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Nr. 78.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 fg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Grpedition ist an Wochen= tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.||

Don Polenz.

Adel verpflichtet." Wer zweifelt daran, der die Ge­schichte des Junkerthums kennt? Ist es nicht ein glänzendes Zeugniß nobelster Gesinnung, wenn ein Abgeordneter, dessen Mandat von der Wahlprüfungs- Kommission für ungiltig erklärt worden ist, sich trotzdem nicht scheut, noch ferner dieses Mandat, das thatsächlich kassirt ist, noch ferner aus zuüben?

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Donnerstag, den 5. April 1894.

mann von Polenz durch amtliche Maßregeln die Wähler zu gunsten des Kandidaten von Polenz beeinflußt? Be hörde und Kandidat find hier wirklich Ein Herz und Eine Seele.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

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überhaupt nicht anzusehen sind. Träfen also auch alle Voraussetzungen der Polenzischen Verbote zu, was nicht der Fall ist, da sie durchaus ungesetzlich sind, so müßte das Ver­bot der öffentlichen und nicht- öffentlichen Bertheilung von Daß die Sächser sich vor allen anderen Bundesstaatlern Stimmzetteln allein schon genügen, um die Wahl zu kassiren. durch ihre sinnige Auslegung und Ausnügung der Gesetze Die Kommission wie das Plenum des Reichstags haben und durch ihre Findigkeit in der liebevollen Behandlung von jeher daran festgehalten, daß die Verbreitung von der Sozialdemokraten auszeichnen, ist männiglich bekannt. Stimmzetteln in voller Freiheit vor sich gehen müsse. Jede So kann es auch nicht Wunder nehmen, daß der Amts- erwiesene Beschränkung in dieser Hinsicht wurde bisher stets Ein Edelster und Bester", der so handelt, weiß genau, hauptmann v. Polenz um reichsgesetzliche Vorschriften nicht als erheblich behandelt und es wurden in dem Sinne ge­was sich geziemt. Zwar ist seine Wahl null und nichtig, sorgt, wenn der Reichstagskandidat v. Polenz auf dem gebenen Falles Schlüsse gezogen. In diesem Geiste wurde zwar ist er wider Fug und Recht im Parlament. Thut Kriegspfade ist. Er verbietet im Amtsblatt für auch das Gesetz vom 12. März 1884 beschlossen. Wenn des­nichts, er kämpft weiter für Gott, Brotvertheuerung die Amtshauptmannschaft Plauen die Verbreitung halb durch die Verbote bis zur Bekanntgabe des Stichwahl­und Volksauspowerung. von Flugschriften und Stimmzetteln während der tages die Vertheilung von Stimmzetteln überhaupt und von da Der Amtshauptmann von Polenz in Plauen , der Beit des Hauptwahltages, des 15. Juni's, bis zur Ver- ab bis zum Stichwahltag die öffentliche Vertheilung von Stimm­den XXIII. Wahlkreis des Königreichs Sachsen vertritt", fündung des Stichwahltages, des 19. Juni's. Jede zetteln verboten wurde und die sozialdemokratischen Agita­hat, nachdem die Kommission seine Wahl für ungiltig er Verbreitung von Flugblättern und Stimmzettelu wird toren, wie der Protest unter Beweis stellt und sich aus den flärt hat, troh alledem den nicht beneidenswerthen Muth ganz allgemein verboten. Ein zweites Verbot vom 19. Juni beigefügten Strafbefehlen ergiebt, an der Verbreitung von gehabt, sich als Parlamentsmitglied zu geriren. Er hat wendet sich gegen die nicht gewerbsmäßige, öffentliche Ver- Stimmzetteln durch die Gemeinde Organe behindert, mit für die Marineforderungen der Regierung und gegen den theilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahl- Verhaftung bedroht und in Geldstrafen genommen wurden, deutsch russischen Handelsvertrag munter in den nament zwecken. Was scheert der§ 43 der