam schreibt man uns: Die Einbringung der Landsturmvorlage durch die Regierung hat den Vorstand der Ar- beiterpartei veranlaßt, für den 20. Juni eine Versammlung des Parteirates einzuberufen. Diese Einrichtung tritt hiermit zum ersten Male in Wirksamkeit. Der Partei rat besteht aus den Mit- gliedern der Parteileitung, den Parteisekretären, der gesamten Fraktion (nach dem Parteistatut sind in der Regel zwei Fraktionsdelegierte, in wichtigen Fällen die ganze Fraktion heranzuziehen), zwei Redakteuren des„Volk", je einem Vertreter sämtlicher Bezirks» und städtischen Föderationen, den angestellten Parteipropagandisten und zwei Ver- treterinnen des Verbandes der Frauenpropagandaklubs. Nach Zahl der Teilnehmer und Bedeutung wird der Parteirat einen außerordentlichen Parteitag sehr ähnlich sein und sich von einem solchen hauptsächlich wohl durch die geheime VerHand- I u n g unterscheiden, die voraussichtlich beschlossen werden wird. Die Diskussion über die Haltung der Arbeiterpartei zur Militärfrage hat von neuem mit Heftigkeit eingesetzt, und die Situation ist in der Tat nicht mehr die gleiche wie auf dem Parteitag in Arnheim . Denn wenn es sich damals um die Zustimmung der Fraktion zu den Mobilisationskrediten handelte, deren Zweck der Schutz der Neutralität Hollands war. ist unverkennbar, daß hinter der neuen Vorlage auch Tendenzen wirksam sind, die Holland zu einer akliven Machrpolitik für die, wie gesagt wird, gefährdeten nationalen Lebensinteressen treiben wollen— nach manchen Aeußerungen von Leuten mit Namen und Einfluß sogar vermittelst präventiven Eingreifens. Auch hat eine neue M a r i n e v o r I a g e. die den Schutz der Kolonien durch kleine Kreuzer und Tauchboote zum Gegenstand hat, die Arbeiterpartei vor die Frage gestellt, ob sie unier den Schutz der nationalen Unabhängigkeit auch den des Kolonialreiches mit einbegreifen will— eine Frage, die allerdings noch in Arnheim von Genosfen T r o e l st r a verneint wurde. Was die Stellung zur Landsturmvorlage erschwert, ist der Um- stand, daß die Einberufung und Ausbildung der früher zurück- gestellten jungen Leute die Ablösung der Mannschaften der älteren Jahrgänge ermöglichen würde, die jetzt schon seit zehn Monaten unter den Waffen stehen. Demgegenüber steht die Besorgnis, daß die Vorlage der Ansatz zu einem Militarismus im großen Sril sein könnte und sobald erst einmal die gedrillten Mannschaften da wären, die Errichtung starker Kaders, die Anschaffung einer starken Artillerie, die Gründung großer Munitions- und Waffen- fabriken folgen würde. Unier diesen Umständen ist in der Arbeiterpartei eine starke Be- wegung im Gang, die eine energische Bekämpfung der Vorlage fordert— nicht nur im Parlament, sondern durch eine allgemeine Aktion im Land, die vermutlich auch in kleinbürgerlichen Schichten Zustimmung fände. Es ist bemerkenswert, daß z. B. das katholische Organ„Centrum" die Vorlage ablehnt. Dagegen werden wohl in der Arbeiterpartei selbst Rücksichten auf die internationale Lage gegen eine Agitation, die nicht nur den schon lange brüchig gewordenen„Burgfrieden", sondern auch die bisher noch durchgeführte. Dämpfung" der Parteikämpfe ausheben würde, geltend gemacht werden. Demgegenüber fordern die radikal-marxisttschen Gelassen, die im„Weckblad" des„Voll" zu Worte kommen, die Aufrüttelung der Arbeiterklasse zu einem Widerstand gegen die Vorlage, nicht nur für die utilitarischen Zwecke der Neutralität und des Friedens, sondern auch im Namen der Prinzipien des internationalen Sozialismus. Die Beratungen am 20. werden so voraussichtlich sehr bewegt werden.
