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Mbgeorönetenhaus. Erste Sitzung vom Donnerstag, den 13. Januar. nachmittags 2 Uhr. Am Ministertisch: Lcntze. v. Loebell. 'strästdent Graf Schwerin eröffnet die Sitzung mit folgender Ansprache: Als wir uns am Schlüsse der letzten Tagung, am 24. Juli. hier trennten, habe ich der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß, wenn wir uns nach einigen Monaten wieder zusammenfinden würden, unserem gemeinsamen Ziel, einem vollen Siege und der Erreichung eines ehrenvollen Friedens, abermals um ein gutes Stück näher- gekommen sein würden. Ich glaube. Sie werden mir zustimmen, wenn ich heute sage, daß sich diese unsere Hoffnung m reichem Maße erfüllt hat. auch wenn wir vielleicht»och lange nicht am Ziel angelangt sind. Rein zeitlich betrachtet, mag eS auch heute noch dahingestellt bleiben, wie lange der Krieg noch dauern mag und wie lange wir seine Last und seine Opfer noch werden tragen müffen. Aber, was unsere Zuversicht, unsere Gewißheit dafür an- geht, daß wir als Sieger aus diesem uns so frevelhaft aufge» zwungenen Kampf hervorgehen werden, so hat diese doch inzwischen durch die herrlichen Erfolge unserer Waffen und der Waffen unserer treuen Verbündeten einen ganz gewaltigen Zuwachs erfahren. (Lebhafter Beifall.)«Graf Schwerin schildert darauf die Kriegs- läge.) Mit Stolz und Bewunderung blicken wir heute auf unsere treuen sicggekrönten Verbündeten und beglückwünschen sie zu den glänzenden Erfolgen ihrer und unserer Waffen.(Lebhafter Bei- fall.) Oesierreich-Ungarn zu der Befreiung Galiziens und zu der Niederwerfung Serbiens , dieser alten Statte von Königsmorden und Bedrohungen des Völlerfriedens. Bulgarien zu der Wieder- befreiung seiner mazedonischen Stammesgenossen aus der serbischen Knechtschaft und die Türkei zu der glänzenden Verteidigung ihrer Meerengen und ihrer bedrohten Hauptstadt. Das Band aber, welches im verflossenen Jahre Blut und Eisen um das Deutsche Reich und seine Verbündeten geschmiedet haben, wird sobald keine Macht der Erde wieder zerreißen. Dieser starke unerschütterlich feste BierbundSblock bedeutet schon heule eine so vollkommene Veränderung der ge» samten Weltlage, daß er vielleicht einmal als daS weltgeschichtlich bedeutsamste Ereignis dieses ganzen gewaltigen Völkerringens gelten wird. Mit nicht minderem Stolz als auf unsere Verbün- deten und mit unbegrenzter Dankbarkeit aber gedenken wir heute auch unserer eigene:: unvergleichlichen Truppen und ihrer glän- z enden Aührer. �Lebhaft« Beifall.) Sie haben an Heldenmut und unerschütterlicher Standhaftigkeit fast Uebermenschliches geleistet. Wir alle aber willen weiter mithelfen zum Siege, jeder an seiner Stelle ob Volksvertreter. Beamter. Gewerbetreibender oder Ar- beiter. ob daheim oder an der Front. ja ob Mann oder Frau, wir wollen alle mithelfen bts zu einem vollen, von unseren Feinden nicht mehr ivegzutäuschenden Sieg.