ür. 355. 32. Jahrgang.
3. SrilW des Jotmärts" KM« lolMlon.
Zsmabend, 25. Dtzmber 1915.
Ms Groß-öerlin. Weihnachtsbescherung. In diesem Jahre dürste in Tausenden von Familien die Weihnachtsbescherung recht dürftig ausfallen. Der Vater im Felde oder gefallen, die Lebensmittel hoch im Preise, lassen die Mittel zu Bescherungen äußerst knapp werden. In vielen Fällen dürfte an eine Weihnachtsbescherung gar nicht gedacht werden können und mancher Mutter lvird es schmerzen, den Kindern so gar nichts bieten zu können. Weihnachten ist vor allem das Fest der Kinder. Zahl reiche Vereinigungen versuchen zu helfen und Freude auch dort zu verbreiten, wo sonst nur Jammer herrscht. Vielfach wird diese Äbsicht auch erreicht, aber viele, viele müssen un- berücksichtigt bleiben. Wem von uns erwachsenen Proletariern Vierden da nicht Erinnerungen wach an die eigene Kinderzeit. Vater und Mutter konnten kaum soviel heranschaffen, um die vielen Mäuler alle satt zu machen. Die Freude war schon groß, wenn es zum Tannenbaum reichte, der für ein paar Groschen erstanden wurde, und wenn auch noch so wenig an den Baum gehängt werden konnte. Hatte man sich einige Pfennige gesammelt, die man für Gänge besorgen von anderen Leuten erhalten hatte, so wurde lange beratschlagt, was damit ausgerichtet werden könnte. Und langte es gar, uin einer jüngeren Schwester eine kleine Freude machen zu können, so war man beglückt. Auch nieine Eltern waren echte Proletarier, es langte aber noch, daß wir satt wurden; vielen meiner Schulkollegen ging es schlechter. Vor Weihnachten wurden in der Schule eine Anzahl Kinder zu einer offiziellen Weihnachtsbescherung ausgesucht. Diese wurde von wohltätigen Herren und Damen der Stadt veranstaltet. Fleißige und bedürftige Kinder mußten die Lehrer aussuchen. Ich gehörte wiederholt zu den Aus erkorenen und wenn ich einmal ausfiel, weil auch andere Kinder berücksichtigt werden sollten, sahen mich meine Eltern schief an, denn ich kam in den Verdacht, in der Schule nicht so fleißig tvie sonst gewesen zu sein. Das schlimme für uns Aus- erwählte war die Stunde der Bescherung. Die fand im Rathaussaale statt. Schon vor der festgesetzten Zeit— es war am Nachmittag des heiligen Abend— fanden wir Kinder uns ein. Wir wurden in den Saal geführt, in dem heller Glanz uns umstrahlte. Der Weihnachtsbaum brannte. Die Geschenke lagen auf Tischen ausgebreitet. Schuhe. Strümpfe, Federkasten, kleine Spielsachen lagen bereit. Jeder wurde an seinen Platz gestellt. Dann wurde die Feier eingeleitet mit dem Gesang:„O du fröhliche, o du selige". Alles sang mit. Dann folgte eine längere Ansprache, die ich nicht behalten habe. Dann wieder Gesang. Schließlich wurde uns gesagt, daß die Geschenke unser seien. Dann aber kam das schlimmste. Hatte mich schon während der ganzen Feier mein ängstliches Gefühl nicht verlassen, so stieg die Beklommenheit erst auf den Höhe Punkt. alS wir Beschenkten an vielen feingekleidcten Danien und Herren— den Wohltätern— vorbeidefilieren und uns für das Geschenkte bedanken mußten. Das Blut stieg mir zu Kopfe und noch heute nach 33 oder 36 Jahren habe ich mir die Erinnerung an diese bittere Demütigung bewahrt, die auch wir Kinder schon fühlten. Dieses Gefühl lvar geeignet. die Freude an der Bescherung vollständig zu vergällen. Wer das empfunden, wird wünschen, daß es anderen erspart bleiben möchte. Wer andern eine Freude machen