Mus öer Partei. Die Parteieinhcit in der Schweiz . Nun hat sich auch der sozialdemokratische Parteitag des Kan- tons Bern für die Herbeiführung der Partcieinheit ausgesprochen. Er erklärte sich für eine Fusion, wonach die kleinen Ortsvereine in den größeren Vereinen aufgehen sollten. Wo Grütlisektionen die stärkeren Organisationen sind, werden sie also eine neue Er- starkung durch die Aufnahine anderer Organisationen erfahren. Ob dadurch im Gesamtverein der Grütlianer eine größere Nei- gung für seine Auflösung entsteht, muß abgewartet werden. Der Parteitag hat dann ferner die Forderung ausgestellt, daß die Grütlisektionen ebenso wie andere Parteiorganisationen un- mittelbare Sektionen der Partei sein, also ihr nicht mehr durch den Schweizerischen Grütliverein angehören sollen. Und endlich wird die freie Wahl der 11 Mitglieder der Geschäftsleitung der Partei durch den Parteitag gefordert, während heute nach dem geltenden Parteistatut das Zentralkomitee des Schweizerischen Grütlivereins aus seiner Mitte S Mitglieder und die Partei 6 Mitglieder in die Geschäftsleitung wählt. Diese Neuerungen würden einen großen Fortschritt für die Partei und eine Förderung der Parteieinheit bedeuten, den Fort- bestand des Schweizerischen Grütlivereins aber unarigetastet lassen. Trotzdem dieser Parteitagsbeschlutz mil III gegen IS Stimmen gefaßt wurde und viele Grütlianerdclegierte dafür und auch für Auflösung des Grütlivereins stimmten, ist der„Grütlianer" nicht damit einverstanden.
Eine Geschichte der Kieler Sozialdemokratie. Der Vorstand der Kieler Parteiorganisation will zu dem 25jährigen Bestehen der politischen Organisation im Dezember eine Geschichte der Kieler Sozialdemokratie herausgeben. Aus diesem Anlaß ersucht er alle Parteigenossen, die noch im Besitz von Material aus der> Zeit vor und während des Sozialistengesetzes sind oder aus persönlicher Erinnerung etwas mitteilen können, Material oder Er» innerungen dem Genossen W. Brecour, Redakteur der„Schleswig- Holsteinischen Volkszeitung " einzusenden.
Mus Inöustrie unö Handel. Kricgsgcwinne. Daß der Krieg nicht iminer das Geschäft verdirbt, ersieht man recht deutlich au den überaus glänzenden Abschlüssen der Petroleum- Unternehmungen. Bereits in der Generalversammlung der Deutschen Bank am 22. April wurde u. a. festgestellt:„Die der Deutschen Bank nahestehenden Pelroleumunternehmungen befinden sich in einer sehr befriedigenden Verfassung. Die außergewöhnlichen Verhältnisse haben ihnen außergewöhnliche Gewinne zugeführt. In bezug auf ein Petroleummonopol sind seit dem Scheitern des ersten Projektes keinerlei neue Verhandlungen geführt worden." Die Erklärung der Deutschen Bank trifft in der Tat in vollem Umfange zu: Die Ge- Winne sind außergewöhnlich. Aus dem vor kurzem erschienenen IS. Jahresbericht der Deut- schen Erdöl-Aktiengesellschaft geht hervor, daß sie S S41 982, IS M. Reingewinn erzielt hat. Die Verwaltung schlägt vor, diese Summe folgendermaßen zu verwenden: Für Sonder- abschreibungen auf ihre Beleiligung an der Deutschen Mineralöl- Jndustrie-A.-G. 1 602 ISS , 18 M., für Rückstellung auf Kaltbeteili« gungen 7S0 000 M.. für 12 Proz. Dividende auf das Aktien» kapital von 30 750 000 M. 3 690 000 M., für satzungsmätzige Tantiemen 184 S00 M.