(Zustimmung.) Und so hofte ich, daß auch unsere beute beginnenden Beratungen nur von dem einen Gedanken getragen sein werden, nichts zu unterlassen, was dar möglichst baldigen Erreichung eines vollen Sieges und eines dauernd gesicherten Frieden? dient. Aber ebenso auch alles zu unterlassen, was die baldige Erreichung unseres höchsten Zieles verzögern könnte. Der Präsident bringt zum Schluß ein Hoch auf den Kaiser aus. AlSdami bracht: Finanzmimster Dr. Lcntzc den Etat ein. Das Ende dsS Krieges ist noch nicht abzusehen. Wir zu Hause sind es unseren braven Truppen schuldig, ebenso eisern durchzu- halten wie sie. Der Krieg bat begreislicherweiie einen gewaltigen Einfluß auf das grnzc Wirtschaftsleben ausgeübt. Uns ist ja aber die Gabe verliehen, uberall der Schwierigkeiten Herrr zu werden. Vielfach sind Frauen und Töchter unserer Streiter an deren Stelle getreten. Unsere deutschen Frauen haben bewiesen, daß sie i» den Zeiten der Not uns mithelfen durchzuhalten. Die veränöerieii wirtschaftlichen Verhältnisse zwangen aber auch Handel und Jndu- strie dazu, sich vollständig neu zu orientieren. Wir mußten nun- mehr fast alle vom Ausland bezogenen VerbrauchSgüter entweder selbst herstellen oder andere an ihre Stelle setzen. I» geradezu mustergültiger Weise hat sich diese Neuorientierung vollzogen. Auch unser gesamter Kriegsbedarf, Kleiduig, und Munition. Dünge- und Futtermittel mußten wir selbst herstellen. Was wäre aus uns geworden, wenn wir dazu nicht imstande gewesen wären. Wir konnten ja nicht, wie unsere Feinde, die Hilfe anderer in Anspruch nehmen. Dadurch haben wir aber auch viele Hunderte von Millio- nen unserevi Lande erhalten. Tie starken Zeichnungen auf unsere Kriegsanleihen find hierfür der beste Beweis. Was man vor dem Kriege für unmöglich gehalten hatte, daß daS freie Spiel der Kräfte im Handel und Wandel einmal ausgeschaltet oder eingeschränkt werden konnte, ist nun zur Wirklichkeit geworden. Infolge der Preisfestsetzungen und Beschlagnahmen sind wir nun aber auch m-t ausreichenden Lebensmitteln versehen, wenn wir auch haushällerisch damit umgehen müssen. Tie Versorgung Teutschlands mit Brot- getreide ist dauernd sichergestellt. Bei den Kartoffeln und Futter. Mitteln, die nicht demselben Maßstabe unterworfen werden tonrnen. mußten andere Maßnahmen versucht werden. Alle diese Zwang?- maßregeln bedeuten eine schwere Last für daS ganze Land. Durch die ZwangSmaßregeln mit den Futtermitteln trat naturgemäß eine Verringerung der Bichhaltung ein. Die preußische StaatSregierung bat es deshalb unternommen, zur Vermehrung der Schwnneprodul- tion die vom Balkan bezogenen Streufuttermittel an einzelne Unternehmer abzugeben und die Preisdifferenz auf die Staatötafse zu übernehmen. Auf diese Weise sollen in den nächsten Monaten 4t>lZ(XX> fette Schweine auf den Markt gebracht«erden. Im Jahre 1K14 schloß die StaaiSrechnung infolge der Tat- fachen, daß nur noch fcie ersten vier Monate das Bild eines FriedensjahreS beten, mit eine»! erheblichen Defizit ab. Der Eisenbahnverkehr ging erheblich zurück und die Aus- gaben