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Nr.87.- 33. Jahrg.

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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernivrecher: Amt Morisplas, Nr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 28. März 1916.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplats, Mr. 151 90-151 97.

Defterreichische Erfolge am Görzer Brückenkopf

Das Ergebnis der Steuerdebatte.| Meldung des Großen Hauptquartiers.

Auch die größten Optimisten werden nicht mehr be­haupten wollen, daß bei den im Reichstage gepflogenen Ver­handlungen über den Etat und die Steuervorlagen bisher große Gesichtspunkte geltend gemacht wurden. Man debattierte über die neuen Steuervorlagen, durch die die Re­gierung eine halbe Milliarde neuer Einnahmen schaffen möchte, ohne die Finanzwirtschaft im allgemeinen zu besprechen.

Die Regierung will diese halbe Milliarde haben, um den Etat ins Gleichgewicht zu bringen. Die erste Frage müßte daher lauten, ob denn dieses Ziel überhaupt erreicht werden fann? Wir haben den Etatsentwurf für 1916/17 bereits tritisiert und können uns daher hier mit folgenden Fest­stellungen begnügen: Dieser Etat wird dadurch charakterisiert, daß man die Ausgaben für Heer und Marine- da sie während des Krieges aus den Anleihen gedeckt werden- außer acht läßt, dagegen die für die Verzinsung der Kriegs­schuld notwendige Summe eingesetzt hat. Durch die Fort­lassung wird die Ausgabensumme um rund 1,7 Milliarden ber­ringer, durch Einsetzung der Schuldenzinsen um rund 2 Milliarden erhöht. Auf der andern Seite werden die Einnahmen nach Maßgabe des letzten Friedensjahres angesezt. Das Gleichgewicht kann indessen nur hergestellt werden, indem man 480 Millionen Mark als Einnahme auf Grund der Steuervorlagen bucht. Aber dieses Gleich ewicht ist voll­tommen fiktiv, denn die Ausgabeposten sino höchst reale Größen, von den Einnahmen dagegen weiß man ganz sicher, daß sie in dieser Höhe unbedingt nicht eingehen werden. Es muß daher ein großer Fehlbetrag sich ergeben, es kann von ,, Gleichgewicht" keine Rede sein.

Der Herr Schatzsekretär hat in sener Rede vom 17: März bemerft: Der Latente Fehlbetrag läßt sich nicht schäßen. Um ihn zu decken, haben wir einen Leertitel eingesetzt, wonach die im Jahre 1916 eingehenden Erträgnisse der Kriegsgewinn­Steuer zur Deckung dieses Fehlbetrages verwendet werden fönnen. Wir hoffen, daß dieser Leertitel sich in einer für die Reichsfinanzverwaltung erfreulichen Weise füllt."- Leider ist uns diese Rechnung nicht ganz flar geworden. Die Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchssteuern vermindern sich nicht nur für das Jahr 1916/17, für das der Etat aufgestellt ist, sondern für die gesamte Kriegszeit. Das Finanzjahr 1941/15 hatte neun Striegsmonate, das Finanzjahr 1915/16 volle zwölf; wie viele das jetzt beginnende haben wird, weiß man noch nicht. Aber auch in der Friedenszeit werden die Einnahmen nicht alsbald reichlich fließen. Es werden zum Beispiel die Zölle unmöglich sofort nach Friedensschluß wieder eingeführt werden können, denn dann würden die Preise auf dem Welt­markte derart hoch sein, daß es ganz ausgeschlossen ist, den Verbrauchern von Lebensmitteln und Rohstoffen zuzumuten, daß die außer diesen Weltmarktpreisen die Zölle zahlen. So­mit wird sich für die drei im Zeichen des Krieges stehenden Finanzjahre ein gewaltiger Fehlbetrag der wirklichen Ein­nahmen gegenüber den Voranschlägen ergeben müssen; sicher wird es sich dabei um eine zehnstellige Zahl handeln. Der Leertite!" dagegen kann sicher nicht mit einer solchen Zahl ausgefüllt werden, wenigstens nicht, wenn der Entwurf der Regierung Gesetz wird.