will, soll deshalb so geben, daß sich der Beschenkte nicht zu demütigen braucht. Dann wird die Freude an der Bescherung auch eine un- getrübte sein._ Verkehrsschmerzeu. Die Klagen über unzulängliche Verkehrsvcrhältuiffe reißen nicht ab, und wer viel im Berliner Straßengetriebe herum- kommt, weiß aus eigener Erfahrung, daß dieselben nur allzu berechtigt sind. Wäre die Verkehrsmisere unabänderlich, so könnte man sich, so würde man sich mit Gleichmut fügen, wie man sich in vieles ja fügen muß. Krieg ist eben Krieg. Indes herrscht durchweg im Publikuni die Ansicht, daß es nicht so zu sein brauchte und daß die Verkehrsmöglichkeiten bessere sein könnten. Wer bei der jetzigen Witterung sich ein- mal an eine Straßenbahnhaltestelle begibt, kann Dinge er- leben, die das Maß des Gewohnten weit übersteigen. Und dabei ist cS ganz gleich, wo man seine Beobachtungen au- stellt, überall das gleiche Bild: im Osten wie im Westen, im Norden wie im Süden. Dutzende von Menschen stehen au jeder Haltestelle und erwarten sehnlichst den kommenden Wagen, der meist rocht lange auf sich warten läßt. Und kommt er endlich, so birgt er schon Massen von Fahrgästen, auf den Perrons ballen sich Klumpen von Mcnschenleibcru und vom Trittbrett herab wehrt die Schaffnerin alle Eindringenden mit einem stereotypen„Besetzt" ab. Bitten und Betteln hilft hier in der Regel nichts, die Schaffnerin kann ja auch gewöhnlich nicht anders, aber bitter ist es für die Abgewiesenen, wieder an ihren Standplatz zurückzukehren und von neuem in Wind und Wetter auszuharren. Manchmal ereignen sich auch turbulente Szenen, wenn erbitterte und temperamentvolle Wartende die Beförderung erzwingen wollen. Es hat schon solche Zusammenstöße ge- geben, die zehn Minuten dauerten und wobei der Renitente die Paragraphen der Beleidigung und deS Hausfriedensbruchs erschreckend hart gestreift hat. Wie gesagt, die Erbitterung wäre nicht so groß, wenn im Publikum nicht die Meinung vorherrschte, daß diese Not- läge, wenn auch nicht ganz zu beseitigen, so doch zu mildern iväre, da arbeitswillige Menschen und Anhängewagen immer noch ausreichend vorhanden seien. Sache der in Betracht kommenden Behörden wäre es, hier einmal kräftig einzugreifen. Es leiden ja alle Kreise unter diesem Uebel! Publikum und Droschkenführer. Der Krieg hat auch in das Berliner Verkehrsleben hemmend und störend eingegriffen. Der Mangel an Kraftdroschken, herbei- geführt durch die Äriegsmatznahmen, zeitigt allerlei Beschwerden des Fahrpublikums. Fahrgäste machten die Behörden gegen die Kraft- droicbkensührer mobil und so ist eine Ergänzung der Berliner Droschkenordnung entstanden, die folgendes besagt: „Während der Zeil von 9 Uhr abends bis 8 Uhr morgens dürfen unbesetzte Droschken, falls sie nickt nachweislich bestellt sind, an einem noch nicht voll besetzten Haupthalteplatz nicht vorbeifahren, sie müssen vielmehr dort Aufstellung nehmen." Ferner:„Droschkenfnhrer, die zwischen 9 Uhr abends und 8 Uhr
