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Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Mittwoch, den 4. April 1894. 11. Jahrg. 3lr. 77. DorltttnenksbeviÄzke. Abgeordnetenhaus. SS. Sitzung vom 3. April 1834. 12 Uhr. Am Ministertische:Miquel,v. Schellin g. Der Gesetzentwurf betreffend die Aushebung der im Geltungs- bereich des rheinischen Rechtes bestehenden Vorschrift über die in die Geburtsregister einzutragenden Vor- namen wird vom Abg. Böttinger(ntl.) der hierauf bezüg- liche Klagen beim Etat des Justizministeriums zur Sprache ge- bracht halte, zur Annahme empfohlen. In der zweiten Lesung beantragt Abg. Olzem(ntl.) die Re- gierung aufzufordern zur Beseitigung allzu französischer Be- stimmungen über die Anpreisung von Geheimmittel, die besser durch Polizeivorschriften ersetzt werden könnten. Der Antrag wird angenommen und in zweiter Berathung auch der Gesetzentwurf genehmigt. In bezug auf den 4S. Bericht der Staatsschulden-Kommission für das Rechnungsjahr 183233 wird von feiten des Hauses Decharge erlheilt. Die Rechnungen der Kasse der Oberrechnungskammer für das Jahr vom 1. April 183233 wird der Rechnungskommission überwiesen. Es folgt die Berathung des Antrages des Abg. Eckels und Genossen: Die königliche Staatsregierung zu ersuchen,«ine gesetzliche Aenderung des§ 33 Abs. 1 der Vormundschafts- Ordnung vom 3. Juli 1875 dahingehend herbeizuführen, daß die dauernde Be- legung von Mündelgeldern bei den Sparkassen kommunaler Korporationen für zulässig erklärt wird. Nach längerer Debatte wird die Sache der Regierung zur Erwägung überwiesen. Der Antrag des Abg. Krause aus Annahme eines Gesetz- entwurfes betreffend die Gleichstellung der Notare mit den anderen Beamten bezüglich der Strafen bei NichtVerwendung der tarifmäßigen Stempel wird in zweiter Lesung genehmigt. Daraus folgt die Berathung von Petitionen. Schluß 2�/4 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. (Zweite Berathung der Vorlage wegen des Elbe-Trave-Kanals.) (Auf eine Anregung des Abg. Rickert, den Etat in erster Linie fertig zu stellen, erklärt der Präsident v. K ö l l e r. daß dies seine Absicht sei, von der er nur abweichen werde, um ge- wisse Vorlagen möglichst bald an die Kommissionen zu bringen, was im Interesse des baldigen Schlusses der Session noch- wendig sei.) Duktales. Die Sperre über den Feenpalast ist, wie uns von der LokaNommission in Kürze milgetheilt wird, aufgehoben. Näherer Bericht folgt. Tie Aufhebung des Weihnachtsmarktes betrifft eine Vorlage, welche der Magistrat, dem Drängen des Polizeipräsidiums nachgebend, der Stadtoerordncten-Versammlung hat zugehen lassen. Der Handel mit Weihnachtsbäumen soll, wie vorweg be- werkt sei, von der Aushebung gänzlich unberührt bleiben. Wie sich im letzten Winter zeigte, war dem Weihnachtsmarkt schon die Lebensader unterbunden, nachdem er von dem Zentrum der Stadt in die Vororte verlegt worden war und es dürfte wohl kaum einen kleinen Verkäufer geben, der mit angenehmen Er- innerungen auf das Geschäft der letztenSaison" zurückblickt. Interessant wird es für unsere Leser sei», daß auch das Ber  - liner Polizeipräsidium nicht immer ungünstig über den Weihnachls- markt geurtheilt hat und in einem Verwaltnngsbericht von Anfang der achtziger Jahre noch folgendes sagte: Für viele arme Familien, die nichts besitzen, nichts er- übrigen und zurücklegen können, um ihren Kindern eine Fest- sreude zu bereiten, vertritt der Weihnachtsmarkt auch das häusliche Fest des heiligen Abends und ist er demnach für viele Taufende armer Kinder die einzige Festfreude, aus die sie sich das ganze Jahr hindurch freuen, da ihre Eltern zu arm sind, ihnen