Man geht Wohl nicht fehl, wenn man die Annaherungs- bestrebungen Jpans an Rußland in erster Linie auf diesen Erfolg Englands gegenüber Japan zurückführt. Die japanische Militärpartei will sich für ein weiteres Vordringen nach Sud- cknna eine starke Rückendeckung im Norden schaffen und zu- gleich durch ein enges Bündnis mit Rußland der Notwendig. keit enthoben sein, auch gegen Rußland fortgesetzt rüsten zu müssen. In derselben Richtung wirken die Besorgnisse der japanischen Militärpurtei hinsichtlich der militärischen Er- starkung Chinas und des Wiedereinsetzens des deutschen Ein- flusses in China nach dem Kriege. Allen diesen Gefahren soll durch eine Militärkonvention mit Rußland ein starker Damm entgegengesetzt werden. Zugleich hofft aber auch die zu immer stärkerem politischen Einfluß gelangende Partei der japani- schen Großbourgeoisie, daß ein Anschluß an Rußland der japanischen Industrie einen großen Markt im asiatischen Ruß- land eröffnen und das wirtschaftliche Vordringen Japans in der Mandschurei und in Nordchina fördern würde. Alle diese Eröffnungen der japanischen Presse sind in Rußland mit ziemlich gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Wie zur Zeit der japanisch-chinesischen Verhandlungen über das japanische Ultiniatum verfolgte die russische Presse mit einem Gemisch von Mißtrauen und furcht die Anbiederungsversuche des japanischen Verbündeten. Man verhehlt sich in Rußland nicht, daß ein enges Bündnis mit Japan eine zweischneidige Waffe ist, die sich unter Umständen gegen Rußland selbst wenden und seine Stellung in Ostasien er- schüttern könnte. Aber über diesen Erwägungen steht doch die Not der gegenwärtigen Situation, die die russische Presse ver- anlaßt, sich den japanischen Anerbietnngen gegenüber freund- lich entgegenkommend zu Verhalten. In dieser Situation hat sich der japanische Ministerpräsident Graf Okuma als ein sehr guter Psychologe erwiesen. In einer seiner letzten Reden er- klärte er, Rußland würde, da es einen Ausgang durch die Dardanellen erlangen würde, keine aggressive Politik mehr im fernen Osten treiben müssen und infolgedessen für Japan ein guter Partner sein. An diesen Gedanken knüpft nun die Moskauer „Rußkoje Slowo" in einem offenbar inspirierten Artikel an, der in der gesamten europäischen Presse viel Be- achtnng gefunden hat.„Die gleiche Bedeutung, die der Besitz Indiens für England hat— schreibt das Blatt—, hat d i e freie Durchfahrt durch die Dardanellen für Rußland . Japan will freie Hand auf dem asiatischen Festland, Rußland freien Zutritt zum Mittelmeer . Ein russisch - japanisches Bündnis würde also dann von ungeheurer Bedeutung für die Weltpolitik sein, wenn Rußland dieBürgschaft für die japanischen Interessen im fernen. Japan die für die russischen Interessen im nahen Orient übernäh m e." Daran knüpft das Blalt den Hinweis, daß Japans Beteiligung an dem europäischen Krieg aus technischen Gründen nur in der Beteiligung an den Dardanellenkämpfen bestehen könne. Das Moskauer Blatt verhehlt sich nicht, daß der Abschluß eines russisch -japanischen Bündnisses auf der geschilderten Grundlage manche Schwierigkeiten haben werde.„Aber— erklärt es— es ist nicht anzunehmen, daß sich auf der langen Strecke vom Bosporus bis zum Stillen Ozean nicht zwischen den Interessen der beiden Vertragsmächte und denen Eng- lands. und Frankreichs ein Ausgleich finden lassen sollte." Gerade dies kann aber mit Recht bezweifelt werden. England hat kein Interesse an einer Stärkung Japans im fernen Dsten, die sich ausgesprochenermaßen gegen seine eigene Stellung in China richtet. Es hat aber ebensowenig ein Interesse daran, daß sich Rußland mit japanischer Hilfe ein Bollwerk an den Meerengen errichtet, das, der englischen Kontrolle entzogen, die Stellung Englands im öst- lrchen Mittelmeer zu bedrohen imstande wäre.