(1), so daß auf neue Rech- nung 31S 315,98 M. vorzutragen sind. Auffallend an diesem Abschluß ist vor allem das Bemühen, den Riesengewinn geschickt zu verteilen, ohne den Weg der übermäßig hoben Dividende gehen zu müffen; wäre der gesamte Gewinn derart ausgeschüttet worden, dann wären reichlich 21 Proz. erforderlich gewesen. Zu den hohen Abschreibungen ist zu bemerken, daß dieser Fonds schon 7 492 000 M. beträgt, außerdem besteht eine Sonderrücklage von 1 231 360 M. und ein Selbstversicherungsfond mit 1 281 360 M. Die Verwaltung sagt obendrein zu dem günstigen Resultat, daß die„erhöhten Preise erst dem laufenden Geschäftsjahre zum Vorteil gereichen"! Danach wird also der Profit in diesem Jahre noch weit höher sein! Der Krieg hat den deutschen Oel - und Petroleumproduzenten die denkbar beste Lage geschaffen. In erster Reihe ist die große amerikanische Konkurrenz, die gefürchtete Standart Oil Company mit einem Schlage lahmgelegt. Die anderen ausländischen Lieferungen sind nur minimal. Folglich verfügen die deutschen Unternehmungen seit Ausbruch des Krieges über den inneren Markt monopolartig. Deshalb sind auch die Abschlüsse anderer Unternehmungen die allergünstigsten. So hat die P e t r o l e u m- R a f f i n e r i e vorm. Aug. K o r f f in Bremen für das Jahr 1914 einen Betriebsgewinn von 646 877 M.(im Borjahr 437863 M.) zu verzeichnen. Nach sehr reichlichen Abschreibungen werden wieder 22 Proz. Dividende verteilt. Die Verwaltung der Oel werke Stern, Sonneborn A.-G. in Hamburg schlägt für das verflossene Geschäftsjahr 17 Proz.(im Vorjahr 15 Proz.) Dividende vor. Die Deutsche Schachrbau-Aktien-Gesellschaft in Nordhausen teilt mit, daß sie in diesem Jahre nur 20 bis 25 Proz. Dividende wird verteilen können gegen 40 Proz. im Vorjahre. „Dauernder Schaden wird mit dem Kriege für die Gesellschaft nicht verbunden sein," da alle vor dem Kriege gegebenen Aufträge fest gesichert sind. Die Aktien-Gesellschaft C. H. Knorr in Heilbronn , eine in der Nahrungsmittelindustrie führende Firma, zahlt im Jahre des Weltkrieges 1914/15 15 Proz. Dividende(im Vorjahre 12 Proz.). Zugleich kann die Gesellschaft, deren Grundkapital 5 Millionen Mark beträgt, den Gewinnvortrag auS dem Vorjahre in Höhe von 868 514 Mark auf 1 500 000 M. erhöhen. Der Suezkanal im Kriegsjahr. Wie die Suezkanal-Gesellschaft in ihrem Jahresbericht mitteilt, war der Rückgang der Einnahmen infolge des Krieges geringer altz befürchtet wurde. Zwar fiel der Handelsverkehr durch den Kanal in der Zeil vom 1. August bis 31. Dezember 1914 um rund 40 Proz., doch wurde der Ausfall an Einnahmen auS diesem Verkehr durcb die militärische Schiffahrt zum Teil ausgeglichen. Die Gesellschaft erlitt in den ersten süns Kriegsmonaten einen Ausfall von 6 500 000 Fr., der sich nach Abrechnung für die ersten sieben Monate aus 4 500 000 Fr. ermäßigte. Seit Beginn des Jahres 1915 ist der Aussall gegen den gleichen Zeilraum des Vorjahres gleich 35 Proz. netto. Es wird für 1914 eine Dividende von 120 Fr. (i. B. 165) vorgeschlagen, und 18 Mill. Fr. werden dem Reserve- fonds überwieien. Eine weitere Ermäßigung der Dividende im nächsten Geschäftsjahre sei bis jetzt nicht zu befürchten. In 1914 verringerte sich der gesamte Schisssdurchgangum 624389 Tonnen: er fiel für Handelsschiffe um 3 Mill. Tonnen, während der Kriegs- und Transporlschiffsvertehr um 2 250 000 Tonnen stieg. Die Abnahme im Handelsschiffsverkehr wurde hauptsächlich� durch den Ausfall von 1 460 000 Tonnen österreichischer und deutscher Sebiffe verursacht. Der Personenverkehr, einschließlich des militäri- ichen, erreichte eine Höchstziffer von 391 772 Personen und war häufig lebhafter als je vorher: au manchen Tagen betrug die Zahl der durchfahrenden Schiffe da- Doppelte des täglichen Durch- jchnitts.
