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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.
Freitag, den 19. November 1915.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.
Umgruppierungen im fernen
Osten.
Nur
Ueber den Ereignissen auf den europäischen Kriegsschauplägen werden die politischen Vorgänge und die großen Machtverschiebungen in den Ländern am Stillen Ozean, vor allem in Ostasien , verhältnismäßig wenig beachtet. wenn Fragen auftauchen, die wie etwa die Entsendung eines japanischen Hilfskorps nach Europa , mit dem europäischen Krieg unmittelbar in Zusammenhang stehen, wendet sich das allgemeine Interesse den Dingen des fernen Ostens zu. In der politischen Literatur jedoch beginnt man in letter Zeit diesen Fragen eine größere Beachtung zu schenken und für die fich ankündigende Umgruppierung der Mächte auch im fernen Osten Richtlinien für die deutsche Politik zu ziehen.
Sehr beachtenswert ist in dieser Beziehung die kürzlich erschienene Schrift von Dr. Georg Jrmer Bölkerdämmerung im Stillen Ozean ". Der Verfasser, der fast zwei Jahrzehnte im diplomatischen Dienst in der Südsee geweilt hat, hat die Verhältnisse dort aus eigener Anschauung kennen gefernt und verfügt über einen genügend weiten Gesichtskreis, um die gewaltigen Machtverschiebungen im Stillen Ozean mit den treibenden Kräften der Weltpolitik in Verbindung zu bringen. Zusammenfassend bemerkt er:„ Ueber dem Entstehen neuer Staaten und der Wiedergeburt von alten Kulturbölfern zu modernen Mächten ist die englische Weltherrschaft im Stillen Ozean kampflos beiseite geschoben worden. Ueber den Vorbereitungen zum Kampf gegen das Phantom einer deutschen Gefahr hat England seine Mission im Namen der weißen Rasse aufgegeben und damit seine Weltstellung im zukunftsreichen Osten leichtsinnig geopfert. Die neuen Großmächte, das amerikanische und japanische Volk, die in wenigen Jahren die Herrenvölfer der östlichen Halbfugel geworden sind, glauben nicht mehr an die alte weltbeherrschende, unüberwindliche Seegewalt Englands... Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so ist der Traum von der englischen WeltHerrschaft im Stillen Ozean ausgeträumt... In Amerika und Japan glaubt man schon den Uebergang der Weltpolitik aus den europäischen Meeren auf den Stillen Ozean zu sehen. Und noch mitten im Weltkrieg stedt man schon im fernen Osten den neuen. Rampfplatz ab, auf dem die Entscheidung über die Machtfrage in dem größten Meere der Erde ausgefochten werden son."
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Ausgespielt ist nach Dr. Irmers Darstellung auch die Rolle Deutschlands als einer Kolonialmacht im Stillen Ozean . Nicht etwa, weil er ein Gegner der Kolonialpolitik eine erflärt er wäre. Im Gegenteil.„ Wir müssen neue Erde haben in der Welt; und wenn es irgend angeht, muß sie möglichst nahe vor den Toren des Deutschen Reiches liegen." An anderer Stelle spricht er von der Konzentra tion der gesamten deutschen kolonialen Arbeit:„ Unsere koloniale Zukunft wird in der Nähe von Europa liegen müssen, zunächst in Afrika ." Damit ist aber nicht gesagt, daß Deutschland der kommenden Auseinandersetzung im Stillen Ozean teilnahmslos und untätig gegenüberstehen soll. Er empfiehlt vielmehr eine Neuorientierung in der ostasiatischen Politik, die in den Worten angedeutet wird: Man sollte doch endlich damit aufhören, von ethischen Werten in der Politiť noch viel zu reden, von Solidarität der christlichen Weltanschauung oder der weißen Rasse, von Volkerrecht oder gar bon Dankbarkeit, die Völfer aneinanderketten fönnte." Was er an anderer Stelle von dem„ unglücklichen Schlagwort von der gelben Gefahr" und von den Frrungen der deutschen Chinapolitik sagt, ist deutlich genug, um die ihm erwünschte Richtung dieser Neuorientierung erkennen zu lassen.
