32. z-w» j M\m des„Nmarts" Kerliller NoldsdlM.
Eine sozialistische Rede im italienischen Parlament. Von der Rede, die Genosse T r e v e S im italienischen Parlament gehalten hat, liegen nun genauere Berichte vor, die eS möglich machen, diese ausgezeichnete Kritik der äußeren und inneren Politik der Regierung auch den Sozialisten anderer Länder vorzulegen. Daß die Rede auf das Parlament einen tiefen Eindruck machte, haben die Depeschenbureaus gemeldet. TreveS hat eine volle Stunde gesprochen, unter großer Aufmerksamkeit, und nur selten unterbrockien. Er begann mit der Klage, daß die Regierung in der B e- schräntung der bürgerlichen Freiheiten über das durch die Kriegsnotwendigkeiten gegebene Maß hinausgegangen sei. Er protestierte gegen die Jnternierung politisch unbequemer Personen ohne Verhör, gegen die politische Tendenz, die die Zensur beherrscht und die dem einen den Angriff, dem anderen aber nicht die Verteidi- gung erlaubt und bei dem einen streicht, was sie beiin anderen durchgehen läßt:»Hat die Negierung die Kampagne gegen den »inneren Feind' inS Leben gerufen und befördert? Das wird wohl niemand behaupten. Aber es ist eben der Nachteil deS Zensurregiments, daß es die Regierung dem Verdacht preisgibt, daß alles, was die Zensur gestattet, den Zwecken der Regierung entspricht. »Die Wiederaufnahme der parlamentarischen DiSkusfionen be- deutet einen großen Sieg des demokratischen Parlamentarismus . Die Mai-Demonstrationen ün Volk und im Parlament waren eine Sleußerung freien Willens, ungleich den vom Januar 1913 in Kon- stantinopel, wo der außerordentliche Rat des oSmanischen Reichs ein- stimmig beschloß, den Frieden zu bewahren, aber am folgenden Tag em militärischer Aufruhr die Regierung zum Krieg zwang. Demo- kratie ist keine Demagogie... Die Führer, die mit dem Volk in enger Fühlung sind, wisien, daß eS auf dem Schlachtfeld wie im Lande seine Pflicht tut, mit dem schlichten Heldenmut, wozu das harte Arbeiterleben die Eni- erbten des Glücks so oft entzieht. Aber das Volk sieht auch andere Dinge: die lange Dauer des Krieges, von dem es im Mai hieß, daß er so bald zu Ende sein würde, und das Zusammenbrechen gewisser Balkan»Kombinationen, auf die die Jnter- vention Italiens angeblich gegründet war. ES sieht, wie die Preis- erhöhuug des SalzeS und der Briefmarken, wie die Aufhebung ge- wisier, den Genossenschaften gewährten Steuerfreiheiten der Be- lastung der Reichen weit vorausläuft.... Und während es steht, wie sänftiglich der neue Gesetz- entwurf die Kriegsgewinne behandelt, merkt eS, wie ungeheuer der Betrug emporschießt, ein ganz besonderer Betrug, der tatsächlich der niedrigste Landesverrat ist, weil er unseren Soldaten schwere Leiden bringt. Bis zur Rede S o n n i n o s konnte man in der öffentlichen Meinung, soweit sie für die Intervention war, zwei Strömungen unterscheiden: Die eine war nationalistisch, ja entschieden imperialistis ch. Der Krieg ist ihr zufolge begonnen worden, um Italien seine natürlichen Grenzen zu geben und die unter- drückten Völker von der teutonischen Vorherrschast zu befreien. Dazu kommt die Mittelmeerfrage. Da tauchen schwierige Probleme auf. Was soll auS Konstantinopel , was ,auS Asien werden? Wer soll daS Heilige Land besitzen? Geht Italien darauf aus, von der Kriegsbeute seinen Teil heimzubringen?