Weitere Fortschritte der Bagdadbch«. Konstantinopel , 16. Juni. (W. T. B.) Heule wurde der schwierige. rund fünf Kilometer lange Tunnel bei Bagtsche im Zuge der Bagdadbahn durchgeschlagen. Dieser Tunnel durchbricht die Haupt- kette de- AmanuSgebirgeS und verbindet somit die Bahnstrecke der kilikischen Ebene mit Aleppo im nördlichen Syrien . In dem Tunnel, dem längsten der langen Bagdadbahn, ist seil vier Jahren gearbeitet worden.
Soziaies. Die neuen Vorschriften über die Lohnpfändung. Durch Bundesratsverordnung vom l7. Mai ist die durch� das Lvhnbeschlagnahmegesetz geschützte Lohnsumme von 1500 M. auf 2000 M. im Jahr erhöht worden. Die Verordnung ist gleich in Kraft getreten und sie wirkt zurück auf die schon vorher getroffenen Beschlagnahmen und anderen Verfügungen über Gehalt und Ar- beitslohn sowie ähnlichen Bezügen. Das Lohnbeschlagnahmegesctz ist für alle Personen mit wenig Einkommen, die auf den Arbeits- oder Dienstlohn angewiesen sind, sehr wichtig; trotzdem ist das Ge- setz im Volk nur wenig bekannt. Es hängt dies mit der Rechts- Unkenntnis breiter Volksschichten zusammen. Dagegen muh man sich billig wundern, wenn man beobachtet, daß das Lohnbeschlag- nahmegesetz sogar an den Gcwerbegerichtcn wenig erwähnt wird. Das Gesetz ist nun aber durch die wenn auch nur für die Dauer des Krieges erfolgte Aenderung wieder ins Gespräch gc- kommen, die Zeitungen geben, manchmal ausdrücklich dazu von den Lesern veranlaßt, Erläuterungen. Da ist es am Platze, auf die Bestimmungen selbst im einzelnen kurz einzugehen. Das Lohnbeschlagnahmegesetz ist im Jahre 1869 geschaffen worden. Es ist im Laufe der Jahre mehrfach abgeändert worden, doch hatte die sehr wesentliche Begrenzung der pfandfreien Lohn- summe auf 1500 M. alle die Jahre der Verminderung der Kauf- kraft des Geldes nicht Rechnung getragen. Die Löhne sind gestiegen, soweit sie in Geld ausgedrückt werden, aber die Verteuerung der Lebenshaltung hat bewirkt, daß die 1500 M.-Grenze lange nicht mehr die Bedeutung für die Arbeiter und die Angestellten hatte, als es vor 40 Jahren der Fall war. Nun ist die Grenze wenigstens vorläufig mit Rücksicht auf die besondere Kriegsteuerung auf 2000 M. hinausgerückt worden. Doch ist eine durchgreifende Nende- rung des Gesetzes durchaus geboten, die neben der Höhe der Pfand- freien Summe auch berücksichtigen müßte, daß ein Familienvater mit großer Kopfzahl unbedingt mehr zum Leben gebraucht als ein lediger Mann, wenn der nur für sich sorgt. Auch mutz verhindert werden, daß harte BestimmunAen den„geringen Leuten" die Lust zum Vorwärtsstreben v�trewen. Es ist schlimm, wenn sich An- schauungen festsetze� wie die: Was sollen wir uns Sachen an- schaffen, wenn ffe doch gepfändet werden! Von Gläubigern wird auch wohl behauptet, daß Arbeiter absichtlich mit ihrem Lohn unter der geschützten Grenze blieben, weil sie totsicher damit rechnen, daß ihnen der übersteigende Betrag doch gepfändet werden würde. Wenn dies einreißen sollte, dann wäre damit den Gläubigern selbst am allerwenigsten gedient, wenn natürlich auch verlangt werden muß, daß jedermann seine Schulden nach Möglichkeit bezahlt. Armen Leuten fehlt leider diese Möglichkeit nur zu oft, weil hier die Er- Haltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft, die vor allem not- wendig ist, fast die ganzen Einnahmen verschlingt. Nach dem Lohnbeschlagnahmegesetz kann der Arbeitslohn im allgemeinen zum Zwecke der Sicherstellung oder der Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an