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1. Beilage zumVomiirts" Berliner Volk Sonnabend» den H. AnrU 1894. 11. Jahrg. Ur. 80. Nnrlnlnenksver echte. Deutscher Reichstag . as. Sitzung vom 6. A p r i l 1894. I Uhr. 51m Tische des Bmidesraths: v. Caprivi, v. Bötticher. v. Marschall , Graf Posado wsky, Reichsbank-Präsident Koch . Nachdem die allgemeine Rechnung über den Reichshaushall für das Elatsjahr 1899/91 der Rechnuugskommission überwiesen rst, kommt zur Verlesung die Interpellation der Abgg. v. Kardorfs und Graf Mirbach: I. Soll die vom Herrn Reichskanzler im Bundesrath beantragte Neuausprägung von 22 Millionen Mark Reichssilbermünzen trotz des Rückganges des Silberpreises auf etwa 89 Mark für das Kilogramm nach den Vor- schristen des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 stattfinden, wonach aus dem Kilogramm 299 Mark geprägt werden, oder ist eine Abänderung des Münzgesetzes m Aussicht genommen? 2. Sollen die beantragten Neuprägungen stattfinden, ehe die Berathungen der Kommission beendet sind, welche der Herr Reichskanzler wünschte, um Mittel zur Hebung und Festlegung des Silberwerthes zu finden, obwohl.die Ergebnisse dieser Kommissionsberathungen zu einer so- fortigen Umprägung der beantragten Neuprägnngen führen können. 3. Ans welchen Silberbeständen sollen die Neuprägungen hergestellt werden? Reichsschatzsekretär Graf PosadowSky erklärt sich zur so­fortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Zur Begründung der Interpellation bemerkt Abg. v. Kar- vor ff: In dem deutschen Münzgesetz ist die Ausprägung von silbernen Scheidemünzen analog dem Vorgange Englands vor- gesehen; sie darf in ihrem Gesammtbetrage den Satz von 19 M. pro Kopf der Bevölkerung nicht übersteigen. Nun ist entsprechend der gestiegenen Bevölkerungsziffer eine weitere Ausprägung von silbernen Scheidemünzen im Betrage von 22 Millionen in Aus- ficht genommen. Die Voraussetzungen für diese Ausprägung sind aber seit 1373 ganz andere geworden. Niemand dachte damals an eine Silberentwerthung, wie sie seitdem eingetreten ist und Folgen der allerschlimmsten Art gezeitigt hat. Außerdem ging man damals von der Voraussetzung aus, daß die Thaler cnt- weder in Silberscheidemünzen umgeprägt oder aus dem Verkehr gezogen und gegen Gold eingewechselt werden würden. Das ist nicht geschehen. Die Reichsregierung war gewiß damals fest entschlossen, die Goldwährung durchzuführen; es müssen also sehr schwerwiegende Gründe gewesen sein, welche sie gleichwohl davon zurückgehalten haben. Die Thaler sind als vollwerthige Zahlungsmittel beibehalten worden. Man glaubt an den Be- siaud der Werthrelation von Silber und Gold und nahm das allmälwe Verschwinden der Thaler als selbstverständlich an. Beide Voraussetzungen sind also nicht eingetroffen. Offenbar fürchtete man, den Preis des Goldes durch Umtausch von 4S9 Millionen Mark silberner Thaler zu hoch hinaufzutreiben oder den Silberpreis zu sehr zu drücken. 1373 sistirle Frankreich seine Silberausprägungen; die Nachfrage nach Silber hörte auf. 1876 wurde von der Reichsregierung der Plan verfolgt, die Thaler allmälig durch Umprägung in Scheidemünzen abzustoßen; sie wollte 15 M. pro Kopf Silber- Scheidemünzen prägen lassen, ein Plan, welcher von Bamberger , Soelbeer und den übrigen Autoritäten der Goldwährung am heftigsten bekämpft wurde. Es wurde aus diesem Vorschlage nichts; aber 1879 suspendirte die Reichsregierung die Silber- Verkäufe vollständig. Diese Thatsache fiel zusammen mit dem Tagen des Pariser Kongresses. Wir glaubte», die Frage würde dahin gelöst werden, daß das Silber in seine alten Rechte wieder eingesetzt würde. Anders die Goldwährnngs-Parleien, welche mit dieser Suspendirung sehr unzufrieden waren. 