Nr.59.- 33. Jahrg.
Abonnements- Bedingungen: Abonnements Brets pränumerando: Bierteljährl. 3,30 Wit, monatl. 1,10 D., möchentlich 25 fg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Gonntags nummer mit illustrierter Sonntags Beilage Die Neue Welt" 10 Bfg. Bojt Abonnement: 1,10 Mart pro Monat. Eingetragen in die Bost ZeitungsBreisliste. Unter Kreuzband Deutschland und Desterreich- Ungarn 2.50 Mart, für das übrige Ausland 4 Mark pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien , Dänemart, Holland , Italien , Luxemburg , Bortugal, Rumänien , Schweden und die Schweiz
Ericheint tägld.
für
5 Pfennig
Die Infertions- Gebühr Beträgt für die sechsgespaltene Rolonel geile oder deren Raum 60 Big., für politische und gewertschaftliche Bereins. und Bersammlungs- Anzeigen 80 Pfg. Kleine Anzeigen", das fettgedruckte Lort 20 Big.( guläffig 2 fettgebrucie Morte), jebes weitere Bort 10 Bfg. Stellengesuche und Schlafitellenan zeigen das erste Bort 10 Bfg jedes weitere Bort 5 Bfg. Worte über 15 Bud staben zählen für zwei Borte. Juferate für die nächste Summer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.
Telegramm- Adresse: Sezialdemokrat Berlin".
Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.
Fernsprecher: Amt Morigplag, Nr. 151 90-151 97.
Dienstag, den 29. Februar 1916.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Wernsdrecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.
Der Kern der Steuerfrage.
Wir haben nicht die Absicht, die Anzapfungen des Genossen Cunow zu beantworten, der es nicht unterlassen kann, uns der Entstellungen, Verdrehungen und sonstiger Frevel anzuflagen. Wir legen es zu dem übrigen, zumal wir es ihm neidlos einräumen: in Bezug auf Grobheit schlägt er jeden Rekord. Auch wollen wir uns hier nicht in Detailfragen bertiefen, etwa darüber, wie man ein übermäßiges Steigen der Kohlenpreise verhindern kann, ob bei scharfer Erhöhung der direkten Steuern die Kapitalisten ihren Luruskonsum oder die Akkumulation einschränken und andere Dinge mehr. Vielleicht bietet sich noch Gelegenheit, auf solche Details zurückzukommen. Vorläufig scheint es uns wichtig, Klärung in Bezug auf die Hauptfragen herbeizuführen.
Wir vertreten den Standpunkt, daß einstweilen unser fozialdemokratisches Programm noch besteht und die Partei feinen Anlaß hat, in der Steuerfrage davon abzuweichen. Deshalb halten wir daran fest: daß wenn neue Staatseinnahmen geschaffen werden müssen, so sind direkte Steuern einzuführen.
Cunow warnt: übermäßige direkte Steuern können zur Hemmung der Stapitalsneubildung führen; deshalb begibt er fich auf die Suche nach neuen Einnahmequellen und empfiehlt uns das Eintreten für ein Stohlenhandelsmonopol, trotzdem er nicht bestreiten kann, daß das eine ähnliche Wirkung haben muß, wie eine Stohlensteuer, also eine indirekte Steuer auf eines der notwendigsten Produkte.
Nun bestreiten wir keinesfalls, daß die übermäßige Erhöhung direkter Steuern in diesem Sinne wirken kann. Wir behaupten jedoch mehr: jede lleberlastung mit Steuern, wie immer sie beschaffen ist, jede übergroße Entnahme von Werten aus dem Produkt der gesellschaftlichen Arbeit zur Bestreitung unproduktiver Ausgaben, muß auf diese oder jene Weise die wirtschaftliche Entwickelung hemmen. Es gibt fein Mittel, die unproduttiven Ausgaben ins Ungemessene zu Steigern. Die Geschichte kennt der Beispiele genug, daß die Vergeudung von Geld und Gut durch Kriege die wirtschaftliche Lebenskraft der Völker vernichtete, oder doch ihre wirtschaftliche Entwickelung für Generationen zurückgeworfen hat. Staatsbanfrott, wirtschaftlicher Zusammenbruch und tultureller Niedergang find die Folgen.
Daß der gegenwärtige Strieg, wenn er noch lange dauert, die europäischen Völker mit solchen Folgen bedroht, wird selbst von den Vertretern der bürgerlichen Parteien und der Regierung betont.
