Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt.Ar. 68.Donnerstag, den ZI. Miirz 1894.11. Jahrg.Lokinles.Adlershof. Achtung, Parteigenoffen!Folgende Lokale stehen, neben den in der Boykotttiste bekanntgegebenen, uns noch zur Verfügung:t a u s m a n n. Grünauer Chaussee.ch m a u s e r, Bismarckstr. 16.In Schlächterkreisen steht man dem billigen Fleischverkaufder Viehhofs-Verwaltung mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber.So wenig man als Bourgeois gegen die Ernährung derarbeitenden Klasse mit dem ausgekochten, unappetitlichen„Trichinenfleisch" etwas einzuwenden hat, ebenso peinlich ist esaber den Herren Schlächtermeistern, wenn ihnen durch diese„humane" Maßregel ein Theil, wenn auch minderwerthiger,Kundschaft entzogen wird. In einer der letzten Jnnungs.Ver-sammlungen wurde das von einigen in der Nähe des Viehhofeswohnenden Meistern recht drastisch zum Ausdruck gebracht. Mandarf billig bezweifeln, ob die Schritte, welche man gegen diese„Schleuderkonkurrenz unternehmen will", Erfolg haben. Vielleichtdämmert manchem dieser Geschädigten mrt der Zeit die Er-kenntniß auf, daß die Einschränkung der„Genußsucht" und„Begehrlichkeit" doch auch ihre Schattenseiten hat.Wie von AmtSwegen Arbeiter außer Brot gebrachtwerde». Die gestern von uns der Oeffentlichkeit preisgegebeneV.rsügung des Amtsvorstehers Rönneberg in Friedenau wirdoon der„Vossischen Zeitung." mit folgendem Kommentar be-begleitet:Wir empfehlen dieses Schreiben dem verdiensilichen HerrnGeh. Ober-Justizrath Starke zur Nachachtung, der an der Spitzedes Vereins zur Fürsorge und Besserung entlassener Straf-gefangener steht. Was helfen ihm alle Fürsorge, alle Bemühungen,den entlassenen Gefangenen die Wege zu bahnen, auf denen sieehrlich ihr Brot verdienen und einen ehrbaren Wandel ein-schlagen können, wenn gerade von einer Seite die entlassenenGefangenen ihrer Verbrecherlaufbahn wieder zugeführt werden,die ihn am meisten in seinen Bestrebungen zu unterstützen be-rufen wäre. Geradezu unerhört wäre es, wenn es wahr wäre,daß einer der Verfehmten um deswillen sein Brot verlieren soll,weil er vor 17 Jahren eine Verurtheilung erfahren und seitdemsich strafrechtlich einwandsfrei geführt haben sollte.Ein gänzlicher Umbau des Schlesischen Bahnhofes, dergrößten derartigen Anlage der Stadtbahn, wird, wie uns vongut unterrichteter Seite mitgetheilt wird, im Laufe dieses oderAnfang nächsten Jahres erfolgen. Die beiden Hallen der Stadt-bahn werden zu einem einzigen großen Raum vereinigt und dieBahnhofsanlage selbst wird erheblich vergrößert werden, da diebis jetzt vorhandenen Geleise dem fortwährend steigenden Vevkehr nicht mehr genügen. Gleichzeitig soll auch die Haltestelle„Warschauerstraße" umgebaut werden es wird statt derhölzernen jetzigen Halle ein massives Stationsgebäude errichtetwerden, ähnlich demjenigen in Westend.Ter Riilkgang des Gasverbrauchs und der dadurch be-dingte Ausfall an Einnahmen macht den Stadtvätern bekannt-lich schwere Sorge. Ten Vorschlag der sozialdemokratischenStadtverordneten, die Preise zu verbilligen und sich mit weniger,als dem wucherischen Gewinn von 100 pCt. zu begnügen, lehnenja der hochwohllöbliche Magistrat und die Mehrheit der liberalen Stadtvertreter unter allerlei Ausflüchten ab. Aber selbstbei den jetzt geltenden kolossalen Gaspreisen wäre sehr leicht eingroßer Mehrverbrauch zu erzielen, wenn die Verwaltung derGasanstalten dem Publikum gegenüber ein wenig entgegenkam-inender wäre, wie es andere