morgens mit unbesetztem Wagen fahrend getroffen werde», habe« die Verpflichtung zur Annahme von Droschkenfahrten." Dagegen haben sich nun die Jntereffenten, Droschkenbefitzer wie Fahrer, in einer Eingabe an das Polizeipräsidium gewandt. Darin lvird gesagt, daß diese Vorschriften in der Praxis nicht durchführbar sind und die Droschkenbefitzer selbst infolge der enorm gesteigerten Betriebskosten das lebhafteste Interesse daran haben, möglichst wenig Leerkilometer zu fahren. Bei der übergroßen Mehrheit der Betriebe ist die Einzelschicht eingeführt. Die Fahrer vcrlasien gewöhnlich um 10 resp. 11 Uhr vormittags den Hof. Präzises Innehalten einer bestimmten Zeit ist unter den obwaltenden Umständen unmöglich. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die altersschwachen Decken repariert und neu aufmontiert werden müssen. Das gleiche geschieht mit den Schläuchen, so daß die Fahrer 2—3 Stunden Arbeits- zeit hinter sich haben, ehe sie die Garage verlassen. Halten sie nun noch mindestens eine zwölfstündige Fahrzeit inne, die gegenüber normalen Zeiten infolge Wagenmangels fast ohne Unterbrechung währt und eine dauernde Nervenanspannung erfordert, und sie begeben sich nachts um 11 oder 12 Uhr auf den Heimweg, so kann ihnen nicht zugemutet werden, weitere Fahrten anzunehmen, da sie sonst infolge dieser körperlichen Ueberanstrengung Gefahr laufen, gegen andere Bestimmungen der Polizeiverordnung zu han- dein. ES kommt hinzu, daß die Fahrer dauernd Obacht geben müssen, ob ein neuer Defekt an den Gummidecken entsteht. Tritt dies ein, so haben sie die Verpflichtung, vorsichtig nach Hause zu fahren, um Schlauch und Decke reparatur- fähig zu erhalten. Wird nun ein solcher Fahrer durch einen Fahrgast, der ja den Zustand der Pneus nicht beurteilen kann, gezwungen, eine weite Fahrt auszuführen, so wird in diesem Falle nicht nur Decke und Schlauch� bis zur vollständigen Unbrauchbarkett vernichtet, sondern auch die Sicherung des Fahrgastes in erheblichem Maße gefährdet. Es wird daher um eine Milderung der neuen Polizeivorschriften gebeten. Viele Fahrgäste sind, wenn sie hier und da einmal eine» un- besetzten Wagen vor der Tür eines Restaurants stehen sehen, der Meinung, daß die Führer dort die Zeit vertrödeln. Nun muß jeder Mensch innerhalb einer Dienstzeit von mehr alS zwölf Stunden mindestens zweimal eine Erfrischung zu sich nehme», d. h. seinen knurrenden Magen befriedigen. Dafür aber, daß die Fahrer nicht länger als unbedingt zur Einnahme der Mahlzeiten nötig in der Kneipe aufhalten, sorgt schon das herrschende Lohnsystem. Der Fahrer erhält zu seinem Tagelohn von 1,S0 M. 20—25 Proz. der Tageseinnahme. Bei der heutigen teuren Zeit muß er aber möglichst viel zu verdienen suchen und das kann er nur durch möglichste Ausnutzung der ihm zur Verfügung stehenden Fahrzeit. Andererseils tragen die Fahr- gäste und besonders die. bei denen Geld keine Rolle spielt, selbst zur Verminderung der Droschken im laufenden Verkehr bei. Vor Warenhäusern. Restaurants, Konditoreien und vor den Gerichts- gebäuden lassen sie die einmal engagierten Fahrer oft stundenlang warten ohne Rücksicht daraus, daß auch andere Leute sich der Vehikel gerne bedienen möchten. Wenn die Polizeibehörde hierin Abhilfe schaffen könnte, würde sie die Verkehrsgelegenheiten nicht unwesent- lich vermehren._ Weihnachtsfeier«. Am gestrigen Abend fanden in verschiedenen öffentliche» An- stalten, wie Krankenhäusern. Obdach, Wärmehallen, im Waisenhaus Weihnachtsfeiern statt. Auch der Verwundeten in den Lazaretten war besonders rührend gedacht. Die sonst übliche Feier, die die Verwaltung des Gewerkschaftshauses für die Besucher der Herberge alljährlich veranstaltete, fiel in diesem Jahre mangels geringen Be° sucheS aus. Reicher Segen ging in diesen WeihnachtStage« von Dr. H. Reu- mannS KinderhauS, Blumenstr. 