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Nr. 18.- 33. Jahrg.

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Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin ".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Mittwoch, den 19. Januar 1916.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Kernsprecher: Amt Morigplak, Nr. 151 90-151 97.

Das Ergebnis der großen Neujahrsschlacht in Oſtgalizien .

Wohin die Reise geht.

( Schluß.)

In unserer Nummer vom 16. Januar hatten wir die Stellung der Generalfommission der Gewert-. fchaften Deutschlands zu den Meinungsdifferenzen innerhalb der Partei gekennzeichnet. Wie erinnerlich gipfelte diese Stellungnahme der Gewerkschaftsleitungen, soweit das Korrespondenzblatt der Generalfommission" in ihrem Namen zu sprechen überhaupt legitimiert war, in der kategorischen Forderung, daß die Gewerkschaften" an der Politit des 4. August 1914 unter allen Umständen fest­halten müßten.

"

Maßgebend für die Haltung der sozialdemokratischen Partei sollten danach also nicht die Grundsäße und nationalen und internationalen Kongreßbeschlüsse der Sozialdemokratie sein, sondern der zufällige Majoritätsbeschluß der Reichstags­fraktion der im Augenblick der Ueberstürzung und der durch unerwartete Ereignisse erzeugten Gemütswallungen einer Barteivertretergruppe zustande tam, die sich durch keinerlei Stimmen unbehinderter öffentlicher Parteikritik mehr beraten laffen konnte.

Jeder Politiker, der Parteigrundsäge und Parteiprogramme nicht als bloße Mittel demagogischen Stimmenfangs und völlig unverbindliche Plakate betrachtet, sondern als ernst zu nehmende, innerster Ueberzeugung entflossene Entschließungen, die langer geschichtlicher Erfahrung und gründlicher jahrzehnte. langer Selbstprüfung entsprungen sind, muß eine solche Forderung von vornherein ablehnen, gleichviel von welch unberufener oder berufener Seite fie auch kommen mag. Er muß fie in der ſtriktesten Form ablehnen, ganz einerlei, wie er auch zu der Politik des 4. August" stehen oder ge­standen haben mag.

"

Aber nicht nur die Generalfommission der Gewerkschaften nimmt diesen von vornherein völlig undiskutablen Standpunkt ein, sondern auch die Wortführer des rechten Flüges der Partei. Statt durch den zwar allmählich, aber ganz un­verkennbar und unaufhaltsam sich vollziehenden Umbildungs­prozeß darüber belehrt worden zu sein, daß zufällige Fraktions­beschlüsse zwar vorübergehend mit der historisch fest be­gründeten Tradition in Widerspruch geraten, nimmermehr aber Geltung für Ewigkeitsdauer beanspruchen können, daß flüchtige Tageserscheinungen erst recht wieder dem raschen Wechsel sich ändernder Strömungen erliegen müssen, will man jetzt der vergänglichsten Tageserscheinung Ewigkeitsdauer, die un­bedingte Bindung einer politischen Norm zugesprochen wissen!

So schreibt Genosse David in der Intern. Korresp.": Die fonsequenteste Gruppe Liebknecht erflärt kurzerhand, der Proletarier hat kein Vaterland, das zur Verteidigung ihm zur Bfl cht gemacht werden könnte. Der Krieg ist ein imperialistischer Raubfrieg zwischen den herrschenden Klassen der einzelnen Staaten. Demgegenüber haben die Proletarier aller Länder internationale Solidarität zu bewahren und durch vereintes zielbewußtes Handeln ihre friegstollen Bourgeoisien zum Frieden zu zwingen. Man muß Liebknecht das Zeugnis ausstellen, daß er aus diesen Auffassungen feinen hebl gemacht bat. Sie tebren in allen feinen Sundgebungen wieder, und wenn er die Erklärung der Zwanzig zu machen gehabt hätte, so würde er sicherlich nicht versäumt haben, auch bei dieser Gelegenheit der Verwirrungsphrase von der Vaterlandsverteidigung eins

auszuwiden.

