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Nr. 320.- 32.Jahrg.

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Vorwärts

Berliner Volksblaff.

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Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Ami Morisolas, Nr. 151 90-151 97.

Sonnabend, den 20. November 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernivrecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Erneute italienische Angriffe an der Jonzofront.

Eingetrocknete Theoretik.

Genosse Heinrich Cuno w schreibt uns:

"

Der von mir in der Soz. Artikel- Korrespondenz" ver­öffentlichte, von einer Reihe Parteizeitungen wiedergegebene Artikel Die neue Internationale" hat allem An­schein nach im Kreise derer, die aus politischen Gründen glau­ben, nicht mit dem Wiederaufbau der Internationale bis nach dem Ende des jezigen Völkerkrieges warten zu können, arge Verstimmung hervorgerufen. Als berufenster theoretischer Streiter für die Konservierung überlebter politischer Organi fationsformen hat deshalb Genosse Karl Kautsky   für die Breitscheidsche Korrespondenz einen Gegenartikel geschrieben, betitelt: Gefährliche Reformisten", in dem er meine Ausführungen nach seinem bekannten Argumentationsrezept zu widerlegen sucht. Natürlich hat der Vorwärts" diesen Ar­tifel übernommen, obgleich er meinen Artikel über Die neue Internationale", gegen den sich die aanze Kautskysche Bolemik richtet, seinen Refern in weiser Fürsorge um ihr geistiges Wohl vorenthalten hat.*) Das zwingt mich zu einer Erwiderung.

Auf den Kernpunkt meiner Ausführungen, auf die Be­handlung der Frage, inwieweit die 1889 auf dem Pariser Rongreß begründete zweite Internationale bereits vor dem Krieg durch die weltwirtschaftliche und weltpolitische Entwicke lung der fapitalistischen Großſtaaten überholt und zur Lösung der ihr gestellten Aufgaben unfähig war, läßt sich Kautsky  wohlweislich nicht ein er hatt bei einem Stebenpunkte ein, bei meinem Sat: die Internationale habe nicht nur versagt, fie sei völlig zusammengebrochen. Von einem Zusammen­bruch fönne man, meint Stautsky, doch nicht reden; denn dann müsse man auch einen Zusammenbruch der deutschen   sozial­demokratischen Partei oder der Gewerkschaften zugeben.

Den Beweis für diese These erbringt er durch folgende, feine Logif treffend kennzeichnende Argumentation:

Wir erfahren nicht einmal, was Cunow als Zusammen bruch der Internationale betrachtet. Daß ihre Organe während des Krieges nicht mehr funktionieren? Ja, funktioniert denn ber ganze Organismus, z. B. der deutschen   Sozialdemokratie oder der Gewerkschaften wie in Friedenszeiten? Haben wir nicht auf den Parteitag verzichtet, auf Wahlfämpfe, Streits usw.? Um wieviel größer sind aber erst die Schwierigkeiten für die Internationale oder etwa in Belgien  ? Oder sieht Cunow den Zusammenbruch nicht darin, daß äußerliche Hindernisse das Funktionieren des Internationalen Bureaus bisher erschwerten, sondern in dem Wirken starker innerer Hindernisse, in dem Ueberwuchern des internationalen durch nationalistischen Geist? Dann aber stellt sich das Versagen der Internationale als, ein Bersagen ihrer Glieder heraus, dann müßte vor allem unter­sucht werden, inwieweit die Haltung der einzelnen Parteien und innerhalb der Parteien die einzelnen Elemente an dem bis­herigen Versagen der Internationale schuld trägt. Dann hätte die Reformarbeit an ihr bei den einzelnen Parteien zu be ginnen."

