Helfferich eine» neuen Ilkas erhalten. Nso auch der ist sakrosankt. Kein Redakteur wird gegenwärtig so drangsaliert wie die Redakteure des„Vorivnrts". Präsident Kaempf: Im HauShaltsauSschuh ist ausdrücklich betont worden, daß im Plenum über die Frage» der Zensur und des Belagerungszustandes nicht gesprochen werden möge, da beide Materien demnächst im Ausschuß verhandelt werden. Abg. Haase(fortfahrend): Mir ist davon nichts bekannt. In meiner Gegenwart ist aus- drücklich beschlossen worden, daß bei dieser Gelegenheit die Frage n der inneren und äußeren Politik erörtert iv erden sollen. Ich denke jedoch nicht daran, etwa das bergehohe Material hier auszubreiten, sondern will nur ein paar charakteristische Beispiele anführen. Präsident Kaempf: Ich muß meine Bemerkung aufrechterhalten. Abg. Haase: WaS ich angeführt habe, genügt ja ivohl auch.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbeitögem.) Die Versa mmlungsverbore häufen sich. Dem Mitgliede des soziatdemokralischen Partei- Vorstandes, Frau Ziep, wird es untersagt Reden zu halten. Ein Generalkommando wendet sich an das andere, damit eS ihr das Reden verbietet.(Hört, hört!) Redner anderer Parteien dagegen Ivird in Gegenwart von Polizeibeamten große Redefreiheit gewährt. Ich will sie ihnen keineswegs beschränken, sondern ich wünsche nur freie Bahn für alle. Es ist ja zu erwarten, daß nun die Freigabe der Erörterungen der Kriegsziele diesen Zuständen ein Ende mache» wird.(Zuruf: Abwarten I Heiterkeit.) In militärische Schutzhaft schmachten viele Personen. Am Freitag ist Fräulein I a» n a s ch verhaftet Ivorde». Ihrer Mutter ist cS bis gestern trotz aller Bemühungen nicht mög- lich gewesen, sie auch nur zu sprechen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In einer Verfügung des Oberkommandos vorn 2t. Februar kommt der lapidare Satz vor:„Eine Stimmungsmache für theoretische, unklare weltbrüderliche Friedens- gedanken kann von hier aus nicht zugelassen werden, denn die Duldung wcltbrüdcrlicher Friedensbestrcbungen in jetziger Zeit würde in weiten Kreisen des Volkes Mißstimmung hervorbringen und den festen Willen zum Durchhalten beeinträchtigen. Die Herren sollten sich doch fragen, ob nicht in ihrer eigenen Wirksamkeit die stärkste Quelle der Mißstimmung liegt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ganz einig waren in diesem Hause wir alle in der Verurteilung der Brief- sperre über den Rechtsanwalt C l a a s e n. Die Briefsperre be- steht aber jetzt noch für eine große Zabl von Personen, und zwar nicht nur für Sozialdemokraten. Geschlossene Briefe werden geöffnet, wieder geschlossen und dann erst an den Adressaten abgeliefert.(Hört! hört! bei der Soz. Arbcitsgem.) Dieses Verhalten zu kennzeichnen, fehlt mir der parlamentarische Ausdruck.(Sehr richtig! bei der Soz. ArbeitSgem.) Wo eine winzige Erweiterung der Rechte des Volkes feierlich zugesagt ist, da müssen wir warten. Die Vorlage über die Befreiung der Gewerkschaften von politischer Bevormundung kommt immer noch nicht. Erst hieß es, der Referent sei krank ge- worden. Dann hieß es. das Gesetz solle im März vorgelegt werden. Aber lvir haben vergeblich in unseren Drucksachen nach der Vorlage gesucht. Welche Einflüsse mögen da wohl wirksam gewesen sein? Die Arbeiter werden immer mehr von dem bitteren Gefühl erfüllt, daß für sie da« Wort gilt, der Mohr hat seine Schuldig- keit getan, der Mohr kann gehen. Der PassuS der letzten preußischen Thronrede über daS Wahlrecht steht mit seinen nichts- sagenden Redensarten weit zurück hinter der Erklärung in der Thron- rede von 1808. Es wird da nach der Parole gearbeitet, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen. Die Worte Friedrich Wilhelms III. vor 18» Jahren klangen viel deutlicher, und wie grausam ist damals das Volk enttäuscht worden!