Verwaltungen, z. B. die Charlottenburger, bei gleichen Preisen sind.Schreiber dieses wohnt südlich der Kurfürstenstraße auf Char-lottenburger Gebiet; auf seinen Antrag an die Gasanstalt, ihm eineKochgaseinrichtnng zu legen, wurde ihm kostenlos ein Gasometer ge-stell! sowie gegen eine geringe monatliche Miethe, nicht ganz 7S Pf.,ein Göhde'scher Zweiloch-Gasbrenner nebst Bratröhre überlassen, sodaß er außer den 75 Pf. monatlich nur das verbrauchte Gaszu bezahlen hat. Will man Berliner Gas benutzen, so muß manzunächst den Göhde'schen Brenner kaufen, da die Gasanstalt ihnnicht vermiethet. Außerdem stellt sie nicht ohne weiteres denGasometer, sondern legt— immer auf Kosten des Antragstellers— eine besondere Röhrenleituug mit einem besonderenGasometer an. Sie fürchtet nämlich, wenn sie den Gasometeran die schon vorhandene Leitung anschließt, könnte der Konsumentsich auch nach Belieben mit Leuchtgas versehen, für welches einhöherer Preis berechnet wird. Aus demselben Grunde wird auchder Brenner selbst mit der Röhrenleitung nicht durch einenSchlauch, sondern durch eine feste Röhre verbunden, so daß derBrenner nicht beliebig abgehoben werden kann.Daher kommt es, daß man in Berlin, wenn man Gas zumKochen benutzen will, zunächst eine einmalige Ausgabe von etwa120 M. zu leisten hat, was für den kleinen Mann unmöglich ist.Wäre die Berliner städtische Gasverwaltung so entgegen-kommend, wie die Charlottenburger, würde sie die Kochgasbrennervermiethen, und würde sie anständigen Leuten aus ihre Versiche-runa, daß sie kein Leuchtgas, sondern nur Kochgas benutzenwollen, Glauben schenken und demgemäß die vorhandenen Lei-tungen bei der Aufstellung des Gasometers benutzen, so würdenTausende von Hausfrauen das bequeme Kochen auf Gas demunbequemen auf Kohlen vorziehen, trotzdem das erstere bei denzcgenwärtigen Gaspreisen täglich 1—2 Pf. theurer zu stehenkonimt. Dann würde aber der Gasverbrauch ungeahnte Dimen-sionen annehmen, und der Ausfall an den Einnahmen bald gedeckt sein.Antisemitische»»theistenblatt. Die atheistische Anti-semitenvereinigung„Sozialitärer(!) Bund" hat, wie die„Kreuz-Zeitung" berichtet, ein Organ herausgegeben, das monatlich er-scheint und sich„Der moderne Völkergeist" nennt. Er will ein-treten für„Freiheit, Gerechtigkeit, Treue, Vertrauen und Wahr-haftigkeit" und gegen„Hebräer-Herrschaft, religiöse, politische undwirthschaftliche Knechtung kämpfen. In der Februar-Nummer begann unter anderem ein Artikel:„KeinPfaffenlhum, keine Religion, sondern Geistesführung ,mSinne des modernen Völkergeisles."— Sonderbare Schwärmer,diese antisemitischen Atheisten. Was wird die„Staatsbürger-Zeitung" zu dieser Sorte Kombattanten sagen, welcheda tagtäglich predigt, daß wahres Christenthum undwahre monarchische Gesinnung sich von Rechts wegen einzigim Antiscmilisnlus lonzentrire? Und nun auch hier der Wurmim Holze.' Wem sollen sich Christenthum und Monarchie in ihrerBedrängniß schließlich noch anvertrauen?Die Beförderung des HofzugeS nach oder von Abbaziaverursacht jedesmal einen Kostenaufwand von ca. 0600 Ml. itader Kaiser und die Kaiserin die Hin- und Rückreise gesondertantrete», so entsteht also für dieselben eine Summe von rund38100 M. als Reisekosten, also etwa soviel, als 13 000 Arbeiterim glücklichen Fall iusgesammt an einem Tage für sich und dieErnährung ihrer Familie verdienen.Nene» Postamt. Am I.April wird in der Marburger-straße 12 eine Postanstalt mit Tel�raphenbetrieb errichtet die dieBezeichnung„Berlin W. 