im Hause den Weihnachtstisch her- zurichten; für ihr Kinderherz ist das Anschauen der vielen Herrlichkeiten, die sie dort sehen, oft die einzige Entschädigung für die Entbehrungen und das Ausbleiben der Liebesgaben, mit denen liedende Ellern sonst ihre Kinder erfreue». Ter Weih- nachtsmarkt erhöht auch die Kauflust im Publikum für solche Artikel, welche nicht auf dem Markte zu haben sind, wirkt somit aus die ganze Stimmung des weihnachtlichen Geschäftsverkehrs günstig ein und erscheint demnach hier zur Zeit noch als untren«- bar vom Weihnachlsseste. Jahrmärkte wie Weihnachtsmärkte beeinträchtigen keineswegs die in unmittelbarer Nähe des Marktes tesindlichen stehenden Geschäfte, wie man vielfach glauben machen will, sie führen vielmehr denselben in den Marklbesuchern eine größere Menschenmenge zu und der Augenschein lehrt, daß Ver- kaufsläden in unmittelbarer Nähe der Märkte grade während der Dauer derselben oft die einträgltchsten Geschäfte machen." Man sieht, daß das Polizeipräsidium, was sich zwar seltsam genug ausnimmt, hier sogar in einer Art pietätvollem Gefühls- schauer schwelgt, einem Senliment, das natürlich die Grenzen des vom Kapitalismus Erlaubten in keiner Weise überschreitet. In den letzten zehn Jahren ist mit der Pietät, wenigstens demkleinen Mann" gegenüber, in so manchen Stücken gründlich aufgeräumt worden warum soll auch nicht das natürliche Ende des Weih- nachtsmarktcs verkürzt werden? Sei es drum! Auch dieser Akt bedeutet einen kleinen Merkstein   in der Geschichte der kapitalisti  - scheu Entwickelung. Die Miethssteuer-Befreiung vezw. Ermäßigung ist auch auf das Elalsjahr 1834/35 ausgedehnt worden, und es ist also beschlossen worden, daß vom l. April 1334 ab wiederum bei Wohnungen zu einem Preise bis zu 200 M. die Miethssteuer ganz wegfällt und bei Wohnungen zu einem Preise von 201 bis 400 M. 2 pCt., von 401600 M. 3 pCt., von 601800 M. 4 pCt.. von 801-1000 M. 5 pCt., von über 1000 M. tfVz pCt. Miethssteuer zu zahlen sind. Das sieht aus, wie eine ganz außer- ordentliche Entlastung der Unbemittelten auf Kosten der Bemittelten. Es rief auch in der letzten Stadtverordneten-Sitzung bei der bürger- lichen Mehrheit der Versammlung die lebhaftesten Proteste hervor, als Genosse Borgmann, für Aufhebung der 2. Stufe der Gemeinde- Einkommensteuer eintretend, bemerkte, daß die U n- bemittelten schon genug indirekte Steuern zahlen, nicht blos an den Staat, sondern auch an die Stadt, die ja eine Miethssteuer von ihnen erhebe. Daß viele Unbemittelte von der Miethssteuer- Befreiung bezw Ermäßigung nur wenig oder gar nichts haben, weil sie größere Wohnungen nehmen, um sie mit einigem Nutzen mit Schlafburschen und Chambregarnisten oder gar mit ganzen Familien zu theilen das wollte man nicht recht glauben. Wir verweisen die Zweifler aus die Aeußerungen eines Gewährsmannes, der so ziemlich jedem bürgerlich gesinnten Stadtverordneten� als unverdächtig erscheinen dürfte, nämlich des Berliner   Magistrats. In Nr. 1 der Magistratsberichte über die städtische Verwaltung im Etatsjahre 1831/92(ausgegeben im Jahre 1333) heißt es. nachdem ausgeführt worden ist, daß ein Ueberfluß an kleinen Wohnungen herrsche, also in diesem Sinne von Wohnungs- noth keine Rede sein könne:Dagegen hat in diesem Jahre die Bevölkerung, indem sie zahlreiche kleinere, aber der Einzel- familie noch zu theure Wohnungen leer ließ, sich in größeren Wohnungen, die dadurch billiger sich für den Einzelnen stellten, zusammengedrängt, eine Folge, die durch Vertheuerung gerade der kleineren Wohnungen durch die neue Bau-Ordnung herbeigeführt sein dürste." Wenn das aber der Fall ist, dann büßen zahlreiche unbemittelte