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Telegramm breffe: Sozialdemokrat Berita.

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Ami Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 9. November 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikplak, Nr. 151 90-151 97.

Einnahme von Krusevac.

Englands Rückständigkeit und| Meldung des Großen Hauptquartiers. der politischen Neaktion zurüid.

sein Wehrsystem.

Wenn es zutrifft, was der Labour Leader" vor kurzem über die Stimmungen und Absichten des englischen Kabinetts mitzuteilen mußte, so ist seine Mehrheit mit Asquith an der Spize entschlossen, nach Beendigung der Rekrutierungskam­pagne, die in diesen Wochen unter Lord Derbys Führung mit besonderem Nachdruck betrieben wird, ein Gesetz einzubringen, das das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht aufstellt. Es soll einstweilen nur das Brinzip sein, denn angeblich will die Regierung Ausnahmen zugunsten der Arbeiter machen, die in der Kohlen- und Eisenindustrie und im Transportgewerbe be­schäftigt sind. Aber troß dieser Rücken würde der Entwurf den Bruch mit dem bisherigen System bedeuten, und England, was die Wehrfrage angeht, im großen und ganzen an die Seite der ihm verbündeten und der ihm feindlichen Festland­mächte stellen.

Es gibt innerhalb der deutschen Sozialdemokratie eine bestimmte Richtung, die über eine solche Wendung nicht ge­vingere Genugtuung empfinden müßten als die Times", die Daily Mail" und die übrigen Zeitungen des Lord North­ cliffe , denn sie hat sich seit einiger Zeit aufs eifrigste um den Nachweis bemüht, daß das Söldnerheer nicht nur eine mili­tärische Rückständigkeit sei, sondern auch für den reaktionären Geist der englischen Gesellschaftsordnung verantwortlich ge­macht werden müsse. Sie hat die britische Arbeiterschaft ver­höhnt, weil sie absolut nicht einsehen wolle, daß das Festhalten am Werbeberfahren ausschließlich der Bourgeoisie und der regierungsfähigen Clique zugute fomme, während es den Auf­stieg des Proletariats zu politischer Macht und zu ausschlag­gebendem Einfluß insbesondere auf die auswärtige Politik hindere. Kommt jetzt die Wehrpflicht, dann müssen diese unsere Genossen, die so besorgt sind um die Entwickelung Eng­lands zur Demokratie und zum Sozialismus, an der Bekeh­rung Großbritanniens zu der von ihnen gepredigten Behre eine reine Freude haben.

Es verlohnt sich wohl, die Gedankengänge einer Schule, die in der Hauptsache von dem Genossen Bensch geführt wird, etwas aufmerksamer zu verfolgen. Als berechtigt muß ohne weiteres ihre kritische Stellungnahme gegenüber der englischen Demokratie anerkannt werden. Man kann ja darüber im Zweifel sein, ob wir gegenwärtig nichts Besseres zu tun haben. als die Schattenseiten gerade der englischen Staats- und Ge­sellschaftsverfassung aufzuzeigen und den nicht gerade mehr allzuhäufig auftretenden Irrtum zu bekämpfen, als ob in dem Inselreich das Ideal der Demokratie verwirklicht sei. Aber die Tatsache bleibt bestehen: die politische Wirklichkeit ent­spricht in Großbritannien feineswegs dem Schein und der Phrase. Die Bedeutung des Parlaments ist verhältnismäßig gering. Es herrscht zwar nicht der König, aber der Premier­minister mit dem inneren Kabinett. Die Majorität der Volks. bertretung folgt, von der Parteimaschine abhängig, in der Hauptsache ohne großen Widerspruch der aus den Führern ihrer Partei gebildeten Regierung, und wenn die Wahlen das Mehrheitsverhältnis verändern, so ist der dann notwendig werdende Ministerwechsel in der Regel kaum etwas mehr als ein Wechsel der Personen. Ans Ruder kommen dann die Mit­glieder anderer regierungsfähiger Familien, aber sie sind ebensogut die Vertreter bürgerlich- fapitalistischer Politik wie ihre Vorgänger. In den internationalen Fragen vor allem hat Sir Edward Grey feine wesentlich andere Linie verfolgt, als vor ihm Lord Lansdowne. Liberale wie Konservative wollen zur Wahrung der kapitalistischen Interessen die soge­nannte Weltherrschaft unangetastet erhalten, und ohne auf die friedlichen Absichten der Arbeiter Rücksicht zu nehmen, wenden sie sich gegen jeden Versuch, der der britischen Macht­stellung gefährlich zu werden droht. Das englische Beispiel beweist eben, daß in einem fapitalistischen Staatswesen die Demokratie niemals voll verwirklicht werden kann, und daß weder das allgemeine Wahlrecht, noch die Beseitigung der föniglichen Prärogative Garantien gegen die wirtschaftliche Ausbeutung und die politische Unterdrückung der arbeitenden Klasse bieten.

