Nr. 87.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Gegen die Bildung.
Je mehr unsere Feinde sich von der Vergeblichkeit thres Ankämpfens gegen die Sozialdemokratie überzeugen, desto pöbelhafter beginnen sie zu schimpfen, desto schamloser zu lügen und zu desto verrückteren Schlußfolgerungen werden sie getrieben. Jeden Tag haben wir Dutzende Mal Gelegenheit, diese Beobachtung zu machen. Für heute sei aus dem Wust gegnerischer Schimpfereien ein Artikel herausgegriffen, den die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" vorigen Sonntag veröffentlichte. Dieses Blatt, welches in anständiger Gesellschaft nicht erwähnt werden könnte, wenn nicht die neue Regierung, wohl um die Echtheit des von ihr fortgesetzten alten Kurses" zu beweisen, es von Zeit zu Zeit als Organ für vertrauliche die„ NordMittheilungen an das Publikum benutzte
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Mittwoch, den 15. April 1891.
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wenden muß, wo der Frevel feinen eigentlichen Ur sprung nimmt. Was uns in den Schandschriften der Kommunisten als widerliche Fraße, aber freilich zugleich in einer für die niedrigen Instinkte der Menschen natur verlockenden Gestalt entgegentritt, ist nichts als der Niederschlag von wissenschaftlichen" und literarischen Strömungen, die vorher durch das geistige Leben unserer gebildeten Klassen ihren Weg gefunden haben. Hier gilt kein Leugnen, dem Bewußtsein der Mitschuld entspringt jene Mattherzigkeit, die angesichts der schnödesten Begeiferung und Herunterreißung dessen, was uns am heiligsten sein sollte, kaum eine Regung zum Widerstande empfindet."
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Expedition: Beuth- Straße 3.
begann heute bei§ 134a( Fabrik- Ordnungen), der in der Kommissionsfassung also lautet:
Für jede Fabrik, in der regelmäßig mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, ist innerhalb vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betriebes eine Arbeitsordnung zu erlassen. Für die einzelnen Abtheilungen des Betriebes können besondere Arbeitsordnungen erlassen werden. Der Erlaß erfolgt durch Aushang(§ 134 e Absatz 2).
Die Arbeitsordnung muß den Zeitpunkt, mit welchem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher fie erläßt, unter Angabe des Datums unterzeichnet sein.
Abänderungen ihres Inhalts können nur durch den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise erfolgen, daß an Stelle der bestehenden eine neue Arbeitsordnung erlaffen wird.
fassung:
§ 134 b. Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten: 1. über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Ars beitszeit, sowie der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen;
Man lese diesen Erguß mit Aufmerksamkeit, und Die Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben treten lasse sich nicht vom Ekel übermannen. Hinter dem frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlasse in Geltung. sittlichen Zorn" der Norddeutschen", der nur eine Die Sozialdemokraten haben hierzu beantragt, die Worte, burleske Possenreißerei ist, steckt ein ernsthafter Gedanke - derselbe ernsthafte Gedanke, der seit Jahren die welche die Zahl der Arbeiter einer Fabrik auf 20 beschränken, den der sonderbare Engländer Whitmann in den russische Regierung in ihrem Kampfe gegen die Opposition Antrag wurde nach einer kurzen Debatte verworfen und der beherrscht: Der Gedanke, daß der Urquell der modernen Paragraph in der Kommissionsfassung angenommen. deutschen Arbeiterbestrebungen entdeckt habe, heiße revolutionären Bewegung in der modernen Wissenschaft Der folgende Paragraph lautet in der Kommissions richtiger„ ein mehr radikal revolutionärer Gehalt"; zu suchen ist, und daß folglich, wer der modernen und die Ursache hierfür sei weniger in dem ausgiebigen revolutionären Bewegung Herr werden will, der modeutschen Schulunterricht"( dessen Dürftigkeit die Nord- dernen Wissenschaft zu Leib gehen muß. deutsche " sicherlich wohl kennt) als viel mehr in dem Wir nehmen von dieser geistigen Bankerott- Erklärung nichts weniger als erfreulichen Umstande, daß aus der Akt und stellen mit Genugthuung fest, daß die Vertheidiger akademisch gebildeten Klasse Deutsch - der sittlichen Weltordnung von heute d. h. des lands, Manche ohne zu wollen, aus verblen Reptilienfonds, der Unternehmerkartelle, der Ausnahmedetem Doktrinarismus, die Anderen- aus einem gesetze, Millionärezüchtung, Brot- und Fleischvertheuerung dem proletarischen Geiste verwandten Jnu. f. w. u. f. w. die wissenschaftliche Natur der sozialstinkt, die zunächst auf wirthschaftliche Ziele gerichtete Demokratischen Bewegung zugeben müssen, und daß die pompabstrakt sozialrevolutio- haft angekündigte Bekämpfung der Sozialdemokratie mit Arbeiterbewegung mit ganz nären Ideen befruchteten und sie eigentlich erst das geistigen Waffen" schließlich in einen Feldzug gegen durch zu einer Gefahr für die nationale Kultur machten. Die wissenschaft ausläuft Also das„ Gefährliche" der deutschen Bewegung ist Rußland. - -aus„ Norddeutschem" Schimpfdeutsch in gebildetes Deutsch übersetzt ihr wissenschaftlicher Cha
rafter.