(Sehr richtig! b. d. Soz. ArbeitSgem.) Herr v. Hehdebrand ist bereits zornig für die Erhaltung des Dreiklassenwahlrechts in die Schranken ge- treten, und wir wissen, daß es schwere innere Kämpfe kosten wird, bis dieser Widerstand überwunde» wird. Aber er wird überwunden iverden. Die Massen au« den Schützengräben, die dort mit höchstem Opfermut täglich einem schrecklichen Tod ins Auge sehen, werden. wenn sie heimkehren, auch hier den-notlv endigen Opfer- mut entwickeln.(Sehr richtig! bei der Sozialistischen Arbeits- gemeinschaft.) Der Reichskanzler hat gestern wenigstens einen Zipfel von seinen Kriegszielen fielüftet. Er ist noch nie so deutlich geworden. Deutschland werde reiwillig, sagt er, die P o l e n. Balten, L e t t e n, L i t t a u e r nicht dem reaktionären Rußland ausliefern. WaS soll aus Polen werden? Jedenfalls wenden wir uns mit Nachdruck gegen einen Plan, der etwa darauf hinauskomnien sollte, wiederum eine Teilung Polens vorzunehmen.(Lebhaftes Sehr richtig! bei der Soz. ArbeitSgem.) Es wäre unverantwortlich, dieses Kapitel der Weltgeschichte um ein neues zu bereichern. Wenn eS sich darum handelt, Polens Volk selbständig zu inachen, so muß cS selbständig entscheiden, welche Staats- form es erhalten soll.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbeit«- gemeinschaft.) Wir fragen ferner, was soll mit den Balten. Littauer», Letten geschehen? Sollen sie einem Staat angegliedert werden und welchem? Die Bevölkerung dieses Gebietes hat bis kurz vor dem Krieg nicht den Wunsch gehabt nach einem Zusammenschluß mit dem Deutschen Reiche . Die kraftvolle sozialdemokratische littauische und lettische Partei hat sich stets gegen eine LoSreißung von Rußland ausgesprochen. Sie wollten freie Verwaltung und haben dafür heldenmütige Opfer gebracht. Wenn Sie diese Volksstämme jetzt von Rußland befreien wollen, so denken sie daran. daß, als sie ihrerseits den Befreiungskampf führten, sie als Schnorrer und Verschwörer von unseren Grenzen gewiesen wurden.(Lebhaftes Sehr wahr! bei der Soz. ArbeitSgem.) Man spricht davon, diesem Volke einen Ausstieg zu ermöglichen. Aber dsusücis non obtruduntur(Wohltaten sind nicht aufzudrängen). Wie der Ausstieg dieses Volkes am besten �u ermöglichen ist, muß es selbst entscheiden.(Sehr richtig! bei der Soz. ArbeitSgem.) Unser Grundsatz: gegen Annektionen wird von uns uneingeschränkt vertreten. Dieser Grundsatz ist auch ein Gebot der politischen Klugheit. WaS Marx und Engels, Bebel und Liebknecht 1870 vorausgesagt haben, ist schmerz- liche Wahrheit geworden. Frankreich ist durch die damalige Politik, die zum Teil über Bismarcks Kopf hinweg durchgeführt worden ist, in die Arme Rußlands getrieben. Und wollen Sie durch eine ähnlich kurzsichtige Politik für die Zukunft Rußland in die Arme Englands treiben?(Zuruf recht«: Jji es schon! und Heiterkeit.) Sie wissen selbst am besten, daß solche Bündnisse nicht für die Ewigkeit sind, daß sie zusainniengchalten werden durch Interessen, und darauf kommt es an, ob Sie Interessen schmieden, durch die auch für die Zukunft daS Bündnis ein dauerndes bleibt.