P;t ist sogar so gütig, nicht gleich baare Zahlung zu verlangen. sondern er zieht den Kauspreis, 450 Mark, in monatlichen Raten vom Gehalt der Arbeiterinnen, das monatlich zwischen 70 bis 100 Marl beträgt, ab> Weiter kann man die Vereinigung von Genie und Menschenfreundlichkeit offenbar nicht treiben. Wenn nun die Arbeiterin einige Jahre recht sparsam ist, dann hat sie nachher— o Wonne!— ein Eigen- thum in Gestalt einer— unbrauchbar gewordenen Schreibmaschine. Inzwischen hat sie etwa nothwendige Reparaturen aus ihrer Tasche zu bezahlen, aber das ist nicht mehr als billig, da sie ja Eigenthümerin ist. Auch wird sie dein Herrn Schimmel- pfeng diese Bezahlung nicht noch obendrein zumuthen wollen. Dap dieser Herr ihr die Maschine nicht theurer verkauft als er st« selbst emkauft ist bei so viel Genie und Größe selbstver- ständlich. Gins ist ungelöst bei dem Problem: Herr Schimmelpfeng tSßt die Arbeiten fürff« i n Bureau auf fremden Maschinen besorgen. Bezahlt er Benutzungsgeld? U. A. w. g. .»Hier rönnen junge Mädchen daS Pnhfach gründlich erlernen". Was dieser so unschuldig aussehende Zettel, den man namentlich in jetziger Zeit vielfach in den Geschästsläden hängen sieht, für ein Mädchen zu bedeuten hat, ahnen wohl die wenigsten der jungen Geschöpfe, die aus der Schule entlassen und nunmehr gezwungen sind, sich nach Möglichkeit selber zu ernähren. Die Ausbeutung der weiblichen Lehrlinge in der Hutputzbranche beschränkt sich im Durchschnitt auf die Zeit vo» acht Uhr Morgens bis zehn Uhr AbendS. Während dieser Zeit haben die Mädchen in emem dunklen, nach dem Hof zu gelegeiien Berliner Zimmer wie angenagelt auf dem Fleck zu sitze» und sich als Zuarbeiterinncn nach Kräften von dem Geschäftsinhaber ausnutzen zu lassen. Die Lehrzeit in der Hutputzbranche ist gewöhnlich auf sechs bis neun Monat bemessen und meistens ist es Gebrauch, daß der Lehrling, oder dessen Eltern dem Unternehmer noch eine bestimmte Summe als .Lehrgeld" hinzuzahlen. Hat schließlich so ein armes, mittler- weile hochgradig bleichsüchtig gewordenes Geschöpf seine sechs oder neun Monate abgerissen, so ist es gewöhnlich berufen, noch eine oder zwei Wochen von dem alten Prinzipal weiter beschäftigt zu werden; nachdem diese Anstandszeil vorüber, wird das Mäd- che» aber mit mathematischer Gewißheit entlassen, da mittler- weile das alte Spiel von vorne begonnen hat und Platz für neue «Lehrlinge" gemacht werden muß. Die ausgelernte Putzmacherin sucht Arbeit und macht dann nicht selten die Erfahrung, daß man ihr«in„Gehalt" von sechs Mark pro Monat anbietet. Hat das Mädchen Eltern, die es mehr oder weniger kümmerlich mit durchschleppen können, so mag die Sache unter Umständen ja f chen; ist ein« solche Arbeiterin aber auf sich allein angewiesen, o bleibt ihr trotz aller muckerischen Heulmeierei absolut nichts anderes übrig, als entweder zu verhungern oder ihren Leib meisb bietend zu verkaufen. So will es die göttliche Weltordnung. Ncber die„zunehmende Gefühlsverrohung" der Ar« beiter können wir wieder einmal berichten. Bor kurzem war «ine Kolonne Speicherarbeiter vom Berliner Spediteurverein auf dem Ostbahnhof in der Personenhalle mit dem Ausladen einer Lovry zusammengepreßter Wollballen beschäftigt. Ein ca. vier Zentner schwerer Ballen fiel nun beim Herabwerfen vom Wagen so unglücklich, daß ein Arbeiter mit beiden Füßen unter den- selben zu liegen kam. Erschreckt glaubten sämmtliche Arbeiter, daß ihrein Kollegen von dem Ballen beide Beine zerquetscht wären und sie sprangen eilig hinzu, um ihn von der Last zu befreien. Jedoch einem günstigen Zufalle hatte der Arbeiter es zu ver- danken, daß er mit heilen Knochen davongekommen war. Ebenfalls erschreckt durch den fallenden