Nr. 181. 32. Jahrgang.
Gegen Parteizerrüttung!
Durch eine solche Kampfesweise dient man gewiß nicht der sachlichen Verständigung, dadurch untergräbt man lediglich das gegenseitige Vertrauen, vergiftet das gesamte Parteileben.
Sonnabend, 3. Juli 1915.
Politische Uebersicht.
In Parteifreisen wird ein Flugblatt verbreitet, in dem Besonders höhnt das Flugblatt wegen der Reichstagsrede Die Notwendigkeit der Wahlreform in Preußen. die Partei aufgefordert wird, die von ihr seit dem Beginne des Genossen Scheidemann über die Zensur, weil dieser Sämtliche bürgerlichen Parteien haben bei der letzten des Krieges eingenommene Haltung von Grund aus zu untertänige Hoffnungen" auf eine Wilderung der Landtagstagung eine Erörterung der brennenden Wahlrechtsändern, den Burgfrieden aufzusagen und in schärfster Form Benjur von einer Fürsprache beim Raiser erwartet habe. Dr. Böhme erhebt nun im„ Deutschen Kurier" von neuem frage abgelehnt. Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete den Kampf gegen die Regierung aufzunehmen. Das Mach- Hierzu sei festgestellt, daß in einem Kommandobezirk der Vorwürfe gegen die Regierung, daß sie nicht die Initiative werf strotzt von den schwersten Vorwürfen gegen die Mehr- die Zensur ausübende General, indem er Ver- in dieser Frage ergriffen habe. Böhme erinnert an seinen heit der Reichstagsfraktion und die Parteileitung der deut- gleiche mit der Handhabung der Zensur in anderen Korps früheren Artikel, in dem er der Regierung diesen Weg naheschen Sozialdemokratie. Es ist an dieser Stelle unmöglich, bezirken zurück wies, erklärte, daß ihm nur der Kaiser gelegt hatte: den ganzen Wust von Entstellungen und Verdrehungen zu etwas zu sagen hätte. Unter ausdrücklicher Beruentwirren, der in dieser Kundgebung einer Gruppe der Partei- fung darauf hat Scheidemann in seiner Rede am 29. Mai opposition angehäuft ist. Es muß genügen, das Wesentlichste nach dem amtlichen Stenogramm ausgeführt:
herauszugreifen.
Die Verfasser behaupten, die Partei treibe seit dem 4. August im Kielwasser der imperialistischen Eroberungspolitik". Sie erklären wörtlich:
,, Die Reichstagsfraktion, in der auch die meisten Mitglieder des Parteivorstandes sißen, hat den Widerstand gegen die imperialistische Eroberungspolitik aufgegeben. Und nicht aus bloßer Schwäche und Burgfriedensfreudigkeit, sondern weil ein erheblicher Teil der Reichstagsfrak tion ebenso wie der preußischen Landtagsfraktion und wie andere einflußreiche Genossen in konsequenter Fortbildung der Politik des Durchhaltens, d. h. der hemmungslosen Völkerzerfleischung, auch dieser Eroberungspolitik mit vollem Bewußtsein anhängt."
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Die Regierung mußte die Führung übernehmen, aus dem Streit der Parteien war natürlich kein positives Ergebnis zu ers warten. Es war hier ferner die Ueberzeugung ausgesprochen woorden, daß es der Staatsregierung unendlich leichter werden würde, in dem gegenwärtigen Zeitpunkt bei ernstem Willen und unter Anwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel eine Reform zu erzwingen, als in der Zeit erneuter Parteifämpfe nach Friedensschluß, in einer Beit völliger Freiheit der Presse. Die Macht, die jetzt in den Händen des Staates liegt, wäre ohne Frage für ihn eine gewaltige Hilfe auch auf diesem Gebiete gewesen.
Die Regierung hat den günstigen Augenblid nicht benut und wird nach Beendigung des Krieges vor einer Aufgabe stehen, die deshalb, weil dann Autorität und Machtmittel unendlich geringer find, zu ungleich größeren Schwierig teiten für sie führen dürfte."
