a, m 3> i.ir8..9 2 KeilM des„Nllmarts" Kerlitttt Wlksbllltt. A».M.9.5ReichstanZlerreöe an öer Schwelle des 2. Kriegsjahres.Sitzung vom Donnerstag, den 19. August,nachmittags 2 Uhr.Am Bundesrats tisch: Bethmann Hollweg, Delbrück.Jagow, Helfferich, LiSco, Kraetke, Solf u. a.Präsident Dr. Kaempferöffnet die Verhandlungen mit einer Ansprache: Wir beginnenunsere Verhandlungen, nachdem ein volles Kriegsjahr verfloffen ist.In der Erinnerung haben wir noch einmal die ernsten Stundendurchlebt, als vor einem Jahre der Weltbrand hereinbrach und nocheinmal den Tag, an dem der Kaiser die erlösenden Worte sprach:Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche, und andem der Reichstag durch die Annahme der Äriegsvorlage dem ein-mutigen Willen des Volkes feierlich Ausruck gab. Noch einmal sinduns die weltgeschichtlichen Ereignisse des Krieges vor Augen, dieschweren, vom ganzen Volk willig getragenen Opfer, aber auch dieglänzenden Erfolge unserer und unserer Verbündeten Waffen.(Bravo!)Während wir im Westen unerschütterlich festhalten, was wir errungenhaben(Bravo!), während an den Dardanellen und an der italienischenGrenze alle Angriffe an der Tapferkeit der heldenmütigen Soldatenunserer Verbündeten zerschellen(erneuter Beifall), bringt uns derBeginn des zweiten Kriegsjahres im Osten Erfolge, die ans Märchen-hafte grenzen.(Lebhafter Beifall.)Der Redner dankt dann dem Herrn der Heerscharen für denSieg, feiert den Kaiser, die Heerführer, die Offiziere, die Mann-schatten zu Wasser uitd zu Lande, preist die Leitung der Geschäftedes Reiches und das ganze Volk, das von zuversichtlichem Vertrauenauf die innere Stärke und den einheitlichen Willen der Nation ge-tragen ist.(Lebhaftes Bravo!) Wie vor einem Jahre steht dasVolk auch heute unerschütterlich zum Kaiser und den verbündetenRegierungen, um dem Deutschen Reich einen Frieden zu erringen,der für alle Völler der freien Kulturentwicklung den Weg bahnenund die deutsche Zukunft sicherstellen soll.(Lebhaftes Bravo!)Der Präsident teilt dann mit, datz er den Kaiser aus Anlaßdes Falles Warschaus und den Kaiser Franz Josef zu seinem8ö. Geburtstag beglückwünscht hat, ferner daß der frühere Präsidentdes Reichstages v. Wedell-PieSdorf und der Abg. Graf v. Carmer-Osten<k.) gestorben sind.(Die Abgeordneten erheben sich von denPlätzen). Weiter gibt der Präsident seiner Freude darüber Ausdruck,daß der auf dem Schlachtfelde verwundete Abg. Davidsohn(Soz.)wiederhergestellt ist.Das Haus tritt in die Tagesordnung ein und überweist dieBerichte der Reichsschuldenkommission ohne Erörterung an dieRechnungskommission.Es folgt derNachtrag zum Reichshaushaltsetat.Reichskanzler Dr. Bethmauu Hollweg:Meine Herren! Seitdem Sie das letzte Mal tagten, ist wiederGroßes geschehen.(Beifall.) Alle mit Todesverachtung und demäußersten Einsatz von Menschenleben unternommenen Versuche derFranzosen, unsere W e st f r o n t zu brechen, sind an der zähen Aus-dauer unserer tapferen Truppen gescheitert.(Beifall.) Italien,der neue Feind, der das von ihm begehrte fremde Gebiet leichthinerobern zu können glaubte, ist bisher leicht abgewehrt(LebhafterBeifall) trotz der zahlenmäßigen Ueberlegenheit, trotz der schonungS-losen Aufopferung von Menschenleben, die er— doppelt umsonst—zu bringen sich nicht scheute. Unerschüttert und unerschütterlich stehtdie türkische Armee an der Dardanellenfront.(Beifall.)Wir grüßen unsere treuen Verbündeten(Beifall) und gedenken auch5,1 heute noch an dieser Stelle des erhabenen Herrschers der Donau-Monarchie, der gestern in sein 86. Lebensjahr eingetreten ist.