esiigen. Diese Mehrausgaben haben auch verhindert, daß die Erträgnisse wieder in vi« Höhe gingen, als sich der Güterver- kehr wieder zu beleben begann. Die Mindererträgnisse des Eisen- bahnverkebrS sind dort nicht dem Staatshaushalt zur Last ge- fallen, sondern wurden vom Ausgleichsfonds übernommen. Noch eine zweite Einrichtung der preußischen Finanzverwaltung ist oft genug wegen ihrer ThesaurierungSpolitik angegriffen worden, weil sie bei neuen Anlagen immer darauf drang, daß«in Teil der Kosten nicht aus Anleihen übernommen, sondern aus den laufen- den Einnahmen gedeckt werden müssen. Wäre das nicht geschehen. so müßten wir jetzt Schulden mit neuen Schulden bezahlen. Wir werden daher auch in Zukunft bei dieser bewährten Finanzpolitik verbleiben müssen. Der Haushaltsplan für 1Q1S ist zwar schon während des Krieges aufgestellt worden, aber es mußte dabei da- von ausgegangen werden, daß der Frieden bald eintreten werde. Deshalb gibt er i» wesentlichen nur die Zahlen de« Etats für lgl< wieder. Abgesehen»an den Eisenbahnen ist das Extraordinarium überall gekürzt worden. Wie im Jahre lvlt sind auch ISlö dre Staatseinnahmen fast überall zurückgegangen, während die Auö- gaben in die Höbe gingen. Die Teuerung bedingte, daß noch weiter Zulagen gewährt werden mutzten. Der Etat balancierte diesmal zwar mit einer um b Millionen kleineren Summe als im Vorjahr, trotzdem ist nicht damit zu rechnen, daß wir mit den vorhandenen

Einnahmen auskommen. Mit dem Desizit von 1314 könnte man sich zur Not abfinden. Wenn aber wieder ein neues Defizit hin- zutrut. und die Reibe weiterer Defizite nicht abzusehen ist, dann entsteht die Gefahr, daß eine Kapitalschuld anwächst, die selbst mit den größten Ueberschüssen nicht wieder abgetragen werden könnte. Diese Erkenntnis nötigt das Staatsministerium. Maßnahmen vor- zukchlagen, durch die das Defizit sobald als möglich abgetragen werden kann. Wir haben uns entschloffen, eine Erhöhung der SlaatSeinnahmen um 100 Millionen Mark durch Erhöhung der Staatszuschläge herbeizuführen. Die Erhöhung der Staatsein- nähme soll im Wege einer KriegSsteuer herbeigeführt werden, die also mit dem Ende des Krieges wieder erlischt, weil eine gänzliche Neuordnung der direkten Steuern während des Krieges undurch­führbar ist. Erhöht werden durch da» neue Gesetz nur die Steuer- zuschläge. Mit Rucksicht auf die außerordentliche Teuerung haben wir eine Erhöhung der Steuerzuschläge erst von einem Einkom- men von mehr als 2400 M. m Vorschlag gebracht. Diese Er- höhung beträgt bei einem Einkommen von 2400 M. 8 Proz. und steigt so. daß bei 100 000 M. Einkommen die Erhöhung mehr als 100 Proz. des ursprünglichen Steuersatzes ausmacht. Eine Er- höhung der Vermögenssteuer erscheint nur durchführbar, wenn eine Neuveranlagung vorgenommen wird. Das verbietet sich aber zurzeit vollständig. Der Minister bittet den vor- gelegten Gesetzentwurf wohlwollend zu prüfen und bald zu verabschieden. Wie im Borjahre ist es wieder notwendig, durch das