Nach diesem blamablen Bekenntniß folgt ein tolles Gemengsel von Fischmarkt- Phrasen über die verbrecherische sozialdemokratische Kritik, die sich an Alles wagt und Nichts verschont.
Das Blatt hat die Frechheit, von Bebel's Schrift Die Frau und der Sozialismus" zu sagen, sie dufte nach dem Lupanar, d. h. nach dem Bordell, und kommt dann zu folgender Konklusion:
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ganz wie in
Politische Leberlicht.
Damit im Reichstag rascher und fleißiger gearbeitet werde, ward gestern der Beginn der heutigen Sizung auf 11 Uhr Vormittags anberaumt. Der Zweck ist jedoch nicht erreicht worden. Um 114 Uhr waren blos 24 Mitglieder im Haus, so daß der Präsident noch 10 Minuten mit Eröffnung der Verhandlungen wartete.
Zunächst haben wir einen kleinen, allerdings unwesent„ Für jedes deutsche und männliche Gemüth, das Lichen Frrthum in unserem gestrigen Resumé zu berichtigen. im Stande ist, den Angriffen der verworrensten Die Schullehrer, von denen in der Hacke'schen Interpellation und oberflächlichsten Sudler auf geheiligte In- die Rede war, waren nicht Einjährig- Freiwillige, sondern stitutionen unseres nationalen Kulturlebens sittlichen 3orn entgegenzusetzen, kann keinen Augenblick Zweifel be- dienten als Reservisten die den Lehrern gewährte Sechsstehen, daß der Kampf gegen die ruchlose Zerstörung Wochen- Dienstzeit ab. alles sittlichen Glaubens sich vornehmlich dahin
Feuilleton.
Nachbruck verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel.
Mit einem Lächeln in den verschwommenen Augen blickte er auf das Baar, das sich vor dem Altar umschlungen hielt und seine großen, harten Hände gegen einander reibend, wartete er bis Stafi für ihn Zeit haben würde.
Die Debatte über das sogenannte Arbeiterschutz- Gesetz
der ihm hatte folgen wollen, um ihm bei dem Ablegen des Ornats zu helfen, mit einem Winke fortschickend.
2. über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung; 3. sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen be wenden soll, über die Frist der zulässigen Auffündigung, sowie über die Gründe, aus welchen die Entlassung und der Austritt aus der Arbeit ohne Auffündigung erfolgen darf;
4. sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Höhe derselben, über die Art ihrer Festsetzung und, wenn sie in Geld bestehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen fie verwendet werden sollen;
5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maaßgabe der Bestimmung des§ 134 Absatz 2 ausbedungen werden soll, über die Verwendung der verwirkten Beträge.
Strafbestimmungen, welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht aufgenom men werden. Geldstrafen dürfen den Betrag des ortsüblichen Tagelohns(§ 8 des Krankenversicherungs- Gesetzes vom 15. Juni 1883, Reichs- Gefeßbl. S. 73) nicht übersteigen und müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik verwendet werden. Das Recht des Arbeitgebers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
Dem Besitzer der Fabrik bleibt überlassen, neben den in Absatz 1 unter 1 bis o bezeichneten, noch weitere die Drdnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen in die Arbeitsordnung aufzunehmen. Mit Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen mit der Fabrik verbundenen Einrichtungen, sowie Vorschriften über das Berhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes aufgenommen werden.