Die Kämpfe im priesterwalö. Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben: In den französischen Tagesblättern Pom 30. Mai erschien ein amtlicher Bericht über„Die Eroberung des Priesterwaldes". Darin waren die schweren Kämpfe geschildert, die die Franzosen in diesem Walde zu bestehen hatten und die für sie„nach sieben Monaten unablässigen Ringens endlich zum Ziele führten". Dieser Priester- wald war in den ersten Julitagen der Schauplatz erneuter schwerer Kämpfe, eines durchschlagenden deutschen Erfolges. Vom Kamm der Höhe, die steil aus dem Moseltal aufsteigt und dieses nur um etwa 200 Meter überhöht, erstreckt sich nord- westlich Pont-ä-Mousson ein ausgedehntes Waldgebiet. Dessen gegen Pont-ä-Mousson abfallender Teil bis an die Straße Feh- en- Haye— Norroy heißt auf den deutschen Karten „Priesterwald", während auf den französischen nur der südliche Waldteil diesen Namen führt, der nördliche aber Bois Communaux genannt ist. Hierin mag eine Erklärung dafür liegen, daß die Franzosen sich für unbestrittene Herren des «Priesterwaldes" hielten. Am Südrand des Waldes, an der Straße Pont-ä-Mouston— Montauville— Limey liegt der Exerzierplatz, im Walde der Schießplatz der Garnison Pont-ä-Mousson. Die Mann- schaften der stanzösischen Regimenter, die uns hier gegenüberstehen, stammen aus den Ortschaften der Umgebung und manch gefangener Franzose konnte in Begleitung von deutschen Landsturmmännern früher, als er gedacht und gehofft hatte, seine Angehörigen in seinem Heimatsort begrüßen. Der Priesterwald ist der echte Lothringische Wald. Nur wenige und schlechte Wege durchziehen ihn. Dichtes Unterholz erschwert jegliche Bewegung außerhalb der Wege. Die mangelnde Forstkultur haben unsere und die französischen Granaten nachgeholt. Sie haben dem Walde Licht und Luft geschaffen. Freilich sind sie dabei so weitgegangen, die alten Baumriesen teils mit samt den Wurzeln herauszureißen, teils inmitten der Stämme zu knicken. Tief ein- gerissene Schluchten zerklüften den Wald und behindern seine Weg- samkeit. Die höchste Erhebung hat das Waldgelände in einem Höhenkamm, der vom Eintrilt der Straße Feh-en-Haye— Norroh in den Wald nach Osten zieht. Auf dem höchsten Punkt steht das Croix des Cannes . Auf diesem Höhenrücken liegen die deutschen Stellungen. In schweren, hin- und herwogendcn, monatelangen Angriffen war eS den Franzosen dank ihrer Uebermacht Anfang Juni gelungen, auf dem westlichen Teil des Höhenrückens Fuß zu fassen. Sie wieder hinunter zu werfen, war das Ziel unseres Angriffes am 4. Juli. Es war kein leichtes Stück Arbeit, das uns dort bevor- stand. Die Franzosen hatten sechs und sieben Stellungen hinter- einander in einer Gesamttiefe von 400 bis Svv Meter ausgebaut. Unser Angriff wurde eingeleitet durch einen Vorstoß aus dem an der Mosel liegenden Abschnitt. In einer Breite von etwa 250 Meter gelang es hier, in die feindliche Stellung einzudringen und fünf französische Blockhäuser mitsamt ihrer Besatzung in die Luft zu sprengen. Wir zerstörten die eingebauten Kampfmittel und gingen dann, wie vorgesehen, wieder in die alte Kampfstellung zurück, un- gestört vom Feinde. Nachmittags begann der Hauptangriff. Die durch unser Artillerie- feuer erschütterte französische Infanterie konnte dem Ansturm nicht standhalten. Stellung auf Stellung fiel. Am Abend waren alle französischen Stellungen in einer Breite von 1500 Meter genommen. 12 Offiziere, über 1000 unverwundete Gefangene, 3 Geschütze, 7 Minenwerfer, 7 Maschinengewehre, 1 Pionierpark mit reichlichem Gerät waren unsere willkommene Beute. Was die Franzosen in monatelangem Ringen erworben, hat unsere stürmende Infanterie. unterstützt durch die vortreffliche Artillerie, ihnen in wenigen Stunden wieder entrissen. Wo man hobelt, fallen Spähne. Ohne Verlust ist solch ein Erfolg nicht zu erreichen. Unsere Gesamtverluste einschließlich der nur vorübergehend ausfallenden Leichtverwundeten erreichten aber nicht einmal die Zahl allein der gefangenen Franzosen. Deren Verluste an Toten waren außerordentliche- Nach Aussage der Gefangenen waren die Kompagnien schon vor unserem Angriff nur durch unser Arlilleriefeuer auf 00 bis 70 Mann zusammengeschmolzen. In dem eingangs erwähnten amt- lichen Bericht ist betont, daß die stanzösischen Soldaten den Priester- wald als„unfern Wald" ungleich sinniger bezeichnen als die
