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Nr. 255. 82. Zahrgeng.
(Srllur des Jomitfe" Strlintt AlkMM
Mittvoch, 15. September 1915.
Esncna
die Stäöteorönung in RuMjch-pole«. Unier dem IS. Juni ist von Generalfeldmarschall v. Hinden- bürg als Oberbefehlshaber Ost eine im BerordnungSblait der Kaiserlich deutschen Zivilverwalmng für Polen links der Weichsel am LS. Juni veröffentlichte Städteordnung erlassen. Dieselbe lehnt sich an die altpreutzische Städteordnung an. Ein Vergleich mit dieser ist von allgemeinem politischen und kommunalen Interesse. Das Anwendungsgebiet der polnischen Städteordnung erstreckt sich auf die Städte Lodz  . Czenstochau, SoSnowice, Bendzin, Kalisch, Wloclawek  , Pabianice  , Wielun  , Sieradz  , Zdunska-Wola  , Kuier, Lencyra, Ozorkow, Zgierz  , Gosthnin, Nieszawa  , Kalo, Korin, Slupca  , Turek, Zawiercie. Auch auf andere Städte und große Landgemeinden kann der Chef der Zivilverwaltung für Russisch- Polen die Geltung der Städteordnung ausdehnen. Die Aufsichts- behörde kann durch Erlaß von Statuten Zweckverbände bilden. Das Bürgerrecht(Wahlrecht und Befähigung zur lieber- nähme unbesoldeter Aemter) steht allen volljährigen männ- lichen Einwohnern zu, wenn sie feit einem Jahre Einwohner der Stadt sind und entweder eine selbständige Wohnung haben oder zu einer direkten Slaatssteuer veranlagt sind. Das Wahlrecht ist also ein weitergehendes als nach der altpreußischen Slädteordnung; nach dieser ist das wahlfähige Alter das vollendete 2i., nach der' polnischen das vollendete 21.. wenn gerichtliche Voll- jährigkeit früher erfolgt ist: das vollendete 18. Lebensjahr. Wahl- berechtigt sind in Preußen nur Preußen, in Polen   jeder Ein- wohner, gleichviel welchem Staatenverbande er angehört. Die Er- fordernisse der preußischen Städteordnung, daß der Wahlberechtigte seit einem Jahre die ihn betreffenden Gemeindeabgaben gezahlt und in dieser Zeit keine Armenunterstützung empfangen hat, fehlen in der polnischen. Das Wahlrecht in den älteren Provinzen Preußens ist serner davon abhängig, daß der Wahlberechtigte einen eigenen Hausstand(d. i. die selbständige Herrschaft über einen Wohnraumj hat und ferner ein Wohnhaus besitzt oder ein stehendes Gewerbe mit wenigstens zwei Gehilsen selbständig betreibt oder zur Staats- einkommensteuer oder zu einem fingierten Normalsteuersatz von mindestens 4 M. veranlagt ist oder ein Einkon, men von mehr als 660 M. jährlich hat. Nach der polnischen Städteordnung: wenn der Einwohner eine selbständige Wohnung hat oder zu einer direkten Staaissteuer veranlagt ist. Die Wahlberechtigung ist also in der polnischen Städteordnung erheblich weiter als in der preußischen gefaßt. Die preußische Städteordnung kennt keinerlei Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der städtischen Verwaltung. Mit Mühe und Not ist nach hartnäckigem Kampfe auf Grund anderer Gesetze die Ansicht zum Siege gelangt, daß wenigstens weibliche Personen als Mitglieder in den Armen- und Waisen-Kommissionen und-Deputarionen sowie in denjenigen Ausschüssen sitzen können, die sich mit anderen Aufgaben als solchen beschästigen, zu deren Erledigung die Städte gesetzlich verpflichtet sind. Entgegenkommender ist die polnische Städteordnung dem weiblichen