— Wenn ja, dann über- schreitet man die Grenzen deS gewöhnlichen Nationalismus. Die andere Strömung ist bescheidener, ich würde fast sagen, kleinbürgerlich: Krieg für unsere Grenzen und für uns selbst! »Heiliger Egoismus'. Ist vielleicht Minister Barzilai der Vertreter oder gar das Sinnbild dieser Strömung? Die demokratische Strömung ist behutsam. Sie hat sogar, durch de» Mund eines ihrer maßgebendsten Anhängers gemahnt, darauf zu achten. Kiß beim Ernten des Jahrhunderte alten Erbes kein Stückchen Land mit fremdsprachiger Bevölkerung Italien einverleibt werde, damit lem umgekehrter JrredentiZinus entstehe. SonninoS Rede war ein Versuch, die drei Etrömungeu in ein in der Mitte liegendes Bett zu leiten. Die Balkonpolitik erntete die Früchte, die sie verdiente. Die Mächte hatten mit schlechten Mitteln gearbeitet: mit Geld, mit Hetzereien, die die Länder, die Völker und die Fürsten von Europa läckierlich machten. Die Mächte haben diese Völker gegen einander aufgereizt und sich selbst fast als ihre Erben auf- gespielt. Was Wunder, daß an dem Tag, da die Verbündeten ineinten, die großen sittlichen Prinzipien anrufen zu müfien, um diese Völker zu vereinigen, der Balkanbund nicht mehr bestand? ES bestanden nur noch die fremden Interessen, die großen Zeitungen, die man kauft und die großen Par- teien. die sich selb st verkaufen. Sonst nichts. Auch in der Politik kann man nur auf sittlicher Grundlage etwas slbaffen. Ein Geist, der zum Egoismus des Erfolges erzogen ist. rechnet nur mit dem Erfolg. Sonnino hat gesagt, daß die Arbeit der Diplomatie über die Denkweise der Balkonvölker wenig vermocht habe, aber die Schuld liegt vor allem bei der stüheren Politik des Dreibundes, die zur Spaltung dieser verwandten Völker beitrug. Der europäische Krieg ist ein BerfolgungZwahnsinn in attiver und passiver Fonn. Die Politik der Allianzen führte notwendig dazu, daß aus einem Konflikt ein allgemeiner Krieg wurde... Italien hat das Abkommen von London gezeichnet. Ich hoffe, daß dieser Anschluß das Heil bringe, aber eS ist sicher, daß es eine Genossenschast stiftet, worin eine Ueberordnung von M a ch t ist. Soll daS Ziel nach dem kleinsten oder nach dem größten gemeinschaftlichen Nenner bestimmt werden? Im ersten Fall kann der Verlrag erfolgreich sein, im zweiten kann er auch zur Unterdrückung führen... Als Angehörige unserer Partei müssen wir dafür eintreten, daß der Krieg möglichst begrenzt werde. Man vergesse auch die geographische Lage Italiens nicht! Es liegt wie das Zünglein einer europäischen Wagschale. Darum konnte eS sich auch niemals ganz einer politischen Konstellation hingeben und be- wahrte es allzeit eine gewisscFreiheit des Handelns!... Unsere Lehre in bczug auf den Krieg muß dieselbe bleiben. Die verwickelten Verhältnisse der Menschen machen eine Lösung ihrer Konflikte durch das Recht notwendig. Der Krieg zerreißt Konflikte, aber er löst sie nicht auf I Es scheint, daß ein moderner Staat nicht nieder- zuwerfen ist. Auch O e st e r r e i ch, von dem eS schien, als ob es beim ersten Stoß auseinanderfallen sollte, hat, als der Krieg es bedrohte, einen unerwarteten Zusammenhang gesunden... Der Krieg hebt da? kavitali st ische System nicht auf. Im Gegenteil! Er verschärft es noch, indem er nngehenren Reich-
