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Nr. 277.- 32. Jahrg.

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Telegram Adresse: Sozialdemokrat Berlin  .

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amit Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Donnerstag, den 7. Oftober 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikplan, Nr. 151 90-151 97.

Deutscher   Protest in Athen   gegen die Landung in Saloniti.

Vom Balkan  .

Gegen die Entente- Politik am Balkan  .

Das Wolfffe Telegraphenbureau schreibt: Berlin  , 6. Oftober. Am Montagnachmittag haben die Vertreter der Entente in Sofia   an die bulgarische Regterung die Forderung gerichtet, binnen 24 Stunden die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland  und Desterreich- Ungarn   abzubrechen und sämtliche( NB. gar nicht borhandenen), deutschen   Offiziere aus der bulgarischen Armee zu ent Laffen. Es sind, wohl gemerkt, die Vertreter der drei Mächte, die unter dem Motto: Für Freiheit und Recht, für den Schuh und die Unabhängigkeit der fleinen Staaten in den Kampf gezogen sind, die diese in das Selbstbestimmungsrecht Bulgariens   so tief ein schneidende Forderung gestellt haben. Die bulgarische Regierung wird die gebührende Antwort auf die Zumutung zu finden wissen, die das wahre Gesicht der Entente enthüllt, die von hohlen Phrasen über die hu manitären und böllerbefreienden Ziele des gegenwärtigen Krieges überfließt, alle ihren schönen Grundsäße aber fallen läßt, sobald sie glaubt, daß das ihren Intereffen dienlich ist. Gleichzeitig mit diefer diplomatischen Demarche in Sofia   haben unsere Gegner der griechischen Regierung die beabsichtigte Ausschiffung franzöfifcher und englischer Truppen in Saloniki  , angeblich zur Unterstügung Serbiens  , notifiziert. England hat sich durch diesen Schritt selbst die heuchlerische Mašte vom Geficht gerliſſen, mit bet es ſeit Beginn des Krieges die Verlegung der belgischen Neutralität dazu benutzt hat, um in der ganzen Welt in der würdelosesten Weise gegen Deutschland   Stimmung zu machen. Wie verschieben aber liegen bie beiden Fälle: Im Falle Belgiens   war das Vorgehen Deutschlands   durch den drohenden franzöfifchen Vormarsch begründet: Es handelte sich um Notwehr in einer Lebensfrage für das Deutsche Reich: Die Verlegung der griechischen Neutralität durch Frankreich   und England ist ein Bölfer rechtsbruch lediglich zur Wahrung egoistischer Interessen. Weder hätte die Existenz Englands oder Frankreichs   auf dem Spiel ge­standen, wenn die Landung unterblieb, noch hatte die Entente Gründe für die Annahme, daß eine Verlegung der griechischen Neutralität durch ihre Gegner geplant war. Auch ist die Hilfeleistung an Serbien   nur ein Vorwand. Der wahre Grund ist, Serbien   in seinem Widerstand gegen Deutschland   und Desterreich­Ungarn zu ermutigen, damit es sich, ebenso wie Belgien  , auf dem Altar der Interessen der Entente weiter verblutet. Deutschland   foll der Weg nach Konstantinopel   mit Hilfe Serbiens   verlegt werden, nachdem der Bersuch, den Bundesgenossen des Deutschen Reichs und Desterreich- Ungarns   an den Dardanellen niederzuzwingen, dank des heldenmütigen Widerstandes der ottomanischen Armee, fläglich ge­scheitert ist. Dieses militärische Fiasto vor der öffentlichen Meinung der eigenen Länder zu verschleiern, ist die Ueberführung der englischen  und französischen   Truppen auf griechisches Gebiet gleichfalls be­stimmt.

Die griechische   Regierung hat gegen die Berlegung ihrer Territorialhoheit durch England und Frankreich   Protest erhoben. Die Kaiserliche Regierung hat in Athen   gegen die Zulassung der Landung protestiert, die mit der von Griechenland   bei Beginn des Krieges verkündeten Neutralität in Widerspruch stehen würde. Die Antwort der griechischen Regierung auf die deutschen   Borstellungen liegt noch nicht vor.

Eröffnet sich jetzt ein neues Rapitel in der militärischen Geschichte dieses Krieges, so bilden die jüngsten Demarchen der Entente in Sofia   und Athen   das Schlußwort zu einem Kapitel in der diplomatischen Geschichte der Entente, das die Nachwelt einmal mit dem Motto versehen wird: Geschichte der Heuchelei".

ber Se

Das Rücktrittsgesuch Venizelos  . Paris  , 6. Oktober.  ( W. T. B.) Die Agence Havas erfährt aus Athen  , daß Ministerpräsident Venizelos   gestern vom Könige empfangen wurde, der ihm erklärte, er könne der Politik des gegenwärtigen Kabinetts nicht bis zu Ende folgen. Venizelos   habe dem Könige sein Abschiedsgesuch eingereicht.

