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Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.
Fernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151.97.
Donnerstag, den 9. Dezember 1915.
Expedition: Sw. 68, Lindenstraße 3. Ferniprecher: Amt Moritplag, Nr. 151 90-151 97.
Erfolgreiche Angriffe auf montenegriniſche Stellungen.
Der große Tag.
Auf der Tagesordnung der heutigen Reichstagssigung steht die sozialdemokratische Interpellation über die Geneigtheit der Regierung zu Friedensverhandlungen. Daß es in dem üblichen Berichterstattersinne ein großer Tag" des Parlaments sein wird, ist kaum zu bezweifeln. Der Reichskanzler wird reden, vielleicht auch noch der Staatssekretär des Auswärtigen. Das Haus wird nahezu vollständig besetzt sein, auf die Tribünen wird der übliche Ansturm erfolgen und über dem Ganzen wird jene Stimmung lagern, die sich nur einzustellen pflegt, wenn über wichtige, die gesamte Nation berührende Gegenstände geredet wird. Ob es aber ein großer Tag in des Wortes tieferer Bedeutung sein wird, das läßt sich nicht voraussagen, das hängt ausschließlich vom Parlamente selbst und in erster Linie von der Sozialdemokratie und ihren Rednern ab.
Eine Interpellation ist eine Anfrage an die Regierung in besonders feierlicher Form. Sie verfolgt nicht nur, wie die sogenannten fleinen Anfragen, den Zweck, über eine bestimmte Sache eine Auskunft zu erhalten. Sie ist nicht nur ein Weg, auf dem sich berechtigte Neugierde befriedigen läßt, sondern sie gehört zu den Mitteln parlamentarischer Kontrolle. Sie will den Standpunkt der Regierung kennen lernen, um ihn kritisieren zu können. Sie soll Gelegenheit bieten, die eigenen Ansichten und Absichten mit denen der Regierung zu bergleichen, fie ihnen unter Umständen entgegenzustellen und sie den ausführenden Organen als Richtschnur ihrer Politik zu empfehlen. Es gibt Fälle, in denen eine Interpellation eingebracht wird, um der Regierung die von ihr selbst gewünschte Möglichkeit zu einer Mitteilung über ihre Meinungen und über ihre Pläne zu gewähren, meistenteils aber bedeutet die Interpellation, daß die, die sie stellen, von vornherein größere oder geringere Zweifel über die Zweckmäßigkeit der Regierungspolitik hegen.
Die Art der Fragestellung hängt von den Umständen ab. Häufig mag es ausreichen, sie ganz allgemein zu halten. Schr oft aber wird es nötig sein, ein besonderes Gewicht auf die Form zu legen, und die Frage möglichst genau zu fassen, um dem Antwortenden ein Ausweichen und ein Umgehen des wichtigsten Punktes zu erschweren. Die Minderheit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion ist der Meinung gewesen, daß die schärfere Formulierung auch diesmal am Plage sei. Sie wollte vom Kanzler wissen, ob er die Geneigtheit besize, Friedensverhandlungen auf der Basis eines Verzichts auf Annegionen durch alle frieg führenden Länder zu führen. Die jezige Interpellation der Fraktion spricht aber nicht von Annexionen. Sie schreibt also der Regierung feine. beſtimmte Marschroute vor und sagt formell auch nichts über die Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion von den Möglichkeiten der Friedensverhandlungen und des Friedensschlusses. Wir bedauern das, weil uns hier eine genaue Antwort mehr als je dringend notwendig erscheint, und weil wir es für wünschenswert gehalten hätten, daß schon durch die Fassung der Frage den Rednern der Fraktion ein bestimmter Leitfaden für ihre Ausführungen gegeben worden wäre.
Freilich hätte ja für Herrn von Bethmann Hollweg kein ftaatsrechtlicher Zwang bestanden, die schärfer gestellte Frage präzis zu beantworten. Grundsäßlich ist er überhaupt nicht genötigt, auf Dinge, die ihm unbequem find, einzus gehen, und er fönnte sich, wenn er wollte, auf das Vorbild Bismards berufen, der im Preußischen Landtage im Jahre 1867 mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit ein für allemal ablehnte, über schwebende Verhandlungen mit auswärtigen Mächten, über bevorstehende Verhandlungen mit auswärtigen Mächten öffentlich Auskunft zu geben." Aber das ganze Interpellationsrecht des Deutschen Reichstages ist in den Bestimmungen der Verfassung nur unzureichend fundamentiert. Es ist mehr oder weniger ein Anspruch, der sich aus der einfachen Tatsache eines Vorhandenfeins des Parlaments ableitet, und die Rücksicht auf diese Tatsache wird es einer Regierung immer schwer machen, einer bestimmt vorgebrachten Frage ohne weiteres aus dem Wege zu gehen. Man hat dem Kanzler aber sicher mit der Ablehnung der Minderheitsformulierung erleichtert, um den heißen Brei vorsichtig herumzugehen.