,, Die Zensur generale berufen sich darauf, daß über ihnen niemand als der Kaiser stehe. Wie nun die Dinge einmal liegen, ist das leider richtig. Die Zivilbehörden haben zu unserem Bedauern sich die Macht aus der Hand nehmen lassen. Sie hätten von vornherein viel größeren Widerstand gegen die Verhängung des Belagerungszustandes über das ganze Reich entgegensezen sollen. Unter den obwaltenden Umständen können wir nun gar nicht anders, als den Wunsch aussprechen, daß sich die Zivilbehörden an den Kaiser wenden mögen, damit er der einzige Mann, der es nach der bisher abseits stehenden größten Teil der Arbeiterschaft als Dr. Böhme hält die Reform für dringlich, um„ den Lage der Dinge kann! den kommandierenden mitarbeitenden, aber auch mitbestimmenden Faktor" in unser Generalen sagt, daß sie sich nicht gar zu öffentliches Leben einzufügen, um dadurch spätere ernſtere viele- ich will sagen: böse Geschichten Konflitte zu vermeiden. Dr. Böhme glaubt offenbar an eine Diese Sätze stehen mit der Wahrheit in schroffstem Widervon ihren Beratern einbroden lassen." Fortsetzung des„ Burgfriedens" auch über den Krieg hinaus, spruch. In Wirklichkeit haben Fraktion und Parteileitung von Beginn des Krieges an bis auf den heutigen Tag feinen es abgelehnt habe, gegen den im Vergeltungsprinzip liegenDer Reichstagsfraktion wirft das Flugblatt vor, daß sie wenn man nur jezt gewisse Konzessionen an die Arbeiterschaft Zweifel darüber gelaffen, daß sie Gegner einerimden Bettlauf der Grausamkeit" zu protestieren, perialistischen Eroberungspolitik sind. In der die Zivilbevölkerung immer tiefer in die Schrecknisse des der Erklärung der Reichstagsfraktion vom 4. August wird Strieges reißt. Ueber die Stellung der Sozialdemokratie zu gejagt:
„ Die Folgen der imperialistischen Politik, durch die eine Aera des Wettrüstens herbeigeführt wurde und die Gegensätze unter den Völkern sich verschärften, sind wie eine Gegensätze unter den Völkern sich verschärften, sind wie eine Sturmflut über Europa hereingebrochen. Die Verantwortung hierfür fällt den Trägern dieser Politik zu; wir lehnen fic ab!"
Es wird weiter in der Erklärung der Reichstagsfraktion gesagt, daß wir jeden Eroberungskrieg" verurteilen, und es wird hinzugefügt:
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mache:
„ Ist es denkbar, daß diese Masse, die so praktisch an dem bestehenden Staat mitarbeitet, daß ihr Zentralorgan Tag für Tag kaum die Anzeigen fassen kann, die dort Zeugnis legen von der Fülle der Opfer, die auch diese Schicht bringen muß, nunmehr, sobald die Friedensglocken läuten, die unendlich leichtere Friedensarbeit ablehnt, weil dann auf einmal wieder der eherne Grundsatz erscheint, daß dieser Staat und diese Gesellschaft erst zugrunde gehen müssen, bevor sie eines Umbaues gewürdigt werden? Das sind Theorien, die heute schon praktisch tot sind, die mit dem Augenblick auch verstummen, in dem im Innern die Millionen mitreden, die heute in den Schüßengräben stehen."
kein Zweifel sein: sie verwirft sie, wie den Krieg selbst. Anden im Wesen des Krieges liegenden Grausamkeiten kann gesichts der Gefahren, von denen Deutschland umgeben ist, einseitig der deutschen Kriegführung Vordas deutsche Volk würde für eine solche Art der Kritik kein würfe zu machen, wäre im höchsten Maße ungerecht und Verständnis haben. Wenn besonders der Seekrieg grausame Aber selbst die Hoffnung auf innerliche Wandlung der Härten gezeitigt hat, so bedauern wir das sehr. Der See- sozialdemokratischen Massen hat bekanntlich die bürgerlichen krieg wird leider nach den Grundsäßen geführt, die der Parteien im Landtage nicht abgehalten, die Einräumung der englische Seelord Fisher in die Worte gefaßt hat: Während politischen Gleichberechtigung nach wie vor zu verweigern. des Krieges ist Mäßigung Blödsinn“.
" Kampf ohne Gnade".
Uns wird von einem Philologen geschrieben:
" In der jetzigen Stunde ist nur eine Politik möglich: Kampf ohne Gnade bis zur endgültigen, durch einen völlig fiegreichen Frieden gesicherten Befreiung Europas ."