Ballen und das Un- glück, das derselbe bei seiner werthen Person hätte anrichten können, wurde der Herr Direktor, der mit dem zur Beaufsichti- gung der Arbeiter anwesenden Vorarbeiter dicht in der Nähe des fallenden Ballens stand, und sich deshalb zu folgendem Ausruf veranlaßt sah:„Kommen Sie nur hier weg, sonst komnten auch Sie noch unter einen Ballen und dann haben wir keinen Vorarbeiter." Selbstverständlich ging den Arbeitern ob einer solchen Herz- losigkeit die Galle über und ihre Entrüstung über eine solche Nichtachtung der Arbeiterknochen machten sie denn auch in recht drastischen Worten kund. Wenn dem Borarbeiter das Unglück passirt wäre, so wäre daS für den Herrn Direktor sehr schmerzlich gewesen; und wenn gar der Herr Direktor selber unter dem Ballen gelegen hätte, so-- na, es ist ja nur«in Arbeiter gewesen! Die Gesiude-Orduuna auf Umwegen will der Verein Berliner Milchpächter einfuhren. Es ist nämlich das Schreck- liche vorgekoininen, daß die bei den Pächtern beschäftigten Kühler wiederholt«leichtsinnig" ihre Stellung verlassen haben. Damit solche unthaten unmöglich werden, will der Verein jetzt Kontroll- bücher für die Kühler einführen, welche natürlich der Prinzipal in Verwahrung zu nehmen hat. Beabsichtigt nun der Kühler, sich zu verändern, so hat der neue Prinzipal, bei dem der Ar- beiler in Stellung treten will, sich erst das Kontrollbuch von dem alten zu fordern. Durch derartige Umständlickkeiten hofft mau die Kühler einzuschüchtern, so daß sie sich wohl fühlen in ihrer Stellung und darin so lange verbleiben, bis es dem Prinzipal gefällt, sie vor die Thür zu setzen. Hoffentlich Machen die Kühler den Herren Milchpächtern einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Das lästige Uiusteigen auf der Wanuseebah» wird vom 1. Mai er. an nicht mehr in Steglitz , sonder» wieder in Zehlen- dorf stattfinden. Eine gänzliche Beseitigung dieser Unbequemlichkeit wäre dringend zu wünschen. Eiue Schöneberger Orduuilgsstiitze. Vor einigen Tagen meldeten wir in der Gerichlsjeitung, daß ein Herr Flanger bei einer Echöneberger Submissionsangelegenheit sich einer so schweren Urkundenfälschung schuldig gemacht hat, daß das Landgericht II sich nicht für zuständig erklärte und die Sache an die Geschworenen verwies. Wie wir nachträglich erfahren, ist dieser Herr Flanger derselbe Ordnungsniann, der vor Jahresfrist in der Schöneberger Gcineindevertrelung den bekannten ordnungsfreundlichen Antrag einbrachte, wonach ein Gemeindevertreter, der die Verhandlungen der Gemeinderathssitzung sich zu«stören" unterfinge, mit Ausschluß bis zu einem Jahre und event. auch mit einer Geldstrafe gezüchtigt werden sollte. Kurze Zeit, nachdem Herr Flanger mit der Einbringung dieses famosen Antrages die Bewunderung aller wahren Ordnungsmänner eingeheimst hatte, kam es bei Aufdeckung der Submissionsgeschichte heraus, in welcher Weise er selber den Begriff der«Ordnung" interpretirte. Man kann sich den Schmerz der ordnungsparteilichen Gemeindevertreter ob dieser fatalen Affäre vorstellen. Wer war am Charfreitag i» Stolpe? Am Charsreitag fand sich beim Ga st wirth Bergemann in Stolpe an der Nordbahn eine Gesellschaft ein, welche sich unter Anderem durch einige Vorträge auf dem Klavier unterhielt. Der Gast- wirth Vergemann erhielt nun dieser Tage von seilen des Amts- Vorstehers eine Strafversügung über 10 M., da er am genannten Tage in seinem Lokal„Gesangs- und Musikvorträge, somit rauschend« Vergnügen" gestattet habe. Da es für Vergemann von großer Wichtigkeit ist, sich nicht bei dieser Verfügung zu beruhigen, so will er richterliche Entscheidung beantragen und er ersucht daher diejenigen, welche sich am Eharsreitag bei ihm be- fanden und sich