(Sehr.wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mit aller Schärfe müssen wir uns auch gegen die Ausführungen des Reichs- kanzlerS über Belgien wenden. Gewiß soll Belgien nicht ein englischer und französischer Vasallenstaat werden, aber auch nicht ein deutscher.(Sehr wahr! bei der Soz. ArbeitSgem.) Gewiß soll eS nicht wirtschaftlich und militärisch zu einem Bolliverk gegen Deutschland ausgebaut werden, aber auch nicht zu einem Bollwerk Segen Frankreich und England. Dem vlämischen Volk Wim- hen wir gewiß eine seiner Eigenart entsprechende Ent- Wickelung. Aber nur ein ganz kleiner Bruchteil des vlämischen Volkes will seinen staatlichen Zusammenhang mit den Wallonen lösen.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Wir fordern die staatliche Wiederherstellung Belgiens und seine politische und ökonomische Selbständig- keit. Wir erheben unsere Forderung nach wie vor aus dem Ge-
fühl des Rechts, wir sind aber auch der Auffassung, daß nur wenn Deutschland entschlossen ist. das Belgien zugefügte Unrecht wieder gut zu machen(Unruhe rechts), wir in absehbarer Zeil zum Frieden kommen können.(Sehr wahr l bei der Sozialistische» ArbeitSgemein schaft.) Ich habe nach dem Bericht der„Nordd. Allg. Ztg.", abge druckt m dem Blaubuch über Belgien , am 28. April 1813 bei der Koniinissioiisberatuiig der damaligen Heeresvorlage ausgeführt: „In weilen Kreisen Belgiens sieht man mit Sorge einem deulsch-fraiizösischen Kriege entgegen, weil man fürchtet, daß Dentschland Belgiens Neutralität nicht respektieren würde." Darauf hat damals der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, v. Jagow, geantwortet:„Die Neutralität Belgiens ist durch internalionale Abmachungen festgelegt und Deutschland ist ent- schlössen, an diesen Abniachungcn sesizuhalten."(Hört! hört! bei der Soz. ArbeitSgem.) Nachdem eine Reihe meiner Parteifreunde und ein Volksparteiler ebenso wie ich vor einer Verletzung der belgischen Neutralität gewarnt hatten, erklärte der damalige Kriegs- minister, Belgien spiele bei der Begründung der Wchrvorlage keine Rolle, sondern vielmehr nur der Osten, und die inter - national gelvährleistete Neutralität Belgiens werde Deutsch - land nicht verletzen. Am 4. August 1814 wurde uns die über- raschende Mitteilung, daß unsere Truppen vielleicht schon die belgische Grenze überschritten balten; aber die offene Erllärung deS Reichskanzlers gab doch wenigstens der Hoffnung Raum, daS das- jenige, was gegen das Recht geschah, wieder gut gemacht würde. Der vom Reichskanzler aufgestellte Grundsatz, Not kenne kein Gebot, kann von uns nicht anerkannt iverden, aber in den weitesten Kreisen wurden damals die stolzen und ehrlichen Worte des Reichskanzlers gerühmt. Er war übel beraten, als er am 2. Dezember 1314 diese seine Erklärung einschränkte.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbeitsgenieinschafr.) Die sozialdemokratische Fraktion hat damals sofort erklärt, daß sie eine Begründung für eine andere Auffassung deS Reichskanzlers als die ani 4. August nicht anerkennen könne. Wenn aber jemand noch nicht klar darüber sein sollte, was der Reichskanzler gestern meinte, als er über Belgien sprach, so ist diese Klarheit durch die Reden der bürgerlichen Parteien gegeben worden. Abg. Spahn hat fosort aus den Worten des Reichskanzlers die Folgerung gezogen, daß Belgien politisch, wirtschaftlich und militärisch in unsere Hand kommen müsse.