1889 wollte man die Bestände dadurch reduziren, daß man die Aus- Prägung auf 12 M. pro Kopf steigern wollte. Jetzt war Herr Soetbeer dafür. Die Thalerbestände würden dadurch um 99 Millionen Mark vermindert worden sei». Wir haben dem Projekt opponirt und es wurde fallen gelassen. 1836 entledigte sich die Regierung eines Theiles ihrer Silberbarren und Vorräihe durch den Verkauf nach Egripteu. Auch damals hat Graf Mirbach sich entschieden gegen diese Maßregel ausgesprochen. Der frühere Bankpräsident Dcchend verfolgte gerade im Interesse der Gold- Währung eine sehr vorsichtige' Politik; er zog die 19 Markstücke möglichst aus dem Verkehr, um den Goldbesitz der Bank möglichst zu vergrößern, und gab Thalerstücke in den Verkehr. Und mit Recht! Unsere ländlichen Arbeiter wollen nicht kleine Goldmünzen, sondern grobe Silbermünzen in der Hand haben (Widerspruch bei den Sozialdemokraten). Seit 1899 aber, seit dem Tode Dechend's, sind große Mengen Zehnmark-Stücke ge- prägt und in den Verkehr gebracht worden. Die neue Maß- nahine wird mit dem gestiegenen Bedürfniß nach silbernen Mark-, Zweimark- und Fünfmark-Stücken begründet. Wie kann man solche Argumente verwenden, angesichts der kolossalen Silber- vorräthe in den Kellern der Bank? Von den 797 Millionen Bankbestand Ende 1893 waren nur 338 Millionen Gold; 469 Millionen sind Silber, Thaler und Scheidemünze. Man theilt uns ja leider rncht mit, wie sich der Vorrath jedes Mal auf Gold und Silber vertheilt. Wird diese Geheimnißkrämerei nicht endlich aufhören? Ist unter solchen Umständen heute eine Vermehrung der Scheidemünzen nothwendig? Es ist bereits amtlich auf die Ueberhandnahme der Falschmünzerei hingewiesen worden. Die Prägung falscher Silber-Scheidemünzen aus gutem vollwerthigem Silber wirft ja bei der heutigen Entwerlhung kolossale Prämien ab. In Amerika ist die Nachprägung fremder Münzen kein Münzverbrechen; wir können uns davor also gar nicht bewahren. Ein Fünfmark-Stück zu prägen, welches in Wirklichkeit 2 Mark Werth ist, das ist ein Zustand, der noch in keinem Jahrhundert erhört war! Und zu derselben Zeit beruft die Reichsregierung eine Währungs-Enquete! Daß das Silber remonetisirt werden wird, ist meine unumstößliche Ueberzeugung. Wird die Umwandlung vorgenommen, werden ' Thaler in Scheidemünze verwandelt, so ist diese Maßregel das- selbe, als wenn für 13 Millionen Papiergeld ausgegeben wird. Die heutigen Zustände lassen sich unter keinen Umständen auf- recht erhallen. Entweder wird das Silber wieder zum Münz- metall gemacht, oder diese Möglichkeit wird definitiv beseitigt und dann muß die Silberscheidemünze erst recht abgegeschaffl werden. Die Landwirlhschaft hat die Berufung der Enquete- kommission als einen Sonnenstrahl angesehen, obwohl ihre Zu- sammensetzung zu gunste» der Goldwährungspartei vorgenommen ist; wenn die Landwirlhschaft aber gleichzeitig diese neueste Maß- regel sieht, so wird sie das bisherige Vertrauen auf den Eristt der Regierung verlieren. Nur durch internationale Verein- barungen kann wirkliche Abhilfe geschehen. Daß die Regierung den Professor Wagner nicht in die Kpmmission berufen hat, be- daure ich auf's ledhafteste. Staatssekretär Graf Posadowsktz: Die Vertreter der bimetallistischen Partei vermuthen hinter der beabsichtigten Maß- regel den Versuch, durch eine Umprägung der Thaler schneller zur reinen Goldwährung zu kommen. Bei dem Antrage des Reichskanzlers an den Bundesrath hat erstcrcm jeder pro- grammatische Gedanken fern gelegen, und nur das praktische Bedürfniß hat ihn geleitet; das formell" Recht dazu wird auch nicht bestritten, sondern nur die Opportunität und die sachliche Berechtigung. Die vermehrte Ausprägung wird erfordert durch die starke Ver- uiehrung der Bevölkerung seit 1899 und könnte sehr leicht noch höher