Einzelbild herunterladen
 

FrattionZhaliung zu unterschreiben, die darauf hinauslief, daß er nur deshalb nicht aus der Partei austrete, weil er mit Sicherheit darauf rechne, daß die Partei selbst die Stellungnahme der Fraktion mißbilligen und korrigieren werde. Diese Emschlossenheit währte gioar nur einen halben Tag immerhin dauerte es Monate lang, bis sich das ChaoS in Lenschs Geist zu der famosen»neuen"' Theorie abgesetzt hatte. Ein Manir von so gefestigten Grundsätzen und so geläuterten Ueberzeugungen ist sicherlich die berufenste Person, die Prinzipien- festigkeit anderer Genossen zu kontrollieren! Aber vielleicht peinigt ihn auch nur das schlechte Gewissen, das ihn antreibt, bei anderen nach denselben Defekten zu spüren, die sein seelisches Gleichgewicht erschüttern. Wie dem auch sei: jedenfalls hat Lenfch den abenteuer Uchen Einfall, mir vorzuwerfen, ich selbst sei ein schnöder Prinzipiew verletzer. Ja, mehr noch: ein richtiger Tartllff. Denn während ich die Annexionspolitik für Deutschland verpöne und verwerfe, sei ich ein Freund und Helfershelfer der ausländischen Annexionen. Und diese tolle Bezichtigung formuliert und begründet Lenfch folgendermaßen: Ein geradezu groteskes Beispiel dafür, mit wie verschiede- nem Maße unsere Unentwegten die deutsche und die ausländische Eroberungspolitik messen, ergab sich in der Generalversammlung deS Wahlkreises Teltow -Charlo tt e n b u r g an einem der letzten Sonntage. Einer der unentwegtestenVorwärts''-Redak- teure, der zugleich im preußischen Landtag das arbeitende Volk vertritt, hatte soeben die übliche flammensprühende Entrüstungs- rede über die deutschen Annexionsgelüste gehalten und sich dabei auf die auch von Haase herangezogene Petition der Großagrarier und Großindustriellen bezogen, als ihm in der Diskussion die ver- fängliche Frage vorgelegt wurde, ob es denn ein leeres Gerede sei, daß er sich mit einem ausführlichen Schriftstück an die Leitung der deutschen Sozialdemokratie gewandt habe, des Inhalts, der deutsche sozialdemokratische Parteivorstand möge beider deutschen Regierung und der öfter reichische Parteivorstand bei der österreichi schen Regierung dahin vorstellig werden, die Annexionsgelüste der italienischen Regierung möglichst schnell und möglichst gründlich zu be- friedigen. Ob dabei die paar Slawen und Dalmatiner auf dem Balkan mit annektiert würden, spiele weiter keine Rolle. Die Partei- leitung habe in ihrer Beantwortung dieses wohl einzigartigen Schriftstückes zwar der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß durch vernünftige Konzessionen Oesterreichs Italiens Eintritt in den Krieg sich vermeiden lassen werde, gleichzeitig aber habe sie mit aller Schärfe es abgelehnt, die deutsche Sozialdemokra- ti e vor den Wagen des italienischen Jmperia- lismuS zu spannen. Zur allgemeinen Verblüffung mußte derVorwärtS"-Redakteur zugeben, daß das alles auf Richtigkeit beruhe, und zu seiner von der Versammlung mit großer Heiter keit aufgenommenen Entschuldigung wußte er nur anzuführen, daß er damit die weitere Ausdehnung des Krieges habe verhindern wollen! Das heißt man einen Prinzipienmann I Auf der einen Seite, soweit das eigene Volk in Frage kommt, ignoriert man grundsätzlich die besonderen geschichtlichen, wirtschaftlichen sowie militärischen Bedingungen, unter denen das deutsche Volk seinen furchtbaren Kampf um die Existenz gegen drei Viertel der be wohnten Erde führen muß. Und wenn die deutsche Welt zugrunde geht: Hauptsache ist, daß die Stuttgarter Resolution durchgeführt wird! Da hilft auch nicht der Hinweis, daß diese Resolution