Nr. 88. 33. Mraang.
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pftiMi 29. MÄj 1916.
die Konferenz 6er fllliicrten. Paris , 28. März.<W. T. B.) Meldung der Agence HavaZ. Die Konferenz der Alliierten trat gestern nachmittag um 8 Uhr zu einer neuen Sitzung zusammen. Die Delegierten setzten Ausschüsse ein und prüften gemäß ihrer Zuständigkeit die Fragen der Tages- ordnung. Um ö Uhr 3l> verließen die Vertreter der alliierten Mächte nacheinander das Ministerium des Aeußern. Heute vormittag um 10 Uhr wird eine neue Sitzung stattfinden. Mittags wird Präsident Poincarä im Elhsäe ein Frühstück zu Ehren der Dele- gierten geben. Am Abend wird ein Essen in der italienischen Bot- schaft stattfinden. Mailand , 28. März.(W. T. B.) Nach einer Meldung de? „Sccolo* aus Rom werden Salandra und Sonnino am Mittwoch nachmittag von Paris direkt nach dem italienischen Hauptquartier abreisen, um dem König über die Ergebnisse der Konferenz zu berichten. Die Minister werden am Freitag in Rom eintreffen, wo für Sonnabend früh ein Ministerrat in Aussicht genommen ist. Paris , 28. März. sW. T. B.> Havasmcldung.„Matin* berichtet, daß die gestern vormittag abgehaltene Sitzung der Vertreter der Alliierten der Besprechung der militärischen Lage ge- widmet war. Briand hob die Gründe hervor, welche eine Einheit der Anschauungen und Unternehmungen der Alliierten notwendig machen. Nach einem Gedankenaustausch äußerten die Vertreter der alliierten Heere ihre Ansichten, worauf ein durchaus befriedigendes Einvernehmen über die Führung der Operationen erzielt wurde. In der NachmittagSsitzung wurden die Grundsätze der Wirt- schaftlichen Vereinbarungen erörtert. Gegen üen Handelskrieg. London , 25. März.(W. T. B.)„Daily Chroniclc" schreibt zu den Prcssedcbatten über die Pariser Konferenz: Glaubt jemand, dafe England, die größte kommerzielle Nation der Welt, nach dem Kriege es ablehnen sollte, mit den 150 Millionen Menschen in Mitteleuropa Handel zu treiben? Eine derartige Politik würde den Verlust unseres kommerziellen Vorranges bedeuten. Die Vereinigten Staaten würden den Vorrang, auf den wir verzichten, übernehmen und New Aork würde anstatt London das Herz- und Nervcnzentrum des Welthandels werden. Die Zriedenssehnsucht der englischen Arbeiter. Dem„Berk. T a g e b l.� wird aus Amsterdam vom 28. März gemeldet: .LabourLeader' ist der Ansicht, daß die Aussichten auf Frieden günstiger werden. Der französische Finanz- m i n i st e r habe schon darauf angespielt, daß Frieden in Sicht sei, und diese Aeußerung dürfe als charakteristisch gelten für die Ge- fühle jenseits des Kanals. In England sei in den letzten Wochen eine Aenderung in der öffentlichen Meinung entstanden. Leute, die in öffentlichen Ver- sammlungen zu sprechen hätten, könnten das bezeugen. Diese veränderte Anschauung werde sich bald äußern, und bevor der Sommer zu Ende gehe, werde sie die stärkste Auf- merksamkeit beanspruchen..Labour Lcader" hält jetzt die Zeit für gekommen, um im Namen der unabhängigen Arbeiterpartei ein sofortiges Abkommen zu befürworten..Es ist jetzt möglich*, schreibt das Blatt/.mit einer Freimütigkeit, die vor wenigen Monaten nicht erlaubt worden wäre, zu sprechen. Täglich wächst die Friedensatmosphäre. Lloyd George mag annehmen, daß der Krieg noch zwei Jahre länger dauert, aber wir glauben, man kann jetzt endgültig sagen, daß die Völker das nicht zugeben werden." Die Grenze öer englischen Anwerbungen. Manchester , 27. März.