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Nr. 80.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit tHuftr. Sonntags- Beilage, Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ansland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Bettungs- Preisliste

für 1894 unter Nr. 6919

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlius

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonnabend, den 7. April 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Auf den

speist sie die hungernden Kinder mit Bettelsuppen ab. Und vielgerühmte preußische Volksschul- System. dann setzt sie allem die Krone auf, indem sie alle Schalen ihres Fortbildungsunterricht namentlich in Preußen wollen wir

Volksschule und Sozialdemokratie. Born über die Verwahrlosung" dieser Kinder ausgießt. So beshalb lieber garnicht mehr zu sprechen kommen. Er

ein kleines Wesen sieht oft auch Mittags die Eltern sollte die regelrechte Fortsetzung der Volksschule sein; Anläßlich des von Breslauer Volksschülern veranlaßten nicht, die in der Großstadt zu weit entfernt arbeiten, um wenn man aber für diese schon nicht viel übrig hat, so Standals in einem Schulhofe hat die gutgesinnte" Presse in die Wohnung zurückkehren zu können. Eine Nachbarin bleibt für die Fortbildungsschule garnichts. Am letzten wieder einmal alle Schleußen bürgerlichen, widerlichen hat dann das vorher bereitete Proletarieressen für die Donnerstag haben unsere Genossen im Reichstage dies ge= Pharisäerthums aufgezogen. Nur eine Probe für viele! Kinder zurecht gestellt und gewärmt; im übrigen sind die- bührend festgenagelt. Die" Schlesische Zeitung" leistet sich in einem Kommentar selben auf die Straße angewiesen. Abends gehen Vater, Nicht die Sozialdemokratie, sondern der heutige Klassen­zu dem Vorkommniß, der ihr von dritter Seite zugeht, und Mutter ermüdet heim und sind froh, wenn sie Ruhe staat ist also der ärgste Feind einer guten Volksschule, die folgende Säße: Es giebt heute, besonders in den größeren haben. Woher soll da ein Einfluß auf die Kinder kommen? sich mit seinen kapitalistischen Interessen nicht verträgt. Aus Städten, weite Schichten der Bevölkerung, welche über Gott, Ein Interesse für die Schulfortschritte des Kindes sucht sich kapitalistischen Zuständen wachsen Schülerkrawalle heraus, Religion, Schule und Obrigkeit ganz andere Begriffe haben, manchmal durchzuringen, dann erlahmt es vor der Ueber wie der Breslauer, und die Sozialdemokratie mit ihrer als die Schule lehrt. Wizblätter und sozialdemokratische macht des Elends. Kein Wunder, wenn Tropfen der Ver- scharfen Kritik der kapitalistischen Zustände ist nicht die Schriften sorgen dafür, daß alles, was der Schule heilig ist, bitterung und Gedanken der Auflehnung auch in die Förderin, sondern die größte Feindin der Verhältnisse, verhöhnt und verlästert wird. Die Eltern, welche diesem Gemüther der Kinder hinüberfließen. Sind die Kinder welche solche Dinge hervorrufen. Wenn es überhaupt denk­modernen Frrthum verfallen find, glauben nicht früh genug einmal unter solchen Umständen bis zu 10 Jahren bar wäre, daß der Klassenstaat ein Machtbereich an die ihren Kindern ihre Aufklärung" beibringen zu müssen, wodurch alt geworden, geworden, dann ist auch nichts mehr an proletarische Bewegung abträte, ehe diese nicht auch alle Zweifel und Zwiespalt in den jungen Gemüthern erzeugt wird. ihnen zu bessern. Und wo find die Einrichtungen, mit übrigen Gebiete erobert hat: die Volksschule wäre unter Was die Schule mühsam aufbaut, wird vom Hause oft in welchen die bürgerliche Gesellschaft diesem Massenelend be- sozialdemokratischem Regime jedenfalls in besseren Händen, turzer Zeit niedergerissen." Mehr ſittliche Entrüstung gegnet? Man sucht sie vergebens! Da und dort ein paar als im heutigen Junker- und Kapitalistenstaate. wegen eines einfachen Schülerkrawalls fann man nicht ver- Kinderhorte, die Menschenfreunde errichtet haben. In langen! Selbstverständlich sind auch wir dafür, daß übrigen läßt man die Dinge gehen, wie sie wollen. Disziplin in der Schule herrscht; es ist nur merkwürdig, Das ist aber nur die eine Seite der Sache; die Unter­schülern immer so empfindsame Nerven hat, während sie anderen, der Schulseite, mindestens ebenso groß. Es giebt Berlin , den 6. April. die gleichen oder schlimmere Exzesse von Gymnasiasten und feine Stadt in Deutschland , das kann man