Wir fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt Es ist eine Frreführung, wenn das Flugblatt der Opposind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die fition behauptet, die von der Sozialdemokratie seit dem Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht." 4. August betriebene Politik bedeute das Kreuz auf Im Aufruf des Parteivorstandes vom 26. Juni Genau den gleichen Standpunkt hat die sozialdemokra- dem Grabe des Klassenkampfes". Denn die Ver- findet sich u. a. ein Hinweis auf eine Aeußerung Vivianis, die tische Reichstagsfraktion bei allen folgenden Reichstagsver- fasser des Flugblattes wissen sehr gut, daß Reichstagsfraktion als" Proklamation des Kampfes bis zum Weißbluten" bezeichnet handlungen vertreten. Zuletzt ist dies noch geschehen durch und Parteileitung auch während der Dauer des Krieges, so wird. Viviani soll danach am 22. Dezember 1914 in der franzö die Rede des Genossen Ebert vom 29. Mai. In der sozial- weit das überhaupt möglich ist unter dem durch den Kriegs- fischen Deputiertenkammer gesagt haben: demokratischen Partei gibt es keinen Parteigenossen, der zustand auferlegten Burgfrieden, alles, was in ihren Kräften jemals eine Politik des„ Durchhaltens" im Sinne einer stand, getan haben, um die wirtschaftlichen und politischen hemmungslosen Völkerzerfleischung" vertreten hat. Interessen der deutschen Arbeiterklasse zu sichern. Keine Im Anschluß daran wird der sozialistischen Kammerfraktion und Wir haben also wiederholt und vor aller Welt befundet, Gelegenheit ist versäumt worden, wenn es galt, in der Frage dem sozialdemokratischen Parteivorstand der Vorwurf gemacht, daß daß wir die entschiedensten Gegner aller Eroberungspläne der Lebensmittelteuerung, in der Frage der sozialen Fürsorge fie gegen diese Losung des Kampfes ohne Gnade kein Wort des Widerfind. Auch außerhalb des Parlaments haben wir, soweit sich und in allen mit dem Belagerungszustand im Zusammenhang spruchs erhoben hätten. dazu die Möglichkeit bot, in dem gleichen Sinne gewirft. stehenden Fragen mit aller Energie die wirtschaftlichen und verständnis, welches auf einer ungenauen lleber In Wirklichkeit handelt es sich hier um ein einfaches Miß. Die Verfasser des Flugblattes wissen das. Trotzdem haben politischen Interessen der breiten Massen des werktätigen segung beruht, die seinerzeit sämtliche deutsche Leser über den fie jene unwahren Behauptungen in die Welt gesetzt. Das Boltes zu vertreten. Daß die Klaffengegensäge auch während Tatbestand irregeführt hat. Viviani gebrauchte den Ausdruc Urteil über ein solches Verfahren überlassen wir den Partei- des Krieges fortbestehen und der Kampf gegen die Klaffen combat sans merci", der höchstens erbitterter Kampf" genossen. herrschaft nach dem Kriege wieder aufleben wird, ist selbst- bedeutet( siehe Bd. XI, S. 57 des großen Wörterbuches von Pierre Die Verfasser des Flugblattes wagen weiter zu behaup- verständlich. Nur Böswillige können behaupten, die Larousse). Sollte die Viviani in den Mund gelegte Losung des ten, die Reichstagssigung im Mai habe die Vollendung Sozialdemokratie habe den Klassenkampf abgeschworen. Die Kampfs ohne Gnade" stimmen, so hätte er den Ausdrud grâce, des Zusammenbruchs" der Politik der Fraktions- über die notwendigen Grenzen hinausgehende Handhabung pitié, pardon oder clémence gebrauchen müssen. mehrheit gebracht. Sie bezeichnen das vom Genossen Ebert des Burgfriedens ist von uns stets entschieden bekämpft abgegebene Bekenntnis zur Politik vom 4. August als ein worden. erneutes Bekenntnis zur Willfährigkeit gegenüber der Regierung und den herrschenden Klassen".
Die Vorbedingung für die erfolgreiche fünftige Führung des Klassenkampfes ist aber die Sicherung der wirtschaftlichen und politischen Unabhängigkeit unseres Landes. Dieser Sicherung zu dienen ist deshalb die Pflicht der deutschen Sozialdemokratie.
M
Kampf" nachträglich in indirekter Form gebracht. Jezt, wo von Die Frankfurter Zeitung " hat die Korrektur, erbitterter dieser Erklärung Vivianis nochmals Gebrauch gemacht wurde, ist es notwendig, daß das dargelegte Mißverständnis ausdrücklich. festgestellt wird.