sich als undurchführbar erwiesen hat, daß die ausländischen Parteien an ihre Durchführung nicht denken. Unseren Prinzipienmann rührt das nicht. Während die Welt in Flammen steht, holt er gemütsruhig ein Papier aus der Brusttasche und präsentiert, zäh wie Shylock , seinen Schein, bedruckt mit der Stuttgarter Reso- lutioul Ihn erschüttert nichts. Er ruft die Massen gegen die deutsche Reichstagsfraktion auf, weil sie ihm nicht scharf genug gegen deutsche Eroberungsgelüste vorgeht, toeil sie sich zum Knecht des deutschen Imperialismus" gemacht habe. Auf der anderen Seite aber verlangt derselbe unentwegte Prinzipien- mann, daß die deutsche Sozialdemokratie sich zum Fürsprecher italienischer Eroberungsgelüste mache. Aufein paar" Slawen und Dalmatiner kommt es ihm dabei gar nicht an. Und selbst das sonst so heiligeSelbstbestimmungsrecht der Völker " ist Plötz- lich vergessen. Keine Rede davon, daß etwa diepaar" Slawen und Dalmatiner in Wahrheit zirka IX Millionen vorher gefragt würden, ob sie denn auch abgetreten werden wollen oder ob sie nicht vielleicht lieber einen unabhängigen Staat bilden möchten. Wie eine Hammelherde sollen sie nach dem Willen unseres unentwegtenVorwärts"-Redakteurs der italienischen Bourgeoisie ausgeliefert werden. Und warum? Um Italien von dem Ein- tritt in den Weltkrieg zurückzuhalten!! Wie ist uns denn? Ist uns nicht immer gesagt worden, daß es kein sicheres Mittel gäbe, immer neue Kriege zu entzünden, als Annexionen? Und bekämpfen wir nicht gerade deshalb die deutschen Annexionspläne, weil wir in ihnen die Ursachen zu neuen Kriegen erblicken? Und hier plötzlich müssen wir es er- leben, daß der Unentwegteste der Unentwegten in der Annexions- Politik ein Mittel zum Frieden erblickt. Freilich! Es handelt sich um ausländische Annexionspoli- tiker, und die haben von vornherein mildernde Umstände für sich. Dann aber: ist wirklich die Zurückweisung jeder Annexion ein sozialdemokratisches Prinzip, dann muß dieses Prinzip aufrecht- erhalten bleiben, und wenn der ganze Schnee ver» brennt, will sagen, wenn die Welt dabei zu- gründe geht. Denn sie treiben doch nicht Politik für die Volksmaffen, sondern lediglich für diePrinzipien"! Ist es aber kein sozialdemokratisches Prinzip wie denn dann? Sagen nicht auch die ausschweifendsten deutschen Annexionspolitiker, daß sie nur annektieren wollen, um des lieben Friedens willen? Wenn sie dem Reiche neue Grenzen schaffen wollen, so tun sie? nur, wie sie sagen, um dem deutschen Volke einen zweiten der- artigen Krieg zu ersparen, oder zum wenigsten, um es in den Stand zu setzen, wenn es wieder einmal überfallen wird, den Ueberfall mit geringerem Menschenverlust als diesmal abschlagen zu können. Dieselben Argumente also, mit denen unser treff- licherVorwärts"-Redakteur der italienischen Eroberungspolitik die Unterstützung der deutschen Sozialdemokratie zuschanzen will. können die deutschen Annexionspolitiker für sich auch anführen." Bevor ich mich daran mache, diesen Weichselzopf von Trug- schlüssen und skurrilen Einfällen zu entwirren, muß ich eine kleine. aber für Lenschs Art charakteristische Fälschung der Tatsachen richtigstellen. Er behauptet, in meinem Schreiben an den Partei- vorstand hätte ich nicht nur gefordert,.die italienischen AnnexionS- gelüste möglichst schnell und gründlich zu befriedigen", sondern auch erklärt,ob dabei die paar Slawen und Dalmatiner auf dem Balkan mit annektiert würden, spiele keine Rolle". Das ist eine blanke Erfindung unseres AnekdötchenerzählerS. Von den Ansprüchen der Italiener auf slawische Gebietsteile war in meinem Schreiben mit keiner Silbe die Rede. Erst der Parteivorstand wies in seiner Antwort darauf hin, daß Italien angeblich auch an der dalmatinischen Küste Landstriche mit einer überwiegend slawischen Bevölkerung