tum und ungeheures Elend schafft... Der Sozialismus ist also nicht tot... Eine der Ursache« dieses Kriege? war der furchtbare Gegensatz deS deutschen und des englischen Imperialismus... Aber schon taucht ein Dritter als Triumphator auf. ES ist wie in WagnerS klassischem Werk: die Riesen haben einander totgeschlagen mtd der Zwerg packt den Schatz.(DaS Zitat stimmt nicht. D. Red.) Amerika liefert uns Maschinen und Produkte und leiht unS die Milliarden, um sie zu kaufen. Binnen kurzem wird eS unsere energischsten Männer zu sich hinüberziehen. Die Zu- kunft wird noch weiter kapitalistisch sein. Dahinter aber wird der Sozialismus emporblüheu! Wir verlangen nach Frieden. Nicht nach dem»deutschen Frieden', aber auch nicht nach einem, der die äußerste Er- s ch ö p f u n g Europas bedeuten würde. Das wäre der Friede des Kirchhofs. lieber dm Frruugm und dem verrat der Vergangenheit ersteht eine Zusammenkunft wie in Zimmerwald, wo man die Hoffnung aus Wiederberstellung Polens und Serbiens aussprach, die Hoffnung auf einen Frieden ohne Annexion.... Diese Zusammenkmrft wird von der Geschichte einst sicherlich edlm Taten, wie dem Einspruch Bebels und Liebknechts gegen die Annektierung Elsaß-LothringenS an die Seite gestellt werden. Man muß den Mut haben, eS auszusprechen. Die Menschheit verlangt nach dem Frieden, weil sie danach ver- langt, zu leben. Ich weiß, daß in der letzten Zeit ein neuer ver- derbliwer Mystizismus aufgekommen ist, der den Tod als eine not- wendige Buße verherrlicht. Wofür sollte man Buße tun müssen? Für die Sünde, die das arme, niedergetretene und gemarterte Volk begeht, wenn es mit den Mitteln einer kultivierten Politik den „beschränkten Materialismus' von etwas mehr Brot und etwas mehr Gerechtigkeit sucht? Aber bis gestern hat sich jeder von unS — mit Recht oder Unrecht— gerühmt, an der Verbesserung deS stoff- lichen und sittlichen Daseins des Volkes teilgenommen zu haben. Ver- leugnen Sie nichts davon, meine Herren, und denken Sie lieber daran, ob Sie es nicht diesem beschränkten, kleingeistigen Kainpf für Lohn, Gesundheit, Unterricht, Einschränkung von Frauen- und Kinderarbeit schuldig sind, daß jetzt ein Volk unter den Waffen steht, das anderen ein glänzendes Vorbild gibt, und ob nicht dazu der gehaßte Sozia« lismus, den Sie nun tot erklären wollen, mitgewirkt hat durch seine Propaganda, Disziplin, Erziehung zur Opferwilligkeit in getvöhn« lichen Werkzeiten wie in Zeiten von Streik, Wahlen und sogar Auf- ruhr l Verleugnen Sie nichts, meine Herren! Den» die wahre Brüderschaft des Lebens haben Sie nicht betäubt und werden Sie in diesem Krieg nicht betäuben! Und morgen wird das Leben wieder beginnen. Dies ist Gewißheit!' vom Kampf um deutfth-Süöweftafrika. Zu der Erklärung des KolonialstacrtSsekrctärS Dr. Solf auf die Bassermairnsche Anfrage über Deutsch-Süd west afrika im Rerchstage geht dem Wolffschen Tele- graphenburoau von einem der kürzlich aus Südwest zurückgekehrten Aerzte nachstehende Zuschrift zu, welche die Ausführungen des Staatssekretärs noch ganz boson- ders unterstreicht..Daß Deutschland seit langem Vovbereitirngen getroffen haben soll zu einem Angriff auf die südafrikanische Union , ist, wie Exzellenz Solf zutreffend ausgeführt hat, eine der vielen seitens unserer Gegner aufgestellten unwahren Behaup- luugelt. Der Etat der Schutztruppe für Deutsch -Südwestafvika ist bekannt. Er betrug vor Kriegsausbruch leider nur 18l Offiziere, Sanitätsoffiziere und Beamte sowie 1967 Unteroffiziere und Mannschaften. Dazu kam die Landespolizei mit 16 Offizieren und Beamten und 466 Polizeiwachtmeistern und Sergeanten. Ueber diese Etatszahlen hinaus befand sich kein aktiver Soldat im Schutz- gebiet. Im