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1. Beilage zumVorwärts" Bttliner Volksblatt. Nr. 93. Sonntag, den ZZ. April 1894. 11. Jalirg. Utartamsnksbertchke. Abgeordnetenhaus. 54. Sitzung vom 21. April 1894, 11 Uhr. Am Ministertische: Miquel, Thielen und Rom - anssarien. In dritter Berathung erledigt daZ Haus zunächst die Vor- läge betreffend die Deckung der Ausgaben des Rechnungsjahres 1892/93 und den Gesetzentwurf betreffend Aenderung der Wege- gesetzgebung der Provinz Hannover . Darauf folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs betr. den Bau eines Schiff fahrts-Kanals vom Dort- mund-Ems-Kanal bis zum Rhein . Minister Thielen: Die Regierung hat sich zur Einbringung der Vorlage in so spätem Stadium der Session entschloffen, weil die spätere Vorlegung unwiderbringliche Schädigungen mit stck gebracht hätte. Tie Arbeiten sind aber erst in letzter Zeit so weit gefördert worden, daß ein Abschluß der Verlage erfolgen konnte. Der Kanal wird die Aufgabe haben, das in seiner Produktion und Konsumtion wohl einzig dastehende niederrheinische In- dustrierevier mit den Wasserstraßen zu verbinden und als Durch- gangsstraße zu dienen aus dem Osten nach dem Westen. Wer die Verhältnisse im niederrheinisch-westfälischen Jndustrierevier aus eigener Anschauung kennt, wer weiß, mit welchen Schwierig- leiten die Industrie zu kämpfen hat infolge der wachsenden Pro- duktionskosten, der kann sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß«ine Vermehrung der Verkehrsweg« und eine Ermäßigung des eine gewaltige Rolle spielenden Faktors der Transporte von der allergrößten Bedeutung ist. Wohl noch niemals ist eine Kanalvorlage dem Hause gemacht worden, bei der das Bedürfniß so klar zu Tage liegt, wie bei diesem Kanal. Es drängt sich von selbst die Frage auf, welchen Einfluß wird der Kanal auf den Betrieb und die Einnahmen der Eisenbahnen haben? Hierauf eine ziffernmäßige Antwort zu geben ist un- möglich. Daß der Kanal einen Theil des Verkehrs von den Eisenbahnelt an sich ziehen wird, ist natürlich. Dazu wird er gebaut. Daß der Verlust der Eisenbahn dem Verkehrsquantum des Kanals entsprechen wird, ist nicht anzunehmen. Die Eisen- bahntransporte am Rhein und nach Frankfurt haben sich durch die bessere Herstellung des Rheins und die Main -Kanallinie nicht vermindert. Die Verminderung der Transporte wird jedenfalls nicht im Verhältniß stehen zu dem Nutzen, den die Industrie von dem Kaual haben wird. Es wird sich hauptsächlich um Artikel handeln, deren Netto-Erträge sehr geringfügig sind, wie Kohlen und Kokes. Deshalb kann auch der Verkehrsminister ein Herz haben für diesen Kanal. Die Eisenbahnverwaltung hat ein sehr lebhaftes Interesse daran, daß die Kohlenindustrie des niederrheinisch- westfälischen Reviers nicht nur in ihrer Leistungsfähigkeit erhalten, sondern auch gefördert wird. An den Produktionskosten ist wenig zu ermäßigen; sie sind in den letzten Jahren aus bekannten Gründen erheblich gesteigert worden. Nur die Ermäßigung des Wassertransports kann eine Erleichterung bringen. Abg. Wlnckler(k.) erklärt, daß die konservative Partei gegen die Vorlage stimmen würde. Die schlechte Finanzlage zog sich wie ein rother Faden durch die Verhandlungen. Dringende Ausgaben wurden zurückgestellt; das wird um so mehr jetzt nolhwendig sein, nachdem die Hoffnung auf eine Reform der Reichssinan�en gescheitert ist. Hinter den 55 Millionen stehen noch weitere Millionen, namentlich für den Mittelland- kanal, deffen große Ausdehnung eine Anforderung von mehr als 209 Millionen Mark Ausgabe in Aussicht stellt. Unsere Staats- schulden würden also im Laufe dieses Jahrzehnts um 200 bis 