ruhig sagen, Aus dem Reichstage. Wie wir an anderer Stelle Studenten regelmäßig weit milder beurtheilt. Wir wollen die ausreichend für ihr Volksschulwesen gesorgt hätte. des näheren mittheilen, erzählt man sich in Reichstags­dafür die Erklärung zu geben versuchen sie liegt in dem Schlechte Miethsräume für überfüllte Klassen, schlecht be- kreisen, daß die Regierung beabsichtige, das Reichsparlament ungeheuren Schuldbewußtsein, welches die bürgerliche Gesell- zahlte Lehrer, unvollkommen ausgebildete Schulsysteme dieses Jahr ungewöhnlich früh nach Hause zu schicken. schaft den Proletarierkindern gegenüber hat. und ganz unzureichende Lehrmittel trifft man noch überall, Wenn man sich die Präsenz des Hauses ansieht, wird Die Voltsschule kann nämlich als eine Art Sünden in den Großstädten so gut, wie in den Mittel- und Klein- man begreifen, wieso ein solches Gerücht entstehen konnte. spiegel alles desjenigen bezeichnet werden, was die bürger- flädten oder gar auf dem Lande, wo ein Lehrer oft 120 Mit Ausnahme der in Berlin wohnenden Abgeordneten, liche Gesellschaft der jungen Arbeitergeneration anthut. In bis 150 Voltsschüler bändigen und gleichzeitig unterrichten einiger Parteiführer, die Schandenhalber da sein müssen und der Volksschule zeigen sich zunächst die grauenhaften soll. In Berlin haben 62 pet. aller Volksschulklassen der Mitglieder des Bureaus, fehlen fast alle Abgeordneten. Wirkungen des heutigen Wirthschaftssystems auf törper- mehr als 40 und zur Hälfte bis zu 70 Schüler, in Freilich heute war auch die Tagesordnung darnach, liches und geistiges Befinden der Arbeiterkinder. Daß ein München , um einen recht weit abliegenden Ort zu nennen, daß man es niemandem verdenken kann, wenn er den mit großer Theil dieser Arbeiterkinder mangelhaft genährt und sogar 92 pet. aller Volksschulklassen, und hier steigt die erbärmlicher Stickluft gefüllten Reichstagsräumen fernblieb. gekleidet zur Schule kommt, ist etwas ganz Gewöhnliches. Maximalzahl der Schüler sogar bis zu 74. Welchen Nugen Eine Rede Kardorff's über die Vorzüge des Bimeta Hunderte von Lehrern und Lehrerinnen haben schon be- da der einzelne Voltsschüler von einer solchen Massenein- lismus gehört mit zu dem langweiligsten und abgedroschensten stätigt, daß vielen dieser armen Wesen jedes warme Früh- trichterung haben kann, liegt auf der Hand. Die sogenannte Zeug, was dem Reichstag geboten werden kann. Taß diese stück abgeht. Wohlthätige Vereine und hie und da Gemeinde erzieherische" Wirkung der Schule muß bei solch einem Nede nichts neues bringen konnte, wußte man vorher, nicht verwaltungen vertheilen deshalb Bettelsuppen, Milchportionen Hürdensystem vollständig verloren gehen. Bücher, Hefte aber fonnte man erwarten, daß ein anderer Agrarier­und Brot an die Kinder. Aber in jedem Bericht über solche und Schreibmaterialien können sich zwar viele Kinder kaum Häuptling heute das wirkliche Münzprogrammi dieser Wohlthätigkeitseinrichtungen kann man lesen, daß die Noth anschaffen, aber keine deutsche Voltsschule hat sich noch dazu interessanten Partei offen und ohne Umschweife darlegen noch nicht zum zehnten Theil gesteuert sei. Man könne die entschließen können, grundsäßlich die Lernmittelfreiheit ein wurde. Kosten nicht erschwingen, und müsse sich deshalb auf die zuführen. In Bayern dauert die Volksschulpflicht über Herr Graf v. Kanit bereitete dem Reichstag diese Stillung des größten Hungers beschränken. Das ist die haupt nur bis zum 13. Jahr, und dieses Reservatrecht" Ueberraschung. Dieser Herr forderte offen die Ausprägung Art und Weise, wie die bürgerliche Gesellschaft hungernde imponirt den preußischen Agrariern so, daß sie es lieber von 2500 Millionen Mark Silbermünzen nach dem Ver­Volksschüler behandelt. Auf der einen Seite zwingt sie heute als morgen bei sich einführen möchten. Erhielten hältniß von 1 zu 151/2, d. h. ebenso unterwerthig, wie. Mann und Frau, so früh am Tage als nur möglich zu fie doch dadurch ein Jahr früher billige Arbeits- unsere Scheidemünze heute thatsächlich ist. Er rechnete einem Erwerb auszugehen, der oft noch nicht einmal zur fräfte. Einstweilen durchlöchern sie auf dem Lande dabei wie folgt: Gilber tostet heute 38-40 M. das Pfund, Beschaffung des Nöthigsten für die Familie hinreicht. Dann mit Hüteschulen und abgekürztem Sommerunterricht das prägen wir daraus 90 M., so profitiren wir 50 m. pro