Deutschen , die ihn„Todeswald" oder„Wald der Witwen" nennen. Die Phantasie des Berichterstatters in Ehren. UnS ist indessen von einer derartig geschmackvollen Benamsung nichts bekannt. Am 4. Juli ist aber der Priesterwald den Franzosen zum.Todeswald" geworden.— Selbstverständlich mußten wir damit rechnen, daß der Feind uns den Gewinn bald streitig machen würde. Schon in der Nacht zuni 6. Juli setzte er zu dem erwarteten Gegenangriff an. Wir konnten diesen, wie auch die späteren, abweisen. Unter den Gefangenen befinden sich auch farbige Franzosen. Söhne der Insel Rounion sind es, die zum Kampfe für Zivilisation und Kultur herangeholt sind. Nicht nur in ihrer Uniform sind sie fran- zösische Soldaten geworden, sondern auch in ihrer Gesinnung. Denn gleich diesen sagten sie bei ihrer Vernehmung aus, daß sie den stanzösischen Zeitungen keinen Glauben mehr schenken, daß sie, des Krieges müde, den Frieden wollen, sei er zugunsten Frankreichs oder nicht. Anscheinend ist diese Stimmung auch in der Bevölkerung nicht selten. In Pont-ä-Mousson sollen Frauen das Automobil des Präsidenten der Republik mit Steinen beworfen haben unter dem Rufe, sie wollten den Frieden, sie wollten ihre Söhne zurück- haben._(W. T. B.j
Der französische Tagesbericht. Paris , 21. Juli. (W. T. B.) Der amtliche Heeres- bericht von gestern nachmittag besagt: Im Artois um Souchez und bei Neuville-Saint Baast war die Nacht über ein heftiges Bombardement. Einige Kämpfe mit Handgranaten ereigneten sich nördlich des Schlosses von Carleul. Im Aisnetal meldet man eine ziemlich lebhafte Kanonade. S o i s s o n s wurde beschossen. Auf den Maashöhen war die Nacht unruhig, aber ohne Jnfanteriegefecht, außer bei der Tranchee von Calonne, wo zwei Angriffsversuche der Deutschen leicht zurückgeschlagen wurden. Vier unserer Flugzeuge warfen gestern 48 Granaten auf den Abzweigungsbahnhof Challerange südlich Vouziers. Ein Geschwader von 6 Flug- zeugen bombardierte vormittags den Bahnhof von Kol« mar. Es wurden 8 Bomben von 155 Millimeter und 8 von 90 Millimeter auf die Gebäude, Schienenstränge und Züge geworfen. Am Hauptbahnhofe und am Güterbahnhofe wurden Schäden festgestellt. Keine Bombe fiel auf die Stadt. Die Flugzeuge kehrten wohlbehalten zurück. Der amtliche Heeresbericht von gestern nacht lautet: Im Artois Artilleriekämpfe ohne Infanterie- gefecht. Die heftige Beschießung von Reims forderte mehrere Opfer in der Zivilbevölkerung. Zwischen Maas und Mosel, bei Lcs Eparges, im Gebiet von Fey en Haye und im Prie st erwalde ziemlich lebhaftes Geschütz- feuer. In der Nacht vom 19. zum 20. belegte eines unserer Luftschiffe den Militärbahnhof und das Munitionslager von Vigneul les Hattonchätel mit 23 Bomben. Unser Luftschiff kehrte ohne Unfall in unsere Linien zurück. Englischer Kriegsbericht. London , 21. Juli. (W. T. B.) Meldung des Reuterschen Bureaus. Nach einer gut gelungenen Minenexploston besetzten, die Engländer gestern ungefähr 150 Aards feindlicher Schützen- gräben westlich des Schlosses von Hoogs. Die gewonnenen Stellungen wurden verstärkt. Es wurden 15 Mann gefangen genommen, darunter zwei Offiziere, ferner zwei Maschinengewehre erbeutet und zwei vernichtet. �nternierung englischer Flieger in tzollanö. Köln , 21. Juli. (W. T. B.) Die„Köln . Ztg." meldet aus Amsterdam : Bei Philippins landete heute morgen 6 Uhr ein englisches Flugzeug mit zwei Offizieren. Gleich nach der Landung steckten die Offiziere das Flugzeug, das mit einem Maschinen-' gewehr ausgerüstet war, in Brand. Die Offiziere wurden in Ter- neuzen interniert.