300 Millionen für Kanalbauten vermehrt werden müssen. In der Denkschrift ist darauf hingewiesen, daß die Arbeiter des Nord-Ostsee-Kanals hierbei verwendet werden könnten. Das würde doch beinahe wie ein Recht auf Arbeit aussehen. Wenn von der Verwendung der dort gebrauchten Maschinen gesprochen wird, so ist nicht festgestellt, ob die Maschinen zur VersücMg Jtehen und ob die Maschinen noch so werthvoll sind, daß sie den Transport lohnen. Daß die Steigerung der Preise des Grund und Bodens den Kanalbau später vertheuern werden, sei nicht anzunehmen. Mit einer Kommissionsberathung sind die Konser - valiven einverstanden.(Zustimmung rechts.) Abg. Schmieding(natl.): Der Minister hat schon ausgeführt, daß für keinen Kanal' die Nothwendigkeit so klar vorliegt, wie für diefen;danach kann ich auf eineweitereBegründung derNolhwendig- keit wohl verzichten. An dem Ausbau des gesammten 5tanalS vom Rhein zur Weser und zur Elbe hat der Osten mindestens das- selbe Interesse wie der Weste».(Widerspruch rechts.) Unsere Flüsse nehmen meistens einen Lauf nach Norden und begünstigen dadurch besonders den Import nicht bsos von Getreide, sondern auch von industriellen Produkten und namentlich von englischer Kohle, welche billiger nach Berlin kommt, als die westfälische Kohle. Abg. v. Ouistorp(k.) bringt erhebliche technische Bedenken zur Sprache. Endlich berührt Redner auch die Frage der Rentabilität. Geheimer Baurath Dresel: Die Senkungen sind unbedenk- lich; wo es nothwendig ist, wird der Abbau unter dem Kanal ausgeschlossen. Di- Schiffshebewerke sind nnr zur Ersparung von Zeit nothwendig, weil sie an solchen Stellen angelegt werden, wo sonst mehrere Schleusen nothwendig wären. Abg. Wallbrecht(natl.): Der Dortmund-Ems-Kanal dient hauptsächlich mit der Einfuhr. Giebt es ein besseres Mittel, den inneren Verkehr zu heben, als einen Kanal vom Osten nach dem Westen zu bauen? Ich hoffe, daß man in der Kommission dazu kommen wird, den Kanal zu bewilligen.(Beifall links.) Abg. v. Schalscha(Z.) bezeichnet es als irrig, den Mittel- landkanal als eine Konzession zu betrachten; derselbe würde nur dem Auslande nützen und der Industrie des Westens. Die Interessen des Ostens liegen nicht bei Dortmund. (Zuruf: Wo denn?) Die liegen im Osten.(Heiterkeit links.) Minister Miquel: Auch ich bin der Meinung, daß man die Slaatseisenbahn-Einnahmen nicht unberücksichtigt lassen darf und daß man nur dann bedeutende Kapitalien auf unser Kanalnetz verwenden darf, wenn eine mäßige Rentabilität dieser Kapitalien zu erwarten ist. Auch wäre es mir erwünscht, wenn es gelänge, in das Gebührensystem für unsere Wasserstraßen wirklich durch- greifende und regelmäßig überall anwendbare Grundsätze hinein- zubringen. Man wird aber das von Fall zu Fall beurtheilen müssen. Man wird nicht die Forderung stellen können, daß unter allen Umständen ein Kanal nur dann gebaut werden darf, wenn mit Sicherheit auf eine volle Rentabilität gerechnet werden kann. Das ist auch bei dem Bau der Sekundärbahnen nicht der Fall. Die allgemeine wirthschaftliche Bedeutung des Unternehmens, die Rücksicht auf die Landesmelioration sind bei dem Kanal gerade für die Landwirthschaft von großer Bedeutung. Nun haben wir uns im Finanzministeriuin aber doch überzeugen müssen, daß gerade der vorlegende Kanal eine Garantie für eine mäßige Verzinsung giebt. Man könnte diese Frage von vornherein bejahen, selbst wenn man keine Zahlen hätte. Man braucht wohl blos das dortige Gebiet zu kennen. Die Probe auf das Ersinpel ist für mich die Geneigtheit der nächst betheiligten Landestheile, ein Viertel des Risikos mitzuübernehmen.