Nicht so fühn drückt sich die ha afe Gruppe aus. Sie erflär e am 4. August 1914, und sie erklärt, wenn's nötig ist, noch heute: Die Pflicht der Vaterlandsverteidigung erkennen wir an für den Soldaten. Der mag an der Grenze das Land verteidigen. Als Parlamentarier aber lehnen wir die zur Vater­landsverteidigung erforderlichen Mittel ab. Denn die Bewilligung wäre ein Vertrauensvotum für die Regierung.

Hier wird also die Frage der Landesverteidigung angesichts aufmarschierender feindlicher Heere und drohender Invasionen zu einer Frage des parlamentarischen Vertrauens zu den mit der Führung des Krieges betrauten Männern gemacht. Die Kredite werden nicht bewilligt, weil die Notlage des Landes sie heischt, weil unsere Tuppen nicht ohne Waffen, Munition, Kleidung, Ver­pflegung, Sanitätsmaterial uim. bleiben können, sondern sie werden bewilligt oder abgelehnt als persönliche Vertrauens. gaben an die Minister und Generale. Mag das Vaterland sehen, wo es bleibi.

Daß die Verweigerung der Kredite durch die Sozialdemo­fratie am 4. August 1914 die innere Einigkeit des deutschen Volkes schwer erschüttert haben würde, daß die Widerstandskraft des Landes empfindlich geschwächt und die Niederlage in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt worden wäre, fann nicht be­ftritten werden. Ob sich die Kreditverweigerer vom 4. August 1914 diefer Konsequenz, thres Handelns bewußt waren, fann hier nicht untersucht werden und braucht nicht unterfucht zu werden. Ihre Politik ist nach den Wirkungen zu beurteilen, die sie hätte haben müssen, wenn es ihnen gelungen wäre, die Mehrheit dafür zu gewinnen. Das war der Wille. Das haben sie vor dem Lande und vor der Geschichte zu verantworten.

Die Mehrheit der Fraktion hat es als ihre elementare Pflicht angesehen, in der Stunde der Gefahr miteinzutreten für die

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 18. Januar 1916.( W. Z. B.)

Westlicher Kriegsschauplah. Allgemein war die Feuertätigkeit an der Front bei meist klarem Wetter gesteigert. Lens wurde wiederum leb­haft beschossen.

Zwei englische Flugzeuge unterlagen bei Passchendaele und Dadizeele( Flandern ) im Luftkampf. Von den vier Insassen sind drei tot. Ein französisches Flugzeng wurde bei Medewich( Moyeuvie) von einem unserer Flieger abgeschossen. Führer und Beobachter sind ges fangengenommen.

Deftlicher Kriegsschauplatz.

Bei Dünhof( südöstlich von Riga und südlich von Widsy) gelang es den Russen unter dem Schutze der Dunkelheit und des Schneesturms, vorgeschobene kleine deutsche Postie­rungen zu überfallen und zu zerstreuen. Balkan - Kriegsschauplah.

Nichts Neues.

Oberste Heeresleitung.

Der öfterreichische Generalftabsbericht.

Wien , 18. Januar. ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart: Wien 18. Januar 1916.

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Russischer Kriegsschauplab.