(SB. T. B.) Der Londoner Korrespon- dent d«S„Manchester Guardian" schreibt: Sowohl der Schatzkanzler als der Präsident de? HandelSamteS find der Ueber- zeugung, daß jetzt nicht mehr viel verheiratete oder unverheiratete Männer für die Armee zu haben sind. Einmal muß die Grenze erreicht werden, und nach Ansicht des Handelsamtes ist sie erreicht. Die Armee zählt jetzt über drei Millionen; dazu kommen etwa eine halbe Million Verluste, und eine Million steht in direktem oder in- direktem Dienst der Flotte. Welche Methoden für die Rekrutierung wir auch anwenden mögen, wir sind jedenfalls nahe am Ende. Nicht nur die Exportindustrien und die unentbehrlichen Industrien, sondern auch daS Munitionsministerium und die Flotte klagen, daß sie nicht genug Arbeitskräfte bekommen können. Die Entente gegen Griechenlanö. Mailand , 28. März.(W. T. B.) Nach einer Meldung von„Secolo" aus Athen ließ gestern abend die Entente Skuludis ein Memorandum überreichen, das in den freund- schaftlichsten Ausdrücken den Vorbehalt bezüglich der Einverleibung von Nordepirus wiederholt, dessen Zukunft vom Friedenskongreß festgesetzt werden solle. tViüersprechenüe Gerüchte über öie Türkei . Seit einigen Monaten wird in der Presse der Entente- mächte viel über angebliche Sonderfriedensbestre- Hungen derTürkei geschrieben. Der Fall von Etzcrnm und das Vordringen der Russen in Persien werden als Mittel benutzt, um der Türkei die Vorteile eines Sonderfriedens vor Augen zu führen. Zu dieser Politik gegenüber der Türkei äußerte sich Graf E. R e V e n t l o w in der Sonntagnummer der„Deutschen Tageszeitung" folgendermaßen: „Es war ein Akt politischen Scharsblicks ebensowohl wie rasch entschiedener i richtiger Entschlossenheit, daß die leitenden Männer der Türkei im Herbst 1014 zum Schwerte griffen, in der ErkennwiS, daß sonst die letzte Stunde für die Selbständig- teit, die Unabhängigkeit und die Unversehrtheit des türkischen Reiches geschlagen haben würde. Sie zogen eS vor zu kämpfen und siegreich alle Angriffe abzuschlagen, als kampslos auf selb- ständiges Dasein und auf die Fortsetzung einer ruhmreichen Ver- gangenheit zu verzichten, lind Frankreich ebenso wie Groß- britannien und Rußland sind töricht genug, zu glauben, daß unsere türkischen Bundesgenossen sich heute über die Lage der Verhältnisse täuschen ließenl DaS groteske Angebot eines Sonderfriedens beweist das. Denn unter Sonder- frieden würde der Vierverbaird, wenn nicht heute, so sicher doch morgen die Aufteilung des türkischen Reiches, zunächst nach „Interessengebieten", die Losreißung Arabiens und die Ver- gewaltigung der Meerengest zum Verderben der Türkei verstehen. Auch in Konstantinopel würden die Türken dann lediglich zur Miete wohnen. Das ist alles so einfach und naheliegend, wie die
alte, seit bald einem Menschenalter von unseren türkischen Bun- desgenossen erkannte Wahrheit, daß nur die europäischen Mittel- mächte— nicht aus Edelmut, sondern aus Jnter- esse— aufrichtig Stärke und Unabhängigkeit des türkischen Reiches wünschen und fördern i müsse n." In der Montagsnummer der„V o s s i s ch e n Z e i t u n g" ! behandelt Georg Bernhard die türkische Frage von einem wesentlich anderen Gesichtspunkt. Er schreibt: „Es braucht nicht betont zu werden, daß derartige türkische separatistische Bestrebungen, selbst wenn sie bestünden, gerade augenblicklich auf einen Erfolg, der den Türken selbst angenehm wäre, nicht rechnen können. Aber vor allem müssen sich doch die englischen Politiker ganz