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DoNttstag, 16. Zeptemder 1915.

Teuerung und Kriegs­unterstützung. Seit Beginn des Krieges ist der Lebensunterhalt immer teurer geworden. Erst langsamer, dann in beschleunigterem Tempo stiegen die Lebensmittelpreise. Mit Schrecken sahen die Hausfrauen, wie ihre verfügbaren Geldmittel immer mehr entwertet wurden, wie sie für die gleiche Summe immer weniger Waren erhielten. Die Verteuerung der Lebenshaltung seit Ausbruch des Krieges ist mit 100 Proz. eher zu niedrig, als zu hoch gegriffen, namentlich für Berlin und Vororte, wo nach vorliegender Statistik die Teuerung innerhalb Deutschlands den höchsten Grad erreicht hat. Der Statistiker Richard Calwer errechnet nach den Aufzeichnungen aus 195 deutschen Plätzen für Deutschland im Durchschnitt eine Steige- rung des wöchentlichen Nahrungsmittelaufwandes von 25,12 M. ,m Juli 1914 auf 37,36 M. im Juni 1915, also um 12,24 M. oder 49,7 Proz. Der Berechnung find zu Grunde gelegt die Kosten der Normalration des deutschen Marinesoldaten, verdreifacht für eine Familie mit zwei Kindern. Für Berlin und Vororte da gegen stieg der errechnete wöchentliche Aufwand in der selben Zeit von 24,75 M. auf 38,61 oder um 13,86 M. gleich 56 Proz. Berlin und Vororte stehen nach Calwers Berechnung mit der absoluten Preissteigerung innerhalb Deutschlands obenan, es folgen dann Schleswig-Holstein mit 13,54 M., Königreich Sachsen mit 13,34 M., Ostpreußen mit 13,23 M.; den Schluß bilden Bayern mit 9,84 M. und Hessen mit 9,31 M. Aber die Calwersche Statistik bringt die Lebensmittelteuerung nicht in ihrer vollen Wirkung zum Ausdruck. Seine Feststellungen beschränken sich auf eine Reihe be- ftimmter Waren und für fest begrenzte Mengen. Eine Verschiebung im Verbrauch der einzelnen Warengattungen kann das Resultat der Teuerung erheblich ungünstiger beeinflussen. Das geschieht dann, wenn die vorhandenen Mittel nur die bescheidenste Ernährung gestatten, die dazu notwendigen Nahrungsmittel aber weit mehr im Preise gestiegen find als andere, wenn sie auch an sich billiger sind. Und seit Juni sind die Preise weiter gestiegen. Eine weit größere Preissteigerung finden wir denn auch in den neueren Feststellungen der Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend. Die Verkaufspreise für«ine Reihe von Lebens- Mitteln vom 1s. August 1915 sind den Preisen vom 15. August 1914 gegenübergestellt. Es handelt sich hier um Waren 52 verschiedener Sorten: Aufschnitt- und Fettwaren einschließlich Butter und Margarine, ferner Kakao, Kaffee, Salz, Mehl, Hülsenfrüchte, Nudeln, Grütze, Graupen, Reis usw. Die Preise sind berechnet für je 1 Pfund pro Warensorte. Am 15. August 1914 kosteten diese 52 Pfund der verschiedenen Warensorten 35,63 M., am 15. August 1915 dagegen 61,86 M. Die Steigerung beträgt hier 73,6 Proz. Größer noch ist die Steigerung nach der Zusammenstellung des Statistischem Amtes der Stadt Berlin . Hier sind die Preise festgestellt für 23 Warensorten: Wurst, Speck, Schmalz, Käse, Hülsenfrüchte, Graupen. Reis, Kartoffeln, Kakao. Von jeder Waren- forte 1 Pfund kostete die Gesamtmenge am 1. August 1914 12,70 M., dagegen am 1. August 1915 29,24 M. Die