Gegenteil, die tatsächliche Jststärke stand infolge von Kvankheiten, Beurlaubungen und Abgängen des letzten Jahres hinter der Sollstärke zurück. Für den Kriegsfall konnte die Truppe sich le&igßch auf Grund des Wehrgesetzes von, 22. Juli 1913 durch die im Lande Vorhan- denen Mannschaften des Beurlaub tcnstandeS ergänzen. Devon Anzahl betrug etwa 3909 Mann. Damit konnte tnc aktive Schutz- truppc allerhochstens auf 6990 Mann gebracht werden. Tatsächlich hat sie diese Stärke aber im Verlauf des Krieges nie erreicht. Die feindlichen Ausstreuungen, daß wir in Deutsch-Südwestafrika eine überkriegsstarkc Division von mindestens 39 990 Mann gehabt hätten, such, wie so viele andere, eine böswillige und hin! erlistige Erfindung, die ihren Zweck in Südafrika aber vorläufig leider nur allzu gut erreicht zu haben scheint. An Waffen uich Munition, Ausrüstung und Bekleidung, Tieren med Fahrzeugen, sowie an Vorräten hatte die Schutztelchpe nur die Bestäiche zur Verfügung, welche für die Ei-atsstärke und die Mannschaften des Beurlaubtenstaiches erforderlich waren, nebst einem kleinen Reservebostand fiir den Verbrauch. Für weiteren Bedarf war die Truppe auf Nachschub von der Heimat angewiesen, der aber, wie ja bekannt, währeich dieses Krieges nicht erfolgen konnte. Die Angahl der vorhandenen kriegSb rauchbaren Gewehre betrug rund 19 999 Stück. Das hat die festchliche Phantasie aber nicht gehindert, noch nach der Kapitulation 27 999 Gewehre zu finden. Diese Phantasiegewehre waren natürlich nur erfunden, nicht gefunden, um die südafrikanischen Bürger über die bösen deutschen Absichten in Angst und Schrecken zu versetzen. An Artillerie waren vorhanden 12 7,S-cm-Gebirgsgeschütze, 4 leichte Feldhaubitzen, 39 Feldgeschütze älterer Konstruktion, von denen aber 13 Stück bei Kriegsausbruch instandsetzungsbedürftig oder völlig unbrauchbar waren. KricgSuiwvauchibar waren auch die von früher der noch vorhandenen 11 Stück 3,7-em-M aschinen- kanonen. Schwere Geschütze waren überhaupt nicht vorhanden. Die Bestände an Munition überstiegen trotz der ebenfalls frei erfundeneu feindlichen Behauptung, daß nach der Kapitulation noch Munition für 60 090(!) Mann»ergraben aufgefunden worden sei, nicht die Mengen, wie sie die Truppc für ihren Friedensbedarf uitü die ersten Kriegsbedürfnisse benötigte. Auch hier war für den Fall eines größeren Eingeborenenaufitaiches— mit einer kriegerischen Verwickelung mit der Union oder einen, anderen europäisch ausgerüsteten Gegner hatte man ja nie gerechnet— der erforderliche Ersatz von der Heimat aus vorgesehen. Ebenso wie mit der Munition verhielt es sich mit der Bekleidung utii» Ausrüstung. Der Bestand am V er p flegu ngSv o rräte n reichte fiir die Gesamtkriegsstäck aus sechs, höchstens acht Monate, wie die am Ende des FeldzugeS cintrciemldc allgemeine Knappheit ja auch genügend klar bewiesen hat. Nach dem Vorstehenden kann also weder von einer Anhäufung von Munition und Waffen, noch von der Aufstellung einer„be- surgniserregenden" Truppennmcht in Deutsch -Südwestaffika die Rede sein. Die tatsächlich vorhanden gewesenen Verhältnisse sind der schlagcuditc Beweis dafür, daß man deuffcherseitS gar nicht an einen Angriffskrieg gegen die südafrikanische Union gedacht haben kann. Will man sich daö mxh besonder» deutlich vor Augen stellen, dann braucht man sich nur die englischen Truppenstärken zu ver- gegenwärtigen, welche nötig waren, um den kleineren Teil de?