klar darüber sein, daß, wenn den Türken ein solcher Sonderfrieden gelänge, die Zentralmächte sicher keinen Nachteil davon haben würden. Dagegen erscheint es andererseits mehr als zweifelhaft, ob gerade England es besonders gern und ruhig mit ansehen könnte, wenn Rußland auf Kosten Persiens und der Türkei — in der Nähe englischer Neichsgrenzen— sich das Eigentum an den Ländern bestätigen ließe, die es— vorläufig vorübergehend— durch das Glück der Waffen in seinen Besitz brachte, als Kompensationen für die verlorenen Ge- biete im Westen, auf deren Wiedereroberung es nicht rechnen kann. Weshalb aber sollten gerade Oe st erreich Ungarn und Deutschland mit solcher Entwick- lung unzufrieden sein, wenn sie die Türken selbst herbeiführten?!" Wir registrieren diese Stimmen, ohne vorläufig selbst zu der Frage Stellung zu nehmen. Es erscheint uns immerhin recht bemerkenswert, daß zwei Organe, die sonst in außer polifischen Fragen so ziemlich an einem Strange ziehen, bei der Behandlung der türfischen Frage jetzt so auffällig vonein ander abweichen.(?) Der Privatsekretär Ües Karöinals Nercier verhaftet. Brüssel , 27. März.(W. T. B.) Die über das Treiben deS Privatsekretärs des Kardinals Mercier namenS Loncin eingeleitete Untersuchung hat ergeben, daß der Verdacht, der sich gegen Loncin richtete, nichts weniger als unbegründet war. Bei einer Haussuchung hat sich henauSgcstellt, daß die Organisation des sogenannten„Oeuvre du rnot du Soldat", durch die unter Benutzung von Chiffreadressen eine unerlaubte Nachrichtenvcrmittclung zwischen Belgien und der feindlichen Front fortgesetzt erfolgte dem Privatsekretär Loncin sehr nahe stand. Natürlich wurde Loncin nunmehr verhaftet.
die Parteipresse zur Kraktionsfpaltung. U. „Erfurter Tribüne": Zu unserem lebhaften Bedauern ist es nun gestern in der Reichstagssitzung doch noch zum vollen Bruch in unserer Fraktion gekommen! Es lassen sich heute noch nicht die Beweggründe deS Genossen Haase und der anderen oppositionellen Fraktionsmitglieder würdigen, da sie uns vorläufig noch nicht bekannt sind. Aber die Art der Zwischenrufe der Genossen Keil, Dawd und Heine beweisen uns, daß eine Gemeinschaft bei diesen Gegensätzen nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr möglich ist. Ge- wiß werden zu gegebener Zeit darüber die Massen unserer Genossen erst zu urteilen haben, welche Seite recht hatte und welche gegen unsere Grundsätze verstieß und ob diese Verstöße mit dem Aus- nahmezustand genügend entschuldbar sind, aber schon heute kann gesagt werden, daß der widerliche Auftritt in gestriger Reichstags- sitzung hätte im Parteiinteresse unbedingt verhütet werden müssen. Der Vertreter der Fvaktionsminderheit mußte natürlich die Mög lichkeit haben, die Gründe für seine und der anderen Genossen Ab lehnung der Notctats auseinanderzusetzen. Allerdings mußte das auch der Fraktion vorher mitgeteilt werden. Warum diese Mit- teilung nicht erfolgte, wissen wir nicht und können darum auch vor- läufig noch nichts darüber sagen. Richtig ist jedenfalls, daß unsere Fraktion nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und in Aus- nahmesällen für den Etat stimmen darf und daß ganz natürlich darüber Meinungsverschiedenheiten in unserer Partei bestehen, ob die heutigen Verhältnisse dazu angetan sind, gegen die vorhandenen Parteitagsbeschlüsse zu verstoßen. „Chemnitzer BolkSstimme": Im Reichstag wird eS nun zwei sozialdemokratische Fraktionen geben, die sich naturgemäß, gerade