in der oben angeführten Weise unterhalten haben, ihre Adressen gefälligst mittheilen zu wollen. Die Polizei ist in der Hauptstadt des Staates der Intelligenz doch nicht allmächtig. Dieser fast wie eine Blas- phemie klingende Ausspruch beruht, wie wir unsern Lesern allen Ernstes versichern können, auf Wahrheit und er bedarf nur der Einschränkung, daß da» Machtwort der Berliner Polizei zwar nicht nach unten, wohl aber nach oben hin eine Grenze seiner Wirksamkeit hat. Zur Zeit tritt bekanntlich der Schneidermeister Dowe aus Main ; mit einem kugelsicheren Panzer auf, in dessen Festigkeit der Erfinder so großes Vertrauen setzt, daß er, mit ihm angelhan. sich in einem öffentlichen Lokal selber als Probier- objekt für einen Kunstschützen hergeben wollte. Aus be greiflichen Gründen mußte dies Effektstück jedoch unter- bleiben; die Polizei verbot Herrn Dowe, seine Brust dem Achtmillimeter- Geschoß preiszugeben und die Gigerl- ,velt kam um eine ganz exquisite Sensationsnummer. Dieser Auesall muß nun von einigen Interessenten doch nicht ganz verwunden worden sein, denn das eigenartige Vergnügen, das öffentlich polizeilich inhibirt worden war, fand am Sonntag dennoch, natürlich privatim statt. Ein Berichterstatter meldet darüber: Trotz des polizeilichen Verbots hat der Schneidermeister Dowe seine kugelsicher gepanzerte Brust gestern als Zielscheibe dargeboten. Freilich bandelte es sich nicht um eine öffentliche Vorstellung, sondern um eine Aufführung, die hinter verschlossenen Thüren vor Engländern, Amerikanern, Franzosen und einem hiesigen höheren Offizier von statten ging. Ein hiesiger Diplomat wollte gleichfalls Augenzeuge der Leistungen sein, wurde aber durch hohe» Besuch am Erscheinen verhindert. Die Schieß- Übungen, die sich auf Dowe nicht beschränkten, sondern von den Kunstschützen des Wintergartens in geradezu haarsträubender Weise ausgedehnt wurden, ließen bei den wenigen Zuschauern das Blut fast in den Adern erstarren. Der Schütze Westnen richtete auf etwa 40 Schritt ein festgeschraubtes Gewehr auf ein hängendes Ei«in, stellte seinen Kopf unmittelbar unter das Ei und entlud das gerichtete Gewehr durch einen Schuß auf den Abzug. Das Ei wurde tadellos von seinem Haupte geschossen. Derselbe Schütze wurde alsdann mit einem Holzrahmen umgeben, der seinen Körperformen angepaßt und unmittelbar an dem den Körper berührenden Rand mit Gipseiern behängt war. Im Schnellfeuer mit einem Magazingewehr schoß Martin die Eier, die neben den Augen, den Wangen u. s. w. hingen, mit entsetz- licher Sicherheit weg. Weiter schoß Martin auf etwa hundert Schritte Entfernung ein Ei mit einer Kugel vom Kopfe seines Genossen, und schließlich mit zwei Pistolen zugleich zwei Eier von dem Haupt herunter. Nun trat der gepanzerte Dowe's siegesbewußt in die Schranken. Nachdem eine Kugel des jetzigen Infanterie- gewehres einen Eichenblock in der Länge eines Meters glatt durchgeschlagen hatte, prallte eine zweite an Domes Brnst ab und blieb im Panzer stecken. Jeder Zuschauer schloß unwillkiir lich die Auge». Der Erfinder rief lächelnd:„Es ist garnichls zu fühlen' und erhielt auf seinen Wunsch noch einen zweiten Schuß auf das Herz. Die aufregende Vorstellung endete mit einem Schnellfeuer auf ein gepanzertes Pferd, das dabei ruhig fraß und ab und zu bei dein Knall zusammenzuckte. Die Versuche auf Dowe solle» demnächst bei einer vornehmen Persönlichkeit im engsten Kreise wiederholt werden. Man sieht, wir haben Recht; an der Umgebung einer vor- nehmen Persönlichkeil prallt das Machtaebot der Polizei ebenso sicher ab, wie das Achtmillimeter-Geschoß an die Brust des ge panzerten Schneidermeisters Dowe. Zeugen gesucht. Die Personen, welche bei der Schutz- mannsaffäre zugegen waren, die sich am 2. April, Abends um 8'/s Uhr vor dem Hause Thurinstraße 35, Moabit , zugetragen hat. werden ersucht, ihre Adresse bei Karl Bönicke, Former, Wittstockerstraße 4, Quergeb. 