preöil und bei Malborghet. Von Hugo Schulz (Wien ). ? 11. Juni. Fast ebenso eifrig wie das Kanaltal und die Gegend von Malborghet suchen die Italiener das Seebachtal oberhalb Kaibl und d i e P r e d i l st r a ß e mit Geschossen schwersten Kalibers heim. Die Prediljtraße biegt dort, nachdem sie eine Weile dem Sceufer entlang in sanfter Steigung dem Paßeingang zustrebt, plötzlich rechtwinklig ab und windet sich dann zwischen hohen Steilwänden durch ein Engtal, das allmählich sich ausweitend langsam empor- zieht bis zu sener Einsattelung, die den Predilpaß bildet. Die schlucktartige Talbresche, in der die Straße mit so jäher Wendung ocrschlwindet, übt auf die feindlichen Schwergeschütze die stärkste Anziehungskraft. Dort irgendwo müssen nach ihrer Annahme die festen Sperrwerke liegen, die es niederzukämpfen gilt. So furcht- bar nun die Wirkung der feindlichen Bomben auch sein mag, so bleibt sie doch hinter der unserer 30, 5er zurück. Täglich erweist es sich den Italienern durch gutgezieltes Artilleriestuer aiuS der Predilgegend, daß die dort befindlichen Objekte noch sehr lebendig sind, trotz aller im weiteren Umkreis niedergehenden Riesen- bomben, deren schreckliches Getöse die Moral von Kriegern. d,e das Grauen längst verlernt haben, und deren Nerven in den Lava- gluten galizischer Schlachten gestäblt sind, nicht zu erschüttern der- mag. Anfangs gingen manche italienischen Schwergeschosse in den Tee, darunter zwar die Fische sehr zu leiden Ivrtten, aber nicht die Menschen. Auch jetzt noch verschlvindet manche zu kurz geratene Ricsengranate in den grünen Fluten aber manche andere findet doch ihren Weg entweder in die Waldhänge, die die Straße säumen, oder auch auf den Straßenkörper selbst. Wenn sich nun auch die zerstörende Wirkung durch Blindgänger, die wie Gummibälle am Felsgestein abprallen, vermindert, so ist es dennoch derzeit auf der Predilstraße nicht sonderlich geheuer. Der Verkehr bevorzugt d,e finstere Mitternacht, wo die Geschütze schweigen. Sollten sich übrigens die Italiener einbilden, daß ihre kostspielige Verschießung wenigstens den Erfolg hat. den Unsrigen eine wichtige Verbindungs- oder abzndrosseln, so sind sie auch damit auf dem Holzwege. Wenn die italienischen Riesengeschoss« an Präzision und mör- dorischer Wirkung unseren gefürchteten Dreißigerbomben auch nachstehen, so sind sie doch durchaus keine angenehmen Zeitgenoffen. Manches ihrer Sprengstücke fliegt über einen Kilometer weit. Man zeigte mir in Tarvis eine solche Eisenscherbe. Sie war fast zehn Kilo schwer. Nock am selbigen Tage fand ich Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß die Kilometerschwinge einzelner Splitter keine Seltenheit sind, sondern die Regel. Fast wäre es mir und meinen Begleitern dabei schief gegangen. Wir waren nachmittags unter Führung des Hauptmanns W. nach Raibl gekommen, wo sich uns sofort einige Offiziere anschlössen, um mit uns zum See zu geknm. Das Erklärcramt übernahm der Landsturmleutnant Dr. B. Eben war trotz düsteren Wetters und grauverhängtem Himmel große Beschießung. Die von hohen Steinabhängen eingefaßten Ufer des kleinen smaragdfarbcnen Sees bilden ein zauberisch schönes Tal des Schweigens, eine schwermütige Acheronlandschaft, die wohl auch sonst von Todcsstimnmng durchschaucrt ist. Jetzt ist aber auch das