weil sie dasselbe auf verschie- denen Wegen erreichen wollen, um so heftiger bekämpfen werden. Wird es in Zukunft auch im Lande zwei sozialdemokratische Parteien geben? Wir haben nicht mehr den Mut, eS unbedingt zu ver- neinen; denn wie sollen nach de»:, was vorgefallen ist, unsere Ab- geordneten im Reichstag wieder einmütig zusammenwirken? Wohl sagt man immer, die deutschen Arbeiter würden eine Spaltung nicht zulassen, und wenn erst nach Friedensschluß der Parteitag ge- sprachen habe, werde, wer sich nicht füge, schon zur Ordnung zurück- gerufen werden. Aber leider sehen wir die Partei in England, Ruß land , Italien , Holland und Bulgarien gespalten, in Frankreich erst seit zehn Jahren geeinigt und in Schweden dicht vor dem Ausein- audcrgehen. Ob die deutschen Arbeiter ein gleiches Unglück von sich werden abwenden können, muß erst die Zukunft lehren. Jeden- falls ist die Gefahr einer Auseinanderreitzung aller Arbeiterorganisationen größer als je. Wir möchten deshalb noch einmal eine ernste Mahnung an die Mnderheit richten. Der tiefste Grund der Meinungsverschieden- heiten ist wohl die Frage, ob die Arbeiterschaft sich darauf einrichten mutz, noch Jahrzehnte in diesem Klassenstaat zu leben und ihn all- mählich umzuformen oder ob man sich am Vorabend der sozialen Revolution wähnt. Darüber werden wir am Tage des Friedens- schlusseS besser Bescheid wissen als jetzt. Wenn das Ende des Krieges sich so wenig revolutionär gestaltet wie sein Anfang war, darf wohl von jedem vernünftigen Menschen erwartet werden, bah er bis zum Vorliegen neuer Tatsachen den Revolutionsphantasien entsagt; denn wenn diese gewaltige Welterschütterung die Revolution nicht her- vorgerufen hat, werden ruhige Friedensjahre sie ganz gewiß nicht alsbald ans Licht fördern. Dann sollten alle Parteigenossen den Mut haben, ans dieser Tatsache die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen. «Dresdener Volkszeitung": Mit größtem Bedauern muß es ausgesprochen werden: das Auftreten Haases und der Seinen in der letzten Reichstagssitzung ist, gewiß nicht der Absicht nach, aber in der unausbleiblichen Wir- kung nur allzu sehr geeignet, die Eroberungspläne des gegnerischen Auslandes zu bestärken und die Verlängerung des schrecklichen Krieges herbei- zuführen. Wir klagen Haase und die Seinen an, daß sie in ihrer schlimmen Verbleudung sich aufs allerschwerste an Gegenwart und Zukunft des deutschen Volkes versündigen. Sie versündigen sich aber auch im besonderen an unserer Partei, an der deutschen Arbeiterbewegung. Sie�
haben alle Mahnungen, die so bitter nötige Einheit der Partei zu wahren, in den Wind geschlagen. Sie haben die unerhörte Tat voll- bracht, gerade in dieser schwersten Zeit unsere Reihen zu verwirren, unsere Streitkräfte zu schwächen, den inneren Parteistreit zur Siedehitze zu steigern. Den Vorteil davon haben nur die schlimm- sten Gegner der Arbeiterschaft, Kapital und Reaktion. Es bleibt nur die eine Hoffnung, daß aus den Reihen der Arbeiterschaft die Gesundung der Partei wieder herbeigeführt werden wird. Möge der Gesundungsprozeß bald und gründlich einsetzen! „Leipziger Volkszeitung ": Eine Klärung hat ßch vollzogen, reinliche Scheidung ist einge- treten.... ES mußte so kommen. Da die Mehrheit den Weg aus der Sack- gasse der Durchhaltcpolitik nicht zurückzufinden vermochte und nicht wollte, da sie sich immer tiefer in die Netze der NegievungSpolitii verstrickte, um die„Errungcuschaften des 4. August" nicht zu