Venizelos   Stellung ergibt sich aus folgender Erklärung in der Kammer:

V

Paris  , 6. Oktober( W. T. B.) Meldung der Agence Havas. Venizelos   erklärte in der Kammer, Griechenland   werde die im serbisch griechischen Bertrage festgesetten Bers pflichtungen schärfstens innehalten, selbst wenn sic Griechenland   dazu führen sollten, gegen Deutschland   Stellung zu nehmen, was er aufrichtig bedauern würde. Benizelos gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß es im Interesse Griechenlands   sei, sich an die Seite des Vierverbandes zu stellen. Seine Erklärungen wurden mit fünfzig Stimmen Mehrheit gutgeheißen. Die mohammedanischen Abgeordneten ftimmten dagegen.

London  , 6. Oktober.  ( T. U.) Nach einer Athener   Times". Meldung kam es in der Stammer zu einer lebhaften Erörte­rung, die bis 5 Uhr morgens dauerte. Bei der Abstimmung über die Regierungsanträge wurden 257 Stimmen abgegeben, 142 lauteten für die Regierung, 102 gegen fie, 13 Mitglieder, darunter 9 Minister, enthielten sich der Abstimmung, während 50 Abgeordnete fehlten.

Meldung des Großen Hauptquartiers.  | Parlamentarismus und aus­

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 6. Oftober 1915.( W. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah.

An der Höhe nordöstlich Neuville wurde ein franzö fischer Handgranatenangriff abgewiesen.

In der Champagne versuchten die Franzosen auch gestern, auf der bisherigen Angriffsfront die Offensive wieder aufzunehmen. Mit starkem Artilleriefeuer, das sich nachmittags zu größter Heftigkeit steigerte, glaubte der Feind unsere Stellung für den allgemein beabsichtigten Angriff sturmreif machen zu können, während er auf der ganzen Front seine Sturmtruppen bereit stellte. Unter unserem auf der feindlichen Ansgangsstellung liegenden Artilleriefener gelang es den Franzosen nur an einigen Stellen, ihre Truppen zum Sturme vorzubringen, und wo sie stürmten, wurden sie wieder unter schweren Verlusten zurüdgeworfen. So brachen die an der Straße Somme­By- Sonain mehrfach wiederholten Sturmanläufe gänzlich zusammen, auch nördlich wie nordöstlich der Beauséjour. Ferme und nordwestlich von Bille far Tourbe waren die Angriffe völlig erfolglos.

In dem englischen Bericht vom 1. Oftober 1915 wird behauptet, daß die Engländer im Luftkampf. die Oberhand

wärtige Politik.

Von Ed. Bernstein.

I.

Wie wirkt der Barlamentarismus auf die Führung der auswärtigen: Politik ein? Die Frage ist neuerdings auch in der sozialdemokratischen Bresse   erörtert worden( bergL. Bor­wärts" vom 24. September, Leitartikel) und, so sehr sie bei uns akademischer Natur zu sein scheint, auch hier durchaus der Erörterung wert. Denn es handelt sich dabei nicht mir darum, festzustellen, was etwa bei uns sein könnte, sondern auch um das Verständnis für die tatsächliche Führung der auswärtigen Politik in denjenigen Ländern, welche das parla­mentarische Regierungssystem- bereits besigen.

Eine weit verbreitete Anschauung sagt, der Barlamen­tarismus möge für die innere Politik seine Borteile haben, wo er aber durchaus verjage, das sei das Gebiet der auswärtigen Politik. Bei parlamentarischer Regierung fehle dieser jene Stetigkeit, welche allein ihrem Betrieb die nötige Kraft ber­bürge. Sicherheit gegen eine schwankende, der inneren Kraft und zielbewußten Verfolgung bestimmter 3wede entbehrende auswärtige Politif biete nur ein Regierungssystem mit starker und ständiger Sentralgewalt.

Gegen diese bisher vorwiegend von Anhängern des Mon­archismus berfochtene Anschauung ist im oben erwähnten Leitartikel des Vorwärts" schon mit Recht barauf bermiesen

über unsere Flieger gewonnen hätten. Hierüber gibt fol- worden, daß auch nichtparlamentarische Regierungen sehr häu­gende Zusammenstellung den besten Aufschluß:

Jm Monat September sind an deutschen   Flugzengen verloren gegangen:

im Luftkampf: vermißt:

322

durch Abschuß von der Erde ans: 2

im ganzen

7 Flugzenge. Im gleichen Zeitraum verloren unsere Gegner: Engländer: Franzosen: 4 11

4

7

8

+

22

im Luftkampf:

durch Abschuß von der Erde aus:.. 1 durch Landung in n. hinter unserer Liuie: 3 im Ganzen:.