(Sehr r i ch t i g I rechts und im Zentrum.) Diese Form der An- nektion wäre für ein freies Volk, das einen selbständigen Staat gebildet hat, noch viel schlinimer als die Wegnahme eines kleinen StreisenS Land.(Sehr richtig I bei der Soz. ArbeitSgem.) Die Souveränität würde dadurch beseitigt.(Widerspruch des Abg. Spahn.) In Bayern zirkuliert eine Petition mit den Unterschriften bekannter Persönlichkeiten aller Parteien mit Ausnahme der Sozial- demokratie, Liberale. Konservative, christliche Gewerkschafter usw. Und da heißt eS:„Unter Ablehnung einer politischen Entrechtung der beiden belgischen Völker muß daS Deutsche Reich militärischen Schutz gegen Anschläge der Westmächte auf Belgien haben. Im Interesse einer ungestörten Entwicklung muß dem Deutschen Reich die politische Bcrtrctnng Belgiens nach außen übertragen werden".(Hört, hört I bei der Soz. ArbeitSgem.) Hat ein Staat noch SouveräiiilätSrcchle und eigenen Willen, wenn er nach außen hin keine Vertretung hat, sondern sie einem anderen Staat übertragen muß? Und über Frankreich sagte diese Petition: Die unserer bisherigen Grenze nahegelegenen französische » Eisen- erzgcbiete gehören Verkehrs- und ivirtschaflSpolitisch zu Deutsch « land Für Rußland wird nicht nur die Forderung möglichster Zurückdrängung auS den nicht von Großrussen bewohnten Gebieten aufgestellt, sondern auch die der Angliederung der Ost- seeprovinzen und der südlich anschließenden Gouvernements an das Deutsche Reich, und gegen England die Verbesserung unserer mili« tärischen Stellung durch Gewinnung von Stützpunkten für den See- und Luftkrieg gegenüber der englischen Küste.(Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.) Ich stelle fest, daß daS auch Ihre Anschauungen sind. Der Reichskanzler hat bestritten, daß die Ländergier bei uns eine Rolle spiele. Weiß er nicht, daß in der Kriegsliteratur immer wieder die Forderung erhoben wird, neue Länder für unsere über- schüssige Bevölkerung zu gewinnen?(Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberaleii.) Der alldeutsche Zweigvercin Köln hat noch am 20. März 1816 einen Aufsatz von Adolf Bartels verschickt, worin es heißt:„Man täusche sich nicht, daß alle die HumanitätSideale für immer dahingesunken sind.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen das eine, was not- tut, Land, um größere Volismassen zu ernähren.(Zuruf rechts: Das ist auch recht I) Bartels schließt mit dem Ruf: Land, Land, Land!(Beifall rechts, Rufe recht»: Sand, Sand, Sand! — Große Heiterkeit rechts.) Ich verstehe Jbre Ansicht, aber wie Sie sich bei solchen Ansichten über den Vernichtungswillen anderer Völker entrüsten können, daS ist mir allerdings nicht ganz klar.(Sehr richtig l bei der Soz. ArbeitSgem.) Gegenüber Herrn v. P a y e r muß ich sagen, daß die Rede deS Reichskanzlers uns dem Frieden nicht näher gebracht, sondern unS von ihm entfernt hat,(Sehr richtig I bei der Soz. ArbeitSgem.) Wer ein menschliches Gefühl in der Brust hat, wünscht, auS diesem grauenvollen Gemetzel endlich heraus- zukam in e n.(Unruhe rechts! Zusiimmullg bei der Soz. Arbeits- gem.) Platonische FriedenSwüusche bringen unS jedoch nicht einen Schritt dem Ziele näher, es kommt auf den Willen zur Tat an. (Sehr wahr! bei der Soz. ArbeitSgem.) Wenn die Machthaber diesen Willen nicht haben, dann werden die Völker eS sein niiissen, die ihre Geschicke selb st in die Hand nehmen, um dem grauenvollen Kriege ein Ende zu bereiten. (Sehr wahr! bei der Soz. ArbeitSgem.