In dieser Situation wird die Steuerfrage bitterernst. Aber, daß es mit der Beschaffung neuer Steuern nicht getan ist, daß nach diesem Aderlaß, auch wenn das bittere Ende vermieden wird, die Völker sich nicht wirtschaftlich erholen tönnen, wenn nicht tiefgreifende Reformen der sozialen Su- 1 stände durchgeführt werden, scheint unzweifelhaft. Träger dieser Reformen kann, wie die sozialen und politischen Zustände sind, einzig und allein die Arbeiterklasse sein.
Die Steuerfrage muß also in die allgemeinen Reformen einrangiert werden. Mit dem Auffleistern eines Pflästerchens hier und eines Pflästerchens dort ist es nicht getan, erst recht nicht mit dem Hinaufschrauben bestehender und der Einführung neuer Steuern. Wenn man uns da den Rat gibt, unsere programmatischen Forderungen aufzugeben, nur, damit unsere parlamentarischen Vertreter bei der Steuermacherei der bürgerlichen Parteu praktische Mitarbeit" leisten können, so lehnen wir das ab.
Eunow beruft sich auf Autoritäten und glaubt boshaft zu sein, wenn er meint, wir würden vielleicht Friedrich Engels nicht mehr für fompetent halten, weil auch dieser ,, nationalistischen Anschauungen verdächtig ift". Er irrt. Der Engels, der das Kommunistische Manifest verfaßte, der stets für die klare proletarische Taktik eintrat, scheint uns ein guter Berater alleweil; den Engels, den sich die UmLerner zusammengemanscht, für die Vierten- August- Politik umgemodelt haben, den lehnen wir freilich ab. Cunow zitiert nun Engels, als ob dieser geringschäßig über die Steuerforderung in sozialdemokratischen Programm gedacht, als ob er diese Forderung als veraltet über Bord geworfen habe. Das ist falsch. Bitieren wir nach guter alter Sitte im Zufammenhang. Es handelt sich um den bekannten Artikel von Engels , in dem er das 1895 von den französischen Genossen ausgearbeitete Agrarprogramm, mit dem sie hofften, die Bauern für sich zu gewinnen, als opportunistisch und possibilistisch verwarf. Der auf die Steuern bezügliche Passus lautet:
Meldung des Großen Hauptquartiers.
Amtlich. Großes Hauptquartier, den 28. Februar 1916.( W. Z. B.)
Westlicher Kriegsschauplak.
Die Artilleriekämpfe erreichten vielfach große Heftigkeit. An der Front nördlich von Arras herrscht fort gesezt lebhafte Minentätigkeit; wir zerstörten durch Sprengung etwa 40 Meter der feindlichen Stellung.
In der Champagne schritten nach wirksamer Fenervorbereitung unsere Truppen zum Angriff beiderseits der Straße Somme- By- Sonain. Sie eroberten das Gehöft Navarin und beiderseits davon die französische Stellung in einer Ausdehnung von über 1600 Meter, machten 26 Offiziere und 1009 Mann zu Gefangenen und erbeuteten 9 Maschinengewehre und einen Minenwerfer.
Im Gebiet von Verdun erschöpften sich wiederum nen herangeführte feindliche Massen in vergeblichen Angriffsversuchen gegen unsere Stellungen in und bei der Feste Donaumont sowie auf dem Hardaumont.
Unsererseits wurde die Maashalbinsel von Champneuville vom Feinde gesäubert. Wir schoben unsere Linien in Richtung auf Vacheranville und Bras weiter vor. In der Woevre wurde der Fuß der Cotes Lorraines von Osten her an mehreren Stellen erreicht.
Oeftlicher und Balkan - Kriegsschauplah. Nichts Neues.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichische Generalstabsbericht.
2ien, 28. Februar.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Russischer and italienischer Kriegsschauplay. Nichts von besonderer Bedeutung.
Südöstlicher Kriegsschauplah.
Unsere Truppen haben in Durazzo bis jetzt an Bente eingebracht: 23 Geschüße, darunter sechs Küstengeschüte, 10 000 Gewehre, viel Artilleriemunition, große Verpflegungsvorräte, 17 Segel- und Dampfschiffe.