Daß die herrschende Klasse in England es übrigens von jeber viel besser als die eines anderen Landes verstanden hat, den Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, sollte freilich auch nicht vergessen werden. Trotz der Krähwinkelei " der Arbeiterbewegung hat England ein Wahlrecht, das dem zum Deutschen Reichstag nur wenig nachsteht, erfreut es sich einer fozialpolitischen Gesetzgebung, die in mancher Beziehung über die unserige noch hinausgeht, und treibt es eine Steuerpolitik, die zumal mit ihrer starken Seranziehung der großen Ein­tommen und der fünfzigprozentigen Belastung der Kriegs­gewinne für Deutschland nur vorbildlich wirken kann.

Jedoch wir erwähnen das nur nebenbei und kommen auf

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 8. November 1915.( W. T. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah.

Ju den Vogesen schlossen sich nordöstlich von Celles an die Besetzung eines feindlichen Minentrichters durch unsere Truppen lebhafte Nahkämpfe mit Handgranaten und Minen an. Am Hilsenfirst wurde dem Gegner ein vorgeschobenes Grabenstück entrissen.

Leutnant Immelmann schoß gestern westlich von Donai das 6. feindliche Flugzeug ab, einen mit 3 Maschinen­gewehren ausgerüsteten englischen Bristol - Doppeldecker.

Deftlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg . Südlich und südöstlich von Riga , ferner westlich von Jakobstadt, beiderseits der Eisenbahn Mitan- Jakobstadt und vor Dünaburg griffen die Russen nach starker Feuer­vorbereitung mit erheblichen Kräften an. Ihre Angriffe find teilweise unter schweren Verlusten für sie ab­geschlagen.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern. Reine wesentlichen Ereignisse.

Heeresgruppe des Generals v. Cinfingen. Russische Angriffe nordwestlich von Czartorysk blieben erfolglos. 3 Offiziere, 271 Mann fielen gefangen in unsere Hand.

Balkankriegsschauplah.

Desterreichisch- ungarische Truppen haben Jwanjica nud den Vijenac( 896 Meter) 7 Kilometer nordöstlich davon erreicht.

Deutsche Truppen find im Angriff auf die Höhen süd­lich von Kraljevo .

Zwischen Kraljevo und Krusevac ist die west­liche Morava an mehreren Stellen überschritten.

Krusevac wurde bereits in der Nacht vom 6. zum 7. November besett. Ueber 3000 Serben sind unverwundet gefangen genommen. Ueber 1500 Verwundete wurden in Lazaretten gefunden. Die Beute besteht, soweit bisher feststeht, in 10 Geschützen, viel Munition und Material, sowie erheblichen Verpflegungs­vorräten.

Jm Tal der südlichen( Binada-) Morava wurde Brastovce durchschritten.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien , 8. November. ( W. Z. B.) Amtlich wird ver­lautbart: 8. November 1915.

Russischer Kriegsschauplak. Bei Sapanow an der Jfwa, am Korminbach und westlich von Czartoryst wurden russische Angriffe abgeschlagen. Sonst nichts Neues.

Italienischer Kriegsschauplak.

Die Ruhe an der Südwest- Front hielt im allgemeinen auch gestern an. Im Nordwest- Abschnitt der Hochfläche von Doberdo hatten unsere Truppen wieder einzelne Borstöße des Feindes abzuweisen. Um den Col di Lana wurde heftig gekämpft. Nach­mittags fiel die Spize dieses Berges in die Hände der Italiener; abends wurde sie von unseren Truppen durch einen Gegenangriff zurückgewonnen. Die feindliche Artillerie hat das Feuer auf die Süd- Front von Riva eröffnet.

Südöstlicher Kriegsschauplah.

Die beiderseits des Moravica Tales vordringenden österreichisch - ungarischen Kolonnen warfen den Feind aus seinen Höhenstellungen nördlich von Ivanjica .

Die deutschen Truppen der Armee des Generals ber Infanterie von Koeve fämpfen auf den Höhen südlich von Kraljevo . Flußabwärts, bei Trstenik haben sich unsere Streits kräfte den Uebergang über die hochgehende Morava erkämpft.

Krusevac und die Höhen östlich davon sind in der Hand des Generals v. Gallwik.

Die bulgarische Armee gewinnt in erfolgreichem Fort­schreiten die Ausgänge in das Becken von Leskovac .

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: b. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

den angeblichen Zusammenhang zwischen dem Wehrsystem und der politischen Reaktion zurück. In der Parvusschen Glode" stellt Lensch die These auf: Daß das mächtigste Parlament der Welt, eben das englische, in der auswärtigen Politik nichts anderes ist, als das Feigenblatt des Absolutismus der kleinen regierenden Clique von Anno 1689, das ist nur möglich ge­worden auf Grund des Söldnersystems." Mit anderen Wor­ten: Hätte England die Wehrpflicht, so hätte sein Parlament größeren Einfluß auf die auswärtige Politik, so würden feine Eroberungskriege geführt usw.