Geschlecht. Es können danach durch O r t s st a t u t weibliche Einwohner, die wahlberechtigt sein würden, wenn sie Männer wären, zu unbesoldeten Ehrenämtern zugelassen werden. Frauen können auch zu besoldeten Aemtern berufen werden, wenn die Aufsichts- behörde dies für den betreffenden Verwaltungszweig genehmigt hat. Die Dreiklasseneinteilung der altpreutzischen Städte- ordnung sowie die Vorschrift, daß jede Abteilung zur Hälfte aus Hausbesitzern bestehen müsse, findet sich in der polnischen Städteordnung nicht. Ein Vcrwaltungsstreitverfahren hat naturgemäß in der polni- schen Slädieordnung keinen Platz. Die Aufsichtsbehörde tritt an dessen Stelle. Dieser ist in Polen   auch im übrigen ein weiterer Wirkungskreis gegeben. So ernennt sie den Stadtverordneten- Vorsteher aus der Zahl der Stadtverordneten. Von den Magistrats- Mitgliedern wird der er sie Bürgermeister vom Chef der Zivilverwaltung sür Russisch-Polen unter Zustimmung des Ober- befehlshabers der 9. Armee, der zweite Bürgermeister von der Aussichtsbehörde(Polizeipräsident oder Kreischef) ernannt. Die Wahlordnung ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern wird von der Auf- sichtsbehörde erlassen. Interessant ist die in der polnischen Städteordnung enthaltene Strafvorschrift gegen Weigerung der Ausübung städlischer Pflichten. Mit Geldstrafe bis 199 Ml) M. oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten ist in 8 31 der Städteordnung bedroht, wer sich ohne Grund weigert, die Ernennung oder Wahl zum Mitglieds der Stadt- Verwaltung anzunehmen oder die aus der Ernennung bezw. der Wahl hervorgehenden Pflichten zu erfüllen. Bei fortdauernder Weigerung kann die Strafe so oft wiederholt werden, bis der Forde- rung der Ausfichtsbehörde Genüge geschehen ist.
politische Ueberflcht. Strohernte und Strohbedarf. Der Preußische Landwirtschaftsminister gibt folgendes bekannt: Infolge der Trockenheit des Vorsommers ist die Stroh­ernte vielfach knapp ausgefallen. Der Bedarf an Stroh ist aber aus verschiedenen Gründen beträchtlich größer als in normalen Zeiten. Zunächst kommt der gesteigerte Bedarf der Heeresverwaltung in Frage, sodann ist der Verbrauch an Futterstroh größer als sonst, namhafte Mengen werden zur Herstellung von Melaffefutter und von Strohmehl verwendet, das sich bei der Verwertung des Panseninhalts der Schlacht- tiere und auch sonst namentlich als Pferdefutter be- währt hat. und schließlich soll Stroh in größerem Umfange durch Aufschließung zu einem dem Stärkemehl an- nähernd gleichwertigen Futtermittel verarbeitet werden. Unter diesen Umständen erscheint es geboten, bei der Verwendung von Stroh als Einstreu möglichst sparsam zu verfahren und hierfür alle verfügbaren Ersatzstoffe in weitestem Umfange heranzuziehen. Ms solche kommen m Betracht in erster Linie die Torfstreu i diese sollte daher allgemein Anwendung finden, ferner sollte Wald- und Plaggenstreu. Ginster. Heide usw. in größerem Umfange als sonst verwendet werden, und schließlich sollten solche Stalleinrichtungen getroffen werden, die ohne Auswendung erheblicher Kosten eine möglichste Ersparnis an Streu ermöglichen. Es darf erwartet werden, daß der der- haltnismäßig hohe Preis des Strohes seine Wirkung nach dieser Richtung hin geltend macht.