97 aus. Es wurde dort eine Weih- nachtsbescherung veranstaltet für 2S0 Kinder der SäuglingSfürsorge- stelle I der Schmidt-Gallisch-Stistung, 4S0 Kinder der Poliklinik mtd der Wohlfahrtsstelle des Kinderhauses. 100 ältere und jüngere Zög- linge des Vereins„Unterkunft für hilfsbedürftige Wöchnerinnen und deren Säuglinge" und für 500 Kinder der Kommission VH» des Nationalen Frauendienstes, der zurzeit im KinderhauS untergebracht ist. 1320 Kinder konnten insgesamt so mit warmen Kleidungsstücken versehen werden. Auch viele Vereine und Private hatten besondere Bescherungen veranstaltet._ Die Leerung des ObdachS. Bald nach Ausbruch des Krieges wurde im Obdach der S t a d t B e r l i n in der Abteilung für die»mr über Nacht be- herbcrgten Obdachlosen eine Minderung der männlichen G ä st e bemerkbar. Alljährlich hatte man in dieser Abteilung bei den Männern die Beobachtung machen können, daß die Besuchsziffer gegen den Sommer hin nachließ, aber zum Winter dann wieder rasch und bedeutend stieg. Im vorigen Jahre dagegen sahen wir die ganz ungewöhnliche Erscbeinung, daß vom Oktober ab die Be legung des Obdacbs— wir sprechen immer nur von der Abteilung für nächtlich Beherbergte und zunächst nur von den Männern nicht zu-, sondern abnahm. Der Rückgang setzte sich durch den ganzen Winter fort, während sonst in jedem Winter mindestens bis zum Januar die Steigerung der Besuchsziffer angedauert hatte. Der jetzt vom Magistrat bekanntgegebene Jahresbericht des Obdachs über das Verwaltungsjahr 1914/15(1. April 1914 bis 31. März 1915) teilt das Ergebnis dieser Obdachleerung mit und sagt einiges zur Frage»ach ihren Ursachen. Das VerwaltungS- fahr 1913/14 halte noch 1 173 1S9 männliche Obdachgäste gebracht, 1914/15 aber brachte nur noch 603 947, nicht viel mehr als die Hälfte der Besuchsziffer deS vorhergehenden Jahres.\ diesen Gesamtzahlen lieferten im vorletzten Jahr die Monate April bis September 466 182, Oktober bis März 706 987, davon Oktober 73 261, November 97 641, Dezember 126 744, Januar 157 037, Februar 132 052, März 120 252, dagegen im letzten Jahr die Monate April bis September 371 655, Oktober bis März aber nur noch 232 282, davon Oktober 53652, November 50 066, Dezember 42102, Januar 42080, Februar 23 525. März 20 957. Sollen wir die ganz außerordentlichen Unterschiede, die wir bei den Wintermonaten des vorletzten und letzten Jahres sehen, mtS nur als eine Folge des Krieges erklären? ES mag fein, daß die Einberufung zum Heeresdienst auch viele derjenigen getroffen hat, die sonst im Winter manchmal gleichfalls zu den Obdachgästen gehörten. Noch mehr aber dürfte zu der Lee- rung des Obdachs der Umstand beigetragen haben, daß der Arbeitsmarkt günstiger geworden ist. Die Einberufungen haben das Angebot von Arbeitskräften be- trächtlich verringert. waS für die Daheimgebliebenen einer Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskräften gleichkam. Als Drittes endlich lammt hinzu, daß seit dem letzten Winter dem Obdach viele Auf nähme suchende durch schärfere Zwangs- maßregeln ferngehalten wurden. Nur über diese Ursache