Deshalb scheint uns durchaus unwahrscheinlich, daß das Gleichgewicht zu erreichen ist.

Wohlgemerkt: das Gleichgewicht ist nicht herzustellen in einem Etat, in dem die Hauptausgabe des Reiches, die Aus­gabe für Heer und Marine in Höhe von nahezu 184 Milliarden gestrichen ist, und in der die Ausgabe für Renten der Kriegs­beschädigten nicht vorgesehen ist.

Das ist um so mehr zu beachten, als die Lage der Reichsfinanzen auch vor dem Striege überaus fritisch war und deshalb jetzt die Neuordnung der Finanzwirtschaft zu einer Schicksalsfrage geworden ist. Die Volksvertretung, die das auch nur für einen Moment vergißt, tanzt leichtfertig mit ge­schlossenen Augen über Abgründe hinweg.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 27. März 1916.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplah.

Heute früh beschädigten die Engländer durch eine nm­fangreiche Sprengung unsere Stellung bei St. Eloi( süd­lich von Yperu) in einer Ausdehnung von über 100 Metern und fügten der dort stehenden Kompagnie Verluste zu.- In der Gegend nordöstlich und östlich von Vermelles hatten wir im Minenkampf Erfolge und machten Gefangene. Weiter füdlich bei La Boiselle( uordöstlich von Albert) hinderten wir schwächere englische Abteilungen durch Feuer am Vorgehen gegen unsere Stellung.

Die Engländer beschossen in den letzten Tagen wieder die Stadt Lens.

In den Argonnen und im Maasgebiet erfuhren die Fenerkämpfe nur vorübergehende Abschwächung.

Deftlicher Kriegsschauplatz.

Gegen die Front nnter dem Befehl des Generalfeld­marschalls von Hindenburg erneuerten die Russen gestern die Angriffe mit besonderer Heftigkeit.

So stießen sie mit im Osten bisher unerhörtem Ein­fat an Menschen und Munition gegen die deutschen Linien nordwestlich von Jakobstadt vor; sie erlitten dem­entsprechende Verluste, ohne irgend welchen Erfolg zu er. ritigen.

Bei Welikoje Selo( südlich von Widsy) nahmen unsere Vortruppen in einem glücklichen Gefecht den Russea 57 Gefangene ab und erbeuteten 2 Maschinengewehre.

Wiederholte Bemühungen des Feindes gegen unsere Stellungen von Postawy scheiterten völlig.*

Nachdem südlich des Narocz- Sees mehrfache starke. An griffe von Teilen dreier russischer Armeekorps abgeschlagen waren, traten westpreußische Regimenter bei Mokrzyce zum Gegenstoß an, um Artilleriebeobachtungsstellen, die beim Zurückbiegen unserer Front am 20. März verloren ge-. gangen waren, zurückzunehmen. Die tapfere Truppe löste ihre Aufgabe in vollem Umfange. Hierbei sowie bei der Abwehr der feindlichen Angriffe wurden 21 Offiziere 2140 Mann gefangen und eine Anzahl Ma­schinengewehre erbeutet.

Unsere Flieger belegten die Bahnhöfe von Düna­ burg , Wilejka und die Bahnanlagen der Strede Barano­witschi- Minst mit Bomben.

Balkan - Kriegsschauplak. Die Lage ist unverändert.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Nichtamtlich. Wien , 27. März.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart 27. März 1916:

Nichts Neues.

Russischer Kriegsschauplay.

Italienischer Kriegsschauplah.

Gestern wurde an mehreren Stellen der Front heftig ge­tämpft. Am Görzer Brückenkopfe eroberten unsere Truppen die ganze feindliche Stellung vor dem Nordteile der Podgorahöhen. Hierbei wurden fünfhundertfünfundzwanzig Italiener, darunter dreizehn Offiziere, gefangen genommen. Im Blöckenabschnitt mühte sich der Feind unter Einsatz von Verstärkungen vergebens ab, die ihm entrissenen Gräben wiederzugewinnen. Die Kämpfe nahmen an Ausdehnung zu und danerten die ganze Nacht fort. An der Tiroler Front fanden nur mäßige Geschützkämpfe statt. Die feindliche Artillerie beschon Caldonazzo( im Suganatal). Südöstlicher Kriegsschauplah.