Etatsgesetz die Ermächtigung zur Ausgabe von Schatzanweifungen zu erl eilen. Der Fonds zur Unterstützung der Gemeinden, für den im Borjahre 110 Millionen Mark zur Verfügung gestellt wurden, ist beinahe erschöpft, er soll deshalb wettere 110 Millionen Mark erhalten. Für Ostpreußen bleibt lwch viel zu tun übrig. Einstweilen müssen sämtliche Ausgaben von der preußischen Staatskasse vorschußweise erfolgen, solange das Reichs- gesetz noch nicht erschienen ist. Es wurden bisher über 350 Millio- nen Mark verausgabt. Zurzeit sind nur iwch 5000 ehemalige Be- wohner Ostpreußens außerhalb ihrer engeren Heimat unterge- bracht. Mit dem Wiederaufbau ist überall begonnen worden, und wir hoffen, daß die vielgeprüfte Provinz einer schöneren und glücklicheren Zukunft entgegengeht.(Lebhafte Zustimmung.) Der inneren Kolonisation werden wir weiter unsere lebhafteste Aus- merksamkcit zuwenden. Der ostpreußischen Landgesellschaft sind für die Kolonifatwn des Landes erhebliche Staatsdarlehen gegeben worden. Die Tätigkeit zur Urbarmachung von Mooren und Oedländereicn wurde wesentlich vermehrt. Durch Gewährung von Notstandsdarlehen suchen wir Angehörige des Mittelstandes, die durch Einberufungen um ihre Existenz gekommen sind, die Möglichkeit zur Gründung eines neuen Berufes zu verschaffen. (Beifall.) DaS Gesamtbild läßt sich dahinzujammenfassen, daß der Krieg an unserem Staatshaushalt natürlich nicht spurlos vorüber- geht, wir brauchen aber nicht ängstlich zu sein.(Beifall.) Wir wollen zu der altgerühmten preußischen Sparsamkeit zurückkehren, nach welcher jeder Pfennig dreimal umgewedet wird, bevor man ihn ausgibt. Di« Hauptsach« ist, daß unsere Finanzen gesund bleiben, daß wir den Krieg gewinnen und unserer Feinde Herr werden. Dahinter muß alles andere zurücktreten. Gewiß ist der Krieg heut« fühlbarer als vor Jahresfrist, aber das ist unvermeid« lich und wrr müssen und können uns damit abfinden. Was von uns, die wir zu Hause geblieben sind, verlangt wird, sind nur unbedeutende Entbehrungen in unserem persönlichen Leben gegen- über den Entbehrungen unserer Brüder an der Front.(Beifall.) Wenn diese dort täglich und stündlich ihr Leben einsetzen, sollten wir eS nicht vermögen, obne Murren und Klagen uns einiges zu versagen, an das wir gewöhnt find. Erst kommt unser Vaterland. dann nochmals und nochmals und dann erst das Schicksal des ein- zelnen. Die Hoffnung unserer Feinde, mit der sie sich Mut zu machen suchen, beruht auf eitler Täuschung. Wenn wir die Verlautbarun- gen der feindlichen Regierungen über unsere Bedrängnisse lesen, so fassen wir uns an den Kopf und sagen, das ist ja alles eitel Lug und Trug. Viel Blut wird noch fließen. Aber tun wir weiter unsere Pflicht und vertrauen wir auf Gott , dann wird uns auch eine Welt von Feinden nicht unterkriegen und über- winden, l Lebhafter Beifall.) Damit schließt die Sitzung. Nächste Sitzung Montag, den 17. Januar, vormittags 11 Uhr. (Präsidentenwahl, kleine Borlagen, erste Lesung de? Etats.) Schluß 3X Uhr.

