Gewerksthastllches. verlin und Umgegend. Der Berliner Arbeitsmarkt. Die(Zesamizahl der versicherungspflichtigen Mitglieder von 237 Krankenkassen Grotz-Beriins bat nach den Feststellungen deS S t a« tistischen Amtes der Stadt Berlin in der Woche vom 29. Januar bis mm 5. Februar eine nur geringfügige Veränderung <— 368 oder 0,03 Proz.) erfabren. Die Männer weilen ein Weniger um 1689 oder 0,35 Proz. auf. die Frauen ein Mehr um 1321 oder 0,21 Proz. Bei den 23 Allgemeinen Orlskrankenkassen kam es im ganzen zu einer Zunahme von 1288 oder 0,19 Proz. Versicherungs- Pflichtigen, das Ergebnis eines Rückganges um 279 oder 0,11 Proz. bei den Männern und einer Steigerung um 1567 oder 0.36 Proz. bei den Frauen. Bei den 206 gewerblich gegliederten Krankenkassen ist die Zahl der männlichen Versicherungspflichtigen um 1418 oder 0,59 Proz., die der Frauen um 265 oder 0,15 Proz. gesunken. Unter den einzelnen Gewerbegruppen zeigt u. a. die Sammelgrupve der sonstigen Krankenkassen eine Zunahme um 130 oder 1,54 Proz.; Abnahme der versicherungspflichtigen Mitglieder haben erfahren: die Waren- und Kaufhäuser um 0,84 Proz., das Nahrungsmittelgewerbe um 1,15 Proz., die In- dustrie der Holz« und Schnitzstoffe um 1.81 Proz. und das Bau- gewerbe— wesentlich unter dem Einfluß eingetretenen Frostwetters— um 7 08 Proz. Die Zahl der bei 38 Verbänden der Freien Gewerkschaften er- mittelien Arbeitslosen sank in der Zeit vom 31. Januar bis zum 7. Februar von 2670 auf 2617, das ist um 53 oder 1,99 Proz. Während Steigerungen u. a. bei den Buchbindern(um 67), bei den Schlächtern(um 51) stattgefunden haben, wird eine nicht unethebliche Abnahme der Arbeitslosen— und zwar um 123— vom Fachverbande der Metallarbeiter gemeldet._
Tie Bauanschläger haben durch ihre Schlichtungskommission mit dem Schutzverband der Schlossereien und verwandten Gewerbe Per- Handlungen betreffs einer Teuerungszulage eingeleitet. Es wurde der Kommission gegenüber denn auch zum Ausdruck gebracht, dag man nickt direkt gegen eine solche Zulage sei. bei den Akkordarbeilern sei jedoch eine solche Aufbesierung nach Meinung der Unternehmer nicht angebracht, dagegen wäre man geneigt, den Lohnarbeitern ent- gegenzukommen. Die Arbeilgeber wollen darum erst einmal unter sich beraten, dann werden die Verhandlungen gemeinsam auf- genommen werden. Diei'e kommen aller Voraussicht nach iu diesem Monat noch zum Abschluß. Deutsches Reich . Malerverbandstag. Die fünfzehnte Generalversammlung des Verbandes der Maler, Tüncher und Weißbinder begann gestern morgen im hiesigen GewerkschastshauS. Anwesend sind 41 Delegierte(gegenüber 80 auf der letzten Tagung), je 6 Vorstandsmitglieder und Gauleiter und der AuSichußvorsitzende Leinert- Hannover. Die Bundesorganisationen in Oesterreich und Holland haben Vertreter als Gäste entsandt. Die Gcncralkommiision vertritt Silber schmidt« Berlin , die Zentral- bauarbeiterschutzkommission H e i n k e. In der Eröffnungsrede verwies der stellvertretende Vorsitzende, S t r e i n