Nr. 75.
Erschein täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Bfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DefterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Seitungs- Preislifie für 1894 unter Nr. 6919
Vorwärts
11. Jahrg.
Insertions: Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr Abends, an Sonnund Fefttagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.
Fernsprecher: Aurt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Der 1 April
ist nicht blos ber Tag d Aprilsnarren und des Bismarck rummelser ist auch er alter Merkstein zwischen Winter und Frühling.
Um 1. April wir seit Jahrtausenden der Grundstein gelegt zu Unternehmungen und Bauwerken, welche Stürmen und Un wetter trotzen und fünftigen Geschlechtern noch Nutzen und Obdach gewähren sollen.
Es war sonach kein schlechter Jahrestag, den wir uns er wählt hatten, als wir vor 10 Jahren den Grundstein des „ Borwärts" legten, der freilich in der Taufe sozial demokratische Taufe feinen jetzigen Hauptnamen nicht
erhielt.
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Es war ein Wagniß, aber es mußte sein.. Am 1. April 1884- inmitten der Aera des Sosialisten gesetzes erschien die erste Nummer des Berlier Bolt 3 blattes." Die Hoffnung, daß die Zeitung gleich bei Beginn eine genügende Anzahl von Abonnenten erlangen werde, erfüllte sich nicht. Nach mehrmonatlichem Bestehen erschien das Blatt in einer Auflage von nur 2400 Exemplaren. Erst die Reichtags wahl im Herbst 1884 und die an sie sich fnüpfende Agitation brachten in bezug auf den Abonnentenstand eine zunehmende und anhaltende Besserung, so, daß das Berliner Boltsblatt" Anfangs 1890 in einer Auflage von 10 000 erschien. Als im Jahre 1890 das Sozialistengefeß in die Grube sant, hatte das Berliner Boltsblatt" bereits eine Auflage von einigen zwanzigtausend.. und heute hat es, zum Vorwärts" erweitert hat, einen Abonnentenstand von 43 000. Ein stetiges Wachsen wie das Wachsen der Partei. Leicht war das Werk nicht. Die Opfer, die das Organ der Berliner Sozialdemo fratie in den ersten Jahren seines Bestehens erheischte, waren sehr beträchtlich, und mit den vorhandenen Mitteln mußte aufs haushälterischfte vorgegangen werden, sollte das Blatt nicht aus petuniären Gründen untergehen. Die Inserate gingen uns sehr spärlich zu, da ein großer Theil des inferirenden Publikums aus Angst vor dem Sozialistengesetz fich nicht getraute, dem„ Boltsblatt" Anzeigen aufzugeben.
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Sonntag, den 1. April 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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Es war eine harte Zeit und eine gute Schule. Eine Zeit- er, der französische Chauvinist er, der französische Chauvinist einen wahren Hymnus fortwährenden Kriegs. Und wenn die Kriegsjahre, wie das auf die deutsche Militärvorlage, die er als ein unübersonst der Fall ist, für uns doppelt zählten, dann hätte unser treffliches Meisterstück in ihrer Art hinstellt um für eine neue Blatt schon längst sein zehnjähriges Jubiläum feiern können. französische Militärvorlage Stimmung zu machen. Freilich mit dem Fall des Sozialistengesetzes haben die und die deutschen Chauvinisten- Organe- 3. B. aud) Kriegsjahre für uns nicht aufgehört. Und dem„ Vorwärts " ist französischen Reklame- Artikel nach, um Stimmung für eine der halbamtliche Hamburger Korrespondent"-drucken den ebensowenig Ruhe gegönnt, wie dem Volksblatt". Nicht daß neue deutsche Militärvorlage zu machen, da die vor wir dies beklagten. Schlimm wäre es für uns und für die jährige„ neue" natürlich längst veraltet ist. Partei, könnten wir auf einem Lotterbett uns ausstrecken, und Dies zur Kennzeichnung des Spiels und der„ Mache". würden wir aufhören zu kämpfen. Wir Sozialdemokraten find eine Rampfpartei, und der Vorwärts" ist, wie schon sein Name besagt, ein Kampforgan.