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Meldung des Großen Hauptquartiers. Auseinanderſekung nicht. Aber aus seiner ganzen
Amtlich. Großes Hauptquartier, 18. November 1915.( W. T. B.)
Westlicher Kriegsschauplatz.
Die Engländer versuchten gestern früh einen Handftreich gegen unsere Stellung an der Straße Messines -Armentieres ; sie wurden abgewiesen. In den Argonnen wurde die Absicht einer französischen Sprengung erkannt und der bedrohte Graben rechtzeitig geräumt.
Deftlicher Kriegsschauplah.
Die Lage ist im allgemeinen unverändert. Balkankriegsschauplah.
Die verbündeten Armeen haben in der Verfolgung die allgemeine Linie Javor- nördlich Raska- KursumlijaRädan Oruglica erreicht. Unsere Truppen fanden Kursumlija von den Serben verlassen und ausgeplündert vor. Es wurden mehrere hundert Gefangene und einige Geschütze eingebracht.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichische Generalstabsbericht.
Wien , 18. November. ( W. Z. B.) Amtlich wird ver lautbart: 18. November 1915.
Russischer Kriegsschauplak.
Die Lage ist unverändert. Beim Aufräumen des Schlachtfeldes von Czartorysk ist erst die volle Größe des jüngst errungenen Erfolges zutage getreten. Der Feind hatte schwere Berluste; bisher wurden zweitausendfünfhundert Russen begraben und vierhundert frische Gräber gezählt. Mehrere tausend Ge wehre und große Mengen Munition sind die Bente, die noch steigen dürfte. Der Gegner besaß am westlichen Styrufer vier hintereinander liegende starte Stellungen mit Drahthindernissen, Stützpunkten und Flankierungsanlagen; ausgedehnte Hüttenlager mit Blockhäusern und große Stallungen beweisen, daß er sich schon für den Winter eingerichtet hatte.
Italienischer Kriegsschauplay.
Auch im Laufe des gestrigen Tages nahmen die Italiener ihre Angriffstätigkeit nicht wieder auf. Nachts versuchten sie schwache Vorstöße gegen Zagora, am Nordhange des Monte San Michele und gegen den Abschnitt südwestlich San Martino; alle wurden abgewiesen. Seit heute zeitlich früh steht Görz wieder unter heftigem Geschützfeuer. In der ersten Stunde fielen etwa vierhundert Geschosse in die Stadt. Der alte Stadtteil von Riva war gestern vom Altissimo her unter Feuer. Unsere Flieger warfen Bomben anf die Kasernen von Belluno ab.
Südöstlicher Kriegsschauplas.