Da auch der geftrige Tag feine besonderen Ereignisse brachte, tann die Neujahrsschlacht in Ostgalizien und an der bessarabischen Front, über die aus naheliegenden militärischen Gründen die Tagesberichte keine eingehenden Angaben bringen konnten, als ab­geschlossen betrachtet werden. Unsere Waffen haben an allen Punkten des 130 Kilometer breiten Schlachtfeldes einen vollen Sieg davongetragen. Unsere über jedes Lob cr habene Infanterie, die Trägerin aller Entscheidungs­tämpfe, hat Artillerie sehr verständnisvoll von der und geschickt unterstützt- alle Stellungen gegen eine örtlich oft vielfache Ueberlegenheit behauptet. Die große Neujahrsschlacht im Nordosten Desterreich s begann am 24. Dezember v. J. und dauerte, nur an einzelnen Tagen durch Kampfpausen unterbrochen, bis zum 15. Januar, also insgesamt 24 Tage lang. Zahlreiche Regimenter standen in dieser Zeit durch 17 Tage im heftigsten Kampf. Russische Truppenbefehle, Aussagen von Gefangenen und eine ganze Reihe von amtlichen und halbamtlichen Kundgebungen aus Petersburg bestätigen, daß die russische Heeresleitung mit der Offensive ihres Südheeres große militärische und politische Zwede verfolgte. Diesen Absichten entsprachen auch die Menschenmassen, die der Feind gegen unsere Fronten angefekt hat; er opferte, ohne irgend einen Erfolg zu erreichen, mindestens 70000 Mann an Toten und Verwundeten hin und ließ nahezu 6000 Kämpfer als Gefangene in unserer Hand. Der Truppenzufammensetzung nach haben am Sieg in der Neujahrsschlacht alle Stämme der Monarchie Anteil. Der Feind zieht neuerlich Verstärkungen nach Ostgalizien . Sonst im Nordosten keine besonderen Ereignisse.

Italienischer Kriegsschauplas.

Die Lage ist unverändert. An der Dolomitenfront, am Tolmeiner Brückenkopf und im Görzischen fanden stellenweise leb­haftere Geschüßkämpfe statt. Kleinere feindliche Unternehmungen gegen den genannten Brückenkopf und ein Angriff auf unsere Stellungen am Nordhang des Monte San Michele wurden ab­gewiefen.

Südöstlicher Kriegsschauplah.

Die Berhandlungen, die die Waffenstreckung des montene grinischen Heeres zn regeln haben, begannen gestern nachmittag. Unsere Truppen, die inzwischen noch Virpazar und Rijeka besett hatten, haben die Feindseligkeiten eingestellt.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See.

Am 17. nachmittags vollführte ein Geschwader von Seeflugzeugen einen starken Angriff gegen Ancona , wo Bahnhof, Elektrizitätswerk und eine Kaserne mit schweren Bomben getroffen und in Brand gesteckt wurden. Das sehr heftige Feuer von 4 Abwehrgeschüßen war ganz ohne Wirkung. Alle Flugzeuge find unbeschädigt eingerückt.

Flottenkommando.

Rettung des Landes. Die Liebknecht, Haafe und Genossen haben nichts getan, um die Widerstandskraft Deutschlands in dem Ringen gegen eine gigantische Uebermacht von Feinden zu Wasser und zu. Lande zu stärken. Sie haben im Gegenteil ihren parla­mentarischen Einfluß eingesetzt, diese Widerstandskraft zu schwächen. So steht die Partei zwischen ihnen und uns. Hier ist die Scheide­linie der Geister innerhalb der Sozialdemokretic."

Wir geben diese Auffassung Davids wieder, ohne uns polemisch gegen sie zu wenden. Weshalb wir das nicht tun, erfahren diejenigen Genossen, die es bis zum heutigen Tage noch nicht begriffen haben sollten, aus der Rede Ditt manns über die Zensur.

Aber wir halten auch schon deshalb eine Entgegnung für überflüssig, weil jeder Sozialdemokrat, für den das Wesen des Sozialismus und der internationalen Solidarität der Arbeiter. schaft nicht seit jeher ein geistiger Fremdkörper gewesen, den Davidschen Argumenten ohnehin die ent scheidenden Gegengründe entgegenzusetzen imstande ist.

Nur das sei bemerkt: Hätte David mit seinen Darlegungen recht, so wären alle bisherigen internationalen Kongresse und Beschlüsse nichts als ein verlogenes Gaufelspiel ge­wesen. Dann verdienten Bebel und Wilhelm Liebknecht wegen ihrer Abstimmung über die Kriegskredite im Jahre 1870 nicht den Ehrenplatz in der Partei und Parteigeschichte ein­zunehmen, den ihnen bis heute kein Sozialdemokrat bestritten hat, sondern als baterlandslose Gesellen" gebrandmarkt zu werden!