Eine sonderbare Begriffsverwirrung! Folgen wir Kautskys Gedankengang. Die Organisation der Internatio­nale hat versagt, die einst zwischen den sozialistischen   Parteien der friegführenden Staaten bestehenden Verbindungen sind zerrissen, die Internationale funktioniert nicht mehr! Gilt das auch von der deutschen   Sozialdemokratie und ihrer Dr. ganisation? Gilt das ferner auch von den deutschen   Gewerk­fchaften? Kein Mensch, der einen Einblick in deren Organi­sation hat, wird das behaupten wollen. Auch Kautsky   be­hauptet das nicht; er gibt selbst zu, daß der Organismus der Bartei und der Gewerkschaften funktioniert, nur nicht ganz so, wie in Friedenszeiten. Er funktioniert also anders, meinetwegen mehr oder weniger mangelhaft. Aber ist es denn dasselbe, ob etwas gar nicht funktioniert, oder ob es zeit­weilig mangelhaft funktioniert? Für Kautskys eigenartige Logif ist das dasselbe. Wenn man daher nicht einen Zu­sammenbruch der deutschen   Parteiorganisation zugibt, darf man nach seiner Meinung auch nicht von einem Zusammen­bruch der Internationale reden.

Doch Kautsky   hat noch ein anderes Argument. Er meint, ich hätte gar nicht die Frage erörtert, ob nicht das Versagen der Internationale auf das Versagen ihrer Glieder, speziell auf den nationalistischen Geist der einzelnen Landesparteien zurückzuführen fei. Auch hier zeigt sich wieder das Denken in unflaren Vorstellungen. Für die Berechtigung meiner Be­hauptung, die Internationale sei zusammengebrochen, ist es ganz gleich, aus welchen Gründen sie zusammengebrochen ist, ob daran mehr das Gefüge, die Verbindung und Berankerung

*) Die Grundfäße, die uns bei der Fürsorge um das geistige Bohl unserer Beser leiten, find die gleichen, die Genosse Cunom bis noch vor Jahresfrist Schulter an Schulter mit uns vertreten hat. Im übrigen brachte der Artikel des Genossen Kautsky   eine fehr ausführliche Inhaltsangabe des Cunowschen Korrespondenz artikels, so daß wir mit gutem Gewissen auf dessen vollständigen bbrud verzichten tonnten. Die Red. des Vorw.".

der einzelnen Teile, oder die Qualität dieser Teile schuld ist

Meldung des Großen Hauptquartiers. verſtändlich hat auch die Frage, aus welchen Gründen

Amtlich. Großes Hauptquartier, 19. November 1915.( W. T. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah. Artillerie- und Minenkämpfe in und bei den Ar­ gonnen  , sowie in den Vogesen  .

Ein deutsches Flugzeuggeschwader griff englische Truppenlager westlich von Poperinghe an. Deftlicher Kriegsschauplatz.

Nichts Neues.

Balkankriegsschauplah.

Bei den gestrigen erfolgreichen Verfolgungskämpfen wurden rund 5000 Serben gefangen genommen.

Oberste Heeresleitung.

Erfolge eines deutschen   U- Boots.

Amtlich. Berlin  , 19. November.  ( W. T. B.) Eins unserer Unterseeboote hat am 5. November an der nordafrika­nischen Küste den englischen Hilfskreuzer Tara"( 6322 Tonnen) durch Torpedoschnß versenkt und am 6. November im Hafen von Sollum die beiden mit je zwei Geschützen bewaffneten englisch­ägyptischen Kanonenboote Prince Abbas"( 300 Tonnen) und Abdul Menem"( 450 Zonnen) überraschend angegriffen und durch Geschützfeuer vernichtet. Dasselbe Unterseeboot hat das Feuer eines bewaffneten englischen Handelsdampfers zum Schweigen gebracht und dessen Kanone als Beute heimgebracht.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 19. November.  ( W. Z. B.) Amtlich wird ver­lautbart: 19. November 1915.

Russischer Kriegsschauplak. Reine besonderen Ereignisse.

Italienischer Kriegsschauplak.