Meldung des Großen Hauptquartiers. iti bon der Regierung zu fordern, daß fie fich ebenfalls zu
Amtlich. Großes Hauptquartier, den 8. Dezember 1915.( W. Z. B.)
Westlicher Kriegsschauplah.
Versuche des Feindes, uns den Erfolg öftlich von Auberive streitig zu machen, scheiterten. Außer den Gefangenen sind dort 3 Maschinengewehre in unsere Hand gefallen.
Nordöstlich von Souain wurde den Franzosen die Stellung auf der Höhe 193 in einer Ausdehnung von etwa 500 Metern entrissen. Bier Gegenangriffe wurden abgeschlagen. Ein Offizier, 120 Mann sind gefangengenommen. 2 Maschinengewehre erbeutet.
Deftlicher Kriegsschauplaş.
An der Front der
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg wurden vereinzelte Borstöße schwächerer russischer Abteilungen zurückgeschlagen.
Balkankriegsschauplah.
Bei Jpek wurden 80 Geschütze und viel Kriegsgerät erbeutet. Gestern find über 2000 Gefangene gemacht worden.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichische Generalstabsbericht.
Wien , 8. Dezember. ( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: 8. Dezember 1915.
Russischer Kriegsschauplak. Nordöstlich von Czartorysk vertrieb österreichische Landwehr stärkere russische Erkundigungsabteilungen. Sonst nichts Neues.
Italienischer Kriegsschauplak.
Die Geschütkämpfe an der Isonzofront waren gestern heftiger. als in den letten Tagen. Nachmittags schritt der Feind zum Angriffe auf den Nordteil der Hochfläche von Doberdo . Gegen den Monte San Michele brach die italienische Infanterie in dichten Maffen vor. Am nördlichen Hange des Berges gelang es ihr, in einen Teil unserer Front einzudringen. Unsere Truppen gewannen durch Gegenangriff in erbittertem Handgemenge ihre Gräben wieder vollständig wieder zurück; im übrigen wurde der feindliche Ansturm durch Feuer unter schweren Berluften der Italiener zurückgeschlagen. Auch im Abschnitte von San Martino scheiterten mehrere Borstöße des Gegners. Abends wurde Siftiana von mehreren italienischen Torpedofahrzeugen beschoffen.
Südöstlicher Kriegsschauplas.
Unsere Angriffe gegen die montenegrinischen Stellungen nördlich von Berane haben Erfolg. Wir erstürmten an mehreren Punkten die feindlichen Linien. Ipek ist vom Gegner gesäubert. Unsere Truppen erbeuteten achtzig Geschütze, hundertsechzig Munitionswagen, vierzig Automobile, zwölf fahrbare Feldbacköfen, einige Tausend Gewehre und viel anderes Kriegsgerät. Die Zahl der gestern von der Armee des Generals v. Köves cingebrachten Gefangenen übersteigt abermals zweitausend Mann; unter ihnen befinden sich dreihundert Montenegriner. Die Arnauten nehmen überall in den Kämpfen gegen die Reste der serbischen Armee teil.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Italienischer kleiner Kreuzer versenkt.
Wien , 8. Dezember. ( W. Z. B.) Amtlich wird verlantbart: Eines unserer Untersceboote hat am 5. d. Mts. um 10 Uhr vormittags vor Balona einen italienischen kleinen Kreuzer mit zwei Schloten versenkt. Flottenkommando.
zeitig ihnen
Dieselbe Schwachmütigkeit, die sich hier offenbart, tritt aber auch in der ebenfalls in einigen sozialdemokratischen Blättern fundgegebenen Auffassung zutage, alles Reden im Parlament sei unnüß, und letzten Endes könnten den Frieden nur die Kanonen auf den Schlachtfeldern herbeiführen. Der militärische Sieg Deutschlands sei der einzige Weg zur Wiederherstellung der Ruhe Europas . Wenn das richtig ist, dann war die ganze Interpellation von vornherein überflüssig, und wenn der Abgeordnete Lensch, der in der Presse ähnliche Ansichten ausspricht, damit die Meinung der Fraktionsmehrheit wiedergeben wollte, so würde sich daraus der Schluß ziehen lassen, daß diese die Anfrage überhaupt nur gestellt hat, um der Minderheit den Wind aus den Segeln zu nehmen und den Anschein zu erwecken, als geschähe etwas, während in Wirklichkeit nichts geschieht. Das anzunehmen aber wäre eine schwere Beleidigung für die Mitglieder der Fraktionsmehrheit, und wir hoffen, daß die Reden der Genossen Scheidemann und Landsberg keinen Zweifel darüber lassen werden, daß sie sich selbst ernst nehmen, das heißt, daß sie fest von der günstigen Wirkung überzeugt sind, die eine rückhaltlose Vertretung der sozialdemokratischen Friedensgedanken im Ausland hervorrufen. Selbst wenn die Regierung sich nicht entschließen kann, die Berechtigung der sozialdemokratischen Forderungen anzuerkennen, so bedeutet es schon viel, wenn sie wenigstens von der Sozialdemokratie selbst unter energischer Ablehnung aller entgegenstehender Programme im Reichstag verkündet werden. Zum mindesten das eine würde erreicht werden, daß das Mißtrauen schwindet, das einige unserer ausländischen Bruderparteien noch hegen; denn soweit wird doch wohl der Kleinglaube jener nur auf die Kanonen vertrauenden Parteigenossen nicht gehen, daß sie sich auch von einer Wiederannäherung der Sozialisten der verschiedenen Länder, von einer Wiederherstellung der Internationale, nichts für den Frieden versprechen.