e« Hamburg , auf die großen Aufgaben, vor die die Gewerkschaften bei Ausbruch des Krieges gestellt worden seien. Der Verband habe sich mit den übrigen Gewerkfchaiten auf den Standpunkt gestellt, daß die Kulturerrungenschaften Deutsch - landS verleidigt werden müßten. Der Krieg habe allerdings auch in den Kollegenkreiscn schon große Opfer gefordert. Streine gedachte ferner in warmen Worten der übrigen Kollegen, die in den letzten drei Jahren gestorben find, besonders des bisherigen ersten Vorsitzenden des Verbandes T o b I e r. M i e tz- Berlin begrüßte den Verbandstag namens der Berliner Mitgliedschaft. W i l k e- Wien brachte die Grüße der Ocsterreicher (sein Verband habe während des Kriegs 85 Prozent der Mitglieder verloren) und I e n s ch- Holland für die holländische Organisation. Den Geschäftsbericht über die Jahre 1913/15 erstattete hierauf Streine. Er verwies auf die gedruckt vorliegenden Be- richte über 1913 und 19!4— von denen wir bereits einen Auszug brachten— und gab dazu Ergänzungen. Die verflosiene Geschäfts- Periode bezeichnete Streine als die wichtigste und arbeitsreichste aller Perioden. Zu Anfang des JahreS 1914 hoffte man auf einen Auf- schwung der Konjunktur. In den Monaten April und Mai zeigte sich gegenüber dem Vorjahre eine Besierung, da kam der Krieg, der auf so vielen Gebieten eine Umwälzung brachte. Bei seinem Aus- bruch wurden alle Lohnbewegungen eingestellt. Auf die Lohn« und Arbeitsverhältnisse hat der Krieg keinen Einfluß gehabt, die Tarif- vertrüge sind bisher von dem Krieg nicht berührt worden. Die Zahl der unter Tarife arbeitenden Kollegen ging aber um drei Viertel zurück. sie beträgt jetzt nur 13 900. Das Verhältnis mit den Arbeitgebern hat sich seit dem letzten Tarifabschluß günstiger gestaltet, die Differenzen haben abgenommen. Die Mitgliederbewegung nahm 1914 einen günstigen Anfang, es wurden im ersten und zweiten Quartal rund 12000 Aitfnohmen gemacht. Vom Jahresbeginn bis zum Schlüsse des zweiten Quartals 1914 stieg die Mitgliederzahl um 2400, auf 47 230. Der Ausbruch des Krieges störte diese Entwicklung, er brachte durch das Einziehen der Kollegen einen rapiden Rückgang. Ende 1915 betrug die Mitgliederzahl nur noch 9574.— Im weiteren besprach der Berichterstatter die innerorganisatoriichen Maßnahmen des Ver- bandcs, die sich durch den Krieg nötig machten, und hob dann die Tätigkeit der Vertretung sämtlicher Gewerkschaften, der General- kommiision und der politischen Vertretung der Arbeiterschaft, der sozialdemokratischen Rcichstagsfroklion im Interesse der Arbeiter auf sozialem Gebiet und in der Lebensmittelsrage hervor. Diese In- stanzen hätten getan, was getan werden konnte. Wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt worden wären, so seien doch manche Er- folge zu verzeichnen, die zum Vorteile der Arbeiterschaft gereichten. Den Kassenbericht gab W e n t k e r- Hamburg. Die Ge- samteinnabmen des Verbandes betrugen in runden Zahlen 1913 2 196 000 M.. 1914 1 231 000 M. und 1915 nur 573 000 M. Die Gesamtausgaben belaufen sich dagegen auf 2948 000 M. 1913, 1184000 M. 1914 und 406 000 M. 1915. Von den einzeluen Aus- gabeposten seien die wichtigsten hervorgehoben: 1913 1914 1915 M. M. M. Streikunterstützung..... 