50(Marburgerstraße)" erhalt. Beidieser Postanstalt können Postsendungen zeder Art, auch Rohrpost-sendungen, jedoch keine Geldfässer, Geldkisten und Geldbeutel eingeliefert werden.Wie sich Antisemiten zu helfen wissen. Ein hiesigesziemlich stark im Knoblauchgeruch stehendes Blatt berichtet bosHaft: Hierorts ist aus tiefgefühltem Bedürfniß ein Verein erstanden, der sich nennt:„Die Klause, deutschnationaler Vereinder Lileraturfreunde zu Berlin". Im trauten Zkreise einwandsfreier Genossen hielt man dort am Montag einen Vorttags- undErörterungsabend. Auf der„Tagesordnung", wie man das„Programm" für den Vortragsabend verdeutscht hatte, stand auchdas bekannte Lied„Der letzte Gruß". Als Komponist war Elvyangegeben. In eingeweihten musikalischen Kreisen versichert mandemgegenüber, daß das Lied noch immer von Levy, dem MünchenerGeneral-Musikdirektor stamme. Aus Levy ward Elvy— derGlaube versetzt Buchstaben....Arbeiter-Sanitätskommission. Der Verwalter des HausesNostizstr. 43, Herr C. Bolle, ersucht uns, die in Nr. 65unseres Blattes enthaltenen Angaben dahin zu ergänzen, daßdie beregte Wohnung weder an Pilzen noch anFeuchtigkeit leide, es sei denn, baß die Wittwe Vehlendorf die Staubschicht, die sich in ihrer Wohnunginfolge ungenügender Reinigung an den Wänden gebildet, fürPilze gehalten habe. Der Frau sei die Wohnung gekündigtworden, weil sie an Prostituirte vermiethet hatte; der etwaigeVorwurf der ungerechten Behandlung sei schon dadurch hin-fällig, daß der Wittwe die Miethe für Monat März erlassen sei— Herr Julius Zobel, Besitzer des Hauses Rostockerstr. 24 theilluns mit, daß die von Herrn Michalek gemiethete Wohnung zuerstfür drei Personen, Mann, Frau und einjähriges Kind, gemiethelsei. Erst vor kurzem sei ein zweites Kind und ein— Schlaf-bursche hinzugekommen. Die Nässe rühre daher, daß die Woh-nung nicht gelüftet werde und daß man sie als Waschküche be-nutze. Die Nichtbenutzung der Waschküche schreibt Herr Zobelder Lässigkeit der Miether zu.Der Verbandstag des Deutschen Post- und Telegraphen-Assistenten-Verbandes wird in den Tagen vom 8.— 10. Juni indiesem Jahre hier in Berlin stattfinden.Militaria. Wie eine Lokalkorrespondenz wissen will, istder Hauptmann und Chef der ersten Kompagnie des viertenGar�e-Regiments z. F. v. B. seit einigen Wochen nicht mehrbei dem Regiment thätig. Die Kompagnie, die Anfangs vondem Premierlieutenant v. Z. geführt wurde, ist nunmehr end-gillig mit dem Hauptmann v. Schüler besetzt worden. An dieAbreise des Hauptmanns v. B., der sich von seinem Burschennach dem Anhalter Bahnhofe begleiten ließ, knüpfen sich merk-würdige Gerüchte, deren Klärung bei der an mehreren Stellengewahrten Zurückhaltung nicht möglich war. Aus der einen Seiteheißt es, Herr v. B. sei verschwunden, nachdem so manches nichtgestimmt habe, andererseits wird hervorgehoben, daß großeSchuldverbindlichkeiten die plötzliche Abreise veranlaßt haben.Er wohnte in der Rathenowerstr. 03, und die Räume sind bereitszur anderweiten Vermiethung ausgeboten.Bei dem Magistrat ist, wie die„Allg. Fl.