Die italienischen Angriffe an der Isonzofront haben wieder begonnen. Wie bei den letzten großen Kämpfen richten sie sich auch diesmal hauptsächlich gegen den Raum von Görz  . Der Brückenkopf steht unausgesetzt unter schwerem Geschüß­feuer. Angriffsversuche gegen Oslavija und ein starker Vorstoß gegen die Podgora- Höhe wurden abgeschlagen. Die plan­mäßige Beschießung der Stadt Görz   dauerte vormittags vier, nachmittags über zwei Stunden an. Dreitausend Geschosse aller Kaliber waren diesem Zerstörungswerke gewidmet. Sie verursachten große Brände; der militärische Schaden ist gering; dagegen ist die Einwohnerschaft durch Verluste an Menschen­leben und Eigentum schwer getroffen. Den Nordabschnitt der Hochfläche von Doberdo   griff der Feind abermals heftig an. Am Nordhang des Monte San Michele drang er mehrmals in unsere Stellung ein; die erbitterten Nahkämpfe endeten jedoch für unsere Truppen mit der vollständigen Behauptung ihrer ur­sprünglichen Kampflinie, alle Vorstöße gegen den Abschnitt von San Martino scheiterten unter den schwersten Verlusten für die Italiener. Ebenso mißlangen an der Front nördlich des Görzer Brückenkopfes zwei starke Angriffe des Feindes bei Zagora, mehrere schwächere im Brfic- Gebiete und im Raume von Flitsch. Einer unserer Flieger bewarf die Tuchfabrit von Schio mit Bomben.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Die Montenegriner wurden bei Priboj   erneut geschlagen. Unsere Truppen rückten unter dem Jubel der mohammedanischen Bevölkerung im Sandschak ein. Die Vorhuten unserer in West­serbien operierenden Streitkräfte stehen vor Nova Varos und in Sienica. Eine Kolonne hat den 1931 Meter hohen Jankov Kamen überquert. Die deutschen   Divisionen des Generals

v. Koeveß   gewannen die Gegend von Raska; südöstlich von ihnen tämpfen am Fuße der Kopaonik Planina österreichisch- ungarische Truppen. Die Vorrückung deutscher und bulgarischer Divisionen gegen das Becken von Pristina   macht Fortschritte.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: bou Hoefer, Feldmarschalleutnant. Wien  , 18. November.  ( W. T. B.) Nachtrag zum amtlichen Communiqué.

Ereignisse zur See.

Heute nachmittag belegte eines unserer Seefluggeschwader die Forts San Nicolo und Alberoni, das Arsenal  , die Flugstation, den Gasometer, den Bahnhof und mehrere Kasernen von Benedig erfolgreich mit Bomben.

Trot des heftigen Abwehrfeners und der Angriffe von drei feindlichen Flugzeugen ist unser Geschwader vollständig und wohl­behalten eingerückt. Flottenkommando.

der Zusammenbruch erfolgt ist, ihre Bedeutung; aber sie ist eine Frage für sich. Dafür ein Beispiel. Gesezt, es wäre ein Neubau zusammengebrochen, wird dann an dieser Tatsache des Zusammenbruchs dadurch etwas geändert, daß vielleicht Bauleiter und Arbeiter nicht genau wissen, weshalb der Zu­sammenbruch erfolgte? Uebrigens habe ich im ersten Artikel deutlich angegeben, daß ich die Hauptursache des Zusammenbruchs in dem zu schwachen Aufbau der Internationale und in seiner unzuläng­lichen Fundamentierung sehe, weniger in der Schwäche einzelner Landesparteien, wenn ich auch zugebe, daß es um die innere Organisation zum Teil mißlich bestellt ist. Deutlich heißt es in meinem ersten Artikel:

" 7

Konte die erste Internationale dem damaligen Entwic Tungsstand der sozialistischen   Arbeiterbewegung entsprechend nicht mehr sein, als eine Zusammenfassung der von einer ge­meinsamen Idee beseelten verstreuten sozialistischen   Personen und Grüppchen zu einer sich über Rasse, Staat und Nationalität hinwegerstreckenden Propaganda- und Agitationsgesellschaft. so konnte die zweite Internationale nichts anderes sein als eine lose Zusammenfassung der inzwischen in den einzelnen Kultur­staaten auf nationaler Grundlage entstandenen politisch- sozia­listischen Arbeiterparteien zu einem lockeren Verband mit dem Zweck, sich über das gegenseitige Verhalten zu gewissen wich­figen Erscheinungen zu verständigen und möglichst eine Art äußere Richtungsparallelität zwischen den verschiedenen sozia listischen Parteien der einzelnen Länder herzustellen."