2 261 815,— 64 255,—— Krankenunterstüyung.... 685863,— 838240,— 76210,— Arbeitslosenunterstützung..— 176 102,— 6 317,— Familienunlerstützung...— 57 646,— 47 084,— Maßregelungsunterstützung.. 6 634,— 5 342,— 64,— Das Vermögen des Verbandes betrug Ende 1915 825 882 M- Redatieur Mark- Hamburg berichtete über die Presse. Beschwerden gegen die Haltung des Verbandsorgans seien nicht erhoben worden. An den Vorgängen innerhalb der organisierten Arbeiterschaft hätte das Verbandsorgan nicht stillschweigend vorüber- gehen können.(Sehr richtig I) Der Verband, der schon selbst gegen Zersplilterungsversuchc hätte ankämpfen müssen, wüßte am besten. was diese bedeuteten. Er müsse sich darum auch jetzt gegen jede Zersplitterung der Arbeiterorganisation wenden. Das Verhalten der sozialdemokratischen Reichstagssraklion sei vom gewerkschaftlichen Standpunkt aus das einzig Richtige. Dem hätte das Verbands- organ Rechnung getragen. Den Bericht des Ausschusses, der kein Allgemein- interesie hat, gab L e i n e r t- Hannover. An die Berichte schloß sich eine längere A u S s p rjj ch e, in der besonders die innerorganisatorischen Maßnahmen erörtert wurden. die bei Ausbruch deS Kriege« getroffen worden waren. Bedauert wurde, daß die Krankenunterstützung gleich ganz zur Aufhebung kam. Der Beschluß des Beirats, daß den zum Militär eingerückten Mit- gliedern die Mitgliedschaft voll angerechnet werde, wurde als zu weitgehend bezeichnet. Ueber die Frage, ob die Kollegen, die zeit- weüe vom Mckitär entlassen bezw. beurlaubt find, beitragspflichtig Verantw. Redakt.: Alfred Wielepp. Neukölln. Jnserateuteil oeranüä
seien, müsse eine klar« Enkscheidung getroffen werben. Vorsitzender Streine erklärte, der Vorstand stehe aus dem Standpunkt, daß, wenn diese Kollegen verdienen, sie auch wieder Beiträge leisten müßten.— Die Stellungnahme von Mark und Streine zum Krieg und zu den Vorgängen in der ReichstagSfraktion wurde von mehreren Delegierten unterstrichen; eine gegenteilige Ansicht kam nicht zum Ausdruck. In den Schlußworten gingen die Berichterstatter auf die auf- geworfenen Fragen näher ein. Gegenüber dem Verlangen eines Delegierten, der Vorstand hätte seine Ansicht zu den Streitigkeiten in der Partei noch entschiedener präzisieren müssen und die General- Versammlung solle ihre Meinung festlegen, betonte S t r e i n e. daß er mit Mark übereinstimme, man iolle aber vermeiden, den Streit in der Partei auch in die Gewerkschaften zu tragen. Ein Antrag der Berliner Delegierten, die Kosten des Streiks bei der Firma Lutze in Adlershof auf die Hauplkasfe zu übernehmen, wurde mit 27 gegen 14 Stimmen abgelehnt. Dem Vorstand, der Redaktion und dem Ausschuß wurde einstimmig Entlastung erteilt. Tie Verhandlungen wurden dann abends 7�/, Uhr vertagt.