Die Verfolgung macht trot schwerer Unbilden der Witterung gute Fortschritte. Nördlich von Nova Varos nähern sich unsere Truppen dem Abschnitt des Uvac. Der Ort Javor ist in Besit genommen. Südlich von Jvanjica schoben wir nns im Raume um die Höhe Jankov Kamien nahe an die Bashöhen der Golija Planina heran. Deutsche Truppen sind bis etwa halbenwegs Usce- Raska vorgedrungen, während österreichisch- ungarische Kräfte von Ost gegen den Jbar vorgehend, die Kopaonik Planina am Weg nach Karadag überschritten haben. Die Truppen der Armee von Gallwit sind über das von den Serben geplünderte Kursumlje südwärts vorgerückt. Bulgarische Kräfte gewannen kämpfend die Höhen des Radan und den Raum südöstlich davon.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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folchen
Deutlicher äußert sich Jrmer über die Möglichkeiten einer Darstellung ist der Schluß zu ziehen, daß er gegebenenfalls einer Annäherung Deutschlandsan Japan, das China mehr und mehr beherrscht, das Wort reden würde. Klarer drückt sich in dieser Richtung der Kunsthistoriker Dr. H. Smidt aus, der in einer Broschüre Japan im Weltfriege und das Chinaproblem" seine Eindrücke in Japan zu Beginn des Krieges und die wirtschaftlichen und politischen Faktoren des ostasiatischen Problems in interessanter Weise beleuchtet. In vielen decken sich seine Ausführungen mit denen Dr. Frmers, in manchem anderen heben sie sich vorteilhaft von ihnen ab durch die kühle Ablehnung jeder nationalistischen Phrase und ein näheres Eingehen auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Japans und Chinas . Seine Darstellung gipfelt in der Forderung:„ Vertragen wir uns mit Japan !" und diese Forderung verteidigt er mit dem Hinweis auf die großen Vorteile, die Deutschland - in Anbetracht des Fortrüdens Japans von England- aus einem Zusammengehen mit Japan erzielen fönnte. Nüchtern wie Dr. Smidt die Grundlagen des japanischen Imperialismus analysiert, zieht er die Richtungslinien für die fünftige Politik des deutschen Imperialismus im fernen Osten.
Es liegt uns fern, in den angeführten Aeußerungen Anzeichen einer beginnenden Neuorientierung in der ostasiati schen Politik zu erbliden. Aber als Feststellungen von Leuten, die Deutschlands Politik im fernen Osten an Ort und Stelle studiert haben, verdienen sie nicht minder Beachtung wie etwa die Stimmen einflußreicher japanischer Preßorgane, die in letter Zeit einem deutschen Bündnis an Stelle des englischen das Wort reden. Man vergesse nicht, daß die Dinge im fernen Osten sich gegenwärtig wieder im Fluß befinden; daß Probleme aufgerollt sind wie: ein russisch - japanisches Bündnis, eine Auseinandersetzung zwischen Japan und den Bereinigten Staaten, die Konsolidierung des chinesischen Staatswesens usw.; und daß die Lösung aller dieser Fragen mehr oder minder in Abhängigkeit steht vom Ausgang des Völkerringens auf den europäischen Schlachtfeldern. Andererfeits muß auch die begonnene und durch den Krieg außerordentlich beschleunigte Umgruppierung der Mächte im Stillen Ozean auf die zukünftige politische Gestaltung Europas zurückwirken.
Meldung der italienischen Heeresleitung.
Rom , 18. November. ( W. T. B.) Amtlicher Heeresbericht von gestern. An der ganzen Front starte Artillerietätigkeit. Die feindliche Artillerie versucht nicht nur unsere Verteidigungswerte zu beschädigen, sondern sie verlegt sich auch darauf, die von uns eroberten Ortschaften zu zerstören, selbst wenn sie tat sächlich von unseren Truppen nicht besetzt sind. So wurden anr 14. November die Dörfer Locca und Bezzecca im Tale von Concei mit 30,5 Zentimetergeschossen bombardiert. Gestern beschossen die feindlichen Batterien die einstmals blühenden Marktflecken Mossa und Lucinico in der Jionzo- Ebene, die heute nur noch rauchende Ruinen find. Auf den Anhöhen nordwestlich von Görz nahm unsere Infanterie starte Verfchanzungen des Feindes im Sturm. Wir fanden in den eroberten Werfen Haufen feindlicher Leichen und reichliches Kriegsmaterial Auf dem Karst erneuerte der Feind in der Gegend des Monte San Michele in der Nacht vom 15. zum 16. und am folgenden Morgen die Angriffe gegen die von uns jüngst eroberten Stellungen. Er wurde immer zurückgeschlagen und ließ zwei Maschinengewehre und fechzig Gefangene, darunter einen Offizier, in unferer Hand. Feind liche Flieger warfen gestern Bomben auf Ala. Es wurde niemand Cadorna. verlegt und kein Sachschaden angerichtet.