Die Geschichte der Vergangenheit hat darüber längst ihr Urteil gefällt. Und die Geschichte und die Sozialdemokratie wird im gleichen Sinne über die heutigen Gesinnungsgenossen der Bebel und Liebknecht ihr Urteil fällen. In der geistigen Gemeinschaft dieser Dioskuren des Sozialismus fühlen wir uns jedenfalls ungleich wohler, als in der Gesellschaft der David, Wolfgang Heine und ihresgleichen.

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Dagegen, daß David seinen Standpunkt vertritt, haben wir nichts, selbst unter den heutigen Umständen nicht, wo ihmt die gebührende Antwort nicht gegeben werden kann. Denn David hält sein Auftreten offenbar für ein Gebot politischer Gewissenspflicht. Die Vertretung solcher Gewissenspflicht haben wir nie bestritten alle Unterdrückungsmaßnahmen und Verfemungsmaßregeln sind ja bis jetzt von der anderen Seite ausgegangen. Natürlich mit demjenigen Erfolge, der solchen Versuchen von Anbeginn der Geschichte stets beschert gewesen ist: mit dem Erfolge, der Opposition erst recht alles zuzutreiben, was noch Rechtlichkeitsbewußtsein, Rückgrat und geistige Selbständigkeit besitzt.

Wir haben deshalb auch gar nichts gegen die Losung Davids einzuwenden:

Die Mehrheit übernimmt die Verantwortung, die ihr zufällt, und die Minderheit übernimmt die ihre. Danach mögen die Parteigenossen im Lande, danach mag der Parteitag und dann das deutsche Volt bei der nächsten Wahl entscheiden!"

Wolfgang Heine geht freilich in einem Artikel der neuesten Nummer der J. R." weiter. Er will die Entschei dung nicht den Massen nach späterer abgeklärter Beurteilung nach einer unter gleichen Bedingungen er­folgten öffentlichen Aussprache vorbehalten wissen, son­dern schon jetzt die Mehrheiten der Funktionäre unter dent Schutz der heute herrschenden Mächte zu einem Gewalt­streich gegen die Minderheit" aufstacheln. Schreibt er doch:

Das sind keine theoretischen Fragen mehr, über die man sich streiten und die Ansichten sich klären lassen könnte, sondern iegt muß gebandelt werden und zwar im Momente( die Unterstreichung durch Sperrbrud übernehmen wir hier wie im Folgenden dem Driginal des Ge noffen Heine!) Alles hängt von der Tat des Augenblicks ab. Darum dürfen die Fraktion und die Partei sich gegenwärtig teine Sonderaktion gefallen lassen, die die Baterlandsverteidigung, ihre Arbeit für den Frieden und die Arbeit der Partei für innere Neugestaltungen sch to a cht."

Heine predigt hier also das System der Diktatur und des Terrors gegen andersdenkende Genossen, und zwar in einem Augenblick, wo den Andersdenkenden jede freie Verteidigung ihres Standpunktes unmöglich gemacht ist! Derselbe Heine, der unter normalen Zeiten! das Recht der Opposition so pathetisch verteidigt hat. Eine wundervolle Selbstentlarvung dieses freien Ritters vom Geiste!

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Wie man auch über den Krieg und seine Folgen denken mag: das Gute hat er doch gebracht, daß er uns jetzt die ,, freien Geister", die Männer der ehedem angeblich durch Parteitagsbeschluß so schwer mißhandelten und in ihrer Be­wegungsfreiheit eingeengten Opposition in ihrer wahren Gestalt gezeigt hat! Die Leutchen sollen sich fünftig noch einmal über, Intoleranz", über Zelotismus und Fanatismus zu beschweren wagen!

Sehen wir aus den Ergüssen der General­tommission, des Genossen David und des Genossen Heine, wohin ihrem heißen Wunsche und ihrem so unduld­