Familien die größere Steuerermäßigung für kleinere Wohnungen ein und müssen die höhere Steuer der größeren Wohnungen zahlen. Wenn z. B. drei Familien je eine Wohnung zu 200 M. nehmen, so ist jede Wohnung steuerfrei. Nehmen die drei Familien zusammen eine Wohnung für 500 M., so sind 3 pCt.. d. h. hier 15 M. Miethssteuer zu zahlen, macht 5 M. für jede Familie. Dabei kommt die einzelne Familie hinsichtlich der Gesammt« Ausgabe für Miethe und Steuer allerdings immer noch besser weg als bei einer Ein�elwohnung. Aber weit schwerer als diese Geldersparniß wiegt der Schaden, welcher durch das Zusammendrängen mehrerer Familien in einer gemeinsamen Wohnung der Gesundheit deS arbeitenden Volkes zugefügt wird. Und diese Schädigung der Volksgesundheit wird noch erhöbt durch die Besteuerung eines der allernoth- wendigsten Ledensbedürsnisse, der Wohnung, die schließlich nur auf eine Besteuerung von Lust. Licht und Reinlichkeit hinaus- läuft. Darum fort mit der Miethssteuer, die sich sehr wohl durch eine stärkere Heranziehung der Bemittelten zur Gemeinde- Einkommensteuer ersetzen läßt. Behördliche Eifenbahn-Gemiithlichleit. Zu groß können die Ueberschüsse nicht werden, also immer lustig! Wenn es geht, lassen wir für unfern eigenen Mangel an Umsicht und Be- rechnung andere büßen, etwa diejenigen, die unter unserer Un- fähigkeit zu leiden haben! Von diesem Grundsatz scheint die Eisenbahn-Behörde nicht sehr ferne zu sein, wie folgendes Bei- spiel zeigt. Bei schönem Wetter sind an Sonn- und Festtagen, und das besonders Nachmittags, die nach außerhalb führenden Eisenbahnzüge besonders stark benutzt. Es kommt dann vor, daß es nicht möglich ist, den ganzen Andrang zu bewältigen und alle die Harrenden zu befördern. Wenn nun auch von der Verwaltung verlangt werden müßte, daß sie sich für solche Zeiten aus ganz besonders starke Inanspruchnahme der Verkehrs- mittel vorbereite, so fügt man sich schließlich doch in das äugen- blicklich unvermeidlich Scheinende und läßt von seinem Vorhaben, befördert zu werden, ab, wenn man' in einer Stunde oder länger verschiedene überfüllte Züge hallen und dann weiterfahren sieht. Man wendet sich, etwas enttäuscht freilich ob der zu nicht« gewordenen Aussicht auf eine Tour an den Stationsvorsteher und erklärt ihm, daß man keinen Gefallen an den überjüllten Zügen finde und sich entschlossen habe, von der beabsichtigten Fahrt abzustehen. Der Vorsteher empfindet ein menschliches Rühren, er drückt seinen Stempel auf die bereits entwertheten Fahrkarten und man hat somit, wie anzunehmen, das Recht, sich sein ausgelegtes Fahr- geld am Schalter zurückzahlen zu lassen. Man begiebt sich zum Ausgang und erfährt hier, daß man sich in letzterer Annahme getäuscht hat. So ist es z. B. am zweiten Ostertag auf der Station Pankow   an der Nordbahn mehreren Personen, denen die Reise durch die Aussicht auf stundenlange Wartezeit verleidet worden war, ergangen: Am Eingang angekommen, erklärte ihnen der Beamte, daß sie zehn Pfennige für das Betreten des Bahnsteiges zu zahlen hätten. Die Nicht. beförderten gaben sich aber nicht so stillschweigend mit dieser An- schauung zufrieden, sondern erklärten den Beamten, daß sie den Bahnsteig betreten hätten, um befördert zu werden, daß sie n i ch t besördert worden, sei nicht ihre Schuld, ihrer Ansicht nach hätten sie eher Anspruch darauf, für ihr unfreiwilliges Warten ent- schädigt zu werden. Auf jeden Fall jsverlangten sie ihr ein- gezahltes Fahrgeld zurück, andernfalls würden sie den Beschwerde- weg betreten. Der Beamte an der Kasse zahlte denn auch mit der Bemerkung, er wolle«S denn mal riskiren, die eingezahlten Beträge zurück. Als einer