jetzigen Unionsgcbietes der englischen Herrschaft zu unterwerfen. Alle die aus englischer Quelle stammenden Behauptungen über angeblich große Funde an Munition und Waffen in Deutsch -Süd wcstafrika sind, wie die von Staatssekretär Dr. Solf gebührend gebrandmarkte klartcnfälschnng Bothas, nur frei crfimden worden zu dem Zweck, um die einem gesunden völkischen Empfinden ein- springende Abneigung des übenviegcndcn Teiles der südafrita- nischen Burenbevülkerung gegen einen Angriffskrieg gegen deutsche Besitzungen zu ülierwinden uich die sich folgerichtig gegen die englische Herrschaft wendenden Gefühle abzukühlen. Botba niw Genossen spielen ein gefährliches Spiel. Sic werden es verlieren, sowie die Wahrheit über Deutsch -Südloestaffika und ihre Freibeuter- Politik in Südafrika allgemein bekannt werden wird."
politische Ueberflcht. Wohin geht der Zkurs? Wie noch bei jeder„Finanzreform', welche? schöne Wort als Umschreibung der Erhöhung der Steuern benutzt wird, setzt die Stimmungsmache ein. Bor einigen Tagen stellte in der.Post' die»parlamentarische Seite' Betrachtungen über die künftige Steuerpolitik an und kam zu dem erbaulichen Schluß, daß an dem geheiligten Brauch, wonach die direkten Steuern den Einzelstaaten zufallen, die indirekten dem Reiche, nicht gerüttelt werden darf. Die»parlamentarische Seite' weiß bereits, daß Preußen gezwungen sein wird, die Steuerzuschläge zur Einkommen- und Er- gänzungssteuer zu verdoppeln und auch die Gemeinden würden wohl im Durchschnitt SO Proz. Zuschlag zur Einkommensteuer erheben. Auf diese Weise werden Einkommen und Besitz erheblich belastet und das Reich rnüffe sich mit»Verkehrs- und Verbrauchsabgaben' begnügein In die gleiche Kerbe haut die»Nene politische Kor- respondenz'. Es heißt da: »Das Reich wird in der Hauptsache auf Monopole uv> indirekte Steuern, die Einzelstaaten auf direkte Steuern angewiesen sein. Für einzelne MassenverbrauchSgegen stände ist die Schaffung ertragreicher Monopole Zweifel- los außerordentlich günstig, ohne daß dadurch der Handel, die Fabriken und Verbraucher ivesentlich beeinträchtigt werden dürfen. Bei allen Steuern kommt eS wesentlich darauf an, daß man ihre Veranlagung n, ö g l i ch st einfach gestaltet und eine Regelung trifft, durch die das beteiligte Gewerbe auf längere Zei, Ruhe hat, um sich mit der eingetretenen Belastung abfinden zu können. Wir haben noch steuerlich verivertbare Objekte genug, die zu ansehnlichen Erträgen für die Reichskasse herangezogen werden können; auch auf dem Gebiete der Gebührenerhebung lassen sich durch zweckentsprechende, dem Bedürfnis augepaßte Ausgestaltungen der jetzigen Systeme Millionen einbringen. Es kommt dabc, nur darauf an. der Besteuerung das Lästige zu nehmen und die Erhebungsunkosten auf ein geringes Maß zu bringen. Der Reichsschatztekrctär kennt die Praxis deS Geschäfts- und Erwerbslebens aus eigenster �ErfrUd- rung, und er weiß darum auch, daß jedes komplizierte Steuer fystem mancherlei Gefahren in sich birgt. Da allerseits die Not- wendigkeit, neue Einnahmequellen für das Reich zu beschassen, an- erkannt wird, läßt sich annehmen, daß Regierung und Reichstag zu einer befriedigenden Lösung der Aufgabe seinerzeit kommen werden.' Die genannte Korrespondenz wird öfter offiziös benutzt, nur weiß man niemals genau, von welchem Ressort