Deftlich von Durazzo wurden zwei italienische Feldgeschüte mit Munition aufgefunden. Lage unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: bon Hoefer. Feldmarschalleutnant.

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die das verdammende Urteil der Smith, Riccardo, Sah, Signondi, Mill über die indirekten Steuern nur bestätigen.

Da hat z. B. im Jahre 1908 Wilhelm Gerloff eine Monographie veröffentlicht über Verbrauch und Verbrauchs­belastung der kleineren und mittleren Einkommen in Deutsch­ land um die Wende des 19. Jahrhunderts". Er stützte sich auf Haushaltsrechnungen aus denen er ermittelte, wieviel die einzelnen Haushalte abfolut und im Verhältnis zu ihrem Einkommen an Verbrauchsabgaben zu entrichten haben. Die ermittelten Zahlen sind insofern nicht ganz einwandfrei, als Haushaltungsrechnungen wirklich Wohlhabender" nicht zur Verfügung standen, sondern nur solche von Familien mit 4000 bis 6000 M. Einfommen, wobei bei dieser Kategorie das Durchschnittseinkommen nur 4600 bis 4700 m. betrug. Zum Mittelstande rechnete er Familien mit 2000 bis 4000, zu den Wenigbemittelten solche mit 1200 bis 2000, zu den Ünbemittelten solche mit 800 bis 1200 und zu den Armen solche unter 800 M. Einkommen. Das Ergebnis der Unter­suchung lautete sodann:

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Für Nahrungs- und Genußmittelsteuern insgesamt sind zu entrichten von den Wohl. habenden 1,04 bis 1,48, dem Mittelstande 1,80 bis 2,53, den Wenigbemittelten 2,89 bis 3,98, den Unbemittelten 3, 62 bis 5,02 und den Armen 3,64 bis 5,22 Proz. des Einkommens. Die fleinen Leute haben hiernach an Verbrauchssteuern mindestens dreiundeinhalbmal so viel Ein tommenprozente als die Wohlhabenden zu entrichten."

Wohlgemerkt: das war vor den Finanzreformen". Seither sind die indirekten Steuern auf Raffee, Bier, Tabat gewaltig erhöht worden, die Zündholz- und Leucht­förpersteuer ist hinzugefommen. Die Belastung gerade der fleinen Einkommen ist dadurch bedeutend gestiegen.

Die ungeheuerliche Belastung der Arbeiterfamilien durch die Kornzölle haben, abgesehen von den sozialdemokratischen Kritifern, Mombert und Roncador nachgewiesen. Da bei ist nicht zu vergessen, daß nach der einwandfreien Fest­stellung von Grotjahn die Unterernährung der Arbeiter­massen in Deutschland keinem Zweifel unterliegen kann. Sie ist zweifellos durch die systematische Erhöhung der Last in­diretter Steuern mit verursacht worden. Schließlich ist zu betonen: ſeit annähernd fünfzehn Jahren ist eine rapide Er­höhung der Preise aller Gegenstände des unentbehrlichen Massenverbrauches auf dem Weltmarkt eingetreten; wird aber der Lebensunterhalt allgemein durch die Preisbewegung ver­teuert, so muß die fünstliche Verteuerung durch Anziehung der Steuerschraube doppelt und dreifach verderblich wirken.