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Wir würden eine Pflicht der Dankbarkeit verabsäumen, wollten wir am heutigen Tag unerwähnt laffen, daß unser braver Freund Wilhelm Hasenclever vom Tage der Gründung des Voltsblatts" an bis zu dem Tag, da die furcht bare Krankheit ihn fällte, in hervorragender Weise für unser Blatt thätig war.
Der Militarismus ist international, ebenso wie der Kapitalismus und die Polizei, und für alle drei hat das Volk die Kosten zu zahlen. Die Vertreter dieser Dreieinigkeit sind in allen Ländern unter sich einig; um sich ölker gegen einander verheten, über einander täuschen. aber in der Herrschaft behaupten zu können, müssen sie die Mit peinlichster Sorgfalt verhüllen die französischen Chauvinisten ihren Landsleuten, daß am 15. Juni vorigen Jahres eine Majorität von mehr als einer Million deutscher Wähler gegen den MilitarisUnd eine weitere Pflicht der Dankbarkeit haben wir gegen mus und die Militärvorlage gestimmt hat. Und mit derdie Berliner Arbeiter zu erfüllen. Ohne sie hätte das Berliner selben peinlichen Sorgfalt verbergen unsere Chauvinisten Volkblatt" nicht bestehen, und der Vorwärts" nicht werden dem deutschen Volke die Thatsache, daß in Frankreich der Chauvinismus mehr und mehr an Boden verliert, und daß tönnen, was er ist. Dank den Berliner Arbeitern! Mögen fie fortfahren, für durchaus nicht auf die international- sozialistischen Arbeiter in den breitesten Volksschichten wir beschränken uns hier unser, für ihr Blatt thätig zu sein. die selbstmörderische Thorheit des Deutschenhasses und der Politit des bewaffneten Friedens empfunden wird. Sehr interessant ist, was in einem deutschen Wochenblatt, den Grenzboten", ein französischer Gelehrter Th. Ruyssen gegen den Vorwurf sagt, die Franzosen seien ungerecht gegen die Deutschen , wüßten aus nationalem Vorurtheil unsere wissenschaftliche und künstlerische Thätigfeit nicht zu schäßen. Der Franzose dreht den Spieß um, giebt zahlreiche Beispiele deutsch chauvinistischer Ungerechtigkeit gegenüber den Franzosen und fährt dann fort:
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Der Vorwärts" wird seinem Namen nie Schande machen. Jmmer vorwärts! heißt die Parole.
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Und beim Vorwärtsgehen der Vorwärts" allezeit voran!
Gegen Krieg und
Militarismus.
Der Sieg, welchen der kapitalistisch- junkerliche Chauvinismus und Militarismus vorigen Sommer durch Annahme der neuen" Militärvorlage im deutschen Reichstage davon trugen, war natürlich Waffer auf die Mühle der fran= zösischen Chauvinisten und Militaristen, welche die Erfolge ihrer deutschen Kollegen und Geschäftskompagnons vorUnd wie stand es mit unseren Mitarbeitern?- Raum hatten trefflich für sich zu verwerthen wußten. Denn ein Ge dieselben festen Fuß gefaßt, so mußten fie Berlin verlassen; der schäft ist es, und zwar ein Geschäft auf Gegen ,, fleine Belagerungszustand" gab die Möglichkeit, jeden Miß- seitigkeit. Hüben und drüben arbeitet man sich eifrigst liebigen auszuweisen", und wer mit dem Voltsblatt" und wirkjamst in die Hände. Und nachdem die franzö zu thun hatte, sei es in der Redaktion, sei es in der Verwaltung fischen Erbfeinde" den famosen Vorsprung", den die der Zeitung, war mißliebig". Wir könnten ein dides Buch schreiben, wollten wir all die Verfolgungen und Maßregelungen schildern, welche die Vernichtung unseres Blattes zum Zwed hatten. Das Fallbeil hing an einem Zwirnsfaden über unferem Haupt. Einmal schien die Katastrophe gekommen- es fiel aber blos eine einzelne Nummer dem Sozialistengesetz zum Opfer.