Steigerung beträgt hier 131 Proz. Brot und Fleisch sind in beiden Zusammenstellungen nicht enthalten. Die Preissteigerung für diese Lebensmittel bleibt hinter der allgemeinen Preissteigerung nicht zurück, wie wir gestern schon dargetan. So darf man die Lebensmittel« teuerung mit Recht auf über 100 Proz. berechnen. Wer also jetzt mit den gleichen Mitteln wie vor Ausbruch des Krieges haushalten muß, ist übel daran, wenn seine Mittel damals nur eine geringe Ernährung seiner Familie gestatteten... Die KriegSuntersiützung für die Kriegerfamilien wird immer unzulänglicher. Wo geringe Ersparnisse vorhanden waren, sind sie sicher im Laufe der Zeit schon aufgebraucht. Eine Anzahl Frauen ist leidend, Erwerbsarbeit ist ihnen ärztlich verboten, wenn sie nicht noch größeren Schaden an ihrer Gesundheit nehmen sollen. Andere haben einen bestimmten Beruf nicht erlernt und es ist ihnen nicht möglich, ihrer Körperkoustitution ent- sprechende Arbeit zu finden. Wieder andere find durch kleine Kinder an das HauS gefesselt und können auch Heimarbeit nicht finden, weil die eingearbeiteten Kräfte erklärlicherweise bevorzugt werden und soviel Kräfte nicht beschäftigt werden, als zur Ver- fügung stehen. Aber auch wo ein geringer Verdienst erzielt oder ein geringer Zuschuß vom Arbeitgeber deS einberufenen Ernährers gezahlt wird, find die Verhältniffe infolge der dauernd zunehmenden Teuerung unhaltbar geworden. Kleider und Schuhzeug sind auf- gebraucht, besonders dort, wo die Einberufung des Mannes sofort oder bald nach Ausbruch des Krieges erfolgte. Neuanschaffungen waren meistens nicht möglich, weil die vorhandenen Mittel kaum zum allernotdürftigsten Lebensunterhalt reichten. Wer hörte und sah, wie manche Frau sich und ihre Kinder durchbringen mußte, der begriff, wieviel Tapferkeit auch das stille Dulden bedeutet. War es aber noch im Sommer möglich, beispielsweise mit dem zerriffenen Schuhwerk auszukommen, so macht der Winter dem ein Ende. Und die Lederpreffe sind so hoch. Und der Winter erfordert auch neue Ausgaben für Heizungsmaterial. Der Reichstag hat nun in seiner Sitzung vom 26. August zu der Frage der Kriegsunterstützung Stellung genommen. Der Antrag der Kommission auf Erhöhung der Kriegsunterstützung wurde an- genommen und der Regierungsvertreter, Ministerialdirektor Dr. Le- wald, stellte eine Erhöhung der Mindestsätze in Aussicht. Im württembergischen Landtag hatte die Regierung erklärt, daß Würitem- berg im Bundesrat für eine Erhöhung der Kriegsunterstützung ein- treten werde. Der badische Minister des Innern hat die Erhöhung der Mindestunterstützung als Reichssache erklärt, fügte jedoch hinzu, es sei Sache der Lieferungsverbände, eine entsprechende Er- höhung eintreten zu lassen; solange diese ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen in der Lage seien, erkenne er das Bedürfnis für eine solche Erhöhung nicht an. Es darf nun erwartet werden, daß von Reichswegen bald etwa? in der Sache geschieht. In welchem Umfange müssen wir erst abwarten. Aber die R-ichsunterstützung wird wieder gleichmäßig sein und nicht die besonderen Fälle berücksichtigen, auf die wir hingewiesen haben. Hier muß der Lieferungsverband nachhelfen