Gewerbe- Ordnung einen so liegt hier, sagt der Kommissionsbericht, ein Verstoß lichen Abstimmungen mitvotirt. Soeben ist nun der von sächsischen Amtshauptmann, der in seinem Bezirke für den gegen klare gesetzliche Bestimmungen und eine grobe Be­unserem Genossen, dem Abgeordneten Auer erstattete Bericht Reichstag kandidirt? Zwar ist's ein schwerer Eingriff in einträchtigung der gesetzlich gewährleisteten Agitations­der Wahlprüfungs- Kommission über die Wahl des von die gesetzlich gewährleistete Agitationsfreiheit, wie der Bericht freiheit vor. Bolenz erschienen. Es verlohnt sich, auf diesen Bericht erstatter nachweist, doch das thut nichts. Die Zahl der Der in der Kommission erhobene Einwand, das Ver­näher einzugehen, da er urkundlich zeigt, wie's gemacht Wähler, die von der Wahlurne am Stichwahltage fern- bot gelte ja für alle Parteien, ist rein akademisch. Denn blieben, ist doppelt so groß, als die auf Polenz gefallene wäre das wirklich der Fall, um so schlimmer. Aber die Die am 15. Juni 1893 stattgehabte Wahl ergab kein Mehrheit; denn es sind 1415 Wähler am Stichwahltage Rechtsverlegung traf in Wirklichkeit das war ihre Ab­endgiltiges Resultat. Es wurden von 30 754 Wahlberech- daheimgeblieben. Man vergesse nicht, daß es der Amts- sicht und ihre Wirkung nur die verhaßten Sozial­tigten 23 868 Stimmen abgegeben, von denen auf von Bolenz bezirk des von Polenz ist, für den die zwei Ufase erlassen demokraten, die in dem ganzen Wahlkreis keine einzige 10 567, auf unseren Genossen Albin Gerisch 9277, auf den worden sind, die dem Gesetze ins Gesicht schlagen, daß hier Zeitung besaßen und nur auf Flugschriften angewiesen Deutschfreisinnigen Kirbach 3961 Stimmen fielen. Die gerade die unteren Behörden, Polizisten, Gendarmen, waren, während die um Polenz die ganze übrigen waren zersplittert oder ungiltig. In der am Schulzen u. s. w. den allergrößten Eifer entfaltet haben, dortige Presse und vor allem die Amtsblätter 24. Juni anberaumten Stichwahl erhielten von Polenz um dem Verbote Geltung zu verschaffen. Der zur freien Verfügung hatten. Ein Beispiel! In 12 766 und Gerisch 12 052 Stimmen; von Polenz wurde§ 43 der Reichs Gewerbe Ordnung besagt( in dem Amtsblatt, das die Polenz- Ukafe veröffentlicht hat, im demnach mit einer Mehrheit von 714 Stimmen als gewählt den Abfägen 3, 4, 5, 6):" Zur Vertheilung von Stimm Voigtländischen Anzeiger", befindet sich im amtlichen Theil verkündet. zetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der Wahl unmittelbar nach der Bekanntmachung des Stichwahltages die Ein von dem sozialdemokratischen Zentral- Wahlkomitee zu gefeßgebenden Körperschaften ist eine polizeiliche Erlaub Wiederholung des Verbotes der öffentlichen Verbreitung im 23. sächsischen Wahlkreise rechtzeitig eingelegter Wahl niß in der Zeit von der amtlichen Bekanntmachung des von Stimmzetteln und Flugblättern, während im nicht­einspruch richtete sich ausschließlich gegen Vorgänge Wahltages bis zur Beendigung des Wahlaktes nicht eramtlichen Theile derselben Nummer neben einem Leitartikel bei der Stichwahl. Danach handelte es sich um forderlich. Daffelbe gilt auch bezüglich der nicht gewerbs- gegen unsere Partei und für die Wahl des v. Bolenz ein ungefeßliche Beschränkung oder Verhinderung der Agitation mäßigen Vertheilung von Stimmzetteln und Druckschriften eine ganze Blattseite einnehmender Wahlaufruf zu gunsten durch Verbot der Verbreitung von Flugblättern und Stimm zu Wahlzwecken. In geschlossenen Räumen ist zur nicht der Wahl des Amtshauptmanns steht. zetteln; um Verbote von Wählerversammlungen; um In­regelmäßigkeiten beim Wahlgeschäft und unzulässige Wahl­beeinflussungen.

wird.