dem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß sie der Arbeiter eingc- fordert hat. Der Arbeiter läuft also Gefahr, wenn er den fälligen Lohn nicht noch am gleichen Tage abhebt, daß er am nächsten nicht mehr geschützt ist. Dies ist besonders aus dem Grunde zu be- achten, weil manche Arbeiter vor der Beschlagnahme nichts von der Tatsache erfahren. Ist der Lohn aber am Fälligkeitstage zwar nicht gezahlt, aber doch angefordert worden, dann ist er geschützt. Die grundlegenden Bestimmungen des Lohnbefchlagnahme- gesetzes können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag aus- geschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestim- mungen die Beschlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Zession, Anweisung. Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. Wenn also, Ivas bei Ar- beiten auf fremden Bauten öfter vorkommt, der Beauftragte des Unternehmers mit dem Arbeiter einig wird, einen Teil de« Lohnes an die Kostfrau zu zahlen, so ist diese Abrede beim geschützten Lohn nichtig, wenn sie vor der Fälligkeit des Lohnes getroffen wird. Daran wird auch nichts durch die Tatsache geändert, daß da unter Um- ständen ein Lohnbetrag zweimal gezahlt werden muß. Nichtig sind auch im Umfange der geschützten Lohnsumme Be- stimmungen in Arbeitsordnungen, Tarifverträgen, Hausordnungen und so weiter, daß verwirkte Strafen vom Lohn abgezogen werden sollen. Wohl heißt es in der Gewerbeordnung, daß die Arbeits- ordnung der Fabriken alle verabredeten Straffälle enthalten muß. Nichtig sind auch die Bestimmungen insoweit, als darauf verzichtet wird, daß Lohn gezahlt werden muß, wenn ein Arbeiter oder An- gestellter durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Dienstleistung verhindert ist(8 616 B.G.B. ). Doch darf eine ver- abredete Vertragsbruchstrafe auch vom geschützten Lohn abgehalten werden. Das Lohnbeschlagnahmegesetz findet weiter keine Anwen- dung auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben, soweit diese nicht seit länger als drei Monaten fällig geworden sind; auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkt voraus- gehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unter- Haltsbeiträge. Geschützt ist der Lohn, wie schon erwähnt wurde, jetzt nach dem Inkrafttreten der neuen Bundesratsverordnung bis zu 2000 M. im Jahr. Viele Arbeiter, die im Januar oder zu be- stimmten anderen Zeiten des Jahrs über dem Durchschnitt ver- dienen, sind dadurch benachteiligt, daß in der Spruchübung der Ge- richte die geschützte Jahressumme in Monats- oder Wochenbeträge umgerechnet werden. Im Wortlaut des Gesetzes findet diese Uebung keinen Anhalt. Bei den Steuern halten sich die Behörden oft nicht an die gezogenen Grenzen; der Unternehmer ist da nach den Entscheidungen der Gerichte an die Beschlagnahmeverfügungen gebunden, der betreffende Arbeiter mutz sich beschwerdeführend an die Gemeindeverwaltung wenden. Bei der Zahlung von Alimente für uneheliche Kinder findet das Lohnbeschlagnahmegesetz nur so- weit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines not- dürftigen Unterhalts und zur Erfüllung seiner sonstigen Unter- haltungspflichtcn des Lohnes bedarf. Tie Grenze wird da oft sehr knapp gesetzt, so daß mit den gelassenen Lohnbeträgen kaum aus- zukommen ist. Nach§ 115 der Gewerbeordnung dürfen die Unternehmer den Arbeitern keine Waren kreditieren. Doch ist es gestattet, Lebens- mittel für den Betrag der Anschafftingskosten, Wohnung und Land- Nutzung gegen die ortsüblichen Miet- und Lichtsätze, Feuerung, Be-