daß die bürgerliche Preſſe für die Bubenstreiche von Volks lassungssünden der bürgerlichen Gesellschaft sind auf der Politische Mebersicht.

Feuilleton. Der Inde.

Deutsches Sittengemälde aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Bon C. Spindler.

Ei, was sprichst Du?" fragte Jochai ängstlich den Sohn." So ich nicht schon begraben liege an dem Ort der Lebendigen), wirst Du nicht das Mädchen von meiner Seite nehmen. Wer soll mich hüten, wer mich pflegen, bist Du fern?" " Gieb Dich zufrieden, Vater!" antwortete Ben David! der gute Kuecht Zodick wird an Dir thun, wie an seinem Bodid?" fragte Jochai zweifelhaft:" Bodick, der das Gesetz der Väter so wenig beachtet, daß er noch jetzt sich im Hause nicht sehen ließ?"

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Bater."

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Herzklopfen, der lebhaft voranschreitenden Grethe die Treppe also sprach: Ich will Dir Auskunft geben, Jude! Ich bin hinab, durch den Hausgang an die Pforte, die von wieder der Schmied Albrecht dort an der Ecke dieser Gasse, und holtem Pochen ertönte, und vor welcher das Gesumme kam vor kurzem aus unserer Herberge. Wie ich nun kaum 9 einer ansehnlichen Menschenmenge sich vernehmen ließ. zwanzig Schritte von meinem Hause bin, so stolpere ich Wer pocht so ungestüm?" fragte Ben David durch das über den Rothkopf da, der halb besinnungslos in der Gasse Schlüsselloch, und zurück schrie eine klagende Stimme die liegt, wie ein Trunkener. Da ich ihn beleuchte mit dem Antwort: Herr! öffne! Dein Knecht Zodic ist's! öffne! bei Lichtstümplein, das ich in Händen trug, erkenne ich ihn deines Vaters Haupt beschwöre ich dich: laß mich nicht zu wohl, und auch er macht die Augen auf, fährt zusammen, Schanden werden vor den Edomitern hier auf der Schwelle und ruft: Laßt mich los! ich bin unschuldig!"" Es war deines Hauses!"- Und Gemurre und einzelnes Spott leicht zu sehen, daß der Bube in augenscheinlicher Ver­gelächter rings umher. Ben David, die Verzweiflung wirrung befangen war, und nicht im Rausche. Ich begütigte des hilferufenden Hausgenossen nicht verkennend, befahl ihn daher, und nun hat er, da er mich erkannt, erzählt, seinen Leib dem Gott seines Bundes, und gebot der Magd, daß ihn auf dem Fischerfelde, von wannen er nach Hause zu öffnen. Das Schloß ging auf sammt den Riegeln, gehen wollte, mehrere Gesellen mit roth und schwarz ge­und kaum klaffte die Thüre, als ein Haufe gemeinen Pöbels färbten Gefichtern überfallen, geplündert und mit einem sich hereindrängte ins Haus: neugierige und höhnisch ge- Streithammer verletzt haben; daß jedoch zum Glück der zogene Gesichter, von wenigen Laternen und Rienspänen Streich schier fehlgegangen und nur gestreift habe, und er schwach beleuchtet; in deren Mitte