Reichstag. 28. Sitzung, Donnerstag, den 18. Januar ISIS, nachmittags 2 Uhr. Am BundeSratStiich: Dr. Delbrück. Die Beratung über ErnÄhrungSfragen wird fortgesetzt. Abz. Simon(Soz.): Hätte die Regierung die ihr von den Vertretern meiner Partei und den Gewerkschaften rechtzeitig gemachten Vorschläge befolgt, so wäre die Erbitterung über die Mißstände in der Nahrungsmittel- Versorgung im Volke nicht vorhanden. Wir können bei unserer Kritik keine Rücklicht nehmen aus den schamlosen Lebensmittelwucher, der unier der Duldung der Negierung Wochen- und monatelang be­trieben worden ist. In der Presse und in den Ver- sammlungen wird die Kritik hieran unterbunden. weil die Zensurbehörde und die Regierung der falschen Meinung ist, daß die Erbitterung aus der öffentlichen Erörterung stammt. Sie könnten sich in den Läden überzeugen, welche Erbitterung bei den Kriegerfrauen durch die im- verschämt hohen Preise ausgelöst wird. Auch die Landwirte sind an der Preistreiberei beteiligt, wie die Verurteilung von Landwirten wegen lleberschreiiung der Höchstpreise zeigt. Un- sinnig ist die Bestimmung, daß auch der Bewucherte bestraft wird; das hält ihn von der Anzeige ob, wir haben deSbalb den Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung gestellt. Der Berichterstatter sagte, daß wir bei sparsamer Wirtschaft mit unseren Lebensmitteln aus- kommen können. Es muß dock aufreizend wirken, wenn daS Volk hört, daß genug Lebensmittel vorhanden sind daß die Bevölkerung fie ober wegen der wucherischen Pieiie ni»t erkalten tonn. Enteignung. Preissestsctzuny und Verteilung Kütten die Gtundlagen bilden müssen für die Maßnabmen der Regierung. Das wollte die Regierung aber nicht, weil es den über- Ireienen Anschauungen und der Rechtsaussassung der bürgerlichen Kreise zuwiderlief. Deshalb zögerie sie mit Maßnahmen, und diese ögerung hat da« Volk mit Hunderten nicht nur, sondern mit ausenden von Millionen bezahlen müssen, die in die Taschen der Spekulanten geflossen sind. Auch heute nock meint die Regierung, daß boh« Preise notwendig seien, um die Produktion anzuregen. Tie Landwirt« sind mit den Maßnabmen der Regierung sehr zu- frieden, fie baben ihnen goldene Früchte gebracht, wie ein bäuer« liches Organ in Unterfranken schrieb. Jawohl, goldene Früchte für die Landwirtschaft, Hunger, Not und Elend für weite BcvöllcrungSsthichtcn find daS Resultat der Maßnabmen der Negierung. Bei allen Maß- nabmen ist die Regierung auf halbem Wege stehen geblieben. Die Ueberichreitung der Höchstpreise beim Schweiiieflkiich ivird begünstigt dadurch, daß nicht auch zugleich Höchstpreise für Wurst festgesetzt wurden. Möge die Regierung nicht ruhig zuseben. daß jetzt auch die Preise für Rindfleisch bis zu unerschwinglicher Höhe steigen. Auch die

i ReichSgetreidestelle hat nicht für die Versorgung der Bevölkerung mit ! billigen Lebensmitteln gesorgt, sondern sie ungebührlich verteuert. Freilich trifft auch bier die Regierung die Schuld, die die Eebührcn ungewöhnlich hoch festsetzte, inimer aus dem Gedanken heraus, nur durch großen Verdienst ivird die Produktion angeregt. Hat man sich doch aus das Bedelsche Wort berufen: Ohne Profit raucht lein Schornstein. Bebel wollte damit nur betonen, daß die bürgerlichen Äreiie nicht durch das Interesse für die Allgemeinheit zum Pro- duzieren veranlaßt werden, sondern nur durch den Profit. Ein nettes Zeugnis wird dem Patriotismus der kapitalistischen Kreise von der Regierung ausgestellt, wenn sie meint, daß auch in dieser Zeit nur überaus hohe Profite zur Produktion anregen. Ein Skandal ist es, daß die ReichSgetreidestelle