Mus der Partei. Stellungnahme der Kieler Parteigenossen zum Parteistreit. In zwei sehr stark besuchten Mitgliederversammlungen des Sozial- demokratischen Vereins— die erste am 20. Januar war von 2000, die zweite am 10. Februar von 1500 Perionen besucht— nahmen die Kieler Parteigenossen Stellung zu den Differenzen in der Partei. In der ersten Versammlung sprachen die Genossen Ledebour und Legten. Die zweite Versammlung sollte lediglich der Debatte dienen. Auf Befragen des Vorsitzenden hatte Genosse Ledebour am Schlüsse der ersten Versammlung erklärt, daß er in die zweite Versammlung nicht kommen werde. Darauf erklärte Genosse Legien, daß dann auch für ihn keine Veranlassung vorliege, zur zweiten Versammlung zu kommen. Wider Erwarten war aber der Genosse Ledebour doch zur zweiten Versammlung nach Kiel gekommen, und zwar— wie in der Versammlung festgestellt wurde— auf Einladung von Genossen der Minderheit, ohne daß diese dem Vorstand des Vereins davon Mitteilung gemacht hatte», so daß der Genosse Legien nicht eingeladen werden konnte und deshalb auch nicht in der Ver- sammlung anwesend war. Nach stürmischer Geschäftsordnungsdebatle wurde von der Versammlung der Antrag, den Genoffen Ledebour zur Versammlung zuzulassen, mit großer Mehrheit abaelehnt.— Darauf folgte eine mehrstündige Debatte über die Differenzen in der Partei, die durchaus sachlich verlief und in der immer nach einem Redner aus der Mehrheit ein Redner aus der Minderheit sprach. Nach Schluß der Debatte wurde mit übe, wältigender Mehr- heit— mehr als Dreiviertel der Versammlungsteilnehmer stimmte dafür— diese Resolution angenommen: .Die Hauptversammlung des Sozialdemokratischen Ortsvereins Groß-Kiel, die unter Teilnahme von etwa 1500 Mitgliedern am 10. Februar im GewerkschaflshauS tagte, steht nach Anhörung der beiden Referenten in der Hauptversammlung am 20. Januar aus dem Boden der Anschauungen der Mehrheit der Reichstazsfraklion, und hält die Bewilligung der Kriegskredite in der gegenwärtigen Zeit für geboten. Sie ist nichts als die folgerichtige Weitersührung der unstreitig am 4. August für richtig erkannten Politik, um so mehr, als sich die Verhältnisse nach außen seither nicht geändert haben. Die Versammlung erblickt in dem Verhalte» der Minderheit einen Disziplinbruch, der zu schwerer Schädigung aller Glieder der Arbeiterbewegung geführt hat. Bisher war einiges, geschlossenes Handeln der Stolz"und die Stärke der Partei. Das Vertrauen der Arbeiter beruht auf dieser Geschtossenheit, die nun gestört ist. Die Versammlung verurteilt daher aufs schärfste das Verhallen der 20 Fraktionsmitglieder, die dadurch nicht nur die Geschlossenheit der parlamentarischen Aktion gestört, sondern auch die Einbeil der Partei stark gefährdet haben. Die Versammlung ist der An- ficht, daß alles daran zu setzen ist, die Kraft der Partei zu wahren, und fordert deshalb alle Genossen auf, in diesem Sinne zu wirken.— Die Anerkennung der Fraktionspolitii schließt nicht aus. daß die Reichs lagssraktion aufzusorvern ist, unermüdlick und mit allen Kräften für weitere Maßnahmen einzu- treten, welche der breiten Masse die schweren Lasten der KriegSzeit erleichtern". Eine Resolution, welche das Verhalten der 20 FraktionS- Mitglieder der Minderheit begrüßt und bedauert, daß die übrigen Fraktionsmitglieder dem Beiipiel der Minderheit nicht gefolgt sind, die ferner das Verhalten des Genoffen Legien, des Vertreters des Kieler Wahlkreises im Reichstage, bei der Abstimmung über die Kriegskredite bedauert und seinen Antrag in der Fraklionsgemein- schasr auf Ausschluß der 20 Mitglieder aus der Fraktion verurteilt, war damit gefallen. « Eine Konferenz für den Bezirk Breslau , der 13 Wahlkreise Mittelichlesiens umsaßt, hat folgenden Beschluß gefaßt: .Angesichts der Haltung der feindlichen Regierungen, die jede Friedensderertschaft von sich weisen, kann die sozialdemokratische Fraktion keine andere Stellung als die der weiteren Verteidigung des Landes einnehmen. Die Konferenz lehnt die Auffassung der Minderheit ab und bedauert die Schädigung für die Partei, die sich aus dem Sondervorgehen der Minderheil ergibt. Die Konferenz erwartet, daß die Fraktion in Zukunft wieder die Einigkeit und Geschlossenheit bekundet, die den Jniereffen und den Wünichen der Arbeiterklasse entspricht." Der eiste Teil der Resolution wurde mit 28 gegen 3, der zweite gegen 2 Stimmen beschlossen.