annektieren wolle. Auf diese Entgegnung deS Parteivorstandes habe ich nie geantwortet. DieS nur ein kleiner Beweis für die Gewissenhaftigkeit und Zu- verläsfigkeit der Historienerzählung meines Kritikers. Schlimmer freilich noch steht es, wie wir sehen werden, um Logik und Urteilsvermögen des Mannes. Gern bekenne ich, daß ich den Parteivorstand in einem Schreiben vom 19. April gemahnt halte, auch seinen Einfluß geltend zu machen. damit nicht eine kurzsichtige Politik den Zentralmächten einen neuen Gegner schaffe. Natürlich meinte ich damit Gebietsabtretungen an Italien . Damit soll ich Italiens Annexionsgelüste gefördert, mich selbst also als Annexionspolitiker betätigt haben. Tatsache ist, daß ich nichts anderes getan habe, als was in jener kritischen Zeit jeder vernünftige Mensch in Deutschland für notwendig hielt. So trat z, B. die. F r a n k f. Z t g." schon am 3. März für eine Abtretung österreichischen Gebiets an Italien ein. Alle Zeitungen von rechts bis links taten das in den Monaten vor der italienischen Kriegserklärung, auch alle sozialdemokratischen Blätter, soweit sie überhaupt Stellung nahmen. Und damit sollen sie sichvor den Wagen des italienischen Imperialismus gespannt haben I Mehr noch. Auch die deutsche Diplomatie, auch Fürst Bülow war in diesem Sinne tätig. Er hatte die Pflicht. Oesrerreich den sauren Bissen schmackhaft zu machen. Die Aufgabe, jener An schauung entgegenzutreten,.welche eine Abtretung vom Standpunkte der Ehre und des Rechts, anstatt von dem der politische Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit betrachtet s. Franks. Ztg.") Also auch Bülow, der Vertreter des mit Oesterreich in Nibelungentreue verbündeten Deutschland , legte sich, nach Lensch für die Annexionsgelüste Italiens ins Zeug! Aber es geht noch höher. Selbst der Parteivorstand erklärte in seinem Antwortschreiben, daß die österreichische Bruder Partei sich ihrer Pflicht durchaus bewußt sei und die Be deutung eines eventuellen Konflikts mit Italien selbst verständlich durchaus richtig einschätze und demgemäß wirke. Also auch der Parteivorstand war für Konzessionen an Italien , also Fürsprech und Förderer der italienischen Annexions Politik. Immer nach Lensch. Freilich: fehlt der Bezichtigung auch nicht die Methode, so ist sie doch hellster Wahnsinn! Damit könnte ich die Kennzeichnung der Abgeschmacktheiten des Genossen Lensch schließen. Aber ich will ein Uebriges tun und seinen Gedankenirrgängen auch in ihre krausesten Verfchlingungen folgen. Ich habe zwar in meinem Schreiben an den Parteivorstand mit keinem Wort von Slawen und Dalmatinern gesprochen, mich wohl aber in der erwähnten Generalversammlung ohne weiteres zu der Ansicht bekannt, daß unter Umständen auch das Eintreten für die Abtretung eines dalmatinischen Küstenstreifens keineswegs eine freventliche Begünstigung italienischer AnnexionSgelüste, sondern ein höchst vernünftiger politischer Akt gewesen sein könne, wenn sich da durch Leben und Gesundheit von Hunderttausenden(wenn nicht viel mehr noch!) habe ersparen laffen. Dagegen läßt sich einwenden, daß ein solches Maß von Zw geständnissen gegen Oesterreichs Selbsterhaltungspflicht verstoßen haben könne. ES läßt sich dagegen auch, wie es der.P. V." getan, sagen, daß unsere österreichischen Genossen wegen des für sie be- sonderS schwierigen Nationalitätenproblems die Abtretung von Landstrichen