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Nr. 253.

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32.Jahrg.

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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Montag, den 13. September 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 151 90-151 97.

Schwere Kämpfe bei Tarnopol  .

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 12. Septem­ber 1915.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplak.

Auf einem großen Teile der Front rege Artillerie­tätigkeit. Erfolgreiche Sprengungen in der Champagne  und in den Argonnen verursachten Beschädigungen der französischen   Gräben.

Feindliche Flieger warfen gestern früh Bomben auf Ostende  . Schaden ist nicht entstanden, Personen sind nicht verlegt.

Während der Nacht wurden die Docs von Lon­ don   und deren Umgebung mit sichtbarem Erfolge be­worfen.

Deftlicher Kriegsschauplah.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg  .

Auf der Front zwischen Düna   und Merecz( am Njemen) haben die Kämpfe an einzelnen Stellen einen größeren Umfang angenommen. Es sind erneut 1800 Gefangene gemacht und 5 Maschinengewehre erbeutet worden.

Zwischen Jeziory und dem Njemen dauerten die hartnäckigen Kämpfe den ganzen Tag über an; erst heute früh gab der Feind weiteren Widerstand auf; er wird verfolgt.

An der Zelwianka find die feindlichen Linien an mehreren Stellen durchbrochen; der Gegner verlor 17 Offiziere und 1946 Mann an Gefangenen und 7 Ma­schinengewehre.

Der raffische Bericht vom 10. 9. spricht von Gefechten der russischen Garde im Norden von Abeli( 42 Kilometer westlich von Dünaburg  ); deutsche   Truppen waren hieran nicht beteiligt; hingegen wurde die russische Garde gestern nordwestlich von Wilna   festgestellt, angegriffen und ge­worfen. Ueber den in demselben russischen Bericht er­wähnten Sieg von zwei russischen Soldaten über sechs deutsche   an der Zelwianka- Mündung ist der deutschen  Heeresleitung kein Bericht zugegangen.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern.

Im engen Zusammenwirken mit dem rechten Flügel der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hinden­ burg   wurden die feindlichen Stellungen östlich von 3 el va genommen, auch bei Koszele ist die Zelwianka überschritten. Beiderseits der Straße Bereza- Kartuska­Kossow Slonim ist der Feind geworfen; die Heeres­gruppe machte 2759 Gefangene und nahm 11 Maschinen­gewehre.

Heeresgruppe des Generalfeldmaridhalls v. Mackenfen. Unsere Truppen find im Angriff beiderseits der Bahn von Pinsk  . Einige Vorstellungen wurden heute nacht durch Ueberfall genommen.

Südöstlicher Kriegsschauplah. Deutsche   Verbände wiesen weitere Angriffe unter schweren Verlusten des Feindes ab.

Oberste Heeresleitung.

Der französische   Tagesbericht. Paris  , 11. September.  ( W. T. B.) Amtlicher Be. richt von heute nachmittag. In den Abschnitten von Neuville und Noclincourt, ebenso südlich Arras   während der Nacht ununterbrochenes Geschützfeuer. Zwischen Somme  und Dise andauernd lebhafter Minenkampf in der Umgebung bon Faye. Unsere Artillerie beschoß die feindlichen Schüßen­gräben und Schanzarbeiten. In den Argonnen   meldet man nur Rämpfe mit Bomben und Betarden in Saint Hubert und Courtechaussé. Der Artilleriekampf war besonders heftig östlich von Les Eparges sowie auf der Front in Lothringen  nördlich von Arracourt  , im Walde von Parroy und südlich von Leintrey.

Berlin  , 12. September.  ( W. T. B.) Am 12. Sep. I tember vormittags haben mehrere russische Wasserflug­zeuge einen deutschen   kleinen Kreuzer vor Windau mit acht Bomben angegriffen, die sämtlich ihr Ziel ver­fehlten. Ein feindliches Flugzeug wurde herunterge­schossen, nach Windau eingebracht und seine Besakung, zwei russische Offiziere, gefangen genommen. Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 12. September.  ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart: Wien  , den 12. September 1915.

Russischer Kriegsschauplak.

Unsere in Wolhynien   kämpfenden Streitkräfte haben geftern bei Derazno den Goryn und bei Dubno   die Jkwa über­schritten. Die russischen Angriffe bei Tarnopol   nahmen an Heftigkeit zu. Nordwestlich der Stadt gelang es dem Feinde, in unsere Schüßengräben einzubringen und das Dorf Dolzanka zu gewinnen. Aber die aus den Nachbarabschnitten herbei­eilenden deutschen   und Honved- Bataillone faßten den Gegner in beide Flanken und eroberten das eben genannte Dorf zurüc und warfen die Russen wieder auf ihre Brückenkopfstellungen. Die gegnerischen Verluste sind groß. Auch die feindlichen Vor­stöße füdwestlich von Tarnopol   wurden abgewiesen. Bei unseren Fronten auf dem östlichen Strypa fer am unteren Sereth und an der beffarabischen Grenze verlief der Tag ruhig. Die t. und L. Truppen in Lithauen entrissen dem Feinde das bei Kosowo   liegende starkverschanzte Dorf Szkuraty.