(Zuruf rechts.) Ja ich hätte es auch gewünscht, daß es mehr gewesen wäre. Wenn aber auch solche Personen, welche keiu unmittelbar wirthschaftliches Interesse an zehn Millionen beispielsweise den Kanal haben, geneigt sind, für die Rheinprovinz zu über- nehmen, so müssen doch die zunächst betheiligten Kreis« an eine Rentabilität des Kanals glauben. Abg. v. Woyna(k.) erklärt namens der Minderheit seiner Freunde, daß der Kanal nothwendig sei; aber er wünscht, daß durch ein hydrotechnisches Gutachten festgestellt werde, ob die Anlagen des Kanals auch so sind, daß die Landwirthschaft nicht geschädigt wird. Abg. v. Riepenhausen(I.): Trotz der lichtvollen Aus� führungen des Finanzministers bin ich nicht von der Nothwendig- keit des Kanals überzeugt. Wenn 35,3 pCt. des gesammten Eisern bahnverkehrs Deutschlands aus das rheinisch-westfälische Kohle» gebiet entfällt, wenn also dort der Güterverkehr auf die Flächen- einheit berechnet, das 98fache des für ganz Deutschland geltenden Durchschnitts deträgt, dann ist es besonders gefährlich, dort die Konkurrenz eines Kanals herbeizuführen. Alle Gründe, welche an- geführt sind, treffen die Hauptpunkte nicht, namentlich ist nicht nachgewiesen, daß unsere Finanzen sich so gestalten, daß wir solche großen Ausgaben machen können. Ich habe«ine kleine Mehrausgabe angeregt, um eine größere Sonntagsruhe für die Eisenbahnbeamten herbeizuführen, aber nicht einmal eine Ant wort erhallen. Daß der Bau von Kanälen die Industrie hebt, wird nicht bezweifelt. Aber die Rentabilität des Kanals ist nicht nachgewiesen. Wir sind in der Schuldenwirthschaft so mit Riesenschritten vorwärts gegangen, es sind für nichtproduktive Aufgaben so viel Schulden gemacht worden, daß wir endlich einhalten müssen, namentlich wo der Osten noch der einfachsten Verkehrsmittel entbehrt; z. B. für Stralsund handelt es sich nur um wenige Hunderttausend Mark, um die nothwendig« Ver- tiefung der Wasserstraßen vorzunehmen. Deshalb ist einer solchen Vorlage gegenüber der ablehnende Standpunkt der allein richtige. Minister Thielen: Der Vorredner scheint darüber verletzt zu sein, daß ich ihm bezüglich der Sonntagsruhe der Beamten der Eisenbahnen keine Antwort gegeben habe. Ich habe an- genommen, daß er sich die darauf bezügliche Denkschrift durch- gelesen hat und kann ihm nur noch die nachträgliche Durch- lesung empfehlen. Abg. Ostrop(Z.) tritt für den Kanal ein und bringt zwei Bedenken vor, auf welche der Minister Thielen sofort antwortet: Die Entnahme des Waffers aus der Lippe wird so gering sein, daß eine meßbare Senkung des Wasserspiegels nicht zu erwarten ist. Durch die Senkung infolge des Bergbaus wird der Kanal nicht geschädigt werden; dagegen sprechen alle Gutachten der Bergbautechniker. Abg. Stengel(dk.): Die Verantwortlichkeit für die Be- willigung einer so hohen Summe wird gestärkt dadurch, daß andere Kanalprojekte im Hintergrunde lauern, so daß man nicht den Kanal Dortmund- Rhein für sich allein betrachten kann. Für die Unterhaltung der Kanäle sind 13 Millionen an Ausgaben ausgeworfen und was steht an Einnahmen gegen- über? Etwa 1350 000 M. Die übrigen 17 Millionen werden aus Steuern gedeckt. Die Regierung mag eine Aenderung dieses Verhältnisses beabsichtigen, aber ich bezweifle, daß es möglich sein wird, einen erheblichen Theil der Kosten durch Gebühren auszu- Mnngen. Abg. Jerusalem (Z.) hofft, daß die Gegner der Vorlage durch die Kommissionsberathung noch Freunde derselben werden würden, da die Gegengründe sich leicht als nicht stichhaltig nach- weisen ließen. Abg. Richter: Ich bin der Meinung, daß der Kanal jetzt nicht zu bewilligen ist; denn der Kanal ist hauptsächlich eine Er- leichterung für die Ausfuhr