Allen Anzeichen zufolge ging die Flucht der Italiener anf ihre Kriegsschiffe in größter Unordnung und Hast vor sich. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Goefer, Feldmarschalleutnant.
wird, als das Barzelleneigentum zu erhalten. Es fällt ihm aber gar nicht ein, die Preisgabe dieser Forderung zu empfehlen, weil bei ihrer Verwirklichung ein so großer Teil der Affumulation verzehrt wird".
In der Tat, es gibt im sozialdemokratischen Programm so manchen Punkt, den eine bürgerliche Regierung nie und nimmer erfüllen fann. Aber ein Engels dachte nicht, wie die Umlerner, die bereit sind, das Programm zu fastrieren, von wegen der praktischen Mitarbeit". Deshalb möchten mir bitten, ihn aus dem Spiel zu laffen.
In der gegebenen Situation ist es eine ganz selbstverständliche Forderung der Sozialdemokratie, daß jede Neubelastung der arbeitenden Massen zu dem Zwecke, die Kriegsschuld zu verzinsen und andere Ausgaben zu decken, die der Krieg nach sich ziehen muß, zu unterbleiben hat. Dafür treten wir ein. Eunow glaubt uns niederzuschmettern, indem er die Fragen stellt:
Wenn nach dem Striege eine Aufbringung der nötigen Milliarden durch direkte Steuern nach der Ansicht aller, die etwas von Steuerpolitit verstehen, unmöglich ist, indirekte Steuern aber die ärmeren Voltsschichten zu schwer belasten und Staatsmonopole zu fistalischen Zweden nicht eingeführt werden dürfen, wie sollen dann die Milliarden aufgebracht werden? Hat der Vorwärts ein Rezept dafür in Bereitschaft?
Hier wird das, was zu beweisen wäre, als bereits bes wiesen hingestellt, daß nämlich die Aufbringung der nötigen Milliarden durch direkte Steuern in der gegebenen Situation nicht möglich ist. Es wäre an Guno gewesen, diesen Beweis zu erbringen, er ist ihn aber schuldig geblieben. Ferner werden fistalische Monopole als eine Einnahmequelle hingestellt, bei der die ärmeren Volksschichten nicht belafter werden. Indessen hat Cunow selbst eingestehen müssen, daß bei dem von ihm empfohlenen Kohlenhandelsmonopol eine starke Belastung der gesamten Industrie und der ärmeren Volksschichten unvermeidlich eintreten muß. Auch dürfte kein anderes Monopol zu finden sein, das große Einnahmen abwirft, ohne daß Verbrauchsartikel der arbeitenden Massen verteuert werden.
Auf die zweite Frage antworten wir seelenruhig: Nein, wir haben fein Rezept auf Lager, den Pelz zu waschen ohne ihn naß zu machen. Wir befassen uns nicht mit fozialer Quacksalberei und wissen keine Universalmittel für die Ge brechen des fapitalistischen Staates. Bon einem Arzt verlangen, er soll die Seuche beseitigen, ohne an den Zuständen, die diese Seuche mit Notwendigkeit erzeugen, zu rütteln, ist Unsinn. Ebenso unsinnig ist es aber auch von der Sozialdemokratie verlangen, sie solle ein Mittel angeben, dic finanziellen Nöte, in die der Krieg den Staat gestürzt hat, zu heilen, ohne jedoch an den politischen Grundlagen des Staates irgend etwas zu ändern, ohne an dem fostspieligen Apparat der Bureaukratie, an die Riesenaufwendungen zu Nüstungszwecken zu rühren.