Unabhängigkeit des Apostolischen Stuhles. Mehrere angesehene polnische Zeitungen, darunter derDziennik Slaski* und derKuryer Slaski", greifen scharf die Posener nationaldemokratische Partei an, welche es verhindert habe, daß die Fraktion sich für die Rechte des Papstes gegenüber Italien   einsetze. Die schlesischen Abgeordneten in der polnischen Fraktion hätten es versucht, die Fraktion dazu zu bewegen, daß sie, dem Beispiel des Zentrums folgend, sich für die Rechte und die Freiheit des Papstes erkläre. Sie seien aber, trotzdem noch einige andere Abgeordnete diesem Vorhaben günstig gewesen seien, an dem Widerstande der nationaldemokratischen Mehr- heit gescheitert. Es sei zu verlangen, daß die polnische Landtags- fraktion den Fehler der Reichstagsfraktion wieder gut mache, jedoch sei die beste Gelegenheit hierzu vorüber. Trotzdem würde die Stimmung des polnischen Volkes die Fraktion zu einer richtigen Stellungnahme in dieser Angelegenheit zwingen, es würden dann die Wahlen mit den notwendigen Auseinandersetzungen kommen. Der schlechte Eindruck dieser Haltung in dieser so ausgesprochen katholischen Frage lasse sich aber nicht mehr verwischen.
Erhöhung der Brot- und Mehlration. In Görlitz   wird nach einer Bekanntmachung des Magistrats vom 20. Segtember ab die Höchstmenge für den Verbrauch von Brot und Mehl für jede über 6 Jahr alte Person 2250 Gramm(bisher 2000 Gramm) und für Kinder unter 6 Jahren 1000 Gramm betragen. Ter Reichstagsabgeordnete für Karlsruhe   in der Warschauer   Zivilverwaltung. Der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete Dr. Ludwig Haas, der als Leutnant und Kompagnieführer im Felde steht, ist in die Zivil- Verwaltung nach Warschau   berufen worden.
Gegensätze in der polnischen Reichstagsfraktion. Beuthen   O.-Schl., 14. September.  (W. T. B.) In der polnischen Presse ist jetzt ein lebhafter Streit ausgebrochen wegen der Haltung der polnischen Reichstagsfraktion in der Frage der Freiheit und
Das Nachtbackverbot. Im Reichstagsgebäude   beginnen am heutigen Mittwoch die Be ratungen der Vertreter der Regierungen mit den Vertretern der in Frage kommenden Organisationen über das Verbot der Nachtarbeit in den Bäckereien. Den Beratungen liegt ein vom Reichsamt des Innern ausgearbeiteter vorläufiger Gesetzentwurf zugrunde. Der Entwurf sieht ein vollständiges Ruhen des Betriebes in Bäckereien und Konditoreien von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens vor. Die Verhandlungen beginnen mit der Vernehmung von Sach> verständigen._ Krieg und Schule. ImArchiv für Pädagogik"(Juli 1916) ist ein Aufsatz von H. Schreiber(Würzburg  ):Die deutsche Volksschule der Gegen wart und Zukunft" abgedruckt, in der für die zukünftige Gestaltung des Unterrichts u. a. folgendes gesagt ist: Die einzelnen Fächer zeigen ein neues Gesicht. Der Religionsunterricht tritt erst in den höheren Klassen auf. liegt in der Hand des Lehrers und führt den Schüler in das Ringen ein, das die Menschheit zu einer immer reineren Gottesanschauung hinaufbrachte, die ihre Strahlen überallhin warf, in die Gebiete d-r Rechte, in die Verhältnisse von Ich und Ich, von Ich und Nicht-Jch, in die Kunst usw. Was die Religion aus ihrem Schoß gebar, das darf ihr auch fürderhin dienen, ohne die Kinder zu belasten mit Spruchweisheit und geistlichen Dichtungen. Dem Ganzen liegt die geläuterte Bibel zugrunde als heilige Quelle." Dazu bemerkt derPharus", katholische Monatsschrift für Pädagogik(Heft 9): Uns dünkt, der Krieg birgt die Lehre, daß der Reli« g i o n s u nt er r i ch t i n d e r S ch u l e nicht weiter hin- aus zu schieben ist, sondern von Anfang an die ganze Schularbeit durchdringen muß. Der Ruf nach guten Kirchenliedern in den Schützengräben und der Umstand, daß die Beherrschung der Texte dort gerade von den