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Allerdings behauptet der Herr Reichsschaßsekretär, es set nicht beabsichtigt, die Steuern auf Gegenstände des unentbehr­lichen Verbrauches zu erhöhen. Leider ist damit wenig geholfen. Er hat sicher recht mit der Feststellung, noch niemand sei daran gestorben, daß er zu wenig rauchte. Nichtsdestoweniger gehört der Tabat für Millionen zu den unentbehrlichen Gebrauchsmitteln. Er ist ein Stimulanz", ein Mittel, die Nerven aufzupeitschen und es ist gar kein Zweifel, daß die gewaltigen Arbeitsleistungen, zu denen die Menschen im Zeit­alter des Rapitalismus gezwungen sind, ohne solche Reizmittel nicht zu bewältigen find. Was die Verkehrssteuern anbetrifft, so fann darüber gar fein Zweifel bestehen, daß sie die Tendenz zur Steigerung der Warenpreise ganz allgemein fördern. Der Staatssekretär rechnet felbst damit, daß die Quittungssteuer mittelbar oder unmittelbar auf, die Verbraucher abgewälzt wird. Das gleiche gilt vom Frachtstempel und von der Er­höhung der Postgebühren. Soweit diese Gebühren die Handels­unfosten der Gewerbetreibenden erhöhen, werden sie in die Warenpreise eingerechnet werden, wobei die letzten Verbraucher mit einem Vielfachen des Betrages belastet werden. Es ist bei Verbrauchssteuern so, daß wo die Unternehmer 100 Millionen an den Staat abführen, sie fich 500 Millionen und mehr von den Verbrauchern zurückzahlen lassen.

Deshalb kommt es gar nicht darauf an, ob es entbehr­liche" oder unentbehrliche" Bedürfnisse sind, die zur Steuer Man wird einwenden, daß es ja noch keine allgemeine herangezogen werden. Wird der Lebensunterhalt verteuert, Etatsberatung war, sondern eben nur eine Beratung über die so geht die Lebenshaltung zurück, es sei denn, daß es den neuen Steuervorlagen. Aber dadurch, daß man die Ein­Arbeitermassen gelingt, durch Erhöhung ihres Einkommens den nahmen in etwas vermehrt, gleichviel ob es gute oder schlechte Ausfall wett zu machen. Das letztere ist aber unter den be­Steuern sind, tommt man dem Ziele einer Reform der gesamten Nun, als Ferdinand Lassalle in seiner berühmten stehenden Verhältnissen nur nach schweren Stämpfen möglich. Finanzwirtschaft nicht einen Schritt näher. Im Gegenteil, man Rede vor dem Kammergericht zu Berlin im Jahre 1863 diefe Deshalb ist gerade in der Zeit während des Krieges und bald fann leicht, indem man den Steuerwirrwarr vermehrt, den Tatsache feststellte und deshalb von dem infamsten Steuer- nach dem Kriege, die Zeit, die uns aller Voraussicht nach Weg zu einer solchen Reform durch neue Hindernisse verrammeln. fyftem" sprach, fonnte er sich auf eine lange Reihe von volfs- schwere wirtschaftliche Strifen bringen wird, die Erhöhung jeg­Das Ergebnis der Steuerdebatte scheint uns indessen vor wirtschaftlichen Autoritäten berufen, auf die Koryphäen der licher indirekten Steuern besonders gefährlich. allem darin zu bestehen, daß Regierung und bürgerliche Par- bürgerlichen Nationalökonomie, die genau so urteilen. Ist das Indessen wir wissen genau, daß allen diesen Argumenten teien sich von neuem für das bestehende System erklärt haben, etwa anders geworden? hat die Wissenschaft sich inzwischen zu die bürgerlichen Parteien sich verschließen werden. Ihnen für das System, bei dem die Einnahmen des Reiches in der einem andern Urteil über das System der indiretten Steuern fommt es darauf an, das bestehende System aufrecht zu er­Hauptsache aus indirekten Steuern gedeckt werden. Das scheint bekehrt? Mit nichten! Allerdings gehen die Herren Pro- halten. Deshalb begnügen sie sich damit, ein paar Flicken in uns das Verhängnisvolle. fessoren heute einer Auseinandersetzung über dieses heifle Form indirekter Steuern auf das zerschlissene Finanzröcklein

Daneben hat man im bürgerlichen Lager von neuem Thema am liebsten aus dem Wege, weil sie genau wissen, wie zu setzen. Um so notwendiger wäre, daß von sozialdemo­allen Ernstes bestritten, daß diese indirekten Steuern die aufreizend die Wahrheit wirkt. Aber wo irgendwo ein ernster fratischer Seite die großen Fragen der Finanzpolitik cingehend arbeitenden Massen übermäßig belasten. Gelehrter sich mit der Materie befaßt, kommt er zu Resultaten, I von der Reichstagstribüne beleuchtet würden.