Es ist anzuerkennen, daß Dr. Frmer die Zusammenhänge zwischen der deutschen ostasiatischen Politik und der Annähe Berlin , 18. November. ( W. T. B.) Aus der Schweiz rung Deutschlands an Rußland in der zweiten Hälfte der Pachtungen", wie man diesen friedlichen Einbruch der euro - wird gemeldet, daß die Entente den schweizerischen Spinne90er Jahre nach dem Rücktritt Caprivis- freimütig auf- päischen Großmächte in China euphemistisch nannte, gingen reien die Zufuhr von Baumwolle sperrt mit der Begründung, deckt. Die erste Probe auf unsere neu aufkeimende Freund wir Deutsche voran; Rußland folgte mit Port- Arthur, Eng - die Baumwolle ginge nach Deutschland weiter, wo sie zur schaft mit Rußland , sozusagen das erste Liebespfand Deutsch - land mit Wei- Hai- Wei, Frankreich mit Kwang- Tschou- Wau." Sprengstoffherstellung benutzt werde. Frankreich habe die feste lands, war unsere Abkehr von Japan , unsere Hilfsaktion zu Die Folge war, daß die Japaner die Deutschen weit mehr zu Ueberzeugung, daß, wenn die schweizerischen Zufuhren weggunsten der russischen Politik im fernen Osten. Blieb Ruß- hassen anfingen, als die Franzosen und die Russen. Kiaut- fielen, Deutschland in aller Kürze wegen Mangels an Baumland dort in China festgelegt, so berechnete man nebenher schon war deshalb bei der Mächtegruppierung vor Ausbruch wolle zur Sprengstoffabrikation den Krieg werde einstellen folgerichtig, dann war eine erneute kriegerische Auseinander- des Weltkrieges nach einem Worte des Grafen Reventlow müssen. Demgegenüber ist festzustellen, daß wir allein an segung des Deutschen Reiches auch mit dem unruhigen franzö= ,, wirtschaftlich eine Zukunftshoffnung, politisch eine Sorge, jest in Deutschland vorhandener Baumwolle für diesen Ziveck fischen Nachbarn für längere Zeit wieder außer Sichtweite ge- militärisch ein verlassener Posten." auf Jahre hinaus genug haben, daß wir ferner über den rückt. So schloß sich das Deutsche Reich dem russischen In bezug auf die Wiedergewinnung dieser Kolonie scheint neuen Donauweg Baumwolle aus der Türkei erhalten werden, Quos ego" gegen Japan an und trug damit wesentlich dazu und daß selbst wenn kein Kilogramm Baumwolle mehr in bei, daß den Javanern der Siegespreis des Friedens von Deutschland wäre, wir doch immer noch für unabsehbare Zeit Shimonoseti( nach dem Chinesisch- Japanischen Kriege von Bellstoff genug bätten. Der Gedanke, wir müßten wegen 1894/95) arg geschmälert wurde." Mangels an Baumwolle zur Sprengstoffabrikation den Strieg einstellen, ist so absurd, daß er als ein bewußt unrichtiger Vorwand aufgefaßt werden kann, die Schweiz dazu zu zwingen, ihre Grenzen überhaupt gegen uns zu sperren.
Eine weitere Verschärfung der deutschfeindlichen Stimmung in Savan brachte, nach Irmer, die deutsche Besizergreifung von Riautschou. Bei dem Reigen der chinesischen
Dr. Jrmer recht pessimistisch zu sein.„ Selbst nach entscheidenden Siegen Deutschlands auf der ganzen Linie und auch beim besten Willen Englands... wird die Rüdgabe der deutschen Erde im Stillen Ozean ganz gewiß nicht so leicht sein wie es ihre Wegnahme war." Die Auseinandersetzung mit Japan , das offenbar gewillt sei, feine eigenen Wege zu gehen, werde ich wieriger sein als die mit den Mächten der Entente.
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