3 Treppen rechts, abzugeben. Ein Nollkutscher wurde am vorigen Mittwoch Abends zwischen 6>/, und 7 Uhr vor dem Hause Dresdenerstr. 123 von zwei Schutzleuten festgenommen. Die Zeugen dieses Vorgangs werden dringend ersucht, ihre Adresse dem Kutscher zur Ver- fügung zu stellen und dieselbe im Bureau des Verbandes der Geschäftsdiener. Packer und Berufsgenoffen, Neue Grünstr. 10 I, Fernsprechamt I, Nr. 810, abzugeben. Tie Leiche der kleinen Frida Klahm ist am Sonntag Vormittag um II Uhr gefunden worden. Wie seiner Zeit be- richtet, erdrosselte die Ehefrau des Arbeiters Klahm in der Wohnung, Cuvrystr. 43, am 22. Februar d. I. ihren Sohn Richard und verließ dann mit Frida das Haus. Wie anfangs angenommen wurde, ist die Mutter mit dem zweiten Kind am Schlesischeu Thor in das Wasser gegangen; denn die Leiche wurde an den Berliner Mörlelwerken am Schleusen-Ufer aus- gefischt. Frau Klahm selbst ist»och nicht gesunden. Die Polizei gegen das Elend. Zweiunddreißig polizei- lich gesuchte Personen sind in der Nacht zum Sonnabend bei einer Streife des 5. Polizeireviers am Alexander- Ufer längs des Hafens aufgegriffen und dem Gewahrsam eingeliefert worden. Im ganzen wurden 36 Personen an dem Wasserlaufe nächtigend betroffen, von denen nur vier nach Feststellung der Persönlichkeit wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. ES ist alleS schon dagewesen— sagt Ben Akiba ! Daß aber ein Hauswirth aus seinem eigenen Hause„rückt", das dürste denn doch noch nicht dagewesen sein. Dieses Kunststück hat am Sonnabend ein HauSwirth aus der Schönhauser Allee fertig gebracht. In aller Morgenfrühe rückte die Rück-Kompagnie an und als die Miethcr noch in Morpheus Armen lagen, ging's auf nach— Pankow ! Noch am selben Tage wurden dem guten Manne, der selbstverständlich nicht vergessen hatte, die April- miethen einzukassire», verschieden? von Miethern ohne Bezahlung entnommene Gegenstände abverlangt, und wenn erst der„Mann mit der blauen Mütze" Einkehr hält, wird in der Sommerfrische auch der romantische Hintergrund nicht fehlen. Dem„Haus- eigenthnmer" muß wohl vo» seinem Hause kein Stein viehr ge- hört haben; nur so ist sein Staatsstreich erklärlich. Polizeibericht. Am 7. d. Mts. Vormittags wurde in der Novalisstraße eine Frau sichtlich krank betroffen und nach dem Krankenhause gebrackt. Sie hatte angeblich sich zu vergiften ver- sucht.— In seiner Wohnung, in der Meinelerstraße, brachte sich ein Mann in selbstmörderischer Absicht eine tiefe Schnittwunde am Halse bei.— Nachmittags tödtete sich ein Handwerker in seiner Wohnung in der Oranienstraße durch einen Schuß ins Herz.— In der Neue» Köniastraße wurde ein Schutzmann von den beschäftigungslosen Arbeitern Meyer und Pieper, die er mehrfach vergeblich vom Bürgersteig fortgewiesen hatte, mit Faustschlägen angegriffen. Ein dem Schutzmann zu Hilse eilender Polizeiwachtmeister machte von seiner Waffe Gebrauch und ver- letzte den Pieper durch einen Hieb über den Kopf. Meyer flüchtete nun, lies blindlings gegen eine vorüberfahrendc Droschke und verwundete sich an dem hierbei zertrümmerte» Fenster derselben unerheblich am Vorderai».— In der Fabrik von Sielass, An- klamerslr. 32, fiel ein Arbeiter durch die Fahrstuhlthür aus dem ersten Stock heraus und erlitt anscheinend schwere innere Verletzungen.— Gegen Abend stürzte vor dein Grundstück Wilhelmstr. 29 eine Frau und brach das linke Bei». Am 8. d. M. Vormittags sprang ein Mann vom Schlülerstege in die Spree, er wurde noch lebend aus dem Wasser gezogen.