gegriffen werden. Es steht thatsächlich nur ein vermehrtes Bedürfniß des Verkehrs in Frage. Im Mai 1892 betrug der Baarbestand der Reichsbank an Silbermünzen 96 Millionen, und trotz der in der Folgezeit erfolgten Neuprägungen ist der Be- stand stetig gefallen. Die Behauptung, daß der Bestand an Silber so groß sei, daß Neuprägungen nicht erforderlich seien, ist nicht stichhaltig. Die deutsche Reichsbank steht dem Geld- Umlauf gegenüber ganz anders wie die Banken von Frankreich und England; sie hat den Geldumlauf zu regeln und braucht dazu einen erheblich größeren Bestand an Silbermünzen als jene anderen. Am 31. März 1894 betrug der Bestand 91 Mil- lionen; dieser Bestand vertheilt sich auf 164 Bankstellen, die alle von der Reichsbank aus mit silbernen Scheidemünzen versehen werden. Sieht man sich den einzelnen Bankbestand an, nament- lich in industriellen Gegenden, so erkennt man, daß er keines- wegs hoch, sondern den Bedürfnissen des Verkehrs gerade an- gemessen ist. Daß im Laude ein Bedarf an silbernen Scheide- münzen vorhanden ist, geht aus den verschiedenen Bemerkungen hervor, welche in den letzten Jahren hier im Reichstag laut ge- worden sind; Herr von Mirbach hat 1887 selbst daraus ver- wiesen, ebenso der doppelwähiungssreundliche Herr v. Pfeilen. Man hat nur die Ausprägung von 5 Mark-Stücken besonders getadelt, und diese Münzen als unpraktisches Stück verworfen. Das mag für die Städte zutreffe», für das Land gilt es nicht. Die Nachfrage nach diesen 5-Markstücken ist eine so lebhafte, daß die Reichsbank ihr nicht entfernt gerecht werden könnte. Die Bankanstalten haben anderseits beobachtet, daß der Verkehr die Thalerstücke nicht ausnehmen will. Aus dem rheinisch-westfälischen Jndustriebezirke sind noch in jüngster Zeit zahlreiche Anträge auf vermehrte Zuführung von 5- und 2-Markstücken an die Bank gelangt. Ein Mangel an Silber ist nicht vorhanden, wohl aber ein solcher an silbernen Reichsscheidemünzen, während die Thalerrolle» unversehrt mit demselben Siegel den Banken wieder zufließen. Währungsexperimente kann Deutschland allein nicht anstellen; das geben auch alle Bimetallisten zuf; nur internatio- nale Vereinbarungen können eventuell zu einen, Ergebniß führen und auch dann wird es nur möglich sein, auf grund einer ver- änderten Werthrelation Silber umzuprägen. Aber allseitig wird auch zugegeben, daß bis dahin noch ein weiter Weg ist. Dem tinweis aus die Unterwerthigkeit des Silbers, auf die offizielle alschmünzerei ist zu entgegnen, daß Thaler und Scheidemünzen davon in gleichem Umfange betroffen werde» und daß es doch reeller ist, Scheidemünzen auszuprägen, welche über 29 M. hinaus nicht abgenommen zu werden brauchen, als die Thaler beizubehalten, welche in jedem Betrage als Zahlung angenoinmen werden müssen. Bei großen Katastrophen ivird nicht blas das Silber, sondern der gesauimte Verkehr in Milteidenschaft gezogen. Das Silber hat ja heute blos noch den Charakter von Kredit- geld, von einer metallene» Assignate; diese Erscheinung zeigt sich aber in der gesammten Kulturwelt. Sollen wir jetzt etwa Silber- münzen vollwerthig ausprägen? Solche Münzen würde der Ver- kehr garnicht brauchen können. Und Ausprägungen nach einer anderen Relation sind ebenso unzulässig, so lange der Silber- preis so erheblich schwankt. Eine Stabilirung wird aber nur durch internationale Vereinbarungen zu erzielen sein. Das Gesetz von 1873 beinißt das Quantum aufvorläufig" 19 M. pro Kopf; eine andere Bemessung hat man sich damals aus- drücklich für de» Zeitpunkt der Einziehung der Landes- Silber- münzen vorbehalten. Die Gefahr der echten Nackprägung ist lange nicht so groß als diejenige der betrügerischen Nachahmung von Papiergeld; die große Schwierigkeit der Nachprägung liegt in der Schwierigkeit, tadellose Mrtrizen und Stempel herzustellen. Wer verbrecherisch nachprägt, wird nach wie vor nicht echt, sondern in Legierung»achprägen. Die Thaler sind doch ührigens der Gefahr der Nachprägung ganz ebenso ausgesetzt, wie die neuen Reichssilbermünzen. Die Zahl, welche Herr v. Kardarff für unsern Geldbestand angab, ist gvttseidank unrichtig, er hat blos den Bestand an Goldbarren angegeben.