Der heutige Tag kann zu einem großen Tag für die Sozialdemokratie, zu einem Schicksalstag für Europa werden. Erste Vorbedingung aber ist der Wille der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, die Gedanken, die sie sich nach der Ueberlieferung und dem Programm der Partei über den Frieden machen muß, rückhaltlos zu verkünden. Es kommit nicht darauf an, daß gesprochen wird, sondern was ge= sprochen wird. Der Interpellation muß der rechte Inhalt gegeben werden, wenn sie mehr sein soll als eine schöne Geste.
Die Dummen und die Schlauen.
„ Harmlose Idealisten" nennt Herr Georg Bernhard in der Voff. 8tg." die Leute, die auf dem Standpunkt stehen, daß Deutsch land jetzt der Welt mitteilen könne, unter welchen Bedingungen es zum Frieden bereit sei. Eine solche Bekanntgabe der Kriegsziele werde im feindlichen Auslande falsch ausgelegt werden; die einen würden sie als ein Zeichen für die augenblickliche militärische Schwäche Deutschlands ausschreien und die anderen würden es so darstellen, als ob die deutsche Regierung den Frieden nur deshalb jetzt haben wolle. weil sie zurzeit günstigere Bedingungen erwarten dürfe als später:
Für die ganz Dummen, denen man einreden kann, daß Deutschland schon besiegt sei, wird jede deutsche Friedensneigung als Eingeständnis folcher Echwäche ausgelegt; und für die Schlauen, denen die augenblickliche Lage nicht verheimlicht werden fann, wird jedes deutiche Friedenswort als ein Zeichen deutscher Furcht vor dem, was in der Zeiten Hintergrunde schlummert, dar gestellt."
Herr Bernhard glaubt damit den schlüssigen Beweis erbracht zu haben, daß nicht der Reichskanzler und der Reichstag , sondern nach wie vor nur die Kanonen sprechen müssen. Aber in Wirklichkeit hat er sich mit seinem Hinweis auf die ganz Dummen" selbst widerlegt. Mit dieser Kategorie muß zwar gerechnet werden, jedoch können wir unsere Entschließungen nicht von der mutmaßlichen Wirkung auf sie abbängig machen. Schließlich wird es auch nach weiteren militärischen Erfolgen noch immer„ Dumme" geben, die diese Siege nicht anerkennen wollen, und es wird auch nicht an Zeitungen fehlen, die wie das von Bernhard zitierte„ Echo de Paris" diese Ignoranz to be geflisfentlich nähren.
Blieben also die Schlauen, die auf eine Verschlechterung der Situation Deutschlands spekulieren. Zugegeben, daß sie ernster genommen werden müffen als die anderen. Aber ihre Auffassung
Das um so weniger, als leider auch in einer Reihe von sozialdemokratischen Blättern Herrn von Bethmann ausein- berücksichtigt laffe, und das ist, gelinde gefagt, eine andergesetzt worden ist, daß er im gegenwärtigen Moment sehr merkwürdige Politit. Sie zeugt von einem der Dinge hängt in feiner Weise davon ab, ob die deutsche Remit Rücksicht auf den zu erwartenden Eindruck im Aus- außerordentlich geringen Vertrauen in die Güte der eigenen gierung fich über ihre Ziele ausspricht oder nicht. Schweigt sie oder lande die Ablehnung von Annerionen nicht ausdrücklich Sache, und sie muß in threr Konsequenz zu der Forderung redet sie um den Kern der Sache herum, so können die Schlauen aussprechen dürfe. Noch ehe der verantwortliche Minister sich führen, daß auch die Vertreter der sozialdemokratischen Par- genau so gut auf die Zukunft hoffen, wie wenn der Kanzler und geäußert hat, wird ihm hier die beruhigende Versicherung tei im Reichstage um des Eindrucks nach außen willen auf die Parteien unumwunden sagen, wie sie sich eine Beendigung des gegeben, er habe feinerlei Kritik zu befürchten, wenn er bei die Betonung ihrer wichtigsten Grundsäße Verzicht leisten Krieges denken.
der etwaigen Entwidelung seiner Friedensideen den wichtig- müssen. Denn es wäre doch geradezu eine Komödie, die Laffen wir doch die Dummen und die Schlauen aus dem Spiel sten Punkt des sozialdemokratischen Friedensprogramms un- eigenen Friedensbedingungen hervorzuheben, ohne gleich- und halten wir uns ganz einfach an die Tatsache, daß in allen