dem Volke geradezu Wucherpreise abverlangt. Auch die Futtermittel werden durch die Politik der Reichsgetreidestelle übermäßig verteuert. Im vorigen Herbst hat der preußische Landwirisckaftsrat mit Herrn v. Schwerin - Löwitz an der Spitze die Ernte als vorzüglich geschätzt. E» wurde mit großen Ueberschüssen an Getreide gerechnet und von den Vertretern der Landwirtschaft wurde deshalb stürmisch verlangt, daß das Getreide zu Finterzwecken freigegeben werde. Wir waren alle freudig bewegt, über dieses Ergebnis der Ernte, konnten doch dadurch die Brotrationen etwas freigebiger gestaltet werden. Run mit einem Mal hören wir, daß das Ergebnis der Ernte erheblich hinter den Schätzungen zurückgeblieben ist. Trotzdem aber hat man erstklassigen Weizen verschrotet. l'Hört! bort!) und hat sogar einer Koriispirituszentrale 45 000 Tonnen Roggen zum Schnapsbrennen übergebe». Wie da» zumnimenhängi. dafür kann vielleicht Herr v. Brockhausen nähere Ausklärung geben.(Hört! hörtl b. d. Sozialdemok.) Jedenfalls dürfen sich die Herren vom Landwirtschaftsral nicht wundern, daß man nach dieser Probe ihrer Sachverständigkeil ihrem Urteil in Zukunft da» größte Miß« trauen entgegensetzen wird. Welche große Meugen von Getreide verfüttert find, geht auch daraus hervor, daß vielfach Landräte in der Presse dringend davor warnen muhten, gegen das Bcrsülterungsverbot nicht zu verstoßen. Die ReichSgetreidestelle hat seinerzeit in einem Rundschreiben selbst den Kommunalverbänden empfohlen, männliche Einwohner mit eigenem Arbeilseinkommen bis zu einer bestimmten Einkommengrenze und von einem bestimmten Alter ab bei der Eihvbung der Brolraiionen zu berücksichtigen. Trotzdem dieser Weg etwas ichematisch sei, sei er doch der einfachste und daher praklischste. Und nun kommt dieselbe Stelle und macht den Städten die schwersten Vorwürfe, daß sie unverantworllicherlvcise Iuiatz- brotkarten ausgegeben hätten. Der erwähnte Fall ist übrigens nicht das erste Mal, daß die Regierung durch angeblich sachverständige Auskünste zu falschen Maßnahmen gekommen ist. ES ist soviel über das große Schweinemorden im vorigen Jahr gesprochen worden. Die Ursache lag darin, daß die Landwirte die Bestände viel zu niedrig angegeben hatten.(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) AI ? sich nachher der Irrtum herausstellte, wurden dann die Schwetne alsinnerer Feind" mit Rücksicht auf die Karlosselknappheit in Massen geschlachtet. Was die Kartoffelpreise anlangt, so wird jetzt wieder von einer Erhöhung gesprochen. Ich warne die Regierung dringend davor. Das müßte geradezu katastrophal wirken.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Man komme nicht mit dem Einwand, daß es in FriedenSzeilen ebenso hohe Kartoffelpresse gegeben hat. Heule liegen die Dinge ganz anders. Nachdem die Preise für Fleisch und Gemüse für Ar« beiter und Mittelstand uneiickwinglich geworden sind, find die Kar- löffeln daS einzige Ersaynohrungsmittel für große Voltskreise, die heule, leider sage ich. daS Drei» und Vierfache an Kar- toffeln verbrauchen als früher. Verteuert man auch die Kartoffel noch, dann beschwört man Zustände heraus, für die wir jede Verantwortung ablebnen müssen.