Eine Behauptung, die sich ebenso durch Kühnheit wie durch Originalität auszeichnet. Ist sie aber richtig, dann muß man doch wohl den Schluß ziehen dürfen, daß in Staaten mit all­gemeiner Dienstpflicht, wenn anders ihre wirtschaftliche Ent­wickelung ungefähr die Stufe der englischen erreicht hat, die Bolksvertretung jenen Einfluß in Fragen der internationalen Politik besitzt, der dem englischen Unterhause abgeht. Leider iprechen die Tatsachen eine andere Sprache, und deshalb mus die geringe Bedeutung des Parlaments wohl auf andere Ur­sachen zurückzuführen sein. Es wäre ja auch zu sonderbar, daß die Arbeiterschaft eines Landes sich so konsequent und so ein­mütig gegen den Dienstzwang zur Wehr seht, wenn er tat­sächlich eine Vermehrung ihrer politischen Rechte bedeutete, und daß ihn gerade diejenigen Kreise fordern, die durch seine Einführung ihre Vormachtstellung im Staate einbüßen sollen. Diese Erscheinung mit Krähwinfelei" zu erklären, steht einem Manne, der sich auf seinen Marrismus soviel zugute tut, wahrhaftig schlecht an.

Kein Wunder, daß auch die Beweise, die Lensch für seine These anführt, auf schwachen Füßen stehen. Nach seinen Dar­legungen ist die regierende Clique" an der Söldnerarmee deshalb so stark interessiert, weil gerade sie eine ausge. sprochene Angriffs- und Eroberungswaffe sei. Die welt­beherrschende Bourgeoisie brauche eine fleine, gut gedrillte Söldnertruppe, da ein Heer der allgemeinen Wehrpflicht fern vom Mutterlande in unterworfenen und noch zu unterwerfen­den Ländern schwer verwendungsfähig sei. Die Weltherr­schaft lasse sich eben nur mit dem jezigen System aufrecht­erhalten. Wie steht es denn aber beispielsweise mit Ruß­ land ? Der Zar hat keine Söldner. Trotzdem hält er unter­worfene Länder besetzt und benutzt sein Heer, um weitere Eroberungen zu machen. Der Unterschied liegt höchstens darin, daß Rußland als Kontinentalstaat sich über seine Landgrenze ausdehnt, aber Eroberung bleibt Eroberung und Expansion Expansion. Gar nicht zu reden davon, daß fich England ja schließlich wie etwa Frankreich und Holland neben dem für Zwecke der Landesverteidigung geschaffenen Heer nach festländischem Muster noch eine angeworbenc Kolonialarmee schaffen könnte.

Nein, die Dinge liegen doch etwas anders als Lensch sie sieht. Freilich spielt ein Bourgeoisinteresse bei der Oppo­sition gegen die Wehrpflicht mit. Nur hängt es nicht mit der Aufrechterhaltung der politischen Weltherrschaft, sondern mit der Verteidigung der kommerziellen und finanziellen Stellung Englands zusammen. Man fürchtet, die Wehr­pflicht zerstöre die Grundlagen des britischen Wirtschafts­lebens, besonders im Kriege. Man weist nicht mit Unrecht darauf hin, daß England etwas andere Funktionen zu er­füllen hat als seine Verbündeten. Es ist ihr Bankier und finanziert den Feldzug. Etiva der dritte Teil seiner Kriegs. ausgaben sind Anleihen an die Kolonien und an die Mit­fämpfer. Frankreich und Rußland haben ihre Ausfuhr nahezu vollständig eingebüßt, und ihre Valuta kann sich nur durch Englands Beistand halten. Sein eigener Kredit wird aber auf das schwerste erschüttert, wenn seiner Erport­industrie noch mehr Hände entzogen werden. Wir sehen schon die Schwierigkeiten, die ihm die amerikanischen Munitionslieferungen bereiten. Ferner aber ist nicht nur die britische, sondern auch die französische und italienische Flotte zum guten Teil auf die Kohle angewiesen, die von englischen Arbeitern gefördert wird. Das französische und russische Heer wird mit Bekleidungsgegenständen englischer Herkunft versehen, Serbien und Belgien sind in großem Um­fang auf in England hergestellte medizinische Artikel ange­wiesen. Die englische Handelsflotte besorgt die Zufuhr an Munition und an Nahrungsmitteln für das eigene Land und für die Alliierten. Kurzum, es gibt Gründe genug, die den englischen Bürger vor der allgemeinen Wehrpflicht zurückschreden lassen. Was aber den Widerstand erhöht, das ist die ablehnende Haltung, die die Arbeiterschaft bisher be­obachtet hat. Für sie ist die Sorge maßgebend, der Dienst­zwang könne das heraufbeschwören, was sie unter militaris­mus bersteht, er könne zu einer die Löhne der Männer drückenden Vermehrung der Frauenarbeit führen, und er könne die Arbeiterbewegung hemmen, indem er es einer kapitalistischen Regierung möglich mache, Streiks durch Ein­berufung zur Fahne und damit verbundenen Arbeitszwang zu endroffeln. Der Gedanke an die Aufrechterhaltung der