(Heiterkeit links.) Ueber die Frage, ob die Bestände an Gold und'Silber getrennt beim Bankausi»eis angeführt werden sollen, schweben Ver- Handlungen. Die Enquete ist kein taktisches Manöver, sondern ans dem Bedürfniß hervorgegangen, die so schwerwiegende Erscheinung des unerhörte» Preisrückganges des Silbers auf ihre Ursache und die Mittel ihrer'Abhilfe zu prüfen. Alle Mitglieder segeln in dem Kielwasser der auf die Hebung des Silberpreiscs gerichteten Bestrebungen. Die Reichsregierung beabsichtigt keine Aenderung des Münz- gesehes. Der Gedanke der Neuprägung der Silbermünzen kann erst Gestalt gewinnen, wenn wir zu festen internationalen Ver- einbarungen gelangt sind, dann aber wird die Umprägung von 22 Millionen gar keine Rolle spielen. Die letzte Frage der Interpellanten beantwortet sich aus dem Münzgesetz, wonach bei Neuausprägung von Scheidemünze zunächst ein Betrag vor- handener alter Scheidemünze eingezogen werden soll; wir werden die eingezogenen österreichischen Silbermünzen in erster Linie dazu verwenden. Herr von Frege hat eine solche Maßregel selbst be- fürwortet. Die Reichsregierung denkt gar nicht daran, diese 22 Millionen aus einmal auszuprägen, sie wird allmälig, dem Verkehrsbedürfniß folgend, die Ausprägung veranlassen, zunächst nur den vierten oder fünften Theil der ganzen Summe. Auf Antrag des Abg. Barth tritt das Haus in eine Be­sprechung der Interpellation ein. Abg. Müller-Fulda(Z) kann die formale Berechtigung der Reichsregierung zu der in Rede stehenden Maßregel rncht be­streiten. hat auch sachlich gegen die vermehrte Ausprägung von größeren Reichs-Silberscheidemünzen nichts einzuwenden. Sollte die Interpellation vielleicht den Zweck gehabt haben. die Währungsfrage als solche anzuschneiden, so habe das Zentruni nicht die Meinung, daß eine Diskussion darüber im gegebenen Augenblick angezeigt ist und werde sich an einer solchen nicht belheiligen. Reichsbank-Präsident Koch: Die ReichSbank ist die Haupt- Beobachtungsstation für den Bedarf an Münzen jeder Art. Aus ihren Beobachtungen läßt sich das Bedürfniß nach Silberscheide- münze genau erkennen. Die Reichsbank besitzt 239 Stellen mit Kassenverkehr, auf jede kommen durchschnittlich 499 999 M. Scheidemünzen. Die Ausprägungen haben mit dem wachsenden Bedürfniß nicht Schrilt gehalten. Die Hauptbankstellen in Chemnitz , Dortmund , Dlannbcim mit ihren zahlreichen Unter- anstalten besaßen jetzt im März 1394 an S-Markstücken nur einige Tausend Mark. 1893 sind zwischen den selbständigen Anstalten allein 95 Millionen Mark zur Befriedigung des un- abweislichsten Bedürfnisses bin- und bergeschickt worden. Die Thaler werden von dem Verkehr andauernd zurückgewiesen; alle Maßregeln der Bankanstalten haben bieran nichts ändern können. Nicht erst 1899, sondern 1839, 1384, 1887- sind große Mengen von 19-Markstücken ausgeprägt worden; nach 1399 bin ich es gerade gewesen, der sich dem Wunsche einer Bundes- regierung auf weitere Ausprägung von 19-Markstücken entgegen- stellte. Erst im vorigen Jahre hat eine weitere Ausprägung stattgefunden und dieses Quantum ist bereits wieder vollständig verbraucht. Damit werden die Behauptungen des Abg. v. Kar- dorff widerlegt. Trotz der kostspieligsten Veranstaltungen, um ie Verschickung der Scheidemünzen von Orten, wo Ueberfluß, nach Orten, wo Mangel daran herrscht, ist es uns nicht