nur, wie wenig man ihre Tragweite berechnet Cunow behauptet, wenn wir das sagen, bedeute das bat. Nehmen wir England. Dort beträgt das Staatsbudget Preisgabe der Arbeiterinteressen. Mit nichten. Indem wir 90 Millionen Pfund Sterling. Davon werden aufgebracht durch darauf bestehen, daß die Lasten durch dirette Steuern aufdie Einkommensteuer 18 bis 14 Millionen, die übrigen gebracht werden, treten wir für die Arbeiterinteressen ein 76 Millioner zum fleineren Teil durch Besteuerung von Geschäften Daß die bürgerlichen Parteien dafür nicht zu haben sind, daß ( Post, Telegraph, Stempel), zum weitaus größten Teil aber durch sie mit den abgedroschensten Redensarten- jezt vielleicht Auflagen auf die Massenkonsumtion, durch stets wiederholtes auch unter Berufung auf Tunow fich gegen die ErAbzwaden, in fleinen, unmerklichen, aber sich zu vielen Millionen höhung der direkten Steuern wenden werden, wissen wir. Die auffummierenden Beträgen, vom Einkommen aller Einwohner,
" 1
bornehmlich aber der Aermeren. Und es ist in der heutigen Ge- Entscheidung liegt bei den Bolksmassen. Von ihrer politischen fellschaft faum möglich, die Staatsausgaben auf andere Weise au Haltung hängt es ab, ob durchgreifende politische Reformen, deden. Geiegt man legte in England alle 90 Millionen den Ein- die notwendig sind, um zu einem erträglichen Steuersystem tommen von 120 Pfund Sterling 3000 Fr. und darüber in zu kommen, nach dem Kriege durchgesetzt werden oder nicht. progressiver direkter Steuer auf. Die durchschnittliche jähr- Von vornherein auf unsere programmatischen Forderungen liche Affumulation, die jährliche Vermehrung des ge verzichten, eine Kuhhandelspolitik des fleineren Uebels" famten nationalen Neichtums betrug 1865/1875 nach Giffen 240 Millionen Pfund Sterling. Sagen wir, fie fei jept empfehlen, das, dünkt ums, bedeutet in diesen wichtigen Kämpfen der Zukunft, den fürzeren ziehen. gleich 300 Millionen jährlich; eine Steuerlast von 90 Millionen der Zukunft, den fürzeren ziehen. würde fast ein Drittel der gesamten Affumulation verzehren. Für Eunow freilich ist das Festhalten am sozialdemo Mit anderen Worten, feine Regierung fann so etwas unternehmen fratischen Programm ärgerlicher Doktrinarismus, für den er außer einer sozialistischen ; tvenn die Sozialisten am Ruder sind, nur hämischen Spott hat. Er fühlt sich als der überlegenc werden sie Dinge durchzuführen haben, bei denen jene Steuer- Politiker, der die Sache schon machen wird: durch ein bissele reform nur als eine momentane, ganz unbedeutende Abschlags- Lieb und ein bissele Falschheit wird er die bürgerlichen Barzahlung figuriert, und wobei den Kleinbauern ganz andere Pers teien dahin bringen, auf ihren Vorteil zu verzichten und den spektiven eröffnet werden."( Neue Zeit", Jahrgang 13, d. 1.) Arbeitern Zugeständnisse zu machen. Die Kraft, die in dem Der erste Teil des Artikels, in dem sich dieser Abfag be- festen Auftreten der Arbeitermassen liegt, wenn diese flar und findet, schließt mit dem Sage: sicher ihre programmatischen Förderungen vertreten, gilt ihm nichts, scheint ihm kein realer Faktor.
„ Kurz nach all dem gewaltigen Anlauf der Motivierung geben uns die praktischen Vorschläge des neuen Agrarprogramms erst recht feinen Aufschluß, wie die französische Arbeiterpartei es fertig bringen will, die Kleinbauern im Befis eines Parzelleneigeniums zu erhalten, das nach ihrer eigenen Aussage unfehlbar dem Untergang geweiht ist."
Daran erfenn ich den gelehrten Herrn! Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, Was ihr nicht faßt, das fehlt noch ganz und gar, Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sei nicht wahr, Was ihr nicht wägt, hat für euch fein Gewicht, Es ist ganz unmöglich, mißzuverstehen, was Engels Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht. Ferner: Ersatz aller bestehenden indirekten und direkten sagt. Er staunt, daß man diese Forderung, die sich in Indessen, die allzuschlauen Nechner, die durch die Künste Steuern durch eine einzige progressive Steuer auf alle Einkommen von mehr als 3000 Franten. Eine ähnliche Forderung findet jedem sozialdemokratischen Programm findet, speziell im opportunistischer Politik die großen historischen Konflikte lösen fich feit Jahren in fast jedem sozialdemokratischen Programm. Interesse der Kleinbauern aufstellt". Er weist nach, daß wollten, haben sich noch immer als rrführer erwiesen, und Daß fie aber fpeatell im Intereffe der klein teine bürgerliche Regierung sie erfüllen kann, daß eine so- die Arbeiterbewegung ist, wenn sie diese Taftit befolgte, nod bauern aufgestellt wird, ist neu und beweistlzialistische Regierung aber anderes und besseres zu tun haben jedesmal über allzuviel Schlauheit in den Sumpf geraten.
$