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gewerbsmäßigen Vertheilung von Druckschriften oder anderen Schriften oder Bildwerken eine Erlaubniß nicht erforder­lich." Amtsgericht und Landgericht haben übrigens mehrere Genossen, die trotz des Verbots verbreitet und Strafbefehle erhalten hatten, freigesprochen.

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Wie wichtig es für unsere Partei war, Flugblätter ausgiebig zu verbreiten, geht daraus hervor, daß die Leitung der freisinnigen Volkspartei in Plauen , die im ersten Wahl­Es sei zum besseren Verständniß der Sachlage hier gange 3961 Stimmen auf ihren Kandidaten vereinigt hatte, gleich hervorgehoben, daß der Edle von Polenz, der Kan­eine Erklärung gegen die Wahl des von Polenz veröffent­didat des sächsischen Ordnungsbreis, in dem Wahlkreis kan- Es kommt ferner in Betracht, daß nach dem Gesetz licht hatte. Es war natürlich von höchstem Interesse für didirte, wo er Amtshauptmann war, also einen sehr großen vom 12. März 1884 Stimmzettel, die im Wege der die sozialdemokratische Partei, daß diese Erklärung als amtlichen Einfluß besaß. Die Feinheit seiner Kampfes- Vervielfältigung hergestellt sind und nichts weiter Flugblatt verbreitet wurde angesichts der großen Zahl weise tritt dadurch in um so hellere Beleuchtung. Dder ist enthalten, als die Bezeichnung der zu wählen- deutschfreisinniger Wähler, bei denen die Entscheidung lag. es nicht ein Schauspiel für Götter, wenn der Amtshaupt- den Person, als Druckschriften im Sinne des Gesetzes So ist in Plauen gewirthschaftet worden.

Feuilleton. Der Jude.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. Spindler .

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ob dieser Fall ein böses Dmen gewesen oder nicht. Doch zu lernen, junger Mann, freut mich ganz absonderlich. Se. Heiligkeit ist furchtsamer gewesen, und es dürfte leicht Auf ftillehrbare Leute kann man sich verlassen, denke ich. geschehen, daß sie recht hatte, als sie auf dem Arlberg aus- Wollt Ihr mein Freund werden, so sagt mir Euren rief: Was hat es zu bedeuten, daß uns der Unfall wider fuhr? Gott lente es zum Guten!"

,, Und lehre Dich schweigen, aberwißiges Schneppermaul!" plagte der Fremde los, der, als die Rede wieder vom Papste anhob, die Stirne gehässig gerunzelt hatte:" Verspotte nicht das Haupt der Christenheit, oder...!"

Namen.