-Ztg." berichtet,eine Eingabe der Standinhaber der sämmtlichen hiesigen Markt-hallen dahin lautend eingegangen:„Die Verkaufszeit in denHallen an Sonn- und Festtagen nicht wie bisher bis 0, sondernbis 10 Uhr Morgens anzuordnen."Der Gendarm beweist seine Unschuld. Schon kürzlichgaben wir der Ansicht Raum, daß es nach geltender Staatsraison für einen preußischen Beamten fast zu den unmöglichenDingen gehört, in seinem Gebahren gegenüber dem Publikumeinen Fehler oder gar eine Straflhat zu begehen. Ist so ein pflicht-treuer Beamter gelegentlich eines besonders bewunderungswürdigliegenden Falles wirklich einmal von frechen Buben einer nichtreglementsmäßigen Handlung verdächtigt worden, so stellt sichgewöhnlich schon in der Voruntersuchung eines solchen Fallesheraus, daß nicht der Gendarm z. B., der etwa wie toll mit demSäbel auf augenscheinlich anständige Bürger dreingeschlagen hat,der schuldige Theil ist, sondern, daß gerade die betreffendenBürger, die sich erfrechten, dem Säbel des Gendarms im Wegezu sein, dreiste und nichtswürdige Gesetzesübertreter sind.Es ist bekannt, daß vor einiger Zeit das Gebahren desGendarms Preuße in Nowawes die Empörung gesitteterMenschen herausforderte. Ueber den Verlauf dieser skanda-lösen Affäre wird dem„Kleinen Journal" jetzt folgendes ge-schrieben:Der Nowaweser Krawall(!) hat sich nunmehr zu einer An-klage wegen Landfriedensbruchs:c., welche in Potsdamvor dem Schwurgericht verhandelt werden dürfte, zugespitzt. Essind bereits 6 Personen in Untersuchungshaft genommen, darunterder dreizehnjährige Sohn des Arbeiters Bathe, eineseifrigen Agitators der Sozialdemokratie, welcher bei demKrawall einen Säbelhieb erhalten hat. Auch der durch Säbel-hiebe nicht unerheblich verletzte Dachdeckerlehrling Hederichwurde nach seimer Entlassung aus dem Krankenhausein Haft genommen. Der Gendarm Preuße, welcher durchsein eigenthümliches Auftreten zu dem Krawall die V e r-anlassung gab, weil er von der Menschenmenge für be-trunken gehalten wurde, soll durch mehrere Zeugen, darunterseine K a mse r a d e n und einen Arzt, nachgewiesen haben, daß ernicht betrunken, sondern nur nervös erregt gewesen ist. Mitder Verhaftung der sechs Tumultuanten sind die Ermittelungennach den bei dem Krawall betheiligten Personen noch nicht ab-geschlossen.Es wird nicht berichtet, daß gegen den Preuße irgendwiestrafrechtlich eingeschritten werden soll. So weit sich vielmehrübersehen läßt, dürfte der Gendarm vor dem Schwurgericht denunglücklichen Verwundeten gegenüber die Rolle eines Be-lastungszeugen einnehmen.Proletarier-Schicksal. Allgemeines Mitleid erweckte ein alterMann, der am Mittwoch Mittag am Landsberger Platz hilfloszusammenbrach. Es war ein ApFlsinenhändler, der sich mühsamdurch die Straßen schleppte, denn die eine Seite seines Körpers wardurch einen Schlagfluß gelähmt, die linke Hand vollständig ver-krüppelt und ganz blau gefärbt. Am Eingänge der Scrauß-bergerstraße stürzte er nieder—«in neuer Schlaganfall hatte ihngetroffen— er konnte sich nun gar nicht mehr bewegen undmußte mittels eines requirirten- Wagens nach dem nahe ge-legenen städtischen Kranlenhause am Friedrichshain gebrachtwerden.Bon der 2. städtischen Realschule sind, der Meldungeines hiesigen Blattes zufolge, 11 Sekundaner verwiesen worden,weil sie, entgegen dem in letzter Stunde ergangenen Verbot ihresDirektors in„Nagel's Festsälen" öffentlich gegen Entree Theater-Vorstellungen veranstallet hallen. Der von dem Vorhaben seinerSchüler verständigte Anstaltsleiter überraschte die„Künstler" vordem Beginn der Vorstellung und verbot ihnen das Auftreten.Die Herren Jungens aber lehrten sich nicht an das Verbot, eswurde doch„gemimt" und man war fröhlich und guter Dinge.Das war am Freitag Abend. Als sie am Sonnabend zur Schulekamen, wurde ihnen in der Aulav erkündet, daß sie aus ein-timmigen Beschluß des Lehrerkollegiums von der Anstalt ver-wiesen worden seien.Das„graue Kloster" in der Klosterstraße hat