mit slawischer Bevölkerung nicht hätten unterstützen können. Aber daß eS für Sozialisten an sich eine Prinzipienverletzung sei, unter einer politischen Zwangslage, die sie nicht verschuldet. und zur Verhütung unabsehbarer Folgen, für die Abtretung eines Landstrichs mit fremdsprachiger Bevölkerung einzutreten, da« ist eine Entdeckung, die eben nur eines so bewährten marxistischen Exegeten und Prinzipienhüters wie Lensch würdig ist! Wozu noch kommt, daß die dalmatinischen Serbokroaten doch auch unter Oesterreichs Regiment keine nationale Selbständigkeit be sitzen. Natürlich würde ihnen jeder Sozialdemokrat jede» politische Selbstbestimmungsrecht von ganzem Herzen gönnen. Aber wenn sie die eine Herrschaft mit der anderen tauschen müßten, so träfe dafür doch einzig die Kriegsdrohung des einen und die Zwangslage deS anderen Staates die Schuld, nicht diejenigen die bei einer solchen Alternative ungleich Schlimmeres zu verhüten suchten. Lensch weiß freilich besser, was sich fiir einen echten und rechten Prinzipienmonn" schickt.Ist wirklich die Zurückweisung jeder Annexion ein sozialdemokratisches Prinzip, dann muß dieses Prinzip aufrecht erhalten bleiben und wenn der ganze Schnee verbrennt, wenn die Welt dabei zugrunde geht". Mit anderen Worten: Ich darf nur dann für Prinzipien eintreten, wenn ich sie so absurd ausleg«, wie ein Lensch mir zumutet, wenn ich sie bis zur Verrücktheit treibe, wenn ich mich als kompletter Narr betrage. Wir haben ja nichts dagegen, wenn Lensch selbst es mit den fixen Ideen, die er für marxistische Prinzipien hält, nach diesem Rezept verfährt. Für uns selbst nehmen wir das Recht in Anspruch, unter Grund sähen und der Pflicht und Möglichkeit ihrer Betätigung daS zu ver- stehen, waS unter vernünftigen Menschen üblich ist. Schade nur, daß Lensch nicht Jurist geworden ist. Seine Logik hätte der Strafrechtstheorie unerhört neue Bahnen erschloffen. Denn nach seiner Logik ist nicht der ein Räuber, der einem anderen etwas gewaltsam fortnimmt oder sich als sein Kumpan betätigt, sondern auch der Beraubte. Ein Spaziergänger, der einem wohl bewehrte« Wegelagerer sein Portemonnaie aushändigt, statt es auf einen bedenklichen Raufhandel ankommen zu laffen, begünstigt nach Lensch die Raubgelüste des Strolchs, hat damit das Recht verwirkt, sich einen Gegner der edlen Räuberzunst zu nennen. Denn wenn ich im Prinzip die Räuberei verwerfe, so muß ich dies Prinzip unter allen Umständen aufrechterhaltenund wenn die Welt dabei zugrunde geht", also auch auf die Gefahr hin, daß ich mich dafür daß einem mich anfallenden Banditen nicht ein paar Taler in die Hände fallen, zuschanden schlagen laffen muß! Wenn das keine Narrheit ist, gibt«S überhaupt keine mehr.

Mus öer Partei. Zur Tagung des Purteiausschusses bemerkt die Bielefelder Volkswacht": Die Partei kann sich beglückwünschen, daß die große Mehrheit deS Ausschusses aus Männern besteht, die sich ihrer Verantworwng der Partei gegenüber bewußt sind, daß nicht Genosien zu Hütern der Parteieinheit bestellt sind, die das höchste Gebot der Stunde darin erblicken, der Partei in ihrer schwierigsten Situation Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Aus de» Organisationen. Der Ausschuß des Bezirlsverbandes Magdeburg-Anhalt hat in seiner letzten Sitzung zu den Differenzen in der Partei Stellung genommen und einmütig den Beschlüssen deS Parteiausschusses zu- gestimmt. Der Ausschuß erwartet von den Mitgliedern der Parte,, daß sie in dieser Zeit der allergrößten Schwierigkeiten alles unterlassen, was dazu beitragen muß, die Lage der Partei zu gefährden.