der Diener des Hauses, dem Tode entgangen sei, indem er sich zur Erde fallen Zodick; Gesicht, Hemde und Gewand von Blut befleckt, das laffen, gleich als habe er die letzte Delung. Da er zu dir Ich dachte, er sei schon in seine Rammer gegangen!" reichlich herabftrömte aus einer breiten Stirnwunde. verlangte, hab ich ihm erlaubt, sich an meinem Arm zu erwiderte Ben David, und wollte noch einige Bemerkungen Ben David fuhr bei diesem Anblick erschrocken zurück, führen, und auf sein klägliches Geschrei sind die Nachbarn über Bodid's früheres Benehmen hinzusehen, als ein hob beide Hände gen Himmel, und rief in heiligem Eifer: herbeigelaufen." fürchterlicher Tumult vor dem Hause laut wurde, auf dessen" Bodick! unseliger Knecht! Hat dich der Fürst der höllischen Nach dieser Erzählung lief ein Gemurmel durch den Pforte Schlag auf Schlag fiel. Erschrocken fuhr die Familie Nacht berückt, daß du also trunken und blutend von einem Haufen, bedauernd, daß der Jude nicht umgekommen war in die Höhe, und Grethe stürzte herein, durch ihre heftigen Falle eintrittſt in die Hütten Israels , und verbrecherisch unter den Streichen seiner Verfolger, und sich auflösend Geberden etwas Außerordentliches verkündend, das sich auf schändest die liebliche Königin Schabbath , die allhier ihren in ein rohes Gelächter, das sich den an der Stubenthür lehnenden, keines Wortes mächtigen Menschen als Ziel der Straße zugetragen. Entseßen ergriff den Alten und die Sitz genommen?" Bodid winkte verneinend mit der Hand, sant jedoch, scheibe sezte. Ben David, ungeduldig, dem störenden Aufs Esther, denn ein Boltsauflauf, mit einer neuen daraus ent­springenden Schlacht der Judenschaft, stand wie ein un- unfähig zu reden, auf die Schwelle der Unterstube. Ben tritt ein Ende zu machen, dankte höflichst dem wohlbeleibten geheures Gespenst vor ihren Gedanten; aber Ben David David sah fragend umher in dem Kreis der Nachbarn, die Schmied für seinen Beistand, und öffnete die Stube, um beruhigte sie mit wenig Worten, ermahnte sie, die Thür zum Theil in schmutzigen Nachtgewändern, erst dem Lager den Diener hineinzubringen. Die Menge quoll aber auch des Hintergebäudes fest zu verriegeln und die Kostbarkeiten entflohen, als gaffende und schadenfrohe Zeugen den Ver- in das Gemach hinein, und musterte mit Luchsaugen die bei Seite zu bringen, und folgte, wenn auch nicht ohne wundeten umstanden. Was hat's gegeben, liebe Freunde?" elenden Geräthschaften, die darin an den Wänden umher­fragte er mehrmals vergebens, bis endlich ein ältlicher standen. Mehrere junge Burschen hatten nicht wenig Lust, *) Begräbnißplah. Wann von rechtlichem Aussehen sich hindurch drängte, und mit ihren flackernden Lichtspänen über Gang und Treppe

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