Beteiligten sehr vermißt wird, scheint ebenfalls anderes zu lehren, als was Schreiber meint. Ein Stamm wertvoller volkstümlicher deutscher Kirchenlieder sollte zum festen Besitz der Jugend vor der Schulentlassung werden." DerBahrische Kurier"(Nr. 263) benutzt die Gelegen heit, daran folgende Betrachtung zu knüpfen: Bekanntlich ist bei uns in Bayern   der k o n f e s s i o n s- lose Moralunterricht an Lehran st alten usw. verboten worden. Die Freireligiösen haben sich nun seiner- zeit an das Kultusministerium mit dem Ersuchen gewendet. das Verbot des steireligiösen Unterrichts aus Kriegsdauer aufzuheben. Das Kultusministerium hat s e l b st v e r st ä n d- lich abgelehnt. Nunmehr hat die Freireligiöse Gemeinde München   Maßnahmen getroffen, umim Rahmen der bestehenden Gesetze" einenentsprechenden" Privatunterricht einzuführen. Es darf mir Genugtuung verzeichnet werden, daß, soweit der katho- tische Volksteil in Betracht kommt, der Zuzug zur freireligiösen Bewegung nachgelassen hat. Der Krieg hat sich eben auch auf religiösem Gebiete als eiserner Er- zieher erwiesen." Die Unterstützung der Kriegerfamilie» ist von der Stadt Eßlingen   in Rücksicht auf den nahenden Winter neu geregelt worden. Eßlingen   zahlte bisher für eine kleinere Mittel- stadt anerkennenswerte Sätze, nämlich fiir jede Frau 24 Mk, für jedes Kind unter 15 Jahren 3 M. Zuschlag zur Reichsunterstützung. Diese Sätze werden jetzt um 4 bzw. 1 M. erhöht. Danach bekommt künftig jede Frau an Reichs- und Gemeindeunterstützung 49 M., jedes Kind 19 M. monatlich ohne Festsetzung eines Höchstbetrages. Es wurde aber gleich ausgesprochen, daß bei einer Erhöhung der Reichsunterstützung der städtische Zuschlag nicht gekürzt werden soll. Sowohl die früheren Sätze als die jetzigen Erhöhungen, die nament- lich mit den enorm gestiegenen Lebensmittelpreisen begründet wurden, sind dem Einfluß der sozialdemokratischen Rathausver- treter zu danken, die die Hälfte des städtischen Kollegiums bilden. Eßlingen   zahlt jetzt unter den württembergischen Städten den höchsten Zuschlag. Das rheinisch-westfälische Uebergaugssyndikat. Um dem Zwangssyndikat zu entgehen, das unter die Auf- ficht des Reichskanzlers gestellt worden wäre, haben sich die rheinisch-westfälischen Zechenbesitzcr auf ein Uebergangs- syndikat geeinigt, nachdem der Zechenbesitzer August Thyssen  seinen Widerspruch fallen gelassen hat. Das Uebergangs- syndikat ist zunächst auf l'/z Jahre begründet worden. In letzter Stunde haben sich also die Werkbesitzer noch dem staatlichen Zwange entzogen und bleiben damit vorläufig noch Herren im eigenen Hause". WolffsTelegraphenbureau meldet am 14. Sep- tember aus Effen: In der heutigen Zechenbesitzerversammlung. an der wieder drei Vertreter des preußischen Handelsministers teil-
nahmen, wurden die Erneuerungsverhandlungen des Rheinisch- Westfälischen Kohlensyndikats erfolgreich zu Ende geführt. Nachdem alle Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geräumt worden waren, unterschrieben sämtliche bisherigen Syndikats- Mitglieder und sämtliche im neuen Vertrage aufgeführten außenstehenden Zechen mit Ausnahme der Zechen Admiral und Glückauf Segen, mit denen eine Verständigung nicht zu erzielen war, den neuen Syndikatsvertrag, der heute in der am 10. d. Mts. beschlossenen Gestalt vorlag. Das Uebergangssyndikat ist deni- nach für die Zeit vom 1. Januar 1916 bis zum 31. März 1917 zustandegekommen: ein mühseliges Werk von größter Bedeutung für unser gesamtes Wirtschaftsleben ist damit zu einem glücklichen Ende gebracht worden. Der heutige Erfolg ist den rastlosen Bemühungen Geheimrats Dr. Kirdorf zu danken, der niemals davon abgelassen hat, immer wieder von neuem auf die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses des Ruhrkohlenbergbaus hinzuweisen."