Waldweben im Umkreis verstummt, nicht einmal Dohlengekrächze läßt sich vernehmen. Lärchen und Fichten prangen in dunklem Grün, die Wiesenhänge sind voll von blühenden Zyklamen, aber trotzdem scheint es, als ob die Gegend kein Lebenszeichen geben wolle. Das ist nun nicht zu verwundern, denn durch die Luft jagen da die bösen Dämonen mit einem Gebrüll, das alle Schauer der Vernichtung zu tönendem Ausdruck bringt. Es ist wohl die den Schall vervielfältigende Akustik dieses Tales, die alle Unter- und Obertöne deutlich mitschwingen läßt, vor allem daran schuld, aber sicher ist, daß ich hier das Gruseln viel gründlicher lernte als je in diesem Kriege. Jedes Geschoß, das hier eindringt, kündigt sich durch fernes, sanftes Getön, das langsam anschwillt, schon einige Sekunden vorher an. Man hat Zeit, seine Sinne auf das Höllen» gebrause einzustellen und in banger Erwartung die Gedanken stocken zu lassen. Wenn dann das Geschoß über den See schwebt, ist es wie das hundertfach verstärkte Heulen der Luftmassen, die der Nordswrm durch eine Windlücke zwängt. Diese Sturmstöße wiederholten sich, als wir am Seeufer dahiaschritten, fast alle drei Minuten, der Feind war also besonders fleißig am Werke. Als wir etwa die Mitte des Ufersaumes erreicht hatten, begann es eben wieder in der Ferne zu�tönen. Wir befanden-uns eben in dem Raum, den die über den See zurückgeschleuderten Sprengstücke mit Vorliebe heimsuchen, und ein Offizier riet uns sofort, Deckung zu nehmen. Leider war kein geeigneter Raum in der Nähe, und wir standen, als drüben in der Talbresche der furchtbare Sprengschlag aufkrachte, wie gebannt da. Doch n-ur einen Augenblick, dann stoben wir auseinander, denn ein Schwirren in der Luft, ähnlich dem der Wirbel eines Flugzeugpropellers, ließ Böses ahnen, da es seine Richtung gerade auf unseren Standort zu nehmen schien. Knapp vor dem Ufer ging die Eisenscherbe mächtig aufklatschend ins Wasser. Der Eisengruß war doch etwas zu kurz geraten und hatte seine Absicht verfehlt, wenn sie eine andere war als die einer wohlmeinenden Warnung. Wir waren nun, als es wieder zu heulen begann, sehr sorgsam auf rechtzeitige Deckung hinter manns- dicken Baumstämmen bedacht, wofür uns die Italiener belohnten, indem sie das nächste Geschoß blind gehen ließen und das nächst- folgende direkt in den See sandten, aus dem ein breiter Wasser- strahl hoch aufschoß. Einigermaßen im Gemüt erschüttert und doch auch wieder beruhigt, zogen wir�uns bald nach Raibl zurück. Tags darauf Ausflüge ins Seiseratal und in die Gegend von Malborghet. Vom Seiseratal aus sah ich den Gipfel des von den Italienern gleich bei Kriegsbeginn besetzten Mittagskofel. Er trug eine dünne Nebelhaube, und das war wohl die Ursache, daß die Haubitzen, die noch tags vorher mehr als dreißig schwere Granaten in den Wiesengrund des Tales gesandt hatten, während unserer Anwesenheit untätig blieben. Der Artilleriebeobachtcr hatte keine Aussicht. Tagegen böllerte unaufbörlich in den Bergen das Kleingewehr, insbesondere wurden zwischen dem anderen Gipfel des Mittagskofels, den die Italiener den Unsrigen über- lassen mußten, und dem Hauptgipfel zahlreiche Schüsse gewechselt. Unsere Truppen, die dort oben in fast 2000 Meter Höhe nicht nur dem Feinde, sondern auch aller Wetterunbill standhalten, sind Kärtner nick Steirer. Sie haben Zelte mit und sollen es sich ganz wohnlich eingerichtet haben. Trotz vielen Mangels an Bequcmlich- kcit— ein Brett gilt oben als eine Kostbarkeit— bleiben sie gerne