von Kohlen nach Holland . Daß die Zufuhr von Steinen, Holz, Getreide u. s. w. durch den Kanal gefördert wird, ist in der Begründung nicht dargelegt. Die Land- wirthschast wird jedenfalls keine nennenswerthen Vorlheile davon haben, ob diese Zufuhrstraße gebaut wird oder nicht. Das Konkurrenzverhältniß zu den Eisenbahnen ist nicht gründlich genug erörtert. Kann der Kanal sich selbst erhalten, so soll der Staat den Bau nicht hindern. Die Interessenten müßten voll und ganz für diesen Kanal auf- kommen. Ein gewiffes Naturrecht, mehr als 3Ve pCt. aus ihrem Kapital zu ziehen, haben die Industriellen ebenso wenig, wie Großgrundbesitzer ein Siecht auf hohe Rente. Nach der Schluß- folgerung des Ministers müßte auch jede Sekundärbahn als ein sehr rentables Geschäft angesehen werden. Eine noch größere Garantie gegen die Herabsetzung der Kanalgebühren wird es sein, wenn die Interessenten die volle Garantie übernehmen und zwar nicht blos für das ganze Kapital, sondern auch für die Bauzinfen, und dabei müßte die Untervertbeilung in dem Gesetze vorgeschrieben und nicht dem Provinziallandtag überlassen werden. Es sollten die betheiligten Kreise bezeichnet werden, welche die Garantie zu übernehmen haben, und zwar müßten die Kosten umgelegt werden aus die Kohlenförderung. Man sollte einmal erst die Einwirkung dieses Kanals abwarten. Ich bin nicht der Meinung, daß der Verkehr Selbstzweck ist, sondern daß jeder Verkehr sich auch selbst bezahlen muß. Aus den gegenwärtigen Finanzverhältniffen läßt sich gegen daZ Pro- jekt nichts herleiten. Auch wenn alle geforderten Steuern be- willigt worden wären, würde ich doch ein Gegner der Vorlage sein. Wenn erst diese Vorlage angenommen wird, dann wird der Mittellandkanal mit 232 Millionen Mark Kosten kommen und noch manches andere. Man ist den Interessenten viel zu weit mit Staatshilfe entgegengekommen; es kommen nun immer weitergehende Wünsche und die Unzufriedenheit wächst immer mehr, einmal über die fortwährenden neuen Steuern und dann daß diese und jene Forderung der Interessenten nicht erfüllt ist. Ich bin gegen diese Liebesgabenpolitik in jeder Gestalt, ob eS sich um Großindustrielle und um Großgrundbesitzer oder sonst wen handelt. Auch hier sollte der Grundsatz von Leistung und Gegenltistunggelten. Redner empfiehlt die Ueberweisung der Vorlage an die Budget- kommission. Minister Thiele«: Vorermittelungen haben stattgefunden über den Ausfall von Eisenbahn -Einnahmen. aber sie haben ergeben, daß es sich dabei immer nur um unzuverlässige Schätzung handelt. Daß eine kleine Schädigung der Eisenbahnen eintritt, ist natürlich, aber diese Schädigung kann aus andere Weise ausgeglichen werden. Bewältigen können die Eisenbahnen den Verkehr schon, aber es handelt sich darum, daß eine Ver- kehrsstraße geschaffen wird, die den Verkehr billiger auch auf diese kurze Entfernung ausführen kann. Die Befürchtung, daß die Kanäle eine zu große Zeit während des Winters gesperrt sind, ist bei unseren Witterungsverhältniflen für gewöhnlich nicht anzunehmen. Herr Richter will den Interessenten zwar nicht d» Aufbringung des Kapitals auferlegen, aber die Uebernahme der vollen Garantie. Aber damit würden wir das bisherige System vollständig verlassen. Zu den künstlichen Waffer- straßen im Osten haben die Interessenten nichts beigetragen. Ich hoffe, die mannigfachen Bedenken technischer Art werden in der Berathung der Kommission beseitigt werden können. Was dazu seitens der Regierung geschehen kann in offener Darlegung alles Materials, welches sie besitzt, soll gewiß geschehen. Nachdem noch der Abg. Schwarze(Z) sich für die Vorlage ausgesprochen, wird dieselbe an eine Kommission von 21 Mit- gliedern verwiesen. Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr. Zweite Berathung der Vorlag« betr. die Landwirthschaftskammern. Lolrcrlvs. Achtung» Gewerkschaften! Maifeier! Der Ausschuß der Berliner Gewerks chafls-Kommissioir giebt den Gewerkschaften Berlins nochmals die Resolution bezüglich der Maifeier bekannt: Die Versammlung derBerlinerGewerkschafts-Kommission fordert die Arbeiter Berlins auf, am l. Mai Vormittags die von der Berliner Gewerkschafts-Kommission einberufenen resp. bekannt zu gebenden Gruppenversammlungen zu be- suchen. Den Arbeitern derjenigen Berufe, die bereits Versammlungen zum 1. Mai festgesetzt haben, wird anheim» gegeben, in diesen vollzählig am Platze zu sein; damit die Feier eine wirkungsvolle und keine zersplitterte werde. Außerdem wurde der Beschluß gefaßt, daß die Gewerkschaften bis spätestens acht Tage vor dem 1. Mai, die Versammlungs- anzeigen dem Gewerkschaftsbureau, Rofenstr. 28, übersenden sollen, damit dieselben von dort aus. nach Gruppen geordnet, demVorwärts" zur Bekanntmachung übergeben werden können. In diesen Versammlungsanzeigen ist bekannt zu geben, in welchem Lokal, zu welcher Stunde und mit welchem Referenten die Versammlungen stattfinden; dasselbe ist bei den Jndustriegruppen-Versamm- lungen zu beachten, sofern diese von den Gruppen selbst veran- staltet werden. Ferner wird noch bemerkt, daß die Gewerkschaften und Be- rufe, die sich an den Jndustriegruppen-Versammlungen betbeiligen wollen, etwa 1 Stunde vor dem Anfang der Gruppenverfamm- lungen sich in ihren eigenen Versammlungslokalen zusammen- finden können, um die Zahl der Festtheilnehmer aus der eigenen Gewerkschaft festzustellen; von diesen Lokalen aus haben sich die einzelnen Gewerkschaften dann rechtzeitig zu den Gruppen- Versammlungen hinzubegeben. Die Einberufung der Gruppenverfamm- lung0n und die Besorgung der Referenten finden von d er G ew erksch a fts-Ko m mi sfi»n j e- d och nur dann statt, wenn an das Bureau der- selben ein diesbezügliches besonderes Ver» langen gestellt wird. Zum Schluß verweisen wrr noch, mals ausdrücklich darauf, daß die Gewerkschaften resp. die Delegirten dem Bureau so bald wie möglich m i t t h e i l e n, wo die Versammlungen ihrer Gewerkschaften am 1. Mai abgehalten werden, da es andernfalls nicht möglich ist, die Bekanntgabe rechtzeitig und vollständig stattfinden zu lassen. Mit solidarischem Gruße Der geschäftsführende Ausschuß der Berliner Gewerkschafts-Kommission._ Die Unzulänglichkeit der städtischen Krankenhäuser gegenüber dem vorhandenen Bedürfniß wird in unfreiwilliger Weise durch die Direktionen der betreffenden Anstalten selbst an- erkannt, insofern der Entlassungsschein oft den Vermerk trägt: Wegen Ueberfüllung als gebessert entlassen." Angesichts dieser That- fache ergiebt sich für den Magistrat die dringende Verpflichtung, den Bau des vierten städtischen Krankenhauses schleunigst in Angriff zu nehmen und nicht erst zu warten, bis zwingende Ereignisse eintreten. Die Cholera-Nachrichten aus dem Auslande mehren sich in beunruhigender Weise und der unheimliche Gast könnte auch in Berlin seinen Einzug halten in jener verhmenden Wirkung, wie seiner Zeit in Hainburg . Man warte diese traurige Möglichkeit nicht erst ab, sondern trage den berechtigten Wünschen der Einwohnerschaft Rechnung,«he es zu spät ist. Ein«ener gefährlicher Feind ist der Sozialdemokratie entstanden. Alsfeste Burg und Bollwerk gegen den Umsturz, zur Mehrung und Erhaltung des Mittelstandes" ist die Heim- stätten-Aktiengesellschast gegründet worden, welche in langen Pro- spekten zum Beitritt auffordert. Auch derfast Besitzlose" soll