(Erneute lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Eine Erhöhung der Preise wird übrigens, wie die Erfahrung lehrt, keineswegs zu eiiiem größeren Angebot führen. Im Gegenteil wird dann damit gerechnet, daß der einen Erhöbung eine zweite folgt und die Kartoffeln werden erst recht von dem Markte zurückgehalten. Hier kann nur eine Beschlagnahme der Kartoffeln helfen. Auch bei soirstiaen Kriegs- maßnahmen hat die Regierung vollständig versagt. Ich habe schon im Dezember 1315 die Regierung auf die ungerecht» fertigt hohen Lederpreise hingewiesen. Auf dem Ledermarlt wurden Ansang des Krieges die reinsten Phantasiepreise bezahle Es machte sich eine wüste Spekulation geltend. Die ätticgsleder- Aktiengesellschaft machte in den ersten neun Kriegs,» onaten einen Umsatz von 1300 Millionen Marl . Rechnet man nur 300 Proz. Preis- steigerung, so ergibt sich, daß daS deutsche Volk in dieser Zeit allein für Leder 806 Millionen zuviel bezahlte. Die Dividenden vieler Lederfabriken sind ganz enorm gestiegen, von 4 auf 30 Proz. zum Beispiel. Die schließlich festgesetzten Höchstvreise für Leder sind noch viel zu hoch, sie stehen immer noch bis 200 bis 300 Proz. über den Friedenspreisen. Sie sollen ja nun Weiler abgebaut werden. Auch auf dem Gerbstoffmartt hat eine un­geheure Spekulation in einheimischen Geibstoffen schon im November v. I. eingesetzt, und die Regierung hat bisher nichts ge- tan, um dieser Spekulation ein Ende zu machen. Auf der anderen Seite ist eine Notlage der Arbeiter tatsächlich vorhanden. Große Schichten der arbeitenden Bevölkerrng arbeiten seit Kriegsausbruch nur drei, vier Tage in der Woche. Bei einer Aufnahme über 787 Haushaltungen, die in Bremen veranstaltet wurde, zeigte sich, daß 52 Familien nur ein Wocheneinkommen von 5 bis 1b M. hatten, 31 ein Einkommen von 1620 M. pro Woche(Hört) hört! bei den Soz.), 45 Familien konnten überhaupt keine Milch bekommen. bei den übrigen wurde per Kopf und Woche nur 48 Pf für lPlilch aufgewendet. Die Kinder st erblichkett hat daher außcrordent- lich zugenommen. Das Volksinteresse gebietet, mit fester Hand zuzu- greisen und nicht hallzumachen vor den Interessen der einzelnen. Dr. Roeficke weist auf die hohen Preise der Lebensmittel in Eng- land hin. DaS ist für das deutsche Volk ein schlechter Trost. Daß auch die Arbeiterlöhne gestiegen sind, ist nur bei einer verschwinden- den Minderheit der Fall. In der Rüstungsindustrie wurden reklamierte Arbeiter, wenn sie in einer Kommission wegen einer Teuerungszulage vorstellig wurden, am anderen Tage eingezogen.(Hört! hört! bei den So- zialdemokraien.) In England dagegen bewirken auch höhere Lohne einen Ausgleich zu den hohen Lebensmittelpreisen, dort schrecken dir Arbeiter auch vor dem Streik nicht zurück und fragen nicht danach, ob die Rüstungen darunter leiden. In Deutschland dagegen ist ein Ausgleich durch höhere Löhne incki rvr- banden. Gewerkschaftsbeamten, die in der Fabrik mit Ar- beilern in Fühlung traten, die bei Mililärlieferungen beschäftigt waren. wurden mit V e r h a s t u n g bedroht.(Hört! hört! bei den Sozial- demotraten,) Nach Calwer betragen die Kosten der gesteigerten Lebenshaltung bei den Arbeitern 60 Proz. Ein großes Stück Volk»- kraft geht jetzt durch Unterernährug verloren. Bisher haben wir von der Regierung nur gule Worte gehört, und sicherlich hat fie auch guten Willen. Das allein genügt aber nicht, es muß auch die genügende Kraft dadinterfleben. Hier hat die Regierung ver« sagt, sie schwankt hin und her; für schwankende Gestalten ist aber in dieser ernsten Zeil nicht Platz, sie bringen nur Unbeil für da« Volk, und müssen daher dinier und vor der Front beseitigt werden. DaS Volt erwartet, daß man sich nicht nur über die AushimgerungS- Pläne der Engländer entrüstet, sondern daß man auch rücksichtslos den wucherischen Elementen, die das Volk ausbeuten, zuleide geht. Wird daS Volk in dieser Erwartung getäuscht, so geroten wir in eine unheilvolle Situation.(Beifall bei den Sozialdemokoten.)