zwar Geldgenug, doch nicht soviel, um 20 oder 30 M. auswenden zu könnenzum Abputz der Mauer, welche einen Theil des Klostergrundstücksvon der Straße abgrenzt. Diese Mauer sieht gradezu skandalösaus; in Fetzen hat sich der alte Putz losgelöst, ist theils herab-gefallen, theils droht er in jedem Augenblick herabzustürzen. DieAnwohner, denen dieser trostlose Anblick ein Gräuel ist, habenden Schluß der Ballade„Des Sängers Fluch" bereits dahin ab-geändert:„Nur noch ein einziger Fetzen— Zeugt von ent-schwundener Pracht— Auch dieser, schon geborsten— Kannstürzen über Nacht!"Fatinitza fin de eiöcle. Ein höchst sonderbarer Prozeßwird sich bald auf dem hiesigen Amtsgericht abspielen, der demRichter, welcher sonst nur über Zivilprozesse zu entscheidenhat, Gelegenheit geben dürfte, einen Blick in das Leben einerwahrhasten„Fatinitza" zu thun. Im Jahre 1802 verschwandplötzlich aus dem Hause ihres Gatten, des Rentiers und Haus-eigenthümers F. in der Königstadt die 26jährige FrauEmilie F. und mit ihr ein Student der Medizin, dessen Elternmit dem Ehepaar sehr befreundet waren. Die Spuren der beidenFlüchtigen wiesen nach Paris, von wo vier Monate später derjunge Student zurückkehrte, um sich dem beleidigten Ehemann zustellen. Der reuige Sünder vermochte Herrn F. nur anzugeben,daß er nicht wisse, wo dessen Gattin gegenwärtig weile. Siewar eines Tages aus dem Hotel unter Mitnahme aller Werth-fachen und des größten Theiles der Baarschafl verschwunden,wie er annabm in der Gesellschaft eines deutschen Schau-spielers, der nach New- Jork engagirt war. Herr F.mußte sich mit dieser Auskunft zufrieden geben und lebte ein-sam in seinem behaglichen Heim, bis er vor einigen Wochenseine durchgebrannte Gattin auf recht sonderbare Weise zurück-entführte. Er befand sich im Monat Februar einer Erbschafts-regulirung halber in Hamburg, als ihm im Korridor des Hotels,in welchem er wohnte, eine Dame entgegentrat, die ihn scharffixirte und dann dem Ueberraschten mit den Worten:„Habe ichDich wieder, geliebter Otto" in die Arme sank. Die elegant ge-kleidete Dame war die ehemalige Frau F. Sie gestand nun,daß sie als Repräsentantin mit einem reichen Amerikanerund dessen sechsjährigen Töchterchen auf der Reise nach derSchweiz begriffen sei, und daß sie gern mit sihrernschwer beleidigten Gatten in die Heimath zurück-kehren wolle. Beide verließen sofort das Hotel undkehrten nach Berlin zurück, nachdem Herr F. den Ameri-kaner von der„Entführung" brieflich' benachrichtig� hatte.Damit scheint der Amerikaner jedoch nicht einverstanden, zu sein;er behauptet, seiner Repräsentantin im Laufe der letzter, 13 Mo-nate.�außer ihrem Gehalt, für Toilette, Deckung von Schulden K.eine Summe von 5000 Dollar zur Verfügung gestellt, zu haben.Diese will der glückliche Gatte nicht zurückzahlen uv.d so ist derAmerikaner durch einen hiesigen Rechtsanwalt gvgen Frau F.klagbar vorgegangen.Beim Kaffeekoche» verbrüht hat sich, wie geschriebenwird, am Dienstag Mittag die Arbeiterin Anna Menge, Friedrichs-felderstr. 82. Sie war in der Fabrik von Kleinschefski in derAdalbertstraße beschäftigt, wo wegen Ueberhäusung mit Arbeilauch über Mittag gearbeitet wird. Nur eine kurze Pause warzum Kaffeekochen vorhanden. Als Anna Menge nun den kochen-den Tops aus einem Ofen herausnehmen wollte, stieß sie mit demlinken Ellenbogen an einen Gegenstand. Der siedende Inhaltspritzte ihr in das Gesicht und verletzte sie so erheblich, daß sienach dem Krankenhause am Urban gebracht werden jmußte.