der Obdachleerung äußert sich der Verwaltungsbericht, indem er sagt:„Die Besuchsziffer im nächtlichen Obdach ist um 570 266 Köpfe niedriger als im Vorjahre. Dieser starke Rückgang ist durch den Krieg bedingt und durch die strenge Kontrolle der das Obdach auf- suchenden Personen. Während bisher nur täglich, und zwar morgens, ein geringer Teil der vielen Obdachlosen verwarnt bezw der Polizei vorgeführt wurde, wurden seit Beginn deS Krieges sämtliche Besucher einer besonderen Kontrolle unterzogen. DieS bewirkte, daß ein sehr großer Teil nun aus Furcht, dem Gericht vorgeführt zu werden, fernblieb. Ferner wurden die kräftigen und gefunden arbeitsfähigen Männer abgewiesen, ebenso diejenigen, welche Arbeit hatten und aus Bequemlichkeit sich keine anderweite Schlafstelle suchen wollten." Wir beschränken uns auf Wiedergabe obiger Ausführungen der Obdachverwaltung und ent- halten uns eines Urteils über die darin geschilderten Maßregeln. Wissen möchten wir aber, in welchem Umfang zu der Leerung des Obdachs die Zwangsmittel beigetragen haben können. Zu den V er- Weigerungen der Aufnahme wäre zu wünschen, daß der Verwaltungsbericht ihre Zahl angegeben hätte. Die Zählung könnte wohl keine große Mühe gemacht haben, aber der Bericht sagt nicht, ob sie überhaupt vorgenommen wurde. Wie sehr die Ueber» Weisungen an die Polizei sich gemehrt haben, dafür wollet: wir nur das Beispiel eines Monats anführen. Ueberwiesen wurden im März 1914 aus 129 252 Besuchern 869, d. h. 7 aus je 1000, dagegen im März 1915 aus nur 20 957 Besuchern 675, d. h. 32 auS je 1000. Ein Rückgang der BefuchSzisser zeigt sich auch bei den Frauen, für die ja die eine der oben erörterten Ursachen, die Einberufung zum Heeresdienst, wegfällt. Sehr groß ist die Zahl der weiblichen Obdachgäste ohnedies nicht; gemessen an der Zahl der männlichen erscheint sie sogar recht gering. Ueber Nacht wurden beherbergt im vorletzten Jahr 11060 Frauen, und zwar in den Monaten April bis September 4322, Oktober bis März 6738, im letzten Jahr 10 016 Frauen, und zwar in den Monaten April bis September 4888, Oktober bis März 5128. Auch hier sehen Wir im Winter eine starke Minderung gegenüber dem Vorjahr. Margarinekarten. Bei der Ausgabe von Margarinekarten sollen in erster Linie Kriegerstauen bedacht werden. Der Magistrat hat sich entschloffen, die Karten allen Empfängerinnen von Kriegsunterstützung, welche zwei oder mehr Kinder haben, zuzuteilen. Die genannten Frauen können die Karten bei ihrer Brotkommission in Empfang nehmen. Eine kleinere Anzahl von Karten ist auch den Armen- kommisfionen und den Geschäftsstellen für Arbeitslosenfürsorge zur Verteilung zur Verfügung gestellt worden. Der Nationale Frauen- dienst beteiligt sich ebenfalls an der Ausgabe der Karten. Die Arbeit der Preisprüfer. Der Fachausschuß für HLlsenstüchte, Kolonialwaren. Konserven usw. der PreiSprüfungsstelle Groß-Berlin hat sich in seiner Sitzung vom 22. d. Mts. namentlich mit den Kolonial- Warenpreisen beschäftigt. Es wurde beschlossen, eine hiesige Ftrma wegen übermäßig hoher Teepreise zu verwarnen. Auch für Kakao wurden verschiedentlich übermäßig hohe Gewinne festgestellt. Da in diesem Geschäftszweig die Fabrikanten meist den Kleinhändlern die Verkaufspreise vorschreiben, soll bei ihnen auf sofortige Aende- rung ihrer Beikaufsbedingungen hingewirkt werden. Ferner wurden in der Sitzung Angebote des illegitimen Zwischenhandels zur Sprache gebracht, der zahlreiche Angebote in Umlauf fetzt, ohne die Waren- und Marktverhältnisse zu kennen. Die PreisprüfmtgSstellc. wendet dieser unerfreulichen Erscheinung des KriegSwirttchastS- lebenS ihre besondere Aufmerksamkeit zu, da sie auf dem Markte oft