verlieren, den einzigen mageren, mehr eingebildeten als wirklichen Preis ihrer Unterstützung der Kriegspolitik, da sie sich immer mehr zu einer Schutztruppe Bethmanns entwickelte � siehe den Antrag zum Unterseebootkrieg, der allerdings erst im Lichte der Haltung der Rechten zu dieser Frage, im Lichte von Aeußevungen, wie wir sie neulich aus der„Chemnitzer Volksstimme" zitierten, in die rechte Beleuchtung gerückt wird—, so mußte der Bruch mit der Minder- heit eintreten, die die Politik weiterverfolgen mußte, der sie an: 21. Dezember öffentlichen Ausdruck gegeben hatte. Es mußte zun: Zusammenstoß kommen, zu A us e i n andersetzu ng cn, da die Mehrheit sich nicht entschließen konnte, der Minderheit das Recht zuzugestehen, ihre Meinung öffentlich im Reichstag kundzugeben. Die Mehrheit brachte diese Duloung nicht auf, obgleich sie sich hätte sagen müssen, daß in einer die Gemüter und Gewissen so tief aufwühlenden Frage, in dieser Lebensfrage der Arbeiter bewegung formale Bedingungen schließlich versagen müssen, die bei minder wichtigen Dingen mit Recht den öffentlichen Ausdruck der MeinungSverschic- denheiten in der Fraktion der Arbeiterpartei zu verhindern imstande sind. Aber wir wollen andererseits nicht verkennen, daß wiederum gerade die große Bedeutung und Wichtigkeit der Sache der Mehr- heit daS Zugeständnis an die Minderheit schwer machen mußte. Wir erheben deshalb auch keine bewegte oder zornige Klage über das Verhalten der Mehrheit, soweit es im Rahmen sachlicher Handlung blieb. Wir können nicht verkennen, daß sie, da die Linien-der Politik der Mehrheit und Minderheit sich je länger je weiter voneinander entfernten, von ihrem Standpunkt, wenn sie sich eben zur Duldung nicht aufschwingen konnte, nicht gut anders handeln konnte, als sie getan hat. Die Begründung, die sie ihrem Schritte gibt, konnte allerdings besser und würdiger fein; mit dem Gezeter über Diszi- plinbruch und Treubruch bei geschichtlichen Entscheidungen macht sich der Politiker nur lächerlich. Es hätte der Mehrheit besser angc- standen, wenn sie einfach den Bruch konstatiert, ihn als Notwendig- keit erkannt und erklärt hätte, daß von ihrem Standpunkt aus ein Zusammenbleiben und Zusammenarbeiten nicht mehr möglich ist. Das hätte der Bedeutung deS Moments, der Bedeutung der Eni- scheidung entsprochen. Aber wir haben ja schließlich nicht für die Würde der Mehrheit zu sorgen. � Die Entscheidung ist gefallen. Künftig kann die Minderheit, ungehindert durch die Fesseln, die ihr die Gemeinschaft mit der Mehrheit immer noch auferlegte, ohne überflüssige, Energie ver- zehrende Reibungen ihre grundsätzliche sozialistische Politik im Reichstage energisch vertreten. Daß sie eS tut, fordert ein großer, vielleicht der größere und stetig wachsende Teil der klassenbewußten Arbeitefichaft Deutschlands . Daß die Minderheit eS kann, dieses Ergebnis der Scheidung begrüßen wir. Wie sie auf die Partei, auf ihre Organisation wirken wird, daS wird erst die große Auseinandersetzung zeigen, die nach dem Kriege eintritt. Wir hoffen und wir arbeiten dafür, daß die deutsche Arbeiterklasse die Eiicheit ihrer Bewegung gegen die Mehrheit der ReichStagSfraktion zu wahren wissen wiod. „Mannheimer BolkSstimme": Und nun haben sich doch eine Anzahl von Parteigenossen ge- funden— darunter alte Mitkämpfer, deren Verdienste unbestritten sind—, die sicher nicht mit der Absicht, die Partei zu schädigen, aber doch notwendigerweise mit dieser Wirkung in wirrer Ver- blendung