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wir in der Kommission einer Wiederholung des Wehrbeitrags nicht zustimmen, denn das hätte zweifellos zu seiner Verewigung ge- führt. Ebensowenig konnten wir der geplanten Ergänzungsabgabe, der allgemeinen Besteuerung aller Vermögen zustimmen, die einen direkten Eingriff in das Recht der Einzelstaaten bedeutet hätte. Wir hätten gewünscht, daß die Regierung an ihrer ursprüng- lichen Vorlage festgehalten hätte.(Lehr wahr! rechts.) Der Kom- Promigvorichlag. dein die Regierung ichliesilich zugestimmt hat. bringt auch eine gewisse Vermögensstcuer. Wir können dafür die Verantwortung nicht übernehmen. Ein Teil meiner Freunde wird daher gegen das Kriegsgetoinnsteuergesetz stimmen. Dagegen sind sie bereit, in den Einzellandtagen sstr entsprechende Erhöhungen der Einkommens« und Vermögenssteuer einzutreten. Der Teil meiner Freunde, der für den Kompromiß- Vorschlag stimmen wird unter Benirtjichtigung der besonderen Sach­lage, die durch das Zugeständnis der Verbündeten Regierungen herbeigeführt worden ist, gibt trotzdem ebenfalls den Grundsatz nicht auf, daß auch in Zukunft eine Grenzverschiebung zwischen der Steuergesetzgebung de-S Reichs und der Einzelstaoten nicht erfolgen soll.(Sehr richtig! rechts.) Die Zustimmung wird diesem Teil meiner Freunde erleichtert durch den Charakter der Einmaligkeit der beschlossenen Steuer und ihren unmittelbaren Zusammen- hang mit den Wirkungen des Krieges, sowie durch den Umstand, daß der Antrag auf hauptamtlich anzustellende Steuerkommissare fallen gelassen ist. Den Belastungen des Verkehrs stimmen wir ohne besondere Begeisterung zu. Gegenüber der früher vorgeschlagenen Luitlungssteuer erscheint uns jedenfalls die beschlossene Umsatzsteuer als das kleinere Uebel Bei der Tobaksteuer ist uns die Hauptsache der Schutz des einheimischen Tabakbaues. Wir erkennen an, daß auch die übrigen Parteien, namentlich die Fortschrittspartei, Opfer ihrer Ueberzeugung bei dem Kompromiß gebracht haben. Voraus- setzung unserer Zustimmung ist natürlich, daß das Kompromiß bis zur dritten Lesung unverändert bleibt. Ein Unikum in der Reichs- finanzgesetzgebung dürste eS sein, daß der Reichstag um 200 Millionen über die Vorlage der Verbündeten Regierungen hinausgegangen ist. Er hat das in der Erkenntnis getan, daß diese Steuervorlagen nur ein Schritt auf den, Wege zu weiter notwendig werdenden größeren Vorlagen sind.(Beifall rechts.) Staatssekretär Dr. Hclfferich: Ein ideale- Kompromiß gibt es natürlich nicht, denn es liegt im Wesen eines Kompromisses, daß jeder, der daran beteiligt ist, von seinen Idealen etwas opfern muß. Auch die Verbündeten Regierungen hätten sich eine idealere Lösung der Sleuerfrage sehr wohl vorstellen können. Wenn die Regierungen trotzdem dem Koni- promiß zugestimmt und dabei sehr erhebliche Opser ihrer Ueber- zeugung und ihrer einzelstaatlichen Interessen gebracht haben, so war für sie bestimmend der Wille, die Vorlage zur sicheren Annahme zu bringen, und den Reichstag für die Vorlage in einer möglichsten Geschlossenheit zu vereinigen, die wir nach innen und nach außen brauchen. Erleichtert wurde uns die Zu- stimmung dadurch, daß in den Verhandlungen auch von denen, die am meisten einen Ausbau der Besitzbesteuerung verlangten, aus- drücklich erklärt worden ist, daß eine prinzipielle Verschiebung der Grenzsteine auf dem Steuergebiet zwischen Reich, Einzelstaalcn und Kommunen nicht beabsichtigt werde. Tie Regelung der grundsätz- lichen Fragen bleibt der Zukunft vorbehalten. Ich bin mir klar darüber, daß darüber noch große Kämpfe geführt werden müssen. Aber dann werden wir keinen äußeren Feind haben. Heute haben wir bei allem, was wir sagen, auf das Rücksicht zu nehmen, was außerhalb unserer Grenzen vorgeht. Im Gegensatz zum Vorredner habe ich die Ueberzeugung gewonnen. daß, wenn die Regierung sich auf den Standpunkt der Ablehnung eines jeden Kompromisses gestellt und an ihrer Borlage festgehalten hätte, die wahrscheinliche Folge die Gs- fährdung der gesamten Vorlage, jedenfalls ihre Verstümmelung in einer Weise gewesen wäre, daß die Erreichung ihres Zweckes ver- eitelt worden wäre. Auch glaubten wir die Gefahr vermeiden zu müssen, bis zur dritten Lesung stets mit Zufallsmehrheiten in so wichtigen Fragen kämpfen zu müssen. Ich weiß nicht, ob das Ge- schehenlassen einer solchen Situation mit der Gesamtlage, in der wir uns befinden, in Einklang gestanden hätte. Diejenigen Herren, die heute gegen da? Kompromiß stimmen, haben das beruhigende Be- wußtsein, daß damit das Zustandekommen der Vorlage nicht gefährdet ist. Für die Verbündeten Regierungen aber bandelt es sich darum, ob sie einen Beschluß fassen sollten, der das Scheitern der Vorlage bedeutet hätte. Die Annahme des Wchrdritragcs war für uns absolut unannehmbar, schon mit Rücksicht auf die frühere Erklärung. Die Verbündeten Regierungen sind nicht gesonnen, ein Wort, daS sie gegeben haben, in dieser Weise entwerten zu lassen.(Oho l bei den Sozialdemokraten; Zuruf: Selbst wenn ein Weltkrieg kommt!) ES gibt auch im Weltkrieg andere Möglichkeiten!(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Die Aufhebung des Belagerungs- zustandes ist auch versprochen.) Der Wehrbeitrag war auch materiell unannehmbar, weil er keine Rücksicht nahm auf die Veränderung der Substanz des Vermögens nach unten. Im Gegensatz dazu ergreist der Kompromiß- Vorschlag nur die Vermögen, die sich vermehrt haben, die intakt geblieben find oder die höchstens um