stark preistreibend wirkt. ES wurde der Beschluß gefaßt, einen hiesigen Gelegenheitsvermittler wegen Unzuverläffigkeit zur Anzeige zu bringen._ Berliner Matsch. Zu Wasser geworden ist über Nacht der am Donnerstag so reichlich gefallene Weihnachtsschnee. Der Witterungsumschlag trat schon Donnerstag abend ein und am gestrigen Morgen sahen wir in den Berliner Straßen den schönsten Matsch. Die Straßen- reinigung bemühte sich so gut es ging, die Straßen von den Schmutz- Haufen— denn nach Schnee sah cS nicht mehr auS— zu befreien, um Berlin zu den Feiertagen wenigstens noch ein einigermaßen fest- lickeS Gepräge zu geben. Gelungen ist das allerdings nur in recht mäßiger Weife. Wer gestern kein ganzes Schuhwerk hatte, brachte nasse und kalte Füße nach Haufe. Unsere Jugend aber, die sich auf den Weihnachtsschnee so gefreut hatte, wird nach Stellen suchen, wo trotzdem an den Feiertagen der Schlitten noch in Bewegung gesetzt werden kann. Warnung vor Schwindlern. Drei Kriegsschwindler treiben wieder ihr Unwesen. Alle drei treten in der feldgrauen Uniform auf, der eine als Vizefeldwebel, der zweite als Unteroffizier und der dritte als Sanitätssoldat. Die beiden ersten haben es auf Kriegerfrauen abgesehen und„arbeiten" mit demselben Kniff. Sie kundschaften aus, auf welchem Kriegs- fchauplatz und in welcher Gegend ein Landsturmmann steht, besuchen dann dessen Frau, überbringen ihr„Grüße von ihrem Manne" und wissen dann auf die eine oder die andere Art aus den über die gute Nachricht von ihren Männern erfreuten Frauen Geld oder Sachen herauszuschlagen. So spiegelte der falsche Vizefeldwebel der Frau eines Schlächtermeisters vor, ihr Mann lasse bitten, ihm, weil er sofort ins Feld zurückkehre, Wollsachen mitzugeben, oder wenn sie diese nicht gleich besorgen könne, wenigstens Geld dafür. Die Frau hatte nun in der Tat keine Zeit, die gewünschten Sachen sofort einzukaufen, und weil der„Vizefeldwebel", wie er sagte, auch nicht länger warten konnte, so gab sie ihm 60 M. mit. Der„Unter- osfizier", der sich Max König nannte, besuchte eine Frau, die von ihrem Manne schon seit drei Wochen kein Lebenszeichen mehr bekommen hatte. Um so freundlicher wurde er aufgenommen, als er nun ganz unerwartet mündlich gute Nachricht aus dem Osten mit Grüßen überbrachte. Nur zögernd und anscheinend mit Ueber- Windung bekannte der„Unteroifizier" nach vielen Erzählungen vom Kriegsschauplatz endlich, daß er in Geldverlegenheit sei, lveil man ihm während der Eisenbahniahrt seine Geldbörse und auch seine Uhr gc- stöhlen habe. Die arglose Frau half dem Schwindler mit 20 M. aus, die er telegraphisch zurückschicken wollte. Außerdem vertraute sie ihm auch noch ein Paketchen für ihren Mann an, das für 8 M. Sachen enthielt. Die Frauen von Kriegern können Besuchern aus dem Felde gegenüber nicht vor- sichtig genug sein. Der falsche Sanitätssoldat„arbeitet" anders. Er frühstückt in Schaniwirtschaften, wickelt dabei einige Speckstücke auS, erzählt, daß er ungefähr einen Zentner Speck aus Rußland mitgebracht und noch auf dem Bahnhof zu liegen habe. Dabei läßt er durchblicken, daß er diesen Speck, wenigstens zum Teil, verkaufen möchte. Die Schanktvirte greifen mit beiden Händen zu, weil der Preis billig ist, zahlen gleich was verlangt wird und folgen dem Verkäufer nach dem Bahnhof, wo sie selbst den Speck abholen sollen. In der Nähe des Bahnhofes führt der Schwindler