Gewerkschaftliches. Serlin und Umgegend. Gegen die Teuerungszulagen. Der Verband der Baugeschäfte von Groß-Berlin wendet sich in seinem Tätigkeitsbericht gegen die Bestrebungen der Arbeiter auf Erringung von Teuerungszulagen. Es heißt dort: Das Streben nach Kriegszulagen zeigt sich neuerdings auch bei einzelnen Arbeitnehmern, die zu vergessen scheinen, was sie den Tarifverträgen zu� danken haben. Hier muß es heißen: Hüte dich vor dem ersten Schritt." Ist erst die Grenze über- schritten, dann steigt die Zulage von Monat zu Monat und die Tarifverträge werden vollkommen beiseite geschoben werden. Der Verband würde der zukünftigen Entwicklung der Tarifgemein- schaften einen schlechten Dienst erweisen, wenn et es nicht als seine Pflicht ansähe, allen Ansprüchen nach Lohnerhöhungen oder Gewährung von Zulagen entgegenzutreten. Den Arbeitnehmern, insbesondere den Bauarbeitern, mutz vor Augen geführt werden, daß alle derartigen Bestrebungen die Tarifverträge ernstlich ge- fährden und Wasser auf die Mühlen derjenigen treiben, die itets behaupten, daß der Wert der Tarifgemeinschaften für die Arbeit- geber sehr problematisch wäre, weil die Arbeitgeber zwar in schlechten Zeiten die Löhne innehalten müßten, während die Ar- beitnehmer immer versuchen würden, wenn ihre Arbeitskräfte gesucht würden, sie ohne Rücksicht auf Tariflöhne so teuer wie möglich zu verkaufen. Dte Organisation des Deutschen Bau- arbeiterverbandes hat uns die Erklärung gegeben, daß sie den Lohntreibereien fernsteht. Zwar fände sie das Bestreben einzel- ner Arbeiter, ihren Verdienst zu erhöhen, im Hinblick auf die Teuerung der Lebensmittel menschlich verständlich, sie werde in- dessen den Tarifverträgen dte Treue bewahren und ihren ganzen Einfluß zur Ausrechtcrhaltung derselben einsetzen. Diesen Er- klärungen müssen wir Glauben schenken und hoffen, daß die Tarifverträge die schwere Belastungsprobe des Krieges über- winden werden." In einem Rundschreiben des Verbandes der Baugeschäfte an seine Mitglieder sagt der Borstand: In dieser schweren Zeit ist«in einmütiges Zusammen- halten notwendiger denn je. Wer etwaigen Ansprüchen nach einer Lohnerhöhung oder Zulage nachkommt, schädigt seine Be- rufsge nojsen und beeinträchtigt all« unsere Bemühungen, die durch die Tarifverträge geschaffene Ordnung und Sicherheit auf- rechtzuerhaltcn. Die Ansprüche der Arbeitnehmer nach einer Lohnzulage müssen als unberechtigt abgelehnt werden. Im«in- zelnen Fall mag dies unbequem sein und bin und wieder zu Schwierigkeiten führen. Dennoch mutz die Rücksicht auf die All- gemeinheit allen anderen Erwägungen vorangehen." Die Sorge umdie durch die Tarifverträge geschaffene Ord- nung und Sicherheit" ist gewiß anerkennenswert. Weniger will es uns aber gefallen, daß sie gerade in dem Augenblicke bei den Unternehmern so drohend ihr Haupt erhebt, wo es gilt, die obere Tarifgrenze vor der Ueberschreitung zu sichern. Im Baugewerbe haben jahrelang Zustände bestanden, bei denen es der größten An- strengungen der Arbeiter bedurfte, sich die Minimalsätze des Tarifes zu sichern. Auch das jetzige Verlangen der Arbeiter geht keineswegs darauf hinaus, den Tarif außer Kraft zu setzen. Sic wünschen nur eine vorübergehende Berücksichtigung ihre? durch die Kriegsteuerung hervorgerufenen Notstandes. Die Organisation der Bauarbeiter ist an den Tarif gebunden und kann eine solche Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse nicht erzwingen. Beim Abschluß des Vertrages hat kein Mensch an die Einfügung bc- sonderer tarifUcher Bestimmungen für die Bezahlung im Kriegs- fall gedacht. Man hätte wohl am grünen Tisch auch kaum das Richtige bei der Ausklügelung von Paragraphen für diesen Fall gefunden. Als dann der Krieg ausbrach, haben viele Gewerk- Schäften mit Rücksicht auf da» große Ganze auf peinlich« Jnnc- Haltung der Vertragsbestimmungen verzichtet. Namentlich eine Modifikation der Arbeitszeit wurdei in vielen Berufen vorge- nommen, um die Last der Arbeitslosigkeit möglichst zu verteilen. Dabei ist es keinem Menschen eingefallen,die durch die Tarif- Verträge geschaffene Ordnung und Sicherheit" beseitigen zu wollen, ö wenig das durch die gegenwärtig vielfach als Notbehelf e:nzc- ührte Frauenarbeit geschehen soll. Haben die Arbeiter also keine prinzipiellen Bedenken" geltend gemacht, als es galt, der Rot der Zeit Rechnung zu tragen, dann berührt es etwas eigenartig, wenn ich Unternehmer urplötzlich auf das starre Tarifprinzip zurück- ziehen. Man wird vielleicht später bei passender Gelegenheit ein- mal daran erinnern dürfen. Vorläufig begnügen wir uns zu agen, daß aucb wir das Bestreben der einzelnen Arbeiter, ihr Ein- kommen zu erhöhen, im Hinblick auf die Teuerung der Lebensmittel mit dem Bauarbeiterverband menschlich verständlich finden. Wir hätten gewünscht, dieses Verständnis auch beim Verband der Bau- geschäfte zu sehen.