— Große Unruhe rechts.) Zu dem H-Bool-Ä n trage des Ausschusses nehmen wir eine grundsätzlich andere Stellung ein wie Sie. Sie sind der Auffassung, daß der Krieg die ultima ratio(daS letzte Mittel) bei Streitigkeiten der Böller sei. Jetzt, Ivo die Tränenflut immer mehr anschwillt, lesen wir bereits, wie verschiedene Politiker sich mit der Frage beschäftigen, was mau im nächsten Kriege erringen müsse, wenn dieser Krieg nicht zur vollständigen Erringmig aller angestrebten weltpolitischen Lorteile führe. Wir dagegen sind Gegner des Krieges und wollen eine Ge- sellschaftsordnung, bei der eine solche blutige Auseinander- setzung zwischen den Völkern nicht möglich ist. sondern die Versöbnung der Völler Platz greift.(Zustimmung bei der Soz. Arbg., Unruhe und zahlreiche Zwilchenrufe rechts.) Es ist die Konsequenz Ihre? Standpunkies, daß Sie den Krieg bis zur Besiegung und Niederwerfung der Gegner fortführen wollen mit allen Mitteln, die Ihnen zur Verfügung stehen. Sie sagen, daS unbarmherzigste Mittel ist das barmherzigste, jedes Mittel ist den An- hängern des Kriege» recht, mag es noch so schlecht sein, wenn Sie damit nur den Gegner zu besiegen glauben. Man hat vor dem Kriege so oft davon gesprochen, daß der nächste Krieg, wenn er ausbrechen sollte, in humanen Formen geführt würde, man hat von der Humanisierung deS Kriege« ge- Iprochen.(Zuruf rechts: England I) Wir haben uns dadurch nie täuschen lassen und immer erklärt, Sie können von Ihrem Stand- Punkt auS den Krieg gar nicht human führen. Der Krieg ist, wie vor kurzem in einem österreichischen Armeeblatt zu lesen war. eine wilde Bestie, und ist sie einmal loS gelassen, bannt kennt sie keine Schranke. Aber sollten wir diese Ihre Ausfaffung uns gar noch zueigen machen? O nein. Wir wußten zwar, daß die Völkerrechtsgrund- sätze für die Anhänger die Krieges im Kriegsfalle bloße Zwirns- f ä d e n sein würden, über die sie nicht stolpern würden. Wir aber geben die Völkerrechtsgrundsätze nicht preis, wir treten für sie ein und wollen, daß sie unter allen Umständen durchgeführt werden.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbeits- gemeinschaft.) Ihr I'-Bootantrag muß von diesem grundsätzlichen Standpunkt auS bekämpft werden. Dieser Antrag ist aber auch eine merkwürdige parlamentarische'
Erscheinung. Gemeinschaftliche Anträge der Parteien wurden schon oft eingebracht, aber die Voraussetzung war entweder, daß eine einmütige Auffasiung über den Gegenstand vorhanden war. oder daß wenigstens ein für alle Teile annehmbares Kompromiß ge- schaffen wurde. Hier aber legt jeder Redner etwas anderes h in e i n. Die„Rheinisch-Westsälische Zeitung" brachte denn auch diese Resolution mit der in großen Lettern gesetzten Ueberschrist:„Der Reichstag f ü r den verschärften II-Bootkrieg." Und der NuSschnßbcrichterstatlcr sagt in seinem Bericht ausdrücklich:«Ohne auf die Frage eimugehen, in welchen Formen der I7-Boolkricg geführt werden solle, gibt der Reichstag der Ueber- zeugung Ausdruck, daß der II-Bootkrieg genau so wie alle anderen militärischen Machtmittel so bcnützt werden sollen, daß sein Ge- brauch der Erringimg eines die Zukunft Deutschlands sicherndeu Friedens dient."