und sobald als möglich. Er braucht auch nicht so lange zu warten, bis die Reichsunter- stützung geregelt ist. Besondere Verhältnisse erfordern eine be- sondere Regelung, unbeschadet deffen, was allgemein geschieht. Und Eile ist erforderlich. politische Uebersicht. Gegen den Wucher mit eingeführtem Getreide. In letzter Zeit hat sich in einigen aus dem Auslande, besonders au» Rumänien , eingeführten Getreideorten eine wilde Spekulation entwickelt. Da für das aus dem Auslände bezogene Getreide die Bundesratsverordnungen über Höchstpreise, Ausmahlung und

Mischung nicht galten, die Importeure und Zwischenhändler also an die Beachtung der kriegswirtschaftlichen Bestimmungen nicht gebunden waren, bot sich ihnen die Gelegenheit, durch spekulative Maßnahmen für feine, unvermischte Getreide- und Mehlsorten ungewöhnlich hohe Preise herauszuschlagen, nicht selten doppelt so hohe Preise, wie sie durch die bekannten Bundesratsverordnungen für die inländische Er- zeugung festgesetzt sind. Besonders ist der Preis für ausländischen Mais in den letzten Wochen enorm hochgetrieben worden. Vielfach wurde solcher Mais mit 600650 M. pro Tonne bezahlt. Dieser Preistreiberei zu wehren, hat endlich der Bundesrat fol - gende Verordnung erlassen: K 1. Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Mais. Hülsenfrüchte, Roggen- und Weizenmehl, Roggen-, Weizen- und Gerstenkleie, allein oder in Mischungen auch mit anderen Erzeugnissen, die nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung aus dem Ausland eingeführt werden, sind an die Zenrraleinkaufsgeselljchaft m. b. H. in Berlin zu lieiern. Für die Lieferung an die Zentraleinkaufsgesellschaft gelten die vom Reichskanzler festzusetzenden Bedingungen. Z 2. Als Ausland im Sinne der vorstehenden Bestimmung gilt nicht das besetzte Gebiet. § 3. Der Reichskanzler erläßt die erforderlichen Ausführungs- bestimmungen; er kann Ausnahmen zulassen. Der Reichskanzler bestimmt auch, unter welchen Bedingungen diese Verordnung auf die Durchfuhr keine Anwendung findet. § 4. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geld- strafe bis zu fünfzehnhundert Mark wird bestraft, wer der Lieferungspflicht nach§ 1 nicht nachkommt oder den von dem Reichskanzler erlassenen Ausführungsbestimmungen zuwiderhandelt. 8 5. Die Verordnung tritt mit dem Tage der Berkündung in Kraft. Der Reichskanzler bestimmt den Zeitpunkt des Außerkraft- tretens. Durch die obige Verfügung wird das aus dem Ausland ein- geführte Getreide und Feinmehl dem freien Verkehr entzogen. Wohl kann jeder Getreide aus dem Ausland einführen, aber er darf es nicht offen oder unter der Hand an Zwischenhändler, Bäcker, Konditoren zu Wucherpreisen verkaufen, sondern muß es an die Zentraleinkaufsgesellschaft in Berlin zu den dafür festgesetzten Höchstpreisen abliefern. Außer gegen den Getreidewucher richtet sich aber diese Maßregel auch gegen Rumänien , das bekanntlich für das nach Oesterreich-Ungarn und Deutschland ausgeführte Getreide sowie für Hülsenfrüchte hohe Ausfuhrzölle erhebt, für Weizen z. B. 600, für Mais 400, für Hülsenfrüchte 900 Lei(1 Lei 80 Pf.) pro Waggon, und zu diesen Anfuhrzöllen kommen noch hohe Fracht kosten, besondere