veutsches Reich. Der Revers der beyerischcn Verkehrsverwaltung. Dem Personal der bayerischen staatlichen Berkehrsanftalten ist eS seit April 1913 verboten, Bereinigungen anzugehören,deren Verhältnisse nicht genügende Sicherheit dafür bieten, daß sie von dem Mittel einer gemeinsamen Einstellung der Arbeit oder des Dienstes im Bereich der Berkehrsverwaltung keinen Gebrauch machen werden". Nach den Bollzugsbestimmungen hierzu haben die Arbeiter bei Aufnahm« in den Dienst durch Unterschrift zu bestätigen, von dieser Vorschrift Kenntnis genommen zu haben und »erständigt worden zu sein, daß zu den Vereinigungen in diesem Sinn zurzeit insbesondere die freien Gewerkschaften der Metall- und Transportarbeiter und der Verband des süddeutschen Eisenbahn- und Postpersonals zählen, ferner, daß die Eisenbahn- Verwaltung bei Zuwiderhandeln gegen diese Vorschrift die Lösung des Arbeits- oder DienswerhAtnisies ins Auge fassen mutz. Die Agitationskommission der freien Gewerkschaften Nord- und Südbayerns und der Pfalz haben im Herbst v. I. an die bayerische Staatsregierung das Ersuchen gerichtet, den von der Verk�rsvcrwaltung eingeführten Revers zu beseitigen. Fast zu derselben Zeit hatte auch der Süddeutsche Eisenbahnerverband das gleiche Ersuchen an die Regierung gerichtet. Auf diese Eingaben antwortete am 29. April d. I. der Ministerpräsident v. Hert- ling, daß mit Rücksicht auf die durch den Kriegszustand ge- 'chaffenen Verhältnisse weder Arbeiter zur ständigen Beschäftigung neu aufgenommen, noch daß Tagelohnbedienstete in Beamten- tellungen übergeführt würden. Bei dieser Sachlage komme die praktische Handhabung des Reverses nicht in Betracht, und es er- übrige sich deshalb auch, zurzeit in eine schriftliche oder mündliche Erörterung der Reversfrage einzutreten. Nach Ansicht dcS Ministerpräsidenten und des Verkehrsministers könne bei dieser Sachlage die Angelegenheit ruhen. Mit der Berufung auf diebe- anderen Verhältnisse" suchte also die Regierung einer sachlichen Erörterung der Angelegenheit auszuweichen. Zwar bietet sich während des Krieges keine Gelegenheit zur Handhabung des Re- verseS, aber dieser bleibt aufrechterhalten und damit soll auch die Verfemung der Organisationen der Metall- und Transport- arbeiter bestehen bleiben. Die beiden Verbände sind aber nicht gewillt, sich diese Ausnahinebehandlung gefallen zu lassen. Gerade diebesonderen Verhältnisse" sind es wohl, die die genannten Organisationen neuerdings veranlaßten, geineinsam gegen die regierungsseitige Vcrfemung zu protestteren und die Aufhebung des Reverses zu fordern. In einer Eingabe an den bayerischen Ministerpräsidenten weisen die Vorstände des Metall- und TranSportarbeiterverbandes darauf hin, daß die Reverspolitik nur eingeleitet wurde zur Be- riedigung parteipolitischer Interessen einzelner Gruppen. Daß diese Politik niemals fachlich begründet war, sei durch die Ereig-