30 Flugzeuge.

Deftlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg  . Der Feind hat sich gestern zwischen Dryswjath- See und Krewo erneut zu größeren Angriffen angesetzt; sie find abgeschlagen oder im Feuer zusammengebrochen. Anfangserfolge erzielte der Feind bei Kosjany und hart südlich des Wisniew- Sees; durch Gegenangriffe wurde die Lage für uns unter schweren Verlusten für den Feind wiederhergestellt.

Heeresgruppen der Generalfeldmarschälle Prinz Leopold von Bayern und v. Mackenfen.

Die Lage ist unverändert.

Heeresgruppe des Generals v. Cinfingen. In der Gegend westlich von Czartorysk haben sich Rämpfe entwickelt. Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 6. Ottober.( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart: Wien  , 6. Oktober 1915.

Russischer Kriegsschauplak.

Keine Aenderung.

Italienischer Kriegsschauplatz.

Auf der Hochfläche von Bielgereuth wurde um Mitternacht ein starker italienischer Angriff, der stellenweise nahe an unsere Hindernisse herantam, restlos abgewiesen.

Südöstlicher Kriegsschauplay.

Nichts Neues.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalftabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

fig das Bild schwankender auswärtiger Politik dargeboten haben. Bis in die neueste Zeit hinein weist die Geschichte eine Fülle von Beispielen auf, wo die auswärtige Politit nicht­parlamentarisch regierter Staaten recht unftet geführt wurde, während gerade das parlamentarisch regierte England in neuerer Seit in seiner auswärtigen Politik eine größere Stetigkeit beobachtet hat, als viele Leute, darunter auch füh­rende deutsche   Staatsmänner, envartet haben. Sir Edward Gren, der im inter 1905/06 nach dem Sturz des f. nservativ­unionistischen Kabinetts Balfour- Chamberlain im liberal­radikalen Kabinett Campbell Bannerman- Asquith. Staats­sekretär des Auswärtigen wurde, hat die von seinem konser­vativen Vorgänger Lord Lansdowne abgeschlossene Entente mit Frankreich   nicht nur ausgebaut und aufrechterhalten, sondern durch Einbeziehung Rußlands   auch noch erweitert und befestigt. Soweit wäre also der Parlamentarismus in bezug auf den Vorwurf notwendiger Unstetigkeit besser als sein Ruf. Es wäre aber falsch, diesem letteren Beispiel unbesehen eine für unsere Frage entscheidende Beweiskraft beizumessen. Man darf zunächst nicht vergessen, daß gerade die Entente mit Frankreich   und später auch Rußland   unter der fördernden Mit­wirkung, wenn nicht Anleitung, des Königs Eduard VII.  zustande gekommen ist, und wenn deutsche Nationalisten seinerzeit die Rolle des genannten Monarchen ebenso über­trieben haben wie seinen Deutschenhaß und sein diabolisches diplomatisches Geschick, so ist es doch Tatsache, daß der Träger der Krone in England stets auf dessen auswärtige Politik einen großen Einfluß auszuüben vermag, auch ist ferner mit Sicherheit anzunehmen, daß Eduard VII.   bis zum Ende seiner Regierung, also quch noch nach dem Sturz des konservativen Kabinetts, von dieser Möglichkeit ausgiebigen Gebrauch ge macht hat. Gerade die Stetigkeit in bezug auf die Entente wäre also hier in hohem Grade dem Unstande geschuldet, daß in der Bestimmung der auswärtigen Politik des Landes das Parlament und die von diesem eingesetzte Regierung in Eng­land nicht unbeschränkt herrschen.

In der Tat sehen viele Engländer darin einen Vorzug des Fortbestandes der monarchischen Regierungsform bei Bestimmung der Ministerien durch das Parlament, daß der dem Parteikampf und dessen Anforderungen entrüdte Träger der Krone den Parteiregierungen gegenüber das dauernde Interesse des Landes repräsentiere. Bei dessen Bedrohung durch allzu heftigen Wechsel der Parteiführer fönne er als sein Süter sich betätigen, was namentlich von der auswärtigen Politik gelte, deren Fäden durch die Berichte der Gesandt­schaften und die persönlichen Beziehungen des Monarchen ohnehin in dessen Händen zusammenlaufen. Durch die Stetig­feit seines Amtes erwerbe der Monarch im Laufe der Zeit obendrein auf diesem Gebiet eine Fülle von Erfahrungen, die ihm den wechselnden Ministern in bezug auf Sachkunde überlegen mache.

Alles das klingt einleuchtend genug und birgt auch ein Stüd Wahrheit. Es zeigt aber nicht die volle Wahrheit, und außerdem hat die Sache auch ihre Kehrseiten.

Zunächst sei daran erinnert, daß bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein von Stetigkeit in der auswär