Auf eine Drohung mit der Parteispaltung worden:
,, Befürchtung". h
Wie stand die Sache des deutschen Volkes in jenen Maitagen? Zu den drei gegen uns kämpfenden europäischen Großmächten war die vierte hinzugekommen. Italien war in Auf eine Beschwerde ist der nachfolgende Bescheid-erteilt den Krieg eingetreten. Die zahlenmäßige Uebermacht unserer Gegner hatte eine neue gewaltige Verstärkung erfahren. Die läuft es letzten Endes hinaus, wenn die Verfasser des Flug Königl. Landrat. Absperrung der Zentralmächte vom Weltverkehr war damit blattes am Schlusse erklären, die Verantwortung für alles, J.-Nr. 4626 2. Wittenberg , den 18. Juni 1915. nahezu vollendet worden. Die ganze militärische und poli- was sonst kommt", falle den leitenden Instanzen der Partei Auf die hier zu Protokoll gegebene Beschwerde vom tische Lage hatte sich für Deutschland wieder wesentlich ver- zu, wenn diese nicht unverzüglich mit der Politik des 4. August 12. d. M. eröffne ich Ihnen ergebenst, daß ich zu meinem Beschärft. Angesichts dieser, durch die Eroberungspolitik brächen. dauern nicht in der Lage bin, die von Ihnen erbetene ErItaliens heraufbeschworenen neuen Bedrohung war es einfach Jede Drohung, die auf eine Parteispaltung hinzielt, Taubnis zur Abhaltung einer Mitgliederversammunsere Pflicht, erneut zu bekunden, daß wir entschlossen zu ist ein Verbrechen an der Partei, ein Verbrechen an der Lung des Deutschen Bauarbeiterverbandes unserem Volke stehen und gemeinsam mit ihm alle Kraft ein- gesamten Arbeiterbewegung. zu erteilen. seßen, um dieser neuen Gefahr Herr zu werden. Das mußten Wir zweifeln nicht daran, daß die Parteigenossen aller- Nach den angestellten Ermittlungen ist zu befürchten, wir tun. Im Interesse unseres Landes und seiner Arbeiter- orts deshalb die Gefahr erkennen, die in derartigen Treibe- daß die beabsichtigte Versammlung nicht nur der Besprechung Klasse- und nicht den herrschenden Klaffen zulicbe, wie reien liegt, und daß sie den Organisationsschädlingen ein ge- Werken herrschenden Arbeiter und wirtschaftlichen Verhält der auf den... Werken und den dort entstehenden jenes Flugblatt behauptet. bieterisches: Bis hierher und nicht weiter!" entgegenrufen niffe, wie in Ihrer Erklärung angegeben, dienen, sondern auch Das Flugblatt wirft den leitenden Körperschaften der werden. dazu verwendet werden wird, für den von Ihnen ver Partei Hintertreppenpolitik" vor. Was soll dieser giftige Nach dem Abschluß des Krieges werden besonders auch tretenen Verband Mitglieder zu werben soAnwurf? Ist es„ Hintertreppenpolitik", ist es gar inter - in der inneren Politit so wichtige Aufgaben wie unzufriedenheit mit den bestehenden treppenpolitik nach dem Muster tapitalisti- au lösen sein, wie das seit der Gründung staatlichen und sozialen Verhältnissen unter scher Klüngel", wenn die Vertreter der Partei und der des Deutschen Reiches noch niemals der den Arbeitern zu verbreiten. Es muß daher bei dem Ihnen Gewerkschaften das ihnen anvertraute Mandat pflichtmäßig all war. Wir denken an die Verteilung der von dem Herrn Amtsvorsteher in Klein- Wittenberg erteilten benutzen, um Beschwerden aller Art, die ihnen fortgesetzt aus Lasten, die dieser Weltkrieg dauernd dem Volte auferlegen Bescheid ſein Bewenden behalten. Parteitreisen zugehen, direkt zur Kenntnis der Behörden zu wird, an die Schwierigkeiten bei der Fortführung der Gewerkschaftsfefretär bringen und sie dort in nachdrücklichster Weise zu vertreten. Sozialpolitik, an die großen wirtschaftlichen Herrn Wilhelm Prievenau Sollten sie nicht die Durchführung wirksamer wirtschaft Rämpfe, an die Reformen, die es auf dem licher und sozialpolitischer Maßnahmen fordern Gebiete des Verfassungswesens durchzuund vertreten? Hätten sie es ablehnen sollen, einzutreten für fämpfen gilt. In der kommenden Zeit wird der die Freigabe unterdrüdter Beitungen, die deutschen Arbeiterklasse eine starte einige Sozialdemokratie Entlassung zu Unrecht verhafteter Ge nötiger sein denn je. nossen? Lediglich zu dem Zwecke, Arbeiterinteressen zu vertreten, sind Mitglieder der Partei- und Fraktionsleitung mit Reichsämtern in Verbindung getreten.
Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands . Wer etwas anderes behauptet, spricht die Nuwahrheit. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion
An den
in Piesteriz.
Haussuchungen.
b. Trotha.