— Bei den Berliner Mörtelwerken am Schleusen-Ufer wurde die Leiche der seit dem 22. v. M. vermißten Tochter des Arbeiters Klahm an- geschwemmt. Das Kind ist anscheinend erwürgt und ins Wasser geworfen worden. Abends erlitt eine in der Falckensteinstraße wohnende Frau, als sie Spiritus in einen brennenden Spiritus- kocher nachgießen wollte, so schwere Brandwunden, daß sie nach dem Krankenhause gebracht werden mußte.— In der Nacht zum 9. d. M. geriethen an der Ecke der Gyps- und Auguststraße zwei italienische Gypsfignren-Händler in Schlägerei, wobei der eine von seinem Gegner durch einen Messerstich am Unterleibe so schwer verletzt wurde, daß seine Ueberführung nach dem Krankenhause erforderlich»vlirde.— Am 7. und 8. d. M. fanden sieben kleine Brande statt. Kleiue Theater-«ud Literatur-Chronik. Oskar Höcker , der auch den vielen Mitgliedern der „Freien Volksbühne " bekannte Künstler des Lessingtheaters ist am Sonntag einem Nervenleiden erlegen. Schon vor einigen Wochen, so schreibt uns Direktor Blumenthal, bei dem letzten Austreten Oskar Höcker's im Lessingtheater, machte sich bei ihm eine Ver- dunkelung des Gedächtnisses, eine Unsicherheit im Wort bemerk- bar, die bei dem stets so überaus gewissenhaften Künstler nur als Zeugniß einer keimenden Krankheit betrachtet werden konnte. Die Kunst der Aerzte hat das Leiden vergeblich zu bekämpfen gesucht, und so war der Tod für Oskar Höcker eine Befreiung von schwerem Siechthum. Das Lessingtheater erleidet durch das Hinscheiden dieses Künstlers einen Verlust, der schwer zu ersetzen ist. Seine reiche schöpferische Kraft, sein schauspielerisches Fein- gefühl, die vornehme Mäßigung in der Wahl seiner Mittel, die Behaglichkeit seines Humors, die Würde seines Ernstes und die Vielseitigkeit seines Gestaltungsvermögens, das zugleich mit dem saubersten Künstlerfleiß gepaart und durch eine lückenlose lite- rarische Erziehung unterstützt war, hat Oskar Höcker zu einem der werthvollsten schauspielerischen Mitarbeiter des Lessingtheaters gemacht. Gerhart Haupt mann's„Weber" sollten am Wiener Carl-Theater vor geladenen Gästen zur Aufführung ge- langen. Im letzten Augenblick verbot die Polizei jedoch das Stück und rettete dadurch die k. k. österreichisch-ungarische Monarchie vor jähem Untergang. Ueber das geplante Heine-Denkmal äußert sich viel vernünf- tiger als wir ihm zugetraut hätten, Herr Ernst v. Wilden- brück. Er schreibt in der„Nation": „Meiner Ansicht nach ist in der Sache alles gesagt. Es handelt sich nicht mehr um Gründe und Gegengründe, sondern um Empfindungen. Aus meiner Empfindung heraus erfolgt meine Antwort. Ich bin ein Deutscher von stark ausgeprägtem Nationalgefühl. Mein Nationalgesühl ist aber nicht ein solches, daß es bei der rechten Hosennath anfängt, um bei der linken zu enden, es ist auch kein Kultus, kein Weihrauchschwingen vor einem Altar, aus dem Germania in aUgermanischer oder mittelalterlicher Tracht paradirt, es ist Liebe. Und weil ich dem Grundsatz nicht huldige, daß Liebe blind macht, bin ich nicht blind gegen die Schwächen Deutschlands und gegen die Gefahren, die es bedrohen. Zu diesen rechne ich vor allen den geistigen Pauperismus, der sein Kalibangestcht über Deutschland zu erheben beginnt. Ich verstehe darunter die Verödung an Kops und Herz, dl« sich bei uns auszubreiten be- ginnt. Den hauptsächlichen Grund zu dieser Erscheinung erblicke ich in der von Tag zu Tag fortschreitenden Respeklosigkeit vor dem Geiste und vor der geistig überlegenen Individualität. Darum sollten sich, meiner Ansicht nach, die wahrhaft Gebildeten von ganz Deutschland einmüthig zusammenfinden, wo sich die Gelegenheit bietet, diesem Respekte vor dem Geiste durch eine greifbare Handlung