Hält Kautsky   solche Beurteilung der zweiten Inter­nationale für unrichtig, nun so mag er nachweisen, daß diese im Gegensatz zu meiner Ansicht tatsächlich ein festes Gefüge hatte und eine wertvolle Aktions- und Arbeitsgemeinschaft bildete. Statt dessen schiebt er eine Nebenfrage in den Vorder­grund.

Uebrigens, ob nun die Internationale ganz oder nur halb zusammengebrochen ist, und ob der ganze Aufbau oder nur die Güte der einzelnen Glieder die Schuld trägt, für jeden logisch Denkenden, ergibt sich aus dem Zusammensturz die einfache Folgerung: wenn die alte Internationale fich als zu schwach, als unzulänglich eriviesen hat, dann muß der Wiederaufbau in anderer, festerer Weise erfolgen! Nicht so für Kautsky  . Für ihn ergibt sich im Gegenteil daraus, daß die Internationale gerade nach dem alten Bau­plan, in der alten Form, wiederhergestellt werden muß.

Um die Richtung anzudeuten, in der ich mir den Auf­bau der neuen Internationale denke, habe ich kurz folgende Skizze des neuen Gefüges entivorfen:

,, Errichtung von internationalen Gewerkschaftsverbänden bzw.-Kartellen mit gemeinsamen internationalen Sekretariaten, Verständigungs- und Aktionsausschüssen; Errichtung von fogia­listischen Vermittlungs- und Arbeitsausschüssen zum 3wed des Zusammenwirtens der verschiedenen sozialistischen   Landes parteien bei wichtigen Gelegenheiten; Ginsetzung interparlamen­tarischer Kommissionen, gegenseitige Förderung und Unter­stützung des sozialistischen   Bildungs- und Unterrichtswesens in ben einzelnen Ländern; Schaffung internationaler Preßaus­schüsse und Nachrichtenbureaus usw., kurz die Herstellung einer gewissen internationalen Arbeitsgemein­schaft, auf deren Basis sich dann immerhin noch als Zentral­leitung eine Art von internationalem Hauptbureau erheben önnte."

Damit wollte ich natürlich keinen Konstruktionsplan int einzelnen aufstellen. Davor bewahrt mich schon meine Ge schichtsauffassung, die mich die ganze menschheitliche Ent­widelung als einen großen gesellschaftlichen Prozeß ansehen läßt, den man nicht nach Wünschen und nach Belieben zu formen vermag, sondern in dem nur das zur Geltung und zum Leben gelangt, für das die Voraussetzungen und Ent­wickelungsbedingungen gegeben find. Deshalb erblicke ich auch die Aufgabe eines Sozialtheoretikers nicht darin, programmatische Zukunftsentwürfe oder Finematographische Augenblicksbilder für den Tag vor oder nach der Revo­lution oder vielleicht auch einige Dugend Jahre nach der Ne­volution zu fabrizieren, sondern es kann sich meines Erachtens für den Soziologen, wenn er nicht die wissenschaftliche Bahn verlassen will, immer nur darum handeln, die sozialen Vor­bedingungen und Anfäße neuer gesellschaftlicher Bildungen zu erkennen und daraus die allgemeinen Richtlinien der sich voll­ziehenden weiteren Entwickelung abzuleiten. Deshalb füge ich auch der obigen Skizze hinzu: Das sind natürlich Gin­richtungen, die nicht von heute auf morgen geschaffen werden fönnen, obgleich teilweise, besonders auf gewerk. schaftlichem Gebiet, schon mannigfache An­säße dazu vorhanden sind. Sie müssen aus der kommenden Wirtschaftsgestaltung selbst als notwendige Institutionen heraus. wachsen."

Solche Zurückhaltung versteht Kautsky   nicht. Er ver­langt einerseits, daß ich die Mittel genau angeben soll, burch