Der Verkehr mit Hülsenfrüchte«. Obgleich bereits in den Zeitungen mehrfach darauf hinge- wiesen ist, daß seit dem 27. August d. I., dem Tage des Jnkraft- tretens der Bekanntmachung über den Verkehr mit Hülsenfrüchten vom 26. August 1916, jeder Handel mit Hülsenfrüchten verboten ist, der nicht an oder durch die Zentraleinkaufs-Ge- s e l l s ch a f t G. m. b. H. in Berlin   erfolgt, enthalten nicht nur die größeren Tageszeitungen, sondern auch die Fachblätter des Klein- und Großhandels häufig Anzeigen, in denen Hülsenfrüchte zum Verkauf angeboten werden. Es sei deshalb nochmals nach- drücklichst darauf hingewiesen, daß ein derartiger freier Handel schon jetzt verboten ist. Der in der Verordnung genannte 1. Okto- ber ist nur der Tag, auf den sich die Anzeigepflicht bezieht. Er hat mit dem Handelsverbot an sich nichts zu tun. Wer gegen dieses verstößt, kann auf Grund der Verordnung mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 15 9M M. bestraft werden.
Verlängerung der Mandatsdauer der braunschweigischen Landesversammlung. Die Landesversammlung hat einen Gesetzentwurf, durch welchen die Mandatsdauer der Abgeordneten um zwei Jahre ver- längert wird und die Neuwahlen entsprechend hinaus- geschoben werden, einstimmig angenommen.
Soziales.
Schadeuersatzansprüche wegen verpfuschter Arbeit. Die Kammer 5 des Gewerbegerichts hatte sich am Diens- tag mit drei Klagen zu beschäftigen, die infolge von verpfuschter Arbett an Granatzündern entstanden sind. In zwei Fällen handelte es sich um das mit Maschinen aus- geführte Bohren und Gewindeschneiden an Granatzündern sowie um ungelernte Arbeiter, die mit diesen Arbeiten erst kurze Zeit in einem Falle eine Woche im andern Falle zwei Wochen beschäftigt waren und vordem ganz andere Ar- beiten verrichtet hatten. Die Arbeiter hatten bei einer ver« hältniSmäßig kleinen Zahl von Zündern die vorgeschriebenen Maße nicht genau innegehalten, wodurch die betreffenden Zünder un- verwendbar geworden sind. Die Unternehmer haben den Arbeitern nicht nur den Akkordlohn sür die verpfuschten Zünder nicht bezahlt, sondern darüber hinaus noch einen Betrag des verdienten Lohnes zurückbehalten, um sich gegen den durch die verpfuschte Arbeit ent- standenen Materialschaden zu sichern. Die Arbeiter klagten auf Zahlung des verdienten Lohnes, während die Unternehmer im Wege der Widerklage einen den einbehaltenen Lohn wesentlich übersteigenden Betrag als Schadenersatz verlangten. In beiden Fällen sprach das Gericht den Arbeitern den zurück- behaltenen Lohn abzüglich des Akkordsatzes für die verpfuschten Stücke z u und wies die Widerklage ab mit der Be- gründung: Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Lohn für die verpfuschten Arbeiten nicht bezahlt