Die Sozialdemokraten haben hierzu beantragt:
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seltsam beklommen zu Muthe: sie hielt die Hand ihres. Mannes fest und hatte nur ein mattes Lächeln für die Stolz und triumphirend wie ein Sieger führte Ambros freundlichen Worte, mit denen die gute Nachbarin sie zu seine junge Frau, deren blühende Farben von der inneren ermuthigen suchte. Um Hannes im Schreiben nicht zu Erregung gedämpft waren, aus der Kirche. Stasi ging wie stören, sprach Frau Carlotta nur mit gedämpfter Stimme im Traume an seiner Seite. Das Häuflein Neugieriger, und so hörte man deutlich die ungemüthliche Musik, die der welches am Ende des Mittelganges harrte, ließ stumm den Nordwind zu dem wunderlichen Hochzeitsmahle machte. Die kleinen Hochzeitszug an sich vorüber; in den Blicken jedoch, kleine Frau konnte sich einer schlimmen Borahnung für das die sich die Leute zuwarfen, stand deutlich das Wohlgefallen Glück des jungen Paares nicht erwehren. Da griff sie rasch an dem jungen Paare zu lesen. nach der Flasche, schenkte die Gläser voll und rief, mit Als Hannes später in der Pfarrstube sich einfand, lag Ambros und Stasi anstoßend: Glück und Segen! Glück auf seiner stark ausgeprägten Stirn ein Schimmer, hervor- und Gegen!" gegangen aus dem kalten Schweiße, der sie in der Einsamkeit der Sakriftei bedeckt hatte. Stafi küßte ihm die Hand, Ohr steckend, ergriff sein Glas und stieß auf das Wohl der Da erhob sich auch Hannes, die Gänsefeder hinter das „ Jezt wird Deine Mutter des ewigen Lebens froh wer; schenkt hatte, sondern mit einem tief dankbaren Blicke." Ich habe den Vater von dem Geschehenen in Kenntniß den," Jüsterte er seiner Nichte zu und füßte sie zärtlich auf Satte sie doch aus diefer Hand erhalten, was sie für ihr gesetzt und ihn für uns Beide um Verzeihung gebeten, höchstes Glück hielt. Ambros aber schüttelte ihm fast den wandte er sich darauf an den Bruder." Ich hoffe zu Das war für Staft das köstlichste Hochzeitsgeschenk, Arm aus dem Gelenke. Hannes blieb ſtill und nachdenk Gott, daß meine Gründe und Vorstellungen sein Herz das ihr hätte gemacht werden können und mit glücklichen lich; dann sette er sich an seinen Arbeitstisch und begann zu wenden werden. Ihr Beide aber möget eingedenk sein, daß Gott Eure Herzen zusammengeführt hat, um durch Thränen stammelte sie:„ Ach, Ohm! Lieber, guter Dhm!" schreiben. Unterdeffen hatte Frau Carlotta ein Essen bereitet, so Eure Liebe der Eltern Frren, Fehlen und Leiden zu Auch Frau Carlotta umarmte und füßte Stafi mit großer Zärtlichkeit und zu Ambros sagte sie:„ Die Manns gut es der farge Inhalt ihres Speiseschrankes und die Gile fühnen." wenn die Mablen geſcheidt wären, thäten sie nimmer heirathen, noch flink aus der Schenke geholt hatte. Hannes trank geleute taugen zwar Alle nicht viel, Gott sei's geklagt, und gestatteten. Auch eine Flasche Wein stellte sie auf, die sie und Sie werden auch nicht besser sein als die Andern; aber wöhnlich nur Wasser. bas sag' ich Ihnen, Herr Falkner, wenn Sie das Kind nicht
beide Wangen.
nicht verwirrt wie damals, als sie Ambros die Rose ge- Neuvermählten an.
Wartet nicht auf mich", murmelte Hannes weiter
glücklich machen, dann giebt's keinen schlechteren Menschen, schreibend, und Frau Carlotta winkte den Gästen, sich an ben die liebe Sonne beſcheint.- Und jetzt wollen wir den Tisch zu sehen und zuzulangen. Jedoch nur David ließ machen, daß wir wieder in die warme Stube kommen. Der er sich bedächtig schmecken. Ambros war voll Ungeduld, den Heimweg anzutreten, nachdem er seinen Zweck erreicht Hannes war in der Sakristei verschwunden; den Küster, hatte, und Stafi vermochte nichts anzurühren. Es war ihr
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Er kehrte zum Schreibtisch zurück, schrieb noch einige Beilen, worauf er den Brief faltete und siegelte und Ambros übergab, um ihn auf den Klosterhof zu schicken.
Ambros, der schon mit den Augen seinen Hut und Mantel suchte, versprach es leichthin, als ob es sich um eine Gefälligkeit handelte, die nur den Bruder, nicht ihn selbst beträfe. Als er und Stafi aber reisefertig waren, vief er, Hannes die Hand schüttelnd, mit Herzlichkeit:
Gott vergelt's Ihnen, daß Sie uns geholfen haben