der hierbei betheiligtcn Beamte» am letzten Sonntag von einem der am Festtage nicht Beförderten befragt' wurde, ob denn seine Instruktion ihm vor- schreibe, in einem solchen Falle, wie oben angeführt, 10 Pf. für das Betreten des Bahnsteiges zu fordern, berief er sich auf die bekannte Bestimmung, wonach das Betreten des Bahnsteiges zehn Pfennige kostet. Dem gewöhnlichen Menschenverstand kann es nicht einleuchten, daß eine Behörde, welche nicht in der Lage ist, den an sie gestellten Anforderungen in jeder Beziehung gerecht zu werden, berechtigt sein soll, die durch ihre Unfähigkeit Geschädigten auch noch in eine Art Geldstrafe zu nehmen! Wenn man sich auch in unserem deutschen Vater- lande so leicht über nichts mehr wundern wird, so wäre es doch einzig, einen solchen Grundsatz als gesetzlich berechtigt an- erkannt zu sehen. Nicht nur unser Eisenbahntarif hat seine Kuriosa, auch die Post kann damit aufwarten; so z. Ä. aus dem Gebiet der Nachnahme-Portosätze. Zieht Jemand nämlich, so schreibt die Allgemeine Fleischer-Zeilung", den Betrag von 5 M. per Nach- nähme ein, so erhält er thatsächlich mehr, als wenn er 5 M. 5 Pf. vurch Nachnahme einzieht. Für 5 M. beträgt die Gebühr 10 Pf., für 5 M. 5 Pf. aber 20 Pf. Im«rsteren Falle erhält man also 4 M. 90 Pf., im letzteren nur 4 M. 85 Pf. Die erste» Sachsenaänger» etwa tausend Personen, passtrten am Montag und Dienstag Berlin  . Sie trafen meistens von Oppeln  , Malapane, Mecheline, Kreuzburg   und anderen ober- schlestschen Ortschaften auf dem Schlesischen Bahnhof   ein und wurden, wie alljährlich, nach Magdevurg und der Provinz Sachsen   weiter befördert. Wie elend muß die Lage dieser Armen in der Heimath sein, wenn man erfährt, daß der ihnen in Sachsen   gezahlte Tagelohn von 1 bis 2 M., wozu als besonderes Traklement noch allwöchentlich ein Pfund Schmalz, zwei Brote und ein Liter Schnaps kommt, für sie eine Verbesserung bedeutet! Hat ein Land, in dem Millionen Menschen sich ver- hältnißmäßig viel erbärmlicher, als das liebe Vieh nähren müssen, wirklich Anspruch darauf, sich ein Kulturland zu nennen? Wir denken nein. Für eine wirkliche Kultur haben wir Sozialdemokraten erst den Keim zu legen und wie die sozialistische Lehre überall siegt, so erwarten wir auch, daß die Bemühungen unserer Parteigenossen in Sachsen   bei ihren aus dem Osten kommenden Leidensgefährten von bestem Erfolg gekrönt sein werden. Mögen sie den Sachsen  - gängern die edelste Tugend, die der Proletarier sich unter dem kapitalistischen   Reginie aneignen kann, die der Unzufrieden- heit, tief, tief ins Herz htneinsenken. Tüchtig und furchtlos agitirt, dann wird auch im dunkeln Osten die Morgenröthe an- brechen! Der Dönhoff-Platz soll durch Gasglühlicht beleuchtet wer- den. Die städtische Parkdeputalion hat am Sonnabend be- schlössen, daß der Gasglühlicht-Gesellschast anHeim gegeben wer- den solle, die Beleuchtung des Mitlelstücks des Platzes Versuchs» weise auf ihre Kosten mit Gasglühlicht zu bewirken. Wahr- scheinlich hat der Magistrat, als er dies Verlangen an die Gesellschaft richtete, an die 65 pCt. Dividende und an die er- bärmlichen Arbeitslöhne gedacht, welche von ihr gezahlt werden. In der Angelegenheit des bevorstehende» Wucher- Prozesses weiß dasKleine Journal" folgende interessanten Einzelheiten zu berichten: Derolle ehrliche Seemann", der sich seit dem Spielerprozeß in Hannover   einer so allgemeinen Popp- larität erfreut, ist mit seinem Loose unzufrieden. Es wurmt ihn, daß er brummen muß, während seine Genossen und Hinter- männer der holden Freiheit genießen und ihre Balllokale ruhig weiter leiten oder das Geldverleihen in großem Stil und zu noch