Mus Industrie und Handel. Kriegsgewinne. Die Elektrotechnische Fabrik Rheydt, Max Scherz u. Co. L.- G. bat schon im Vorjahre die Dividende von 8 auf 12 Proz. erhöht. Sie überrascht ihre Aktionäre Heuer mit einer Dividende von 20 Proz. und gibt auf zwei alte eine neue Aktie gratis aus, wodurch das Aktienkapital von 1,75 Millionen Mark auf 2,625 Millionen Mark erhöbt wird. Obwohl das Gesetz zur Rückstellung von 50 Proz. deS Mehrgewinnes anordnet, weiß die Geiellschast nicht, wohin mit ihren Riesengewinnen und schenkt daher den Aktionären das halbe Aktienkapital durch Ausgabe von Gratisaktien. Wie hohe Gewinne aus der Verwertung der Ladenhüter gezogen werden zeigt der Abschluß von Pongs Spinnereien und Webereien A.- G. in Odenkirchen . Das Unternehmen, das durch fünf Fahre keine Dividende verteilt hat. gibt 20 Proz. auf die Vor- zugs- und 14 Proz. auf die Stammallien.
Soziales. Famillenunterstützang der Kriegöteiluehmer. Der preußische Minister des Innern hat im Anschluß an die von uns am 23. Janunr mitgeteilte Bundesratsverordnung über die Unterstützung der Familien der Kriegsteilnebnler erläuternde Bc- Merklingen unter dem 30. Januar 1916 erlassen, die im nächsten Ministerialblatt zur Veröffentlichung gelangen werden. Der Minister betont, einer der Hauptgesschtspunkte für den Erlaß der Bundesratsverordnung ist der geweien. Anordnungen zu treffen, die geeignet und ausreichend erscheinen, den immer wieder er- hobenen, zum Teil nicht unberechtigten Beschwerden über«ine un- zulängliche Versorgung der Krieger samrlien den Boden zu entziehen. Daß dieseSZiel nunmehr erreicht wird— und daß dies Tt. Glocke. Berlin . Druck u. Lerlaa: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsannau l
geschieht, ist im alkgemeinen und mMtarischen Interesse eine Notwendig- keit— wird im wesentlichen von der Handhabung der Bestimmungen durch die Lieferungsver« bände abhängen. Denn trotz der Festlegung gewisser objektiver Merkmale ist bei Prüfung der Bedürfligkeil den Lieserungsverbänden noch ein Weiler Spielraum gelassen. Air ihren, vor allem ihren Verantwortlichen Leitern, wird es daher liegen, die gegebenen Be« stimmungen so anzuwenden, daß den Familien der Kriegsteilnehmer die ihnen zustehende Unterstützung zuteil wird. Der Minister verweist dann darauf, daß bei Prüfung der Unterstützungsonträge nicht mit Engherzigkeit Verfahren werden darf. Zumal bei der langen Dauer des Krieges und der Teuerung aller Lebensmittel werden jetzt auch früher mit Recht abgelehnte. Anträge bei wohl- wollender Prüfung für begründet zu erachten sein. Von den Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften der Bundesratsverordnung seien die hervorgehoben, die sich auf die Frage der Bedürftigkeit und auf die eines Eingriffs der Aufsichtsbehörde beziehen. Nach K der Bundesratsverord- nung ist Bedürsiigleit stets anzunehmen und wenigstens der M'ndest- satz der UnterstützungSbeträge zu zahlen, wenn nach der letzten Steuerveranlagung das Einkommen des in den Dienst Emgelreleneu und seiner