(Leb-haster Beifall.)Ueberall, wo wir selber die Offensive ergriffenhaben, haben wir den Feind geschlagen und zurück-geworfen(Beifall); wir haben zusammen mit unseren Verbündetenfast ganz Galizien und Polen, wir haben Litauenund Kurland von den Russen befreit(Beifall), Iwan-gorod, Warschau und K o w n o sind gefallen.Weit in Feindesland bilden überall unsere Linieneinen festen Wall.Wir haben starke Armeen zu neuen Schlägen frei.(Beifall.) Stolzund furchtlos, in festem Vertrauen auf unsere herrlichen Truppen,können wir in die Zukunft sehen.(Lebhafter Beifall.)Inmitten der Schrecknisse deS Krieges gedenken wir dankerfülltder werktätigen Menschenliebe, die uns benachbarteneutrale Staaten bezeigt haben, sowohl bei der Rückkehr vonZivilpersonen aus dem seindlichen Ausland wie gegenüber dem Aus-tausch von Kriegsgefangenen.(Beifall.) In der Schweiz haben beidem zweiten Austausch der Kriegsgefangenen mit Frankreich wiederumalle Kreise der Bevölkerung von Gens bis zur deutschen Grenze inallbewährter Gastlichkeit gewetteifert, um unsere wackeren Kriegerdie hinter ihnen liegenden schweren Leiden nach Möglichkeit ver-gessen zu lassen.(Beifall.) Die Niederlande haben schon zumzweiten Male den aus England zurückkehrenden Schwerverwundelenopferwillig und hilfsbereit ihre Fürsorge angedeihen lassen(Bei-fall) und der jetzt zum erste» Male stattgefundene Gefangenen-oustausch mit Rußland, der über weite Strecken des Staatsgebietsvon Schweden führt, zeigt wieder, wie Regierung und Volk anHilfsbereitschaft und Menschenfreundlichkeit gegenüber den deutschenInvaliden nicht überboten werden können.(Beifall.) Ich sprecheauch an dieser Stelle diesen drei Nationen den tief-gefühlten Dank des deutschen Volkes aus.(Beifall.)Ich verbinde damit zugleich ein Wort besonderer Dank-barkeit für seine Heiligkeit� den Pap st(Beifall),der dem Gedanken des Gefangenenaustausches und so vielen Werkender Menschenliebe während dieses Krieges unermüdliche Teilnahmeerzeigt und an ihrer Durchführung ein ausschlaggebendes Verdienstfür sich hat und der noch ganz kürzlich durch eine hochherzige Spendedazu beigetragen hat, die Leiden unserer Ostpreußen zu lindern.(Beifall.)Meine Herren! Unsere Gegner laden eine ungeheure Blutschuldauf sich, indem sie ihre Völker über die wirkliche Lage zu täuschenversuchen.(Sehr richtig!) Wo sie ihre Niederlagen nicht ableugnen,da dienen ihnen unsere Siege dazu, um neue Verleumdungengegen uns zu häufen� wir hätten im ersten Kriegsjahre gesiegt,weil wir diesen Krieg seit langem heimtückisch vorbereitet hättenlLachen), während sie in unschuldiger Friedensliebe(erneute Heiter-keit) nicht kriegsbereit gewesen wären. Meine Herren! VorTische las man's anders. Sie entsinnen sich der kriegerischenArtikel, die der russische Kriegsminister im Frühjahre 1914 in derPresse verbreiten ließ, und in denen er die volle Kriegs-bereitschaft der russischen Armee pries.(LebhasteZustimmung.) Sie entsinnen sich der stolzen und vielfach heraus-fordernden Sprache, deren sich Frankreich in den letzten Jahrenbedient hat.(Erneute Zustimmung.) Sie wissen, daß Frankreich,so oft es die russische Geldnot befriedigte, sich ausbedang, daß immerder größte Teil der Anleihe zum Zwecke der Kriegsrüstung ver-wendet wurde. Und England, meine Herren! Am 3. Augustv. I. sagte Sir Edward Grey im englischen Parlament:»Wir mitunserer mächtigen Flotte, von der ich glaube, daß sie unseren Handel,unsere Küsten, unsere Interessen schützen kann, wir werden, wenn wiruns am Kriege beteiligen, nur wenig mehr leiden, als wenn wirdraußen bleiben.'(Große Heiterkeit.)I Wer so in geradezu unheimlicher Geschäftsnüchternheit am Bor-abend der eigenen Kriegserklärung spricht, wer danach nicht nur dieeigene, sondern auch die Politik seiner Freunde dirigiert, der kanndas nur tun, wenn er weiß, daß er und seine Alliierten fertig sind.