eSjedeSmal geschieht. So weiß man auch jetzt nicht, ob Herr Helfferich a»f diese Weise die Stimmung vorbereitet oder ob das preußische Finanzministerium ihm«ms diesem Wege zu verstehen gibt, daß er als neuer Mann sich in den gebotenen Schranken zu halten hat und die Kreise de? geheiligten Dualismus in Finanzsachen nicht stören darf. Zu bemerken ist dazu vor allem, daß jener schöne Grundsatz. wonach das Reich auf indirekte Steuern angewiesen bleibt, weil die direkten von den Einzelstaaten mit Beschlag belegt sind, eines der Grundübel ist, woran die Finauzwirtschaft krankt. Solange dieses System aufrecht erhalten bleibt, ist von einer wirklichen Reform der Finanzwirtschaft nicht die Rede. Es wäre verhängnisvoll, wenn selbst die Katastrophe deS Weltkrieges nicht mit dem System de? Hühnerstalles aufräume» sollte, bei dem jedes der sechsundzwanzig Vaterländer al« besorgte Henne auf ihren Finanzeiern brütet, nnbc- kümmert ob darob daS Ganze zum Teufel geht. Die Inspiratoren deS Artikels in der» N e u e n politischen Korrespondenz' wären dringend zu ersuchen, weniger orakelhaft sich zu äußern. Denn für den gewöhnlichen Menschen- verstand ist eS unerfindlich, wie Monopole beschaffen sein sollen, bei denen weder Handel, Fabriken noch Verbraucher.wesentlich beeinträchtigt werden". Monopole haben den Sinn, Profite, die den P r o d u- z e n t e n und den Händlern zufließen, dem Staate zuzu- führen. Will man aber Fabriken und Handel nicht bcein- trächtigen und doch Monopole einführen, so wäre das ein kindisches Beginnen, dem gegenüber das Bemühen, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen, noch als se h r er sp r i e ß li ch e B e sch S fti g un g zu betrachten ist. Was die Verbraucher anbetrifft, so sind sie wohl nur versehentlich aufgezählt worden. Monopole, die im fiskalischen Jntereffe eingeführt werden, laufen stets darauf hinaus, daß die Güter, deren Herstellung und Vertrieb monopolisiert werden. künstlich verteuert werden; sie wirken stets wie indirekte Be- ftcuerung. Aber dieses Gerede von Monopolen, die weder Fabriken noch Handel.beeinträchtigen', ist aus einem anderen Grunde verdächtig. Seit geraumer Zeit macht sich in Deutschland die Tendenz be- merkbar, die durch die Kartellierung entstehenden Privatmonopolc mit staatlichen Monopolen zu verkoppeln(so bei dem Branntwein, Kali, Petroleum). DaS ist so ziemlich das Gefährlichste, woS eintreten kann, da auf diese Weise erstens die Verbraucher doppelt geschröpft werden, durch das Privatkapital und den Staat, und weil auf diese Weise der Staat mit kapitalistischen Jnteresientenkreisen liiert wird. Die Arbeiterklasse hat da? dringendste Interesse, derartigen Tendenzen sich aufs entschiedenste zu widersetzen. ES wäre wahrlich an der Zeit, daß man dem Volke klaren Wein einschäntt und sagt, wohin der KurS geht.
Tie bürgerliche �inanzrcform. Die»Köln . Volksztg.' ist überzeugt, daß die Sozialdemo- kratie als positive Mitarbeiterin bei der Schaffung der neuen Steuern nicht in Betracht kommt: „Wenn im März die neuen S t e u e r v o r i a g e» komme» und darauf die große, vielleicht größte Finanzreform beginnt, dann wird die sozialdemokratische Mehrheit von heute nicht mebr 66 Stimmen zählen,»licht»nehr die Mehrheit bilden, sondern zur Minderheit zusammengeschmolzen sein. DaS ergibt sich auS der