Spesen und Schmiergelder hinzu, so daß z. B. der rumänische Mais, bis er von der nächstgelegenen ungarischen Bahn- station weiter befördert werden kann, pro Tonne oft über 400 M- kostet. Durch die neue Bundesratsverordnung wird Rumänien dieser vorteilhafte Export, der nicht anders als eine unverschämte Ans beutung der Notlage der beiden Zentralmächte bezeichnet werden kann, sehr erschwert; denn der deutsche Importeur kann künftig solche Wucherpreise nicht mehr bezahlen. Will Rumänien sein überschüssiges Getreide absetzen, mutz es sich entweder in anderen Auslands- gebieten Abnehmer suchen was ihm durch die Dardanellensperre sehr erschwert wird oder es muß die Auslandszölle und Fracht- kosten erheblich herabsetzen. Die Preistreiberei für Gerste. Die Landwirte arbeiten mit allen Mitteln dahin, für Gerste Phantasiepreise zu erzielen. Der Höchstpreis für beschlagnahmte Gerste ist auf 300 M. festgesetzt; die Gersteverwertungsgesellschaft, der die Aufgabe zufällt, Gerste für die Industrie aufzukaufen, bietet bis 360 M. Das ist den Landwirten aber zu wenig, weil rumänische Gerste 700 M. pro Tonne kostet. Dieser hohe Preis für rumänische Gerste erklärt sich daraus, daß Rumänien hohe Ausfuhrvergütungen für Getreide erhebt. Weil nun Rumänien zu solchen Mitteln greift, deshalb glauben die deutschen Landwirte daS Recht zu haben, für ihre Gerste ebenso hohe Preise zu verlangen. Für die Preisbildung der deutschen Gerste können nur die Produktionskosten in Frage kommen; diese sind aber zweifellos nicht erheblich höher, als wie in früheren Jahren auch, so daß der gewährte Höchstpreis von 300 bezw. 360 M. schon als ein sehr gewinnbringender Preis an- zusprechen ist. DieDeutsche Tageszeitung" bringt nunmehr an der Spitze ihrer Beilage folgende Aufforderung: Bekanntlich hat der Deutsche Landwirtschaftsrat die Gründung von Gersteverkaufsgesellschaften angeregt, um der Organisation der Brauereien Stellen zu bieten, mit denen die Preisfrage ge- regelt werden kann, und zwar zur Zufriedenheit beider Teile. Soweit uns bekannt geworden, besteht in den Brauerkreisen der dringende Wunsch, zu einer Verständigung, und zwar alsbald zu gelangen. Wir erfahren, dab Schritte zur Gründung von Gersten - Verkaufsgesellschaften nunmehr getan sind, weshalb den gersten - bauenden Landwirten anzuraten ist, das Ergebnis dieser Bestrebungen abzuwarten und vorläufig keinerlei Gerste abzugeben. Die zu schaffenden Stellen werden versuchen, die Angelegen- heit mit den bereits bestehenden Einrichtungen, der Gersten - Verwertungsgesellschaft und dem Handel, zur endgültigen Lösung zu bringen." Der Zweck dieser agrarischen Gründungen besteht darin, die Gerstenverwertungsgesellschaft auszuschalten und die Industrie, ins- besondere die Brauereien zu zwingen, bei den agrarischen Verkaufs- gesellschaften ihren Bedarf zu erheblich höheren Preisen zu decken. Fraglich ist nur, ob die Regierung es sich gefallen lassen darf, daß die Agrarier hier ihren Willen in so offenkundiger Weise durchsetzen. Wenn das Gesetz über den Wucher irgendwo Anwendung finden muß, dann zweifellos gegenüber den Leuten, die sich anschicken, einen so unglaublichen Wucher mit Gerste zu treiben.