Italienischer Kriegsschauplaş.

Wie erwartet wurde, kam es gestern an der füstenländi­schen Front, und zwar namentlich in ihrem nördlichen Ab­schnitte zu einer Reihe größerer Kämpfe, die sämtlich mit dem vollen Mißerfolg der angreifenden Italiener endeten. Im Flitscher Becken brang der wieder aufgenommene feindliche Infanterieaugriff überhaupt nicht vorwärts. Gegenüber Ja­ blonica   zwang unser Feuer den Gegner zum fluchtartigen Zurückweichen. Ebenso wurden Angriffsversuche italienischer Abteilungen, die sich füdlich des Javozek eingenistet hatten, abgewiesen. Im Wrfic- Gebiete tobte der Kampf den ganzen Tag heftiger denn je. Hier schlug die St. Poeltener Land­wehr mit bewährter Tapferkeit den feindlichen Angriff zurüd. Wieder blieben alle Stellungen fest in unserer Hand. Das Vorfeld ist mit toten Italienern bedeckt. Von dem Tolmeiner Brückenkopf stand der füdliche Teil wieder unter stärkerem Geschüßfeuer. Wie sich nun herausstellt, waren an dem hier am 9. September geführten Angriffe von seiten des Gegners die fiebente Infanteriedivision, eine Alpinigruppe und zwei Bersaglieri  - Bataillone beteiligt. Das italienische Infanterie­regiment Nr. 25 verlor dabei allein tausend Mann. Im Ab­schnitte von Doberdo   wurden mehrere Borstöße des Feindes am vorspringenden Teil der Hochfläche wie immer abgewiesen. An der Tiroler Front griffen die Italiener gestern nachmittag und heute im Raume weftlich des Monte Piano mit Gruppen bis zur Stärke eines Bataillons unsere Stellungen im Popena Tal und im Cristallo- Gebiete vergeblich an.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

vollkommen mißlang. In den Argonnen   Kampf mit Bomben und Handgranaten. Beiderseitige Kanonade im Wald von Mortmare und in Lothringen   auf der Front Boutre- Vesouze.

Der deutsche Fliegerangriff auf Nancy  .

Paris  , 12. September.  ( 2. 11.) Ueber den Angriff deutscher Flieger auf Ranch am 8. September berichten die Blätter noch folgendes: Sechs deutsche Flugzeuge überflogen etwa eine Stunde lang Nanch und warfen eine große Anzahl Bomben auf verschie dene Stadtviertel ab, durch die zwei Personen getötet und zehn ber­terialschaben ist sehr groß. In den Vorstädten von Ranch, die wundet wurden, darunter mehrere schwer. Der angerichtete Me­gleichfalls von den deutschen   Fliegern bombardiert wurden, wurden mehrere Personen schtver verlegt. Trop des heftigen Feuers der französischen   Abwehrtanonen und der Berfolgung durch Flugzeuge entkamen die deutschen   Flieger unversehrt.

Paris  , 12. September.  ( W. Z. B.) Amtlicher Be. richt von Sonnabend abend. Andauernd große Die Opfer der Luftangriffe auf England. Tätigkeit der Artillerie auf der Front von Arbois  , südlich der Baris, 12. September.  ( W. T. B.) Erzelsior" meldet, daß die Somme und in der Umgebung von None. Am Aisne- Marne- Gesamtzahl der seit dem 19. Januar durch Luftschiffangriffe in Sanal versuchte der Feind zweimal einen Sandstreich gegen England verursachten Opfer 97 Tote und 276 Verwundete einen unserer vorgeschobenen Boten bei Sapigneul, der aber betrage.

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Wahrheit und Krieg.

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Mit der Jagd und der Wahl teilt der Krieg den üblen Ruf, daß dabei die Wahrheit nicht sonderlich in Ehren steht. Es soll einem alten Spruche gemäß nirgends mehr sagen wir einmal: geflunkert werden als vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd. Bezüglich des Krieges wird die Frage mit Ernst und Gründlichkeit erörtert in dem Augustheft der Stimmen der Zeit"( ehemals Stim­men aus Maria Zach"), einer Zeitschrift deutscher Jesuiten  . Wahrheit und Krieg" betitelt sich der Artikel, und sein Ver­fasser, der Jesuit Stanislaus von Dunin- Borkowski  , beginnt ihn mit dem Sage, Krieg und Wahrheit seien feine guten Bundesgenossen. Er schränkt diesen Saz aber gleich darauf ein durch den andern, daß man des­halb nicht gleich Krieg und Lüge aneinander schmieden möge. Die Wahrheit müsse sich oft duden und verbergen, da sie nicht gern gesehen werde. Aber das geschehe nicht, weil man sie nicht liebe, sondern weil es unklug sei, nach den Eingebungen dieser Liebe zu sprechen und zu handeln. Es sei eben sehr viel wert, wenn man sich mit aller Aufrichtigkeit diesen Witwenstand der Wahrheit in Kriegszeiten eingestehe und nicht mit der Züge, daß man im vollen Besitz der Wahrheit sei, seinen Charakter und die öffentliche Meinung verderbe. Wörtlich heißt es dann:

" Jedermann weiß, daß die Staatskunst selten die bolle Wahrheit verträgt. Sich darüber aufzuregen, wäre findisch... bei Die veröffentlichten Dokumente dürfe aller Genauigkeit und Gewichtigkeit nicht alle Geheimnisse der Staatsarchive preisgeben. Der Geschichtsschreiber, der sich schmeichelt, jest schon ein annähernd getreues Bild der Gescheh­niffe entwerfen zu können, täuscht sich selbst gewaltig... Und darum soll man sich nicht mit Kenntnis und Einsicht brüsten, fich nicht in einem Trugbild der Wahrheit sonnen. Das ist die große Wissenschaftlichkeit des Augenblids, daß man sich die Un­möglichkeit eingesteht, in dem ungeheuer verwickelten figuren­reichen Bilde flare, eindeutige Gesetze zu entdecken. Die wahre Geschichte mug warten, bis sie unsere Zeit in grauen Haaren steht."

Reine Objektivität, meint dann der Verfasser, sei jetzt, wo eine Welt von verlegten Gefühlen auf das Urteil ein strömt, unmöglich. Man werde nachsichtig gegen sich und strenge gegen den Feind, man entschuldige beim Freund, was man beim Gegner verurteile. Gewiß sollten sich die wahren und mutigen Freunde des Vaterlandes zur Wahrheit er­ziehen und zur Wahrheit zwingen. Aber das sei nicht jeder­manns Sache und lieber schweige man manchmal, wo man doch ein biederes und nüßliches Wahrheitswort zu sagen habe, um nicht in die Gesellschaft jener zu geraten, die als gries­grämige Nörgler sich mit allerlei Flickwahrheiten abquälten. Ein Zeichen bedenklichster seelischer Ohnmacht" aber sei es, wenn ein Volf im Kriege gar keine Wahrheit mehr ver­tragen kann, auch nicht jene stark reinigende, nicht solche, die mit ritterlichem Edelsinne den Feind vor Verleumdungen schüße, nicht einmal treue Warnungen zur Selbstbesinnung und zur Selbstzucht."

Aus psychologischen, strategischen und staatsmännischen Gründen, nach des gelehrten Jesuiten   Ansicht, sei die reine Wahrheit in Kriegszeiten unmöglich. Nie­mals aber dürfe die Wahrheit ihr Regiment an die Lüge abtreten, denn diese sei die allerschlimmste Bundesgenossin des Krieges. Die Lüge habe in diesem Weltkrieg mehr Schaden angerichtet als Maschinen­gewehre und Soldaten.

In unbewußten Unwahrheiten schwelgt die Kriegsphantasie geradezu. Die ungeheure Aufregung eröffnet vor Augen und Ohren Gestalten und Töne, die mit verblüffendem Wirklichkeits­schein die unsicher gewordenen Sinne umgauteln. Das Gedächt­nis tettet Greignisse, die in Raum und Zeit weit auseinander­flaffen, zu einem einheitlichen Bund zusammen. Man erzählt zubersichtlich ganze Reihen von Tatsachen, für die man sich ver­bürgt, weil man eine solche Gewalt der Sinnestäuschungen nie erlebt hat, gar nicht für möglich hält, weil das scharf umrissene Scheinbild Phantasie und Gedächtnis unwiderstehlich bezwingt. Zu verwundern ist das nicht. Sonderbar ist nur, daß nicht bloß der unkritische kleine Mann, sondern auch gelehrtes Volk und geachtete Zeitungen mit allem Ernst diese Nervenoffenbarungen mit Tatsachen ber= wechseln und verbreiten. In unserer hoch= kritischen Zeit hat da die Kritik vollkommen bersagt."

Der sachliche Unterschied zwischen einem gerechten und einem ungerechten Kriege besteht nach des Verfassers Ansicht

unzweifelhaft zu Recht. Da aber der Untertan heute fait niemals die Frage der Gerechtigkeit beantworten" könne, weil die Verhältnisse zu vermidelt seien, habe an erster Stelle die Regierung zu entscheiden, ob die Sache des kämpfenden Landes schwarz oder weiß sei, für den Untertan" bleibe nur