Ausdruck zu verleihen. Und eine solche Gelegenheit ist hier geboten. Kein Mensch, ob persönlicher Freund oder Feind Heinrich Heines , zweifelt ernsthaft an der Größe seines Geistes. Kein Mensch ist sich ernsthaft unklar darüber, daß Heinrick Heine mit seinen Werken die Seele Deutsch - lands beschenkt und bereichert hat. Darum sollten sich die Gebildeten Deutschlands klar darüber sein, daß die Frage ganz falsch behandelt wird, wenn man sie von dem be- schränkten pro- oder antisemitischen Standpunkt aus behandelt; sie sollten sich klar sein, daß eine viel größere, wichtigere gerade zur Entscheidung steht. Diese Frage aber lautet r Soll in Deutschland Geistesgröße immer und unter allen Umständen anerkannt und soll der Persönlichkeit, von der sie zum Wohle Deutschlands ausgegangen tst. Dank in sichtbarer Gestalt bewahrt werden— oder soll es in Deutschland Zeiten und Stimmungen geben dürfen, wo Geist hinwegdekrctirt, Ver- dienst als nicht vorhanden, Dankbarkeit als überflüssig erklärt wird? So steht die Frage, und so lautet sie. Wer in ihrer Beantwortung zweifeln will, der zweifle— ich für meine Person habe sie beantwortet, indem ich dem Komitee zur Errichtung eines Denkmals für Heine beigetreten bin. Indem ich Ihnen, geehrter Herr, freistelle, von dieser meiner Aeußerung in der „Nation " Gebrauch zu machen, verbleibe ich hochachtungsvoll er- gcbenst Ihr Ernst v. Wildenbruch." Berlin , 1. April 1894.— Witteruugsiibersicht vom 0. April. Witterung in Deutschland am 0. April. 8 Uhr Morgens. Bei gleichmäßig vertheiltem, ziemlich- hohem Luftdruck und schwachen östlichen Winden, dauert die trockene, freundliche Witterung in ganz Deutschland noch fort. An der Ostseeküste ist es nebelig, auch im oberen Rheingebiete hat die Bewölkung etwas zugenommen, in den übrigen Landestheilen ist aber der Himmel völlig wolkenlos. Die Temperatur ist im Nordosten etwas gesunken; zu Swinemünde liegt sie heute Morgen nur 2 Gr. über dem Gefrierpunkte, während Mülhausen i. E. 12 Gr., Karlsruhe und Borkum 11 Gr. Celsius Wärme melden. Berliner Wetterbureau. Wetter-Prognose für Dienstag, de » 10. April 1894. Warmes, zunächst»och heiteres, trockenes Wetter mit mäßigen südöstlichen Winden; nachher zunehmende Bewölkung. Berliner Wetterburea». Tlzeslcv. DaS Zentral-Theatce wartet«, am Sonntag mit einer vor- geblich neuen Posse auf, der dadurch noch besonders der Stempel des Interessanten ausgedrückt wurde, daß man sie vielversprechend „Der neue Kurs' nannte. Leider läßt sich von dem Schaustück des Zentral-Theaters noch weit mehr, als von der Tragi- Komödie auf der politischen Bühne sagen, daß der neue Kurs nichts anderes ist, als die alte Nummer in Grün . Der neue KurS am Sonntag Abend stellte einen modernen Tingeltangel dar, den sich die reichgewordene Wirthin des Weißbierlokals ziim„Grünen Aal" an Stelle ihrer allen B»de errichtet hatte. Sie wird von«inein Schwindler über den Löffel barbirt und nach uraltem Theaterbrauch von ihren alten, treuen Dienstboten wieder auf die Beinej geholfen, nachdem der unvermeindliche Krach eingetreten. Ein Thema, wie man sieht, das auch sur ein modernes Baby kaum mehr etwas Im- vonirendes haben dürfte und dem im Centraltheater auch durch die Einflechtung von einigen Dutzend uralten Kalauern und durch die Vorführung einiger Spezialitäten, so der Barornn Rahden und des Schneidermeisters D nichts von seiner an- geborenen Langweiligkeit und J>ihall»..osigkeit geraubt wurde. Es ist schade um die tüchtige Künstlerschaar, die im Zentral- Theater versammelt ist, daß es bisher noch nicht möglich war, o»v» PubUkum wie für die Bühne gleich. befriedigendes Zugstuck zu ergattern.» �> v
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