(Sehr richtig I rechts, im Zentrum und bei den Ratioiialliberalen.) Es werden also alle Formen des H-Boot- kriegrs gestaltet. Sie erklären es ja für geboten, wie von allen Machtmitteln so auch von diesem Gebrauch' zu machen, und wie von den anderen Machtmitteln in Konsequenz Ihrer Auffassung Gebrauch gemacht wird, da« habe ich dargelegt. Was für ein zweideutiges schillerndes Wort ist dieses Wort von dem die Zukunft Deutschlands sichernden Frieden! Darüber gehen ja eben die Anschauungen auseinander, Ivodnrch die Zukunft Deutsch- lands gesichert wird, und dcSyalb kann jeder einzelne feine Ansicht in die Resolution hineinlegen. Wir verlangen, daß auch hier diejenigen Grundsätze, die mühsam in Jahrhniidertcn auf dem Gebiete deS Völkerrechts errungen wurden, respektiert werden, daß auch feindliche Handelsschiffe, auf denen sich Nichtkombattanten, Dkäiincr, Frauen und Kinder befinden, nicht rücksichtslos vernichtet werden.(Unruhe rechts. Lebhafte Zustimmung bei der Soi. Arbgem.) Wir fordern, daß unsere Regierung, wie schon im Dezember von der sozialdemokratischen Frakiion verlang! wurde, ein Friedensangebot mache und alles tue, um die Verständigung herbeizuführen. Unsere Regierung wird allerdings schwerlich dazu in der Lage sein, iveil sie ebenso wie alle anderen GtaatSniämier einen Frieden will, bei dem sie den anderen die FricdenSbedmgmigen diktieren kann. Aber ebensowenig wie wir uns von anderen den Fuß auf den Nacken setzen lassen ivollen, ebensowenig sollte man den von mir schon letzthin vorauSsichllich als untauglich bezeichneten Versuch machen, anderen die FriedenSbediiigungeii aufzuzwingen. Erst wenn da« klar ausgesprochen wird, ist die Grundlage für Friedensverhandlungen geschaffen.(Sehr wahr! bei der Soz. Ar- beitSgem.) In allen Ländern vereinigen sich immer größere Teile der VolkSmafsen, in diesem Gedanken sich die Hände zu reichen, um durch gemeinsame Arbeit den Frieden herbei- zuführen.(Lachen und Unruhe recht«. Lebhafte Zustimmung bei der Soz. Arb.) Snowdcn im englischen Parlaincii:, T u ra t i im italienischen, T s ch e i d s e im russischen sind dafür eingetreten.(Zahlreiche Zurufe rechts: Und Frankreich ?) In Frankreich besteht ein Gemütszustands Lachen rechts), infolge der Besetzung wichtiger Provinzen durch den Feind, der der Versländi- gung Schwierigkeiten bereitet; aber auch dieser Gemütszustand hat in Frankreich seinen Höhepunkt sicherlich überschritten. Tie Berichte des„Populaire du Centre" beweisen die Zunahme des G e- dankens de» internationalen Zusammen- s ch l u s s e s auch in Frankreich , des Zusammenschlusses, um einen Frieden, durch den niemand gedemütigt wird und der wahrhaft ehrenvoll ist, zu erreichen. Auch die sozialistischen Lehrer Frankreichs haben sich schon vor längerer Zeit ganz in diesem Sinne ausgesprochen. Ter schwedische Minister W a l I e n b e r g> ein untadcihaft neutraler Mann, hat von der Fortführung des Krieges den Untergang Europas vorausgesagt. Wir halten es für unverantworilich, es dahin kommen zu lassm, daß unser Volk und die anderen Völker bis zum Weißbluten gegeneinander kämpfen. Für eine solche Politik lehnen wir alle Verantwortung ab.(Sehr wahr! bei der Soz. Arb.) Wenn die Friedensbedingungen wird zu prüfen sein, ob die Völker durch internationales werden können. Gewiß, solange wird er von neuem die Gefahr des Krieges erzeugen. Aber gerade die Erfahrungen dieses Krieges werden zwar nicht die An- bänger des Imperialismus zur Vernunft und zum Ideal der Humanität zurücktreiben, aber vielleicht doch die K a p i t a l i ft e n zu der Erkenntnis bringen, daß ihre Interessen besser gewahrt wer- den können ohne Krieg.