Feuilleton.
Der Jude.
Deutsches Sittengemälde
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aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Ein schlicht Gewand Deckt in der Welt
Gar oft den Mann, Der in der Hand Den Zepter hält Wie's ihm gefällt: Wer sieht's ihm an? Ballade.
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neue" Militärvorlage uns verschaffen sollte, im Handumdrehen eingeholt halen, wird jezt von unseren deutschen Chauvinisten ein dieser Tage erschienener Reklameartikel eines französischen Kollegen für die deutsche Militärvorlage aufs fräftigfte ausgenutzt. Ein Herr Malo, französischer Generalstabs- Offizier und militärischer Berichterstatter des Journal des Debats"- ein fonderbarer Titel!-- fingt
sellschaft eines alten Schrankenraufers zu reiten, der Wappen und Freiheit an Eure Stadt verkaufen mußte um schnöden Sold."
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" Frei herausgefagt, wenn Frankreich an den ruhmvollen Arbeiten von Mommsen und Helmholtz nicht vorübergehen fann, hat es in der heutigen deutschen Literatur viel zu nehmen, was es nicht schon zu Hause findet? Sie lesen Zola und Bourget, Sie spenden im Theater Dumas und Pailleron Ihren Beifall; was geben Sie uns dafür unter den Werken der Zeitgenossen in Tausch? Aber selbst in diesem Punkt siad die Vorwürfe, die man uns macht, übertrieben. Lesen Sie die Programme unserer Lyceen. Es fehlt dort nicht ein einziges Ihrer Klassischen Hauptwerke. Sie finden dort selbst den " Lichtenstein" von Hauff und„ Soll und Haben " von Freytag . Wenn ich dagegen einen Blick in das Sommerprogramm des töniglichen Gymnasiums in Leipzig werfe, so finde ich von unseren Klassikern nur eine Tragödie von Racine, ein Lusts spiel von Molière und Auszüge aus St. Simon. Das ist wenig. Nicht nur unsere Schüler lesen Ihre Klassiker, sondern auch unsere Literaten fahren fort, sie zu studiren. Die Abhandlungen Don Bonnet Maury über Bürger, Chuquet über über Kleist, von Lichtenberger über bie Iyrischen Werke Goethe's um nur die allerneuesten Beispiele zu wählen gelten selbst in Deutschland für
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" Noth kennt kein Gebot," meinte Gerhard. Hättet Ihr gesehen, wie mich der Wirth beschimpfte, hättet Ihr gesehen, wie meine lieben Freunde mich sigen ließen,- hättet Ihr empfunden, wie talt dieser Ofen und wie leer mein Magen war; Ihr würdet glimpflicher mit mir verfahren." Der
Ei warum denn, posfirlicher Mensch?" fragte der Jüngling, Wer mir auf der Lebensbahn aufstößt, luftig, wohlgemuth wie ich, ist vor allen mein lieber Gesellschafter, er schaue nun unter einer Grafentrone, einer Fechterhaube, Einem Juden?" fuhr der junge Mann fort: oder einem Gugelhute hervor. Alter Degenknopf; ich arme Junge! Ich war dabei, als Du ihn gefunden. habe von Deinem gebrannten Herzeleid gehört, und bin ge- Noch sehe ich sein holdes Antlig; ich empfahl ihn Dir doch tommen, Dich zu befreien aus den Schlingen der Edomiter, auf das Beste, da ich den trunkenen Mann an der Hausdie gar zu gern einhergefahren wären auf Deinem Turnier- thüre Deinem Knechte überließ; aber was hilft das alles! gaule!" Hier klimperte er dem Gerhard gar anmuthig mit Verschachert wie Joseph an die Kinder Jsmaels! Nun, einem gefüllten Beutel vor den Dhren.-Ich komme mart! wart; alter Lurbruder! Der heilige Martin wird jedoch zu spät, wie ich zu meiner Freude sehe. Wie ist es Dir's gedenken, wenn die Seele eines Christen durch Dich Dir möglich geworden, Du durchlöchertes Sieb, dem Handel zum Teufel fährt." so schnell ein Ende zu machen?"