Familie in den Orlen der Tariillasse Li 1000 M. oder weniger, in den Orten der Tarisklasse V und D 1200 M. und weniger, in den Orten der Tarifklasse A und B(hierhin gehört Berlin ) 1500 M. oder weniger beträgt. Wenn der in den Dienst Eingetretene mit seiner Familie am Einkommen keinen Ausfall leidet oder wenn sonstige Tatsachen die Annahine recht« fertigen, daß eine Unterstützung nicht benötigt wird, be- steht in der Regel ein Anspruch nicht. Der Minister weist ober mit Recht darauf hin, daß trotzdem Familien, die ein höheres Einkommen haben, als in den Mindestiätzen festgelegt ist, als bedürftig angeiehen werden können, wenn besondere Gründe hierfür sprechen. Als solche kämen z. B. in Frage: Vorhandensein einer teuren, nicht gleich abgebbarcn Wohnung, Krankheit in der Familie, größere Zahl von Kindern, GeichäftSichulden u. dergl. Die Frage, wie es denn steht, wenn der Eingezogene überhaupt nicht veranlagt ist oder wenn seine Einkommensverhältnisse sich geändert haben, erläuterte der Minister an dem folgenden Beispiel: .Hat ein in den Dienst Eingetretener 1800 Mark versteuert, so daß an sich die Familie nach Absatz o des§ 3 der Bundesratsverordnung nicht unterstützungsberechtigt wäre, und wird von dem LiefcrungS« verbände festgestellt, daß sich das Einkommen der Familie nach dem Diensteintritt des Wehrpflichtigen nur noch auf 1300 M. beläuft, so würde unter sinngemäßer Anwendung der Be- stimmungen des Geieyes in Orten der Tarifklasse A und B die Unterstützung zu gewähren sein, in Orten anderer Tarifklassen da« gegen nur, wenn besondere Gründe vorliegen, die dies gerechtfertigt erscheinen lassen." Zu Z 7 der Bundesratsverordnung. der den Aufsschtsbehördeir über den Lieferungsver band das Recht beilegt Anweisungen zu er- lassen, führt der Minister aus, daß er den Erlaß allgemeiner Anweisungen sich vorbehält. Ein formales Beschwerderecht, welche? an Fristen gebunden wäre, bringe die neue Verordnung nicht. ES verbleibe vielmehr bei der Beschwerde im Aussichtswege. Demgemäß seien die Beschwerden gegen die Entscheidungen der Lieferungsver- bände an den Regierungspräsidenten und gegen dessen Entscheidung an den Minister des Innern zu richten. Der§ 7 ändere das be- siebende Recht nach folgenden drei Richtungen: 1. Die Aufsichts- bchörden können künftigbin Anweisungen erlassen, 2. die Aufsichts- behörden können in Zukunft auch die Zahlung von Familienunter- stützungen in geeigneten Fällen anordnen und 3. in den Bezirken der Lieferungsverbände, in denen besondere Kommissionen über die Unterstüyungsanträge entscheiden, haben über etwaige Beschwerden die Vertretungen der Lieferungsverbände zu befinden, dos heißt in Landkreisen die Kreisausschüsse und in Stadtkreiscil die Magistrate (Oberbürgermeister). Es ist zu hoffen, daß endlich, insbesondere auf dem Lande den Familien, denen bislang ihr Recht aus Unterstützung versagt war, die Unterstützungen in Gemäßheit de« Gesetzes, der Bundesrats- Verordnung und der Erläuterung des preußischen Ministers des Innern zuteil werde.