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Dagobert wollte soeben, sich verwundernd, dieselbe Frage an den Fremden richten, da kam unweit des Stadtthores ein Knecht daher in weiß und rothem Rock, entblößte, da er des Unbekannten ansichtig wurde, das Haupt, und blieb am Rande des Weges stehen. Nimm dieses Pferd," sprach ,, Wack're Freunde und treue Thiere halten sichern Schritt Er schwan g den Handschuh der linken Faust drohend der Reiter zu ihm, und bring' es in den Stall. In Zu­bis ans Ende!" erwiderte der Fremde, die Sache ernster gegen den bestürzten Gerhard, schien aber weniger Lust zukunft reite ich den Schimmel nur." nehmend: Sie sollen sein ein treuer Stecken und Stab, haben, ihm denselben vor die Füße zu werfen, als ums Der Knecht empfing, still sich neigend, das Thier, und der nimmer bricht, als im legten Stündlein. Wort und Gesicht zu schlagen. Hülshofen griff nach dem Schwert- einen Schritt vom Thor entfernt, fragte der Herr den Gehorsam sollen ewig sein. Der Freund, in dessen Schooß tnauf; Dagobert jedoch, der schnell auf seine Seite gesprungen jungen Frankfurter lächelnd:" Werde ich noch nicht erfahren, ich nicht sicher ruhen kann der Gaul, der durch Träg war, flüsterte ihm zu: Gieb Ruhe, Raufbold! willst wer mir aus der Noth half?" heit oder Scheu mein Leben in Gefahr bringt sie gelten Du Dich ins Verderben bringen? Wir sind innerhalb dem mir nichts mehr. Darum fresse dieser abgedankte Träger Weichbilde der Stadt. Du bist dem Blutbaun verfallen, das Gnadenbrot, so lange er will. Er verkümmere aber so Du ziehst." unter dem Troß." Dem schlagfertigen Gerhard fiel das strenge Ronziliums­" Ihr seid ein seltsamer Mensch!" lachte Gerhard: Um gesetz ein, und murrend ließ er die Klinge ruhen, einigen des bißchens Abwerfens willen! Du lieber Himmel! Mein Schimpfworten Luft machend und den Fremden mit drohen­Roland ist mir um das Reich nicht feil, aber abgesetzt hat den Blicken messend. Dagobert drängte sich zwischen Beide. er mich dennoch oft, nur nie, wo's Ernst galt. Kugelt Ihr mögt sein, wer Ihr wollt," begann er zu dem Frem man auch ein wenig in den Staub, was thut's, so lange den, so bitte ich Euch, Friede zu halten. Ein Schwank soll die Rippen halten? Ist Euch doch nichts mehr nichts nicht mit Blut gesühnt werden, und wenn drei unbedeu­weniger begegnet, als dem heiligen Vater erst vor kurzem, tende Menschen wie wir zum Schwert greifen, einen tollen da er über den Arlberg gen Costniß zog, und sein Fuhr- Handel auszufechten, wird es dem heiligen Vater von werk umschlug." wenig Nuzen sein. Ueberdies sind wir Fremde, daß Ihr Der Fremde brummte ein etwas unwilliges Hm!" er es seid, verbürgt mir Euere Mundart. Warum wollen wir griff den Zügel seines Rappen und zog ihn, langsam vor den Hals dem Gesetze dahingeben, während wir vielleicht schreitend, nach sich. Dagobert hatte die beiden andern zu einem rühmlicheren Streite aufbewahrt sind?" Pferde herbeigebracht, und alle drei gingen, der Fremde in Ihr sprecht wie ein Buch versezte der Fremde der Mitte, auf die Stadt los, die Thiere führend. Gerhard, lächelnd; Ihr irrt jedoch, wenn Ihr glaubt, daß ich dem der ungern seinem Wiz Fesseln anlegte, war er einmal im Menschen dort zu Leibe wollte. Beim heiligen Georg! Zuge, schwatte weiter im Texte: Wie Ihr so straff und das tam mir nicht zu Sinne. Mir stünde es wenig an, qufrecht daher schreitet, lieber Herr! Euch kümmert's nicht, mich mit ihm gemein zu machen.

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Dagobert nannte bescheiden seinen Namen und machte auch Gerhards Stand und Geschlecht kund. Mit dem Edelknecht habe ich nichts zu schaffen," versetzte der Fremde barsch: Er hat den Dienst, den er mir leistete, zu Nichte gemacht durch seinen ungebetenen Vorwizz in einem Ding, ob dem ich keinen Scherz verstehe. Ihr aber, biederer Alt­bürger, Ihr seid mir lieb und werth. Ohne Zweifel werdet Ihr im Engel Eure Wohnung nehmen, da die Schöffen, Eurer Stadt Abgesandte, daselbst die Einkehr nahmen? Recht lieb wird mir's sein, von Euch zu hören."

Nach einem flüchtigen Kopfnicken verließ der Mann, ohne weiter das Geringste hinzuzufügen, die Ankömmlinge, und ging in die Stadt. Die Letteren sahen wohl, daß die Solds wächter ehrerbietig Platz machten, die Bürger demüthig Hüte und Müßen rückten, und sothane Ehrfurcht auf sie beide sogar überging, da sie mit dem geehrten Manne heran­gekommen waren. Stolz trabten sie und staunend darch das Thor. ch fürchte, ich habe einen thörichten Streich ge­macht," flüsterte Gerhard dem Begleiter zu:" Der Mann ist wohl mehr, als wir Beide." Euch hingegen tennen" Möglich," versetzte Dagobert lächelnd und verwies den