Der durchschnittliche tägliche Kartoffelverbrauch in Familien. Einer Anregung der Reichsregierung und de? Deutschen Städte- tages folgend, hat die Stadt Düffeldorf während der Woche vom 2. bis 8. August eine Erhebung über den täglichen durchschnittlichen Kartoffelverbrauch der städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter vorgenommen. Erfaßt waren 3686 Familien mit 15 997 Köpfen. Vor kurzem hat auch die Stadt Berlin eine derartige Erhebung ge- macht. Es ergeben sich folgende Durchschnittszahlen über den Kar- toffelverbrauch in Gramm auf den Tag und den Kopf: in Düsseldorf in Berlin Oberbeamte.......... 401 332 Mittlere Beamte........ 579 426 Untere Beamte......... 796 531 Angestellte und Bureouhilfspersonal, 749 Technisches Aufsichtspersonal.... 745 501 Gelernte Arbeiter......., 917 603 Ungelernte Arbeiter...... 1182 696 Ueberhaupt 939 691 Der gegenüber Düffeldorf so niedrige Verbrauch in Berlin ist darauf zurückzuführen, daß die Berliner Erhebung Ende April bis

Anfang Mai, während sehr hoher Kartoffelpreise, vorgenommen wurde. Gleichmäßig aber regelte sich in beiden Städten der Kartoffelverbrauch nach der sozialen Gliederung. Das Düsseldorfer statistische Amt sagt dazu: In Düsseldorf war ebenso wie in Berlin der Kartoffelverbrauch den Einkommensverhältnissen gerade entgegen- gesetzt, d. h. die in der Familie durchschnittlich täglich verzehrte Kartoffelmenge war um so niedriger, je besser die Einkommens- Verhältnisse waren und umgekehrt. Eine Erhöhung der Kartosfelpreise muß also nicht nur absolut, sondern auch relativ das Haushaltungsbudget umso stärker belasten, je geringer das Einnahme-Soll zu buchen ist. Das Streben der Behörden nach Erhaltung niedriger Kar -- toffelpreise erfüllt daher eine soziale Pflicht."

Die Stadtgemeinde als Preisregulator. Der Umstand, daß die Stadt Augsburg Milchverkaufs- stellen einrichtete und dort den Liter Milch mit 22 Pf. ver- kaufte, während er bei den Händlern 24 Pf. kostete und ein weiterer Preisaufschlag angekündigt worden war, hat bewirkt, daß die Händler fast allgemein wieder auf den Preis von 22 Pf. zurückgehen mußten. Ein Teil der Händler liefert so- gar zu diesem Preise die Milch noch frei in die Wohnung. Der Vorgang beweist, daß, wenn die Stadtbehörden kräftig zugreifen, auch der unsinnigen Steigerung der Lebensmittel- preise vorzubeugen ist._ Die Zusammensetzung des preuhischen Herrenhauses. Nach einer am 1. Oktober vorigen Jahres erfolgten Fest- stellung, bestand diese Körperschaft aus 406 Mitgliedern; 46 Stimmen ruhten. Unter den Herrenhausmitgliedern be- fanden sich damals 18 Staatsminister und Staatssekretäre leinschließlich a. D.), 19 Hof- und Oberverwaltungsbeamte, 2 aktive Justizbeamte, Offiziere(aktive, ä la suite, z. D.) 49, Reichs- und Staatsbeamte a. D. 42, Offiziere a. D. 57, Provinzialbeamte(einschließlich a. D.) 12, Gemeinde- und Korporationsbeamte(einschließlich a. D.) 52, Universitäts - Professoren und Lehrer 19, evangelische Geistliche 2, Kaufleute und Bankiers 7, Privatbeamte 2, Landwirte 72, Gewerbe- treibende und Industrielle 5, Aerzte und Handwerker je einer. Auf den ersten Blick ersieht man aus dieser Zu- sammenstellung, wie wenig diese Körperschaft nach ihren Be- standteilen der sozialen Schichtung in der preußischen Be- völkerung entspricht._ Vom Geistesleben unserer Frontsoldaten. In derKölnischen Volkszeitung"(Nr. 747) veröffentlicht ein katholischer Feldgeistlicher