Gerichtszeitung. Ein geheimnisvoller Diebstahl. Ein Strafprozeß, der drei Jahre lang die Gerichte in ver- fchiedcnen Instanzen beschäftigt hat, fand gestern vor der Z.Strafkammer des Landgerichts n unter Vorsitz des Landg.- Direktors F o r st m a n n seinen Abschluß. Unter der Anklage des schweren Diebstahls hatte sich der Hausbesitzer Oskar Roßbach aus RahltSdorfcr Mühle zu verantworten. In einer Januarnacht des Jahres 1913 wurde der zwei Meter hohe Drahizaun, der die Baumschule der Gemeinde umgibt, zerschnitten und eine Anzahl junger Tannen, Fichten und Apfelbäume aus der Baumschule ent- wendet. Nach den Fußspuren mußte die Tat von zwei Personen ausgeführt sein. Durch einen Zufall bemerkten einige Tage später die Gärtner der Gemeinde, daß auf dem Grundstück des An- geklagten unter den dort im Garten befindlichen Bäumen auch die der Gemeinde gestohlenen standen; sie erkannten die Bäume, die sie selbst aufgezogen hatten, an gewissen forstwirtschaftlichen Merkmalen mit Sicherheit wieder. Auf Veranlassung des Gemeinde- Vorstehers Köhler wurden die Bäume darauf beschlagnahmt und ausgegraben. Der völlig unbescholtene Angellagie, der vier Grund- stücke besitzt, stellte auss entschiedenste in Abrede, mit dem Diebstahl irgendwie i» Verbindung zu stehen. Er erklärte, daß er aus seinem Grundstück für über 600 Mark Bäume angepflanzt habe und deS- halb nicht mehr genau angeben könne, woher jeder ein- zelne Baum stamme. Soviel er wisse, habe er die Bäume aus einem Berliner Waren hau je gekauft. Die Strafkammer hielt die � Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf die nachgewiesene� Identität der Bäume für festgestellt und verurteilte ihn zu vier MonatenGefängniS. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein mit dem Er« solge, daß das Reichsgericht das erste Urteil aushob und die Sache an die Strafkammer zurück verwies. Die er- neuto Verhandlung brachte eine Ueberraschung. Es war nämlich inzwischen aus dem Felde von dem als Flieger im Osten stehenden Sohn des Angeklagten beim Gericht ein Brief eingegangen, in dem der Sohn unter Ausdrücken tiefsten Schmerzes über die Verurteilung seines Vater« sich selb st der Täter« i ch a f t bezichtigte. Er gestand in diesem Briefe, daß sein Vater ihm seinerzeit zum Anlauf von Bäumen auS dem Warcn- hauie Geld gegeben, daß er dann aber das Geld für sich verbraucht und. um dem Vaier seinen Fehltritt zu verheimlichen, zusammen mit einem anderen jungen Menschen namens Beil aus der Baumschule der Gemeinde Bäume eniwendet und als angeblich gekaufte»ach Hause gebracht habe.— Angesichts dieser Eiilhüllung, die dem An- geklagten selber ganz unerwartet kam, erwies sich die Vernehmung des Sohnes, sowie jenes Beil als erforderlich und die Verhandlung mußte daher vertagt werden. B.. der gleichfalls im Felde steht, bestritt bei seiner kommissarischen Vernehmung vor dem Gerichts- oifizier, daß er bei dem Diebstahl mitgewirkt habe. Der Sobn des Angeklagten blieb bei seiner Selbstbezichligung.— In der Schluß- Verhandlung. die jetzt stattfand, beantragte der Staatsanwalt gegen den Angeklagten wiederum vier Monate Ge- fängni s, da er von der Annahme ausging, daß der Sohn leinen Glauben verdiene, weil dieser offenbar nur seinen Bater vor dem Gefängnis retten wolle.— Das Gericht kam aber diesmal zur Freisprechung �des Angeklagten, weil die Sachlage zum mindesten nicht genügend geklärt sei.