—Ganz so, denken wir, wird die Sache wohl nicht stimmen, dadie Gewerbe-Ordnung die Jnnehaltung einer einstündigen Mit-tagspause vorschreibt. Gönnt der Prinzipal seinen Arbeiterinnennicht diese kurze Mittagspause, so hat er eine entsprechende Be-strafung zu gewärtigen.Erschossen hat sich am Dienstag Abend um 7Vs Uhr eineDame, die zweifellos den„besten/ Kreisen" angehört. AlsSpaziergänger im Thiergarten den Reitweg an der Hofjäger-Allee nahe dem Großen Stern betraten, fanden sie die Leicheeiner etwa 30 Jahre alten Dame mit einem Schuß in der rechtenSchläfe. Der Revo.lver, aus dem das Geschoß abgegeben war.lag neben der Tobten.Wegen zerrütteter Vermögensverhältnisse hat sich inder verwichenen Nacht der 40 Jahre alte Photograph AdolfPrenkler das Leben genommen. Er wurde gegen Mitternacht voreinem im vierten Stock belegenen Atelier an einem Gasarmehängend als Leiche vorgefunden.An» dem Wasser gezogen wurde Dienstag Nach-mittag gegen 4 Uhr die Leiche eines etwa 24 Jahre altenMädchens an der Adalbertbrücke. Die Todte, die eine goldeneUhr mit Nickelkette bei sich trug, und deren Wäsche das ZeichenG. B. erkennen läßt, war mit einem grau und blau karrirtenKleide, braunem Plüschkragen und einer weißen Schürze mitrother Kante angelhan. Die Persönlichkeit ist nicht festzustellengewesen.Für die Grabrede, die er am Grabe des durch Selbst-mord aus dem Leben geschiedenen Rechtsanwalts Moll in Un-kenntniß der beliebten Auslegung des Vereinsgesetzes gehalten,hat der Rechtsanwalt Wronker nunmehr von der Amtsanwalt-chast Berlin II ein Strafmandat in der Höhe von 20 M. er-mlten. Wronker will es aus richterliche Entscheidung ankomme»lassen.Fidele Gefangene. Einem hiesigen Blatte wird folgendeamüsante Geschichte berichtet: Zu dem rings von hohen Mauernumgebenen Hänserkomplex eines Gefängnisses nahe bei Berlingehören Stallung und Remise, sowie mehrere kleinere Räume,welche dem Kutscher, einem unverheirathelen, freien Manne, zurWohnung dienen. Dem Letzteren werden nun seit Jahren zweisogenannte„kurzzeitige" Gefangene beigegeben, welche ihn beieinen Arbeiten unterstützen müssen und zu diesem BeHufe in denKutscher- Wohnungsräumen mit untergebracht sind. Diese ArtGefangene nennt man in der Gesängnißsprache die„Pferde-Kalfactoren". Als solche waren in letzter Zeit einBerliner und ein Pole thätig. Beide verrichteten zurZufriedenheit ihren Dienst und suchten sich auch mitihrem nächsten„Vorgesetzten", dem Kutscher, möglichstans guten Fuß zu stellen. Im Lause der Zeil jedoch sehntenie sich nach Abwechselung, beschafften sich Srricke und ferrigtenaus diesen eine Leiter an, um aus ihr des Nachts, ohne Vor-wissen des in einem Nebenraume schlafenden Kutschers, ins Freiezu gelangen. Sobald der auf dem Hose palrouillirende Militär-mosten sich von ihrem Jsolirhäuschen entfernt hatte, erklettertenie die Gefängnißmauer, ließen die Leiter nach der Außenseitehinunter und gelangten so ins Freie. Die Strickleiter bliebhängen. Sie vergnügten sich einige Stunden mit Hilfe ein-geschmuggelte» Geldes in einer benachbarten Gastwirthschaft undlehrten auf demselben Wege in die Gefangenschast zurück' DasDrolligste dabei war, daß sich bei diesen Ausflügen derBerliner des langen Livree-RockeS des Kutschers bediente, währendder Pole mit dessen Zylinderhut paradirte. Jüngst saßen dieBeiden wieder einmal in einem Restaurations-Lokale und ver«gnüglen sich beim Würfelbecher, bis die späte Nachtstunde sie andas Nachhausegehen gemahnte. Als Beide nun von der frischen