werden braucht. Aber für den entstandenen Schaden ist der Kläger  , der als ungelernter Arbeiter erst kurze Zeit mit den fraglichen Arbeiten beschäftigt war, nicht haftbar. Das Gericht will damit nicht sagen, daß jeder un- gelernte Arbeiter für den von ihm verursachten Schaden nicht Haft- bar ist. Aber in den ersten ein bis zwei Wochen, wo der Arbeiter angelernt wird, darf man nicht zu weitgehende Ansprüche an seine Leistung stellen. Es handelt sich hier immerhin um eine gewisse Präzisionsarbeit, zu deren Erlernung eine angemessene Zeit er- forderlich ist. Da der Kläger   nicht durch grobe Fahrlässigkeit den Schaden verursacht bat, ist er nicht haftbar. Im dritten Falle klagte eine Arbeiterin, der wegen einer kleinen Zahl falsch gebohrter Zünder 19 M. einbehalten worden sind. Die Klägerin ist ihrer unbcstritlenen Angabe nach eine außer- gewöhnlich gewisienhafte und zuverlässige Arbeiterin, die bereits seit Mai Zünder bohrt. Der Unternehmer hat ihr einen Wochenverdienst von 46 M. garantiert; sie hat aber einschließlich Sonntags- und reichlicher Ueberstundenarbeit einen Wochenverdienst von 69 M. er« zielt. Die fehlerhafte Arbeit führt die Klägerin auf einen Mangel an einem Maschinenteil zurüch der trotz ihrer Meldung beim In- genieur nicht beseitigt worden sei. Das Gericht beschloß, den Ingenieur hierüber als Zeugen zu hören.
Krieg und Betriebsunfälle in Rußland  . Die russische ArbeiterzxitschriftVersicherung der Ar- Leiter" teilt in ihrer Nr. 6 intereffante Angaben über den Ein- fluß derKriegsmobilisierung der Industrie" auf die Häufig- keit der Unfälle auf den Fabriken und auf die Zahl der Erkrankungen der Arbeiter mit. Die angeführten Angaben, die den Berichten der Krankenkassen entnommen sind, geben zwar kein allgemeines Bild der in allen russischen Industriebetrieben herrschenden Zustände, sie sind aber charakteristisch für die seit Kriegsbeginn entstandenen Veränderungen. Hiernach entfielen auf je 1999 Mitglieder der Krankenkassen   Unfälle: Zunahme ln Proz.
i isw vom 1. Sept. bl» 1. Sept.
1914
Fabrik Leßner(Petersburg  ).. 12,9 Petersburger Metallwerke.. 11,6 Nikol. Werke....... 22,9 Putilow-Werke...... 16,9 Russisch-Baltische Fabrik(Riga  ) 11,9 . Nach denselben Berichten entfielen auf je 199 Arbeiter Krank heitstage im Monat bis 1. Sep- temb. 1914
bis 1. Jan. 1916 17,3 13.4 23.9 21,9 14,9
38 16,6 4.6 49 27.3
v. 1. Sept. bis 1. Jan. Zunahme 1916
Putilow-Werke....... 69,3 77,9 Brjansker Werke(Jekaterinoslaw). 66,8 79,8 Russisch-Baltische Fabrik(Riga  ).. 67,6 92,6 Danach hat die außerordentliche Jntensifizierung der arbeit, die Verlängerung der Arbeitszeilcn usw. die' denkbar schlimmsten Wirkungen auf die Gesamtheit der Arbeiter ausgeübt.
in Proz. 27,7 39 37 Industrie«