hier Gelegenheit haben, ein angenehmes eigenes Heim zu erwerben und dadurch Glück und Zufriedenheit zu erlangen. Dieses Ziel, allgemeine Zufriedenheit und somit Lösung der sozialen Frage, wird auf höchst einfache und geniale Weise gelöst: Anstatt zur Miethe zu wohnen, bezieht man ein eigenes Häuschen. welches die Gesellschaft in eineui Vororte baut und zur Ver- fügung stellt. Außerdem aber versichert man sich bei einer Lebens- versicherungs-Gesellschaft und zahlt die fortlaufenden Prämien an diese; an die Heimstätten-Aktiengesellschaft dagegen die Zinsen des auf den Kauf des Bodens und den Bau des Hauses ver- wendeten Kapitals. Lebt man lange genug(bis zum 60. Jahre), so zahlt die Versicherungsgesellschaft die Bersicherungssmnme an die Heimstättengesellschaft und man ist glücklicher Besitzer eines eigenen Heinis. Stirbt man früher, so wird wiederum die fällige Ver- sicherungssumme der Heimstättengesellschaft ausbezahlt, und die Kinder und Erben des selig Entschlafenen sind die Besitzer der schönen Heimstätte. Die Direktion rechnet auS. daß man aus diese Weise, trotzdem man außer ven Kapitalzinsen noch die Versicherungsprämien bezahlt, billiger wohnt, als rn Berlin . DaS ist zwar richtig; aber man wohnt um so viel theurer, als man ohne die Versicherungsprämie in dem betreffenden Vorort wohne» würde. Freilich, dafür hat man aber im 80. Lebensjahre, oder beim Todesfalle die Erben, daS Häuschen als Eigenthum. Nun. und wenn man sich darauf nicht einläßt, sondern WohnungS- miethe und Versicherung als gesonderte Geschäfte behandelt, so besitzt man im 80. Jahre resp. die Erben bei früherem Ableben, daS versicherte Kapital, welches ja eben den Werth d«S HäuZ- chenS darstellt. Dann ist man nicht Zeit seines LebenS an die ein« Wohnung gebunden, sondern kann, den wechselnden Bedürf- nissen der Beschäftigung folgend, die Wohnung und den Wohnort wechseln, und für daS Kapital auch, wenn man so gern eigener Besitzer ist, sich in einem Vororte ankaufen. Aber selbst, wenn der Vortheil, welchen man alS Mitglied der Heimstätten-Aktiengesellschaft hat, noch so sehr in die Augen spränge, waS hätte wohl der Arbeiter davon und waS würde fürs allgemeine Wohl daraus folgen? Die Gesellschaft behauptet selbst nicht, daß sie denBesitzlosen" glücklich machen will, sondern nur denfast Besitzlosen". Ihre billigsten Häuser sollen 8000 M. kosten. Dafür muß ein Sdjähriger bei emer Anzahlung von 800 M. noch 416,90 M. Miethe zahlen, nämlich 4 pEt. Zinsen oder 216 M. für den Rest von 5400 M. und 200,90 M. Ver- sicherungsprämie. Läßt man die Anzahlung fort, so erhöht sich die Miethe noch um»/». so daß 483,22 M. herauskommen. Nun. welcher Arbeiter kann wohl auch nur 400 M. als jährliche Miethe für sich und seine Familie ausgeben. Das Ein- kommen unserer Arbeiterbevölkerung ist kein so bourgeois- mäßiges, daß sie seine solche Summe zur Befriedigung ihres Wohnungsbedürfniffes aufzuwenden nn Stande ist. Außerdem hat die Rechnung noch ein Loch; die Versicherungs- Prämien berechnen die Versicherungsgesellschaften nach der Sterb- lichkeit derjenigen Bevölkerungsklasfen. welche sich vornehmlich versichern lassen; würde ein Arbeiter bei einer Versicherungs- gesellschaft anfragen, so würbe er bald einsehen, daß die tarif- mäßigen Prämien für ihn nicht gelten, sondern daß erwegen der besonderen Gefahren seines Berufes" erheblich mehr zahlen müßte. Für den Arbeiter bietet demnach der Beitritt zur Heim- stätten-Aktiengesellschast nicht nur keinen Vortheil, sondern es ist ihm direkt unmöglich. Wäre daS aber auch nicht der Fall, sondern könnten Ar- beiter beitreten, und würden die segensreichen Folgen �eintreten,