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Mein Pferd steht vor meiner Herberge," antwortete noch etwas finster der junge Mann; laßt uns dort den Balettrunk halten, denn von Deinem mit Christenblut bes zahlten Sekt nehme ich keinen Tropfen an."
Ei nun," erwiderte Gerhard: so überlaßt es auch Gerhard erzählte lustig, locker und frech in der Freude dem heil. Martin und brummt nicht mit mir. Was soll Schon gefattelt und aufgezäumt?" fragte ein junger feines Herzens die Art, wie er zu dem Gelde gekommen. Das Hadern? Laßt uns den Span in Minne beilegen, lebhafter Mann von ausnehmend schöner Gestalt und vor- Des Jünglings Gesicht verfinsterte sich jedoch gewaltig, und und zu Gaule steigen. Geld klingt in der Tasche und nehmen Wesen den Knecht des Junkers von Hülshofen, ungeduldig stampfte er mit dem Fuße, da Hülshofen ge- überall stehen die Fässer uns offen. Seid Ihr schon reises der den erlöften Gaul mit der Reisedecke schmückte. endet." Bfui! pfui! und abermals pfui!" rief er:" Ber - fertig?" " Tachte nicht, daß es schon so weit sein würde, nach dem, brich Dein Wappen und Dein Schwert, Du geldsüchtiger alter Mensch! Bist Du nicht schlechter als der Jude, der was ich gehört!" Eprach's, und stand mit wenig Sprüngen in der Maien doch nur eine Christenseele kaufte, die Du verschleudert haft? stube vor dem Edelfnecht. Dieser saß bei einem Baßglase Gerhard! ist das eines Edelmannes würdig? Wärst Du bei Malvafier, und tanzelte den demüthigen Wirth zum Rebstock Deinem Steigbügel zu Gaste gegangen, wie die lodern Geauf gut deutsch ab, wegen seines unziemlichen Benehmens sellen, die gestern im Rosengarten mit Dir zechten, hättest gegen fremde ehrsame Edelleute. Da er jedoch des Besuchs Du die Marktschiffe geschunden, wie der grausame Hans anfichtig wurde, schickte er kurz abbrechend den Kneipen- von Rudenkheim, dessen Rückinger Schloß mein Vater vor den Weg. Der lange Vollbrecht, ohnehin zum Fußmarsch meister zum Teufel und wendete sich in der fröhlichsten zehn Jahren niederbrennen half, hättest Du mit ScharLaune zu dem Jüngling. lach gehandelt auf offener Landstraße, ich würde um alles Sieh ba!" sprach er:„ Edles Herrlein, seid will dies Dich weniger gescholten haben, als um eines Menschenkommen. Habt doch Wort gehalten, ob schon Jhr's im verkaufs willen; denn der ist von allen unritterlichen Streichen Martinsjubel gehabt. Ihr verschmäht es nicht, in der Ge- der unritterlichste."
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Der Vorschlag wurde von dem trintlustigen Gerhard recht ausführbar befunden, und die Beiden begaben sich auf verdammt, machte sich eilends zum Thore hinaus, während die Herren noch luftig im Rosengarten sich zutranken. Die rothwangige Tochter des Hauses kredenzte den feurigen Wein und entzückte durch ihre Liebenswürdigkeit den jungen Mann dergestalt, daß er den Arm um ihren schlanken Leib legte,