(Lachen rechts und b. d. Nationalliberalen.) Ebenso wie im Innern eines Landes die Kapitalisten nicht mehr gegeneinander im Koukurrrcnzkampf wüten, sondern sich zu Trusts und Syndikaten vereinigen, so bestebt auch die Möglichkeit, daß wenigstens Kriege zwischen großen Nationen nicht mehr aus solchen Ursachen geführt zu werden brauchen. Aber wenn man sich für das Wettrüsten wieder entscheidet— wird eS dann möglich sein. worden die Kosten dafür aufgebracht Iverden können? Sollte nicht aus diesem Grunde der Gedanke auftauchen: Ist eö nicht möglich, durch internationale Abmachungen die Rüstungen einzuschränken? Undurchführbar und utopisch kann dieser Gedanke nicht sein; die deutsche und englische Negierung haben ja seinerzeit über ein Abkommen zur Einschränkung der Scerüstungen verhandelt. Wenn dieser Versuch nicht gelungen ist, so deshalb, weil in der Atmo- sphäre des Mißtrauens, die damals bestand, ein solcher Gedanke noch nicht Erfolg haben konnte. Ist aber die G e w i t t e r l u s t gereinigt, dann ist e» möglich, und daS wäre wenigstens ein KricgSziel für die Völker Europas . Ein Stück Land, welches auch immer es sei, kann unmöglich auch nur die Opfer eines einzigen Tages aufwiegen. Und wenn Sie nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern auch die T r u p p e n fragen wollten, ob sie auf die Aussicht hin, daß vielleicht im Osten ein Stück Land erobert werden kanii, weiterkämpsen wollen, oder ob sie nicht die Waffen senken wollen, um den friedlichen Wettbewerb der Völker wieder aufzunehmen— dann weiß ich, daß neunzig Prozent dafür sein wür- den, Schluß zu machen mit d e m K r i e g e.(Lebhafte Zu- stimmung bei der Soz. Arb. Unruhe rechts.) Wenn Sie dieser Erkenntnis entgegenstehen— die Tatsachen werden wahrscheinlich über Sie hinwegschreiten und, wenn nicht alles trügt, werben die Worte dcS Kommunistischen Manifestes aufs neue aufleben: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch, ver- einigt Euch zu dem höheren Ziele, den blutigen Krieg durch den langersehnten Frieden zu be- enden.(Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei der Soz. Arb. Zischen rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalcn.— Der Präsident bezeichnet das Händeklatschen als nicht üblich.) Staatssekretär des Auswärtigen v. Jagow: Als ich die erste Erklärung abgab, wußte ich nicht, daß Belgien nicht mehr neutral war. Als der Reichskanzler am 4. August seine Erklärung abgab, konnte er nicht wissen, daß Belgien bereits inner- lich gebunden war, daß es bereits Siellung genommen hatte. Das wurde nachher erwiesen und es wurde gründlich erwiesen, daß die Schuld auf Belgiens Seite lag.(Lebhafte Zustimmung.) Wie solche Ausführungen wie die des Abg. Haase im Ausland wirken, dafür will ich nur eine Stelle des„Oeuvre" nach der letzten Rede Haases anführen. Der„Oeuvre" schrieb: Die letzte ReichstagSsitzung kommt einem Sieg unserer Waffen gleich.(Leb- Haftes Hört! hört!) Wenn in Frankreich ein Abgeordneter nur ein Viertel von dem sagte, was Haase gesagt hat, so hätten ihn seine Kollegen unfehlbar gesteinigt.(Lebhaftes Hört! hört! und stür- Mischer Beifall.) Abg. Schcidemann(Soz.):