größeren Zinsen unentwegt fortbetreiben dürfen. Derolle Seemann" hat in seinem Groll geplaudert und allerlei Koulissengeheimnisfe aus der Welt der Spieler und Wucherer ausgeschwatzt. Diese Plaudereien des braven Seemann waren bereits zu einer ganz pikanten Broschüre verarbeitet und gedruckt, als die beiden Herren, welche die Sache am nächsten anging der bekannte Großwucherer P. und der nicht minder bekannte Besitzer eines hiesigen Balllokals M., dem Verleger die gesammte Auflage der Broschüre für den stattlichen Preis von 50 000 M. abkauften. Ihre Hoffnung, die uner» sreulichen Enthüllungen dadurch unmöglich zu machen, dürste freilich kaum in Erfüllung gehen, da man von anderer Seite fest entschlossen ist, die interessante Angelegenheit nicht ruhen zu lassen, sondern sie energisch weiter zu verfolgen. Herr P. soll seine Sache dadurch noch erheblich verschlimmert haben, daß er sich ziemlich unverblümt geäußert hat, ihm könne gar nichts ge- schehen, er hätte die Beamten alle in der Tasche. Eine solche Insinuation würden preußische Beamte natürlich unter keinen Umständen auf sich sitzen lassen. Es steht also mit ziemlicher Sicherheit ein Prozeß in Aussicht, der das öffentliche Interesse in noch weit höherem Maße auf sich lenken wird als der han- noversche Spielerprozcß. Es handelt sich dabei ebenso sehr um. Vorkommnisse in dem Ballkokale des Herrn M. als um Mani- pulationen des Herrn P., in dessen Portefeuille so manche Papiere schlummern, die sehr viel Staub aufwirbeln könnten. Herrn P.'s Hauptquartier be- findet sich in einem kleinen, einfachen Häuschen an der Friedrichsgracht und viele unserer vornehmsten Kavaliere haben schon das kleine Vorzimmer passirt, in dem neben einem einsamen Geldschrank ein ungemein kräftig aussehender Diener mit an- genehm geröthetem Gesicht Wache hält. Auch das Allerbeiligst«, das Privatkomptoir P.'s selbst, ist mehr als einfach möblirt und enthält außer einem Schreibpult und ein paar Stühlen eigentlich nur noch ein lieblich idyllisches Bild, das ein junges, hübsches Mädchen darstellt, wie es Hühner durch Futterstreuen anlockt. Phantasievolle Gemüther glaubten in dem Gesicht des jungen Mädchens sogar die Züge des nicht ganz so junge» P. wieder- zuerkennen und die Hühner erschienen ihnen als die Gimpel, die eben gerupft werden sollten. Bei den sehr weitreichenden Be- Ziehungen des Herrn P. in allen Kreisen der Berliner Gesell» schaft dürfte die ganze Angelegenheit, sobald sie voraussichtlich auch an Gerichtsstelle zur Erörterung kommt, außerordentliches Aussehen machen. Ein Gatteumordversuch und Selbstmord hat sich am Dienstag Nachmittag in dem Hause Mehnerstr. 3 ereignet, wo- selbst in der ersten Etage die von ihrem Mann getrennt lebende Ehefrau des als Trunkenbold verschrienen Malers Hermann Dietrich  , verwittwete Göbler lebt. Frau Dietrich ernährt sich und ihre beiden Kinder aus erster Ehe durch Mützennähen und war von ihrem zweiten Mann getrennt, nachdem dieser sie mehrfach mit dem Tode gedroht hatte. In letzter Zeit hatte der Maler wieder die Arbeit aufgenommen und, da er der Frau versprach sich bessern zu wollen, so nahm sie ihn zunächst als Kostgänger wieder auf, ging auch wiederholentlich mit dem Gatten aus. Dienstag Mittag kurz nach 12 Uhr erschien D. in der Wohnung seiner Frau, um zu Mittag zu essen, die Speisen waren jedoch noch nicht fertig gestellt und Frau D. stand am Kochheerd, die Vorgänge in der Küche nicht weiter beobachtend. Plötzlich zog Dietrich, der so lange schweigend am Tisch gesessen, aus der Rocktasche ein Handbeil hervor, stürzte sich auf die Frau und versetzte der Ahnungslosen mit der stumpfen Seite hinterrücks einen