ge- lungen, den Anforderungen vollständig gerecht zu werden. Die Zahlen, die ich anführe, sind nicht auf Täuschungen des Volkes berechnet, sondern können jederzeit mit den Büchern der Bank belegt werden. Die Ziffer des Geldvorralhs ist von Herrn v. Kardorff unrichtig wiedergegeben worden; jene Ziffer um­faßt nur den Bestand an Barren und ausländischen Goldmünzen. Abg. Barth(frf. Vg.): Die Interpellation hat offenbar die Bedeutung einer währungspolitischen Demonstration. Wäre Deutschland 1373 nicht zur Goldwährung übergegangen, so hätte es einen günstigen Moment verpaßt und wir würden jetzt in den Schwierigkeiten stecken, wie sie Frankreich jetzt bedrohen. Schon 1873 hat man im Reichstage die Möglichkeit eines starken Sinkens der Silberpreise in Betracht gezogen und mit den möglichen, ja wahrscheinlichen Verlusten gerechnet, welche sich aus der Durch- führung der Goldwährung ergeben könnten. Das haben damals schon Dr. v. Moh und Bamberger hervorgehoben. Was Herr v. Kardorff in dieser Beziehung vorbringt, ist also lediglich eine Legende. Daß wir die Reichs-Silbermünzen nicht vermehren sollen, weil die vorhandenen unterwerthig sind, ist doch geradezu ein Exzeß münzpolitischer Gewissenhaftigkeit. Aus(diesem Grunde müßten doch die ganzen Silber- scheidemünzen sammt den Thalern ganz aus dem Verkehr gezogen werden. Während sich die deutschen Bimetallisten em- pören über eine so harmlose Mehrausprägung, haben es die nordamerikanischen Bimetallisten gerade durchgesetzt, daß das Zehnfache an unterwertigem Silber ausgeprägt werden sollte, was allerdings durch das Veto des Präsidenten Cleveland ver-> hindert ist. Bimetallisten sind das doch auch!(Abg. v.Kar- d or s f: Aber eine andere Sorte! Große Heiterkeit.) Um so genauer muß man sich doch diese Sorte ansehen. In dem An- trage der Grafen Kanitz und Mirbach wird mit der Unterstützung auch des Herrn v. Kardorff eine unterwerthige Ausprägung von 3399 Millionen Mark verlangt.(Abg. v. Kardorff: Aber nur unter der Voraussetzung internationaler Vereinbarungen!) Keineswegs! Die Herren haben ein sehr kurzes Gedächtniß. Die Gefahr der Nachprägung laufen alle anderen Staaten ebenso wie wir, Frankreich mit seinen Fünfsranksstücken, Amerika mit seinen Silberdollars; diese Gefahr kann zur Bekämpfung der geplanten Maßregel nicht ins Feld geführt werden. Auch ist in der Schweiz die Nachprägung fremder Silbermünzen nicht etwa gesetzlich erlaubt; ebenso wenig in Amerika , wenn auch möglicher- weise dort die Gesetze weniger strikte gehandhabt werden und die Justiz lockerer sein mag. Wenn Herr v. Kardorff so empört ist über die minderwerthigen Silber-Scheidemünzen mit dem Bild­nisse des Kaisers, so müßte er doch noch ergrimmter sein über die Reichskassenscheine, welche doch auch nur den inneren Werth des bedruckten PapierS haben, und bei den 3899 Millionen unterwerthiger Scheidemünze, welche die beiden Herren Grafen uns vor einem halben Jahre bescheeren wollten, kam doch auch das Bildniß des Kaisers in Frage. Mit der Befriedigung des praktischen Ver- kehrs-Bedürsnisses können wir nicht warten, bis die Reichs- Silberkoinmission den Stein der Weisen gefunden hat. Diese Kommission wird genau so enden, wie alle bisherigen ähnlichen Kommissionen; man wird eine Reihe von Monaten berathen und nachher steht die Sache auf dem alten Flecke. Ich halte das außerdem für die glücklichste Lösung der Frage(Heiterkeit). Inzwischen hat ja die Legende von der knrzen Golddccke als Legende thatsächlich sich erwiesen; es hat sich herausgestellt, daß die Goldfunde sich immer stärker entwickeln und daß zur Zeit mehr Gold gefunden wird als je vorher. Ein Schlußantrag, gestellt von den Abgg. Möller und R i» t e l e n, wird abgelehnt. Abg. Graf Kunitz(dk.): Nicht nur in Deutschland , sondern in zahlreichen anderen Ländern wird die Hebung des Silber- Preises verlangt und durch Ausprägung von Silbermünzen an- gestrebt. Wird Silber angekauft und vollwerthig ausgeprägt, so ergiebt sich daraus ein Gewinn von 13 Millionen aus 22 Millionen. Dieser Profit ist auch gar nicht zu vermeiden. Was aber wird aus dem Gelde, welches dergestalt dabei gewonnen wird? Es würde doch sehr zweckmäßig zur Schuldentilgung verwendet. In derselben Weise ist mein hier angezogener Antrag gedacht. Geht es mit dem Wohlstande des Landes werter, so sehe ich kein Bedenken in einer vermehrten Silberausprägung. Die ganze Reichsschuld könnte auf diese Weise getilgt werden. Das Münzgesetz von 1373 hat ein totales Fiasko erlitten, wie es gerade Herr Mohl voraus- gesagt hat. Ter Preissturz des Silbers ist eingetreten und hat die heillosen Zustände heraufgesührt, welche wir diesem Gesetz verdanken. Mit gutem Willen und ein wenig Energie brauchten wir den Weg zur Remonetisirung des Silber» gar nicht zu lang machen. Die Zustände sind überhaupt unhaltbar geworden, seit wir Handelsverträge mit Ländern mit unterwerthiger Valuta abgeschlossen haben. Unsere Bauern begreisen sehr wohl, was die unterwerthige russische Valuta bedeutet.(Lachen links.) Ein solcher ostpreußischer Bauer hat mir gesagt: Wäre das Deutsche Reich nicht gegründet worden, so hätten wir noch die Silberwährung und der Scheffel Roggen kostete noch heute 2 Thaler.(Zuruf R i ck e r t' s: Ich kann Ihnen eine viel schönere Geschichte erzählen! Große Heiterkeit.) Warum sollen die Thaler nicht das Bedürfniß decken? Ich nehme sie gern. Wenn die Leute nicht heran wollen, sagt man einfach': Der Bien muß! In der geplanten Maßregel erblicke ich ein Miß- trauensvotum gegen das Ergebniß der Berathung der Silber- kommission. Statt der Maßregel hätte ich die Einbringung eines Gesetzentwurfes zur Erhöhung des Umlaufs von 19 auf 12 M. vorgezogen. Abg. Meyer-Halle(FVg.): Daß die Agrarier die Thaler ungern nehmen, hat der Bankpräsident auch wohl nicht behauptet (Heiterkeit); es handelte sich dabei um das große Publikum. DaS Vorhandensein der Thaler ist der Schönheitsfleck, der auf unserm Münzwescn ruht und denzu beseitigen wir ernstlich bemüht sein müssen. Eine Münze, ivelche nur im Tresor der Bank liegt, ist keine Münze. Wen» wir das Silber zu 99 M. auf das Pfund ausprägen, so wird sich doch der nationale Reichthum um nichts vermehren. wenn mit der Gewalt des Gesetzes dekretirt wird, daß der Silberwerth von nun an ein höherer sei. Der Reichthum der Nationen wächst nur durch Vermehrung der Produktion; eine solche liegt aber nicht darin, daß man dem Silber einen höheren Werth aufdekretirt. John Law hat schon vor 159 Jahren ganz ebenso mit Scheinwerthen gerechnet.(Heiter- keit links.) Graf Kanitz zeigte heute, wie man mit einem Federstriche Geld schafft. Jeder solcher unberechtigte Ein- griff führt dazu, eine Klasse zu bevorzugen auf Kosten der Benachtheiligung der anderen Klaffen der Bevölkerung. Der Werthsturz des Silbers war schon vor dem deutschen Münz - gesetz eingetreten.(Widerspruch rechts.) Von einer empörten Slimmung im Lande weiß ich nichts und werde davon auch nicht erschüttert; Unzufriedenheit hat es zu jeder Zeit gegeben. Wenn der Bauer des Grafen Kanitz glaubt, der Scheffel Roggen würde heute noch 2 Thaler kosten, wenn wir nicht die Gold- Währung hätten, so widerspricht das allen Ausführungen der Agrarier seit 29 Jahren von der Ueberfchwemmung mit fremdem Getreide, von der Verkehrtheit unseres Eisenbahntariss. Schatzsekretär Graf Posadowsktz: Der Begriff der voll- werthigen Ausprägung kann doch nicht nach dem Thalcrfuß. sondern muß nach dem Metallwerth ausgedrückt in Goldwerth verstanden werden. In diesem Sinne haben die Ausführungen