längere Zeit in der Höhenstellung und hohen es nicht gerne, tvenw man sie allzu rasch ablöst. Häufige Abläsungen machen, häufiger als einem lieb ist, sechsstündiges Steigen mit schwerer Bepackung nötig. Aus dem Seiseratal wieder ins Kanaltal zurückgekehrt, ritten wir zu einer hochgelegenen Artilleriestellung. Die Batterie, die wir besuchten, hat bisher noch wenig zu tun bekommen, so daß die Mannschaft Zeit hatte, ihre Stellung gründlich auszubauen. Sie. macht den Eindruck einer mit künstlerischer Sorgfalt hergerichteteu Villen- und Parkanlage. Wir gehen weiter zum Beobachtungs - stand, einem über die Baumwipfel hinüberragenden Holzgerüst, das man auf einer schwankenden Leiter besteigt. Dem Beobachteroffi- zier und seinen Leuten, lustigen Wienern, die sich hier eine„Villa Lavaradutti" errichtet haben, scheint es recht gut zu geben. An Sonntagen verwandelt sich die„Villa" in eine Buschenschenke, in der ein„Schrammelterzett", bestehend aus einem Einjährig-Frei- willigen und zwei Unteroffizieren, eine Gitarre, eine Mandoline und eine Harmonika zu einem„schiabrischen Tanz" zusammen tönen läßt. Doch oben auf dem letzten„Sprissel" der Hühnerleiter hockt der blutige Ernst dieses todesnahen Lebens und weist mit knöchernen Fingern auf die Höhen ringsum, über die es zeitweilig von jenseits herüberdonnert. Auch inS Tal weist er hin, dorthin. wo das Fort Hensel steht mit seiner heldenmütigen Besatzung. die im Höllenwirbel der 28er Bomben eisern ausharrt. Durch das Scherenfernrohr blicke ich hinab auf diese Sperrstraße, die den Feinden so schwere Enttäuschungen bereitet. Eine Unmasse Ge- schösse aus schwersten Kalibern sind bisher über die Köpfe der stahl- nervigen Kärntner gesaust, die dort drin sitzen. Manche Rippe von dem Felsklotz, auf dem ein Teil des Bollwerkes steht, ist schon ab- gesplittert; im Umgelände reiht sich Trichter an Trichter, so daß esl aussieht wie ein Wolfsgrubenfeld. Ein Bach speist diese Krater mit Wasser und wenn eine Bombe dann in ein schon vorhandenes Loch fährt, schießt weithin sichtbar ein hoher Springbrunnenstrahl auf. Dem Werk selbst haben die Geschosse nur wenig geschadet und nach wie vor erwidert es die Beschießung zum Erstaunen der Italiener recht kräftig. Einiges Mauerwerk ist zerbröckelt und zerschottert; diese mefft rasch ausgebesserten Schäden find aber durch das Scherenfernrohr kaum wahrzunehmen. Im ganzen Abschnitt zwischen dem Kanaltal und dem Nord- abfall des Krn haben die Italiener trotz unablässiger Bemühungen! seit Ende Mai nicht das geringste erreicht. Dort mußten ihnen einige vorgeschobene Punkte, die schwer zu behaupten gewesen wären, überlassen werden, und daS war ihr einziger Erfolg. Die Predilstraße, die sich obendrein recht häufig durch nebelgesponnene Tarnkappen völlig unsichtbar macht, bearbeiteten sie seit Ende Mai vergeblich, wobei ihnen noch das Mißgeschick widerfuhr, daß die Unsrigen ihre Artilleriestellung auf dem Neweasattel entdeckten und wenigstens zum Teil ausräucherten. WaS ich aller Orten in den Tälern dieses Frontabschnittes an Vorkehrungen der Verteidiger gesehen habe, bestärkt mich in der Ueberzeugung, daß es dem Feinde erst recht übel erginge, wenn es ihm gelänge, die Schwellen der Eingangspforten zu überschreiten. Er würde da wie in ein Fang» netz hineingeraten, dessen Maschen aus Feuergarben gesponnen sind und durch deren enges Geflecht es keinen Durchschlupf gibt.