Schlag auf den Kopf. Ehe der Wlltherich zum zweiten Male zuschlagen konnte, sprang der 15 jährige Alex Göbler auf seinen Stiefvater los und warf ihn durch einen heftigen Stoß zu Boden. Inzwischen floh Frau D. mit ihren Kindern zu dem im Vorderhause eine Treppe wohnenden Verwalter Geh, dessen erwachsener Sohn in Begleitung zweier hinzugerufeneu Schutz. leute des 92. Polizeireviers wenige Minuten später in die D'sche Wohnung drang. In der Zwischenzeit hatte der tobende Mord- bube fast die ganze Wohnungseinrichtung demolirt und sich selbst mit einem Malermesser den Hals durchschnitten. Als die Polizei- beaniten eindrangen, ging der Blutüberströmte mir dem Messer und Schemel auf die Schutzleute los. so daß diese blank ziehen niußten, worauf sich D. ergab. Der hinzugerufene Arzt Dr. Cohn stellte fest, daß zwar die Kehle des D. unbeschädigt, die Schlag- aber jedoch durchschnitten war. Infolge des starken Blut- Verlustes ivurde D. sterbend nach dem Krankenhause Friedrichs- Hain mittels Lyck'schen Krankenwagen geschafft. Die Verletzungen bei Frau D. erwiesen sich als ungefährlich und konnte die Frau, nachdem ihr ein Verband angelegt worden, in ihrer Wohnung belassen werden. Mit einer nicht ganz gesetzmäßige» Energie hat eine Rückkompagnie sich am Dienstag Nachmittag 2 Uhr über das bekannte Vorrecht unserer Hauswirthe hinweggesetzt. In dem Hause Prinzenstraße 59 wohnte im ersten Stock der Schneider- meister Trutenau, der dem Wirthe Heimann 355 M. Miethe schuldete. Da man den begründeten Verdacht hegte, daß der Miether ohne Begleichung des Miethszinses die Räume zu ver- lassen suchen werde, so befand sich die Hausverwalterin, Frau Böck, schon seit vier Uhr früh auf Posten. Um 6 Uhr konnte sie denn auch den Auszug durch ihr Dazwischentreten verhindern. Im Laufe des Vormittags traf dann ein Bevollmächtigter des Haus- wirths ein, der das Pfändungsrccht auf die Einrichtung im Namen des Hauseigenthümers geltend machte, die gesetzlich nicht pfänd» baren Gegenstände aber, wie Nähmaschine. Tisch:c. zum Aus- zuge freigab. Damit verließ denn auch Trutenau das Haus und sowohl die Wohnung, als auch noch die vier einzelnen § immer wurden von der Verwalterin verschlossen. Gegen zwei hr erschien plötzlich der Schneidermeister in Begleitung einer Rückkompagnie von sechs Köpfen wieder auf der Bildfläche. DaS Schloß der Eingangsthür war im Umsehen gesprengt, die Thüren zu den vier Zimmern wurden schnell erbrochen, und die ein- behaltenen Sachen waren bald mit Gewalt fortgeschafft. Als die Verwalterin dazwischen trat, wurde ste so unsanft aus dem Wege ge- räumt, daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen angiebt. Als die Polizei gerufen wurde, war die Wohnung bereits leer. Das Innere bietet den Schauplatz einer argen Verwüstung. Schlösser sind abgerissen, Schlüsselbleche hängen herunter. Thür- füllungen sind ausgebrochen, die Thüren zum Theil noch ander- weit zertrümmert. Der Wirth muß die Räume gründlich aus- bessern und in einzelnen Theilen erneuern lassen. Gegen Trutenau, der ein Wirlhshaus in der Fichtestraße eröffnet haben soll, wie gegen seine Genossen wird die Angelegenheit wohl ein gerichtliches Nachspiel zu Wege bringen. Ein Raubanfall ist in Charlottenburg   an der in der Berlinerstr. 60 wohnenden begüterten 70jährigen Wittwe des Hofbäckermeisters Sorge ausgeführt worden. Auf den Wohl- thätigkeitssinn der alten Frau spekulirend, hatte sich ein Mann, der sich Schulze nannte, am Freitag von ihr 3 M. zu leihen gewußt. Am Sonnabend Abend gegen 7 Uhr begehrte wiederum ein Mann Einlaß unter dem Vorwande, Kartoffeln kaufe» zu wollen. Frau Sorge wies ihn indeß ab. Gleich daraus fand