recht interessante Beobachtungen über die Seelenstimmung der Feldgrauen. Er schließt aus dem Inhalt der Schriften, die man den Soldaten im Felde zusendet, daß man in der Heimat über die Gedanken und Gefühle der Feldgrauen schlecht unterrichtet ist: In nationaler Hinsicht leiden manche Schriften an krankhaftem Ueberschwang, der auf den Soldaten ab« st o ß e n d oder lächerlich wirkt. Wir wollen nicht in den Fehler der Franzosen und Engländer verfallen, die unser ganzes Volk als Barbaren und Wilde verschreien. Wir wollen an unseren Feinden nicht nur das Schlechte sehen, und unsere Soldaten hm es auch nicht. Sie leben lange genug in feindlichem Lande, um zu wissen, daß es in jedem Volke auch gute und edle Menschen gibt. Der Verfasser betont ferner, daß auch in militärischer Hinsicht die Soldaten weit davon entfernt sind, ihre Gegner zu unterschätzen. Nicht minder falsch sei es, von ihrer Kriegslust zu faseln. Auch die Freude am Kriegs um des Krieges willen ist unseren Soldaten fremd. Gerade unsere Be st en haben nur ein Bedauern für die herben Verluste und Leiden, Härten und Verwüstungen, die mit jedem Kriege un- trennbar verbunden sind.... Wenn unsere Feldgrauen auch ent» schloffen sind, den Krieg, koste es, was es wolle, bis zum Ende durchzukämpfen, so werden sie doch die Stunde des Friedens von ganzem Herzen segnen; denn den Krieg mit seinen seelischen und körperlichen Entbehrungen haben sie reichlich gekostet. Der katholische Geistliche meint, daß seine Ausführungen gewiß Widerspruch erwecken, aber sie bezeichneten die Dinge, wie sie find. Der Priester warnt übrigens auch in religiöser Beziehung vor Uebertreibungen und Süßlichkeiten, da sie der Grundstimmung des Heeres durchaus nicht entsprächen.

Bedenken gegen eine Friedensprozessto«. Der Kardinalerzbischvf von Köln , der schon wiederholt in Hirtenbriefen heiße Friedenssehnsucht verraten hat, rief die Glau- bigen fiir Sonntag, den 12. September, zu einer großen Bittprozkssionzur Beendigung des Krieges" auf. Da der Erzbisckof in Zeitungsanzeigen von Riesenlettern alle katholischen Vereine Kölns zur Beteiligung aufforderte, war eine gewaltige Kundgebung zu erwarten. Im letzten Augenblick aber teilten die katholischen Blätter Kölns mit:Die für Sonn- tag in Aussicht genommene und behördlicherseits genehmigte Pro- zession findet eingetretener Bedenken wegen nicht statt."

Zum Streit über de« Verfaffer des.Z'uccuse". Wir erhalten folgende Zuschrift: Basel , 12. September 1918. Dem anscheinend von derDeutschen Tageszeitung" aus- gestreuten, in einer Ihrer letzten Nummern erwähnten Gerücht gegenüber, ich sei der Verfasser des Werkes J'acouse, bitte ich Sie, dieses Gerücht als unwahr zu bezeichnen. Ich bin nicht der Verfasser des genannten Werkes. Prof. Dr. Robert Michels .

Steckbrief wegen Hochverrats. Gegen den am 25. März 1862 in Egisheim geborenen Redakteur Emil Boll, der bis zum Kriegsausbruch dasJournal d'Alsace" in Straßburg leitete, ist vom außerordentlichen Kriegs- gericht in Straßburg wegen Hoch- und Landesverrats ein Steckbrief erlassen worden. Das gesamte Vermögen, das Boll in Deutschland besitzt oder das ihm später zufällt, ist beschlagnahmt worden.

Neue Unruhen in Portugal . Lyon , 15. September. (W. T. B.)Nouvelliste" meldet auS Madrid : Eine neue Aufftan-dsbewegung wird aus Portugal ge- meldet. Unruhen finden nicht nur in Lissabon , sondern auch in mehreren Provinzstädten statt.