und fanatischem Uebereifer die Spaltung der Fraktion zu etwa? Unausweichlichem gemacht und sie gestern erzwungen haben. Daß dies der Wille der Minderheit oder mindestens ihrer treibenden Kräfte war, geht nicht nur aus gewissen Aeuherungcu ihrer Presse hervor, die auch unmittelbar vor dem diesmaligen Zu- sammentritt des Reichstags ihre Anhänger zu einem selbständigen Vorgehen aufforderten; das erweisen auch tue Vorgänge in der gestrigen Reichstagssitzung, die den letzten Anstoß zu der Spaltung gaben____ Aber so wie die Dinge liegen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Aktion in ihrem Kerne nicht so sehr gegen die Regierung und die bürgerlichen Parteien, als gegen die Mehrheit der eigenen Fraktion ge- richtet war. Und diese war denn auch gestern in die denkbar peinlichste Situation gebracht: Sie sah sich nicht nur ge- zwungen, in öffentlicher Sitzung gegen die Rede HaaseS ihren Einspruch zu erheben und sie zu desavouieren, sie mußte auch, um die Verantwortung für diese Dinge von sich abzuwälzen und einer stau- digen Wiederkehr dieser bewußten Durchkreuzungstaktik der Minderheit gegenüber der Politik der Mehrheit einen Riegel vorzuschieben, zu einer Maßregel greifen, die ihr selbst sicher unangenehm und bitter genug angekommen sein dürste: sie schloß, so meldet der Telegraph, den Genossen Haase von den Rechten der Fraktion aus, mutzt« das tun, wollte sie nicht dem syste- matischen und immer unbekümmerter inszenierten Difzipliubruch Tür und Tor öffnen. „Schwäbische Tagwacht": Die Parteizertrümmerer haben ihr Ziel erreicht. Die S p a l- tung der sozialdemokratischen Fraktion deS Reichstag« ist eine vollzogene Tatsache. Wenn am Donnerstag die„Bremer Bürgerzedung", eines der führenden Or- gane der Parteiminderheit, unter dem bezeichnenden Titel„Wie lange noch?" über die in der sozialdemokratischen Presse zutage getretenen Gegensätze in der Beurteilung deS letzten Auftretens Liebknechts berichtete und daran die Bemerkung knüpfte:„Es hat keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. Nur die klare Einsicht kann da helfen, daß wir uns nicht mehr verstehen, und daß wir nicht mehr zusammengehören", so konnte man aus dieser deutlichen Sprache ja wohl den Schluß ziehen, daß die Minderheit— oder wenigstens der„radikale" Flügel derselben— keinen allzu großen Wert' mehr auf die Auftechterhaltung der Frak- tionsgemeinschast lege und es über kurz oder lang auch zum for- Mellen Bruche treiben werde—, aber niemand konnte ahnen, daß diese Aktion so nahe, ja geradezu unmittelbar bevorstehe. Tatsächlich ist sie denn auch, zum mindesten für die große Masse der Partei- genossen, mit überraschender Plötzlichkeit gekommen. Doch zeigen die Vorgänge, die den Bruch unmittelbar veranlaßten, daß es sich seitens der Akteure nicht etwa um eine bloße Entgleisung, sondern um einen wohlvor bereiteten Plan handelte, dessen Geheim- Haltung nur der Absicht entsprungen sein konnte, die Krise in der Partei gewaltsam zu lösen und Die Parteigenossen im Reiche vor eine vollzogene Tatsache zu stellen.... Es wäre sinnlos, die Tatsache leugnen zu wollen, daß mit dieser Spaltung der Fraktion, die wir bedauern, die aber nach dem bewußt provokatorischen Vorgehen der Minderheit unvermeidlich war, die Krise innerhalb der sozialdemokratischen Partei einen Punkt erreicht hat, der zu einer klaren und snd- gültigen Entscheidung geradezu zwingt. Auf welchem Wege diese Entscheidung herbeigeführt werden kann— ob durch Ein-