(Lebhafte Zustimmung.) Begreiflich ist es ja. meine Herren, daßunsere Gegner immer wieder die Schuld an diesem Kriege von sichabzuwaschen suchen. Ich habe schon beim Kriegsausbruch und dannwieder im Dezember vorigen Jahres die Zusammenhänge hier vordem Reichstag dargelegt. Alles, was inzwischen weiter bekannt ge-worden ist, ist lediglich eine Bestätigung dafür. Die Fabel, daß esnur wegen Belgiens am Kriege teilgenommen habe, hat Englandselbst inzwischen aufgegeben, sie war eben nicht zu halten. Und obdie kleineren Völker wohl jetzt noch glauben, daß England und seineAlliierten den Krieg führen zum Schutz dieser kleineren Völker, zumSchutz von Freiheit und Zivilisation?Der neutrale Handel auf See wird von Englandeingeschnürt, soviel es kann; Waren für Deutschland bestimmt,dürfen auch auf neutralen Schiffen nicht mehr verfrachtet werden.Neutrale Schiffe werden gezwungen, auf hoher See englische Mann-schaften an Bord zu nehmen und ihre Befehle zu befolgen.(Hört!hört!) England besetzt kurzerhand griechischeInseln, weil das für seine militärischen Operationen bequem ist;mit seinen Alliierten will es jetzt das neutrale Griechenland zuGebietsabtretungen pressen, um Bulgarien auf seine Seite zu ziehen.Und in Polen, meine Herren! In Polen verwüstet dasmit seinen Alliierten für die Freiheit der Völker kämpfende Ruß-l a n d vor dem Rückzug seiner Armeen das ganze Land. DieDörfer werden niedergebrannt, die Getreidefelder niedergetrampelt,die Bevölkerung ganzer Städte und Ortschaften. Juden und Christen.werden nach unbewohnten Gegenden verschickt. Sie verschmachtenim Sumpf russischer Straßen und in fensterlosen plombierten Güter-wagen. So sieht die Freiheit und die Zivilisation aus, für dieunsere Gegner kämpfen.(Lebhafte Zustimmung.)Bei seinen Beteuerungen, der Beschützer der kleineren Staatenzu sein, rechnet England mit einem sehr schlechten Gedächtnis derWelt. Man braucht nur wenig mehr als ein Jahrzehnt zurückzu-gehen, um Beispiele für den wahren Sinn dieser Pro-tektorenrolle zu finden. Im Frühjahr 1992 werden dieBurenrepubliken dem englischen Reiche einverleibt. Dann richtensich die Blicke auf A e g y g t e n. Das war ja schon längst tatsächlichin englischer Gewalt. Aber der formellen Einverleibung standdas feierliche Versprechen der englischen Regierung entgegen, dasLand wieder räumen zu wollen. Und dasselbe England,das uns auf das Angebot, ihm die Integrität Belgiens zu gewähr-leisten, wenn es neutral bleiben wolle, so stolz erwiderte: Englandkönne seine Verpflichtung bezüglich der belgischen Neutralität nichtzu einem Handelsgeschäft machen, dasselbe England trug kein Be-denken, seine gegenüber ganz Europa eingegangene feierliche Ver-pflichtung an Frankreich zu verhandeln, indem es im Jahre 1994den bekannten Vertrag mit Frankreich abschloß, der ihmAegypten, Frankreich Marokko verschaffen sollte. 1907 kommt dannAsien an die Reihe. Der südliche Teil Persiens wird durch dasA b k o nr m e n mit Rußland umgewandelt in eine aus-schließlich englische Interessensphäre, der nördlichewirddem freiheitlichen Regiment russischer Kosakenüberliefert.(Abg. Dr. Liebknecht jSoz.j ruft: PotsdamerEntrevue! Unruhe.) Ich komme auch darauf später noch zusprechen. Wer eine solche Politik treibt, der hat nicht das Recht,ein Land, das 44 Jahre lang den europäischen Frieden geschützt hat,das während einer Zeit, wo fast alle anderen Länder Kriege ge-führt und sich Länder erobert haben, nur seiner friedlichenEntwickelung gelebt hat, der Kriegslust und der Ländergier zuzeihen. Das ist Heuchelei.(Stürmische Zustimmung.) Einvollgültiger Zeuge für die Tendenzen der englischen Politik und fürden Ursprung dieses Krieges ist in den Berichten derbelgischen Gesandten für denjenigen, der es noch nicht hatglauben wollen, enthalten. Weshalb werden wohl diese Dokumente,die ich habe veröffentlichen lassen, nach Möglichkeit in London,Paris, Petersburg totgeschwiegen, weshalb sucht die feindliche Pressesich um diese Dokumente und ihre Bedeutung mit dem Hinweisherumzudrücken, daß diese Berichte keinen Beweis dafür liefern, daßBelgien seine Neutralität preisgegeben habe? Dieser Beweis istbereits anderwärts geführt worden. Das Publikum der Ententemöge sich nur die Publikationen ansehen, die ich speziell über dieVerhandlungen des englischen Militärattaches mit den belgischenMilitärbehörden habe erscheinen lassen.Hier handelt es sich um etwas ganz anderes.(Lebhafte Zu-stimmung.) Hier handelt es sich um dieEntente- und Einkreisungspolitik Englands,und diese Berichte sind allerdings für das Publikum in England undFrankreich sehr lesenswert. Die belgischen Berichte sind um des-willen so interessant, weil sie in ihrer Beurteilung der englischenPolitik so völlig unter einander übereinstimmen. Hätte nur derbelgische Gesandte in Berlin, der Baron Greindl, die englischePolitik so scharf kritisiert, dann könnte man versucht sein, zusagen, der Aufenthalt in dem Lande, in dem er akkreditiert war,hätte seinen Blick getrübt; obwohl eine solche Annahme einem sounparteiischen hervorragenden und klugen Diplomaten gegenübernicht am Platze wäre; aber seine Kollegen in London undParis urteilen genau so wie er, und diese übereinstimmende Be-urteilung ist von ganz durchschlagender Wucht. Da von diesenBerichten im Auslande so wenig Notiz genommen wird, will ichdoch hier einige Stichproben noch verlesen. Baron Greindlschreibt im Februar 19<Zö:„Die wahre Ursache des Hasses der Eng«länder gegen Deutschland ist die Eifersucht, hervorgerufen durch dieaußergewöhnlich rasche Entwickelung der deutschen Handelsflotte, desdeutschen Handels und der deutschen Industrie." Derselbe zweiJahre später:„Die französische Anmaßung wird wieder ebenso großwie in den schlimmsten Tagen des zweiten Kaiserreichs, und dieEntente cordiale ist hieran schuld, sie ist sogar noch um einen Gradgestiegen, seitdem die Verhandlungen zwischen London undSt. Petersburg, denen Frankreich zweifellos nicht ferngestanden hat,zu einer Entente zu führen scheinen." Und an einer anderenStelle:„Die Politik, die König Eduard VII. unter dem Vorwandführt, Europa vor einer eingebildeten deutschen Gefahr zu retten,hat eine nur allzu wirkliche französische Gefahr heraufbeschworen,die für uns in erster Linie bedrohlich ist." Graf L a l a i n g,belgischer Gesandter in London, �ain 24. Mai 1907:„Es ist klar,daß das amtliche England im Stillen eine Deutschland feindlichePolitik befolgt, die auf eine Isolierung abzielt; aber es ist sichersehr gefährlich, die öffentliche Meinung in so offenkundigerWeise zu vergiften, wie es die unverantwortliche Presse tut."Cartier, Geschäftsträger Belgiens in London, am 28. März 1907:„Seitdem die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten RußlandsHerrn Jswolski anvertraut ist, hat sich eine merkliche Annäherungzwischen den beiden Kabinetten von St. James und St. Petersburgvollzogen. Der Doggerbank-Zwischenfall, die englischen Sympathienfür Japan 1904, die erbitterte Nebenbuhlerschast in Persien, allesdas gehört der Vergangenheit an, die ganze Kraft der englischenDiplomaten ist auf die Isolierung Deutschlands gerichtet." EndlichBaron Guiklaume, belgischer Gesandter in Paris, am 6. Ja-nuar 1914:»Ich hatte schon die Ehre, zu berichten, daß es dieHerren Poincare, Delcasss und Millerand und ihre Freunde gewesensind, die die nationalistische, chauvinistische Politik erfunden und be-folgt haben, deren Wiedererstehen wir festgestellt haben. Sie bildeteine Gefahr für Europa und— f ü r Belgien!"Meine Herren, diese in allen Grundlinien übereinstimmendenBerichte der belgischen Diplomaten geben ein klares Bild von derEntentepolitik der letzten zehn Jahre. Gegen diese Zeugnisse kommenalle Versuche der gegnerischen Seite nicht auf, uns die Kriegslust.sich selbst die Friedensliebe zuzuschreiben. Meine Herren, ist diedeutsche Politik über diese Vorgänge nicht unterrichtet gewesen oderhat sie absichtlich die Augen vor ihnen verschlossen, indem sie immernach einem Ausgleich suchte? Nicht das Eine noch das Andere. Ichweiß wohl, es gibt Kreise, die mir politische Kurz-sichtigkeit vorwerfen, weil ich immer wieder versucht habe,eine Verständigung mit England anzubahnen. Ickdanke Gott, daß ich es getan habe.(Zustimmung und Sehr wahr!)Mit so geringen Hoffnungen ich die Versuche immer wieder erneuerte,klar liegt es zu Tage, das Verhängnisdieses menschenmordcnden Wcltenbrandeshätte verhindert werden können, wenn eine aufrichtige auf denFrieden gerichtete Verständigung mit England zustande gekommenwäre— iver in Europa hätte dann noch Krieg machen wollen. Durfteich mit einem solchen Ziel im Auge eine Arbeit von mir abweisen.weil sie schwer war und sich immer wieder als fruchtlos erwies?Meine Herren I Wo es sich um den letzten Ernst i inWeltenleben handelt, wo Millionen von Menschen-leben auf dem Spiele stehen, da gilt für mich: Bei Gottist kein Ding unmöglich. Ich will lieber in einem Kampfe gefallen,als ihm aus dem Wege gegangen sein.(Beifall.)Lassen Sie mich kurz, meine Herren, die Ereignisse ins Ge-dächtnis zurückrufen. König Eduard hatte in der persönlichen Förde-rung der englischen Einkreisungspolitik Deutschland gegenüber eineseiner Hauptaufgaben erblickt. Nach seinem Tode hoffte ich deshalb,daß die von uns bereits im August 1909 eingeleiteten Ver-ständigungsverhandlungen einen besseren Fortgangnehmen würden. Die Verhandlungen zogen sich bis in das Früh-jähr 1911 hin, ohne daß ein Ergebnis erzielt worden war. als dasEingreifen Englands in unsere Auseinandersetzung mit Frankreich inder M a r o k k o f r a g e der ganzen Welt vor Augen führte, wie dieenglische Politik und ihre Ansprüche der ganzen Welt ihren Willenaufzuzwingen, den Weltfrieden bedrohten: auch damals war dasenglische Volk über die Gefahr der Politik seiner Regierung nichtgenau orientiert. Als es nach der KrisiS erkannt, tviehaarscharf es an dem Abgrunde des Weltkrieges vorbei>gegangen war, machte sich in weiten Kreisen der englischen Nation die Stimmung geltend, ein Verhältnis mit iinsherstellen zu wollen, das kriegerische Verwickelungen ausschlösse.Man schien an dem einmaligen Ritt über den Bodensee genug zuhaben. So entstand die Mission Haida neS im Frühjahr1912. Lord Haldane versicherte mir. das englische Kabinett sei vonaufrichtigem Verständigungswillen erfüllt. Bedrückt war er burchunsere damals bevor st ehende Flotten Novelle. Ichfragte ihn, ob ihm nicht eine offene Verständigung mit uns, eineVerständigung, die nicht nur einen deutsch-englischen Krieg, sondernüberhaupt jeden eurpäischen Krieg ausschließenwürde, mehr wert sei, als ein paar deutsche DreadnoughtS mehroder weniger. Der Lord schien für seine Person dieser Ansicht zu-zuneigen, fragte mich jedoch, ob wir, wenn wir den Rücken gegenEngland frei hätten, nicht über Frankreich herfallen und es ver-nichten würden. Ich erwiderte ihm, daß die Friedenspolitik, dieDeutschland in einer Zeit von mehr als 40 Jahren geführt hätte,uns eigentlich vor einer solchen Frage sichern müßte.(Sehr richtig!)Wir hätten ja, wenn wir räuberische Ueberfälle planten,die schönsten Gelegenheiten gehabt, während des Burenkrieges undwährend deS Russisch-Japanifchen Krieges unsere Kriegslust zu zeigen.In diesen wie in anderen Fällen und auch in der Marokkopoliiikhätten wir das Gegenteil getan und unsere Friedensliebe bekundet.Deutschland, so sagte ich ihm. wünsche aufrichtig in Frieden mitFrankreich zu leben und werde ebensowenig über Frankreich wieüber ein anderes Land herfallen.(Sehr richtig!) Nachdem LordHaldane von Berltn abgereist war, wurden die Verhandlungen inLondon fortgesetzt. Ich habe, meine Herren, vor einigen Wochen inder„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" die Formeln, die Ver-ständigungsfornreln, veröffentlichen lassen, die bei diesen Verband-lungen von der einen und von der anderen Seite vorgeschlagenworden sind. Auch diese Veröffentlichung ist der Beachtung unsererGegner wert. So viel ich weiß, ist sie von der englischen Pressemit Ausnahme eines einzigen Blattes ignoriert worden. Ich willdeshalb hier auf die Sache kurz zurückkommen. Zunächst machtenwir. um dauernde Beziehungen zu England zu erreichen, den Vor-schlag eines unbedingten gegenseitigen Neutralitätsversprechens. Alsdieser Vorschlag als zu weitgehend von England abgelehnt wurde.schlugen wir vor, die Neutralität auf Kriegs zu beschränken, beidenen man nicht sagen könne, daß die Macht, der Neutralität zu-gesichert worden war, der Angreifer sei. Auch das schlug Englandab. Inzwischen halte England seinerseits folgende Formel vor-geschlagen:„England wird keinen unprovozierten Angriff auf Deutschlandmachen und sich einer aggressiven Politik gegen Deutschland ent-halten. Ein Angriff auf Deutschland ist in keinem Vertrage enthalten und in keiner Kombination vorgesehen, der England zurzeitangehört, und England wird keiner Abmachung beitreten, die einensolchen Angriff bezweckt."Ich meinte, daß es unter zivilisierten Staaten überhaupt nichtüblich sei, unprovozierte Angriffe auf andere Mächte zu machen odersich Kombinationen anzuschließen, die so etwas planen, und daß des-halb das Versprechen, sich solcher Ueberfälle zu enthalten, nicht ivohlden Inhalt eines feierlichen Vertrages(Sehr richtig!) abgeben könne.Das englische Kabinett war anderer Ansicht und glaubte auf unsereVorstellung ein übriges zu tun, wenn es seine Bereitwilligkeit er-klärte, seiner im übrigen unveränderten Formel folgende Wortevoranzuschicken:„Da die beiden Mächte gegenseitig den Wunsch haben.Frieden und Freundschaft untereinander sicherzustellen, erklärt Eng-land, daß es keinen unprovozierten Angriff" ufw., wie ich es vorhermitgeteilt habe.Meine Herren, dieser Zusatz kann an dem Urteil über den In-halt des englischen Angebots nichts ändern, und ich meine nochheute, kein Mensch hätte es mir übelnehmen können, wenn ich schondamals die Verhandlungen abgebrochen hätte.(Sehr richtig!) Ichhabe das nicht getan, ich habe, um alles, was in meinen Kräftenstand, zu tun, um den europäischen und den Weltfrieden zu sichern,mich bereit erklärt, auch diefen englischen Vorschlag zu diskutieren,mit der einen Bedingung, es möge der englische Vorschlag durchfolgenden Zusatz ergänzt werden:„England wird daher selbst-verständlich wohlwollende Neutralität bewahren, sollte Deutschlandein Krieg aufgezwungen werden." Ich bitte Sie, meine Herren, dieletzten Worte zu beachten: Falls uns ein Krieg aufgezwungenwerden sollte. Ich habe nachher noch auf diesen Punkt zurück-zukommen. Sir Edward Grey lehnte diesen Zusatz rundweg ab.(Hört! hört l> Ueber seine Formel könne er nicht hinausgehenund zwar, wie er unserem Botschafter Metternich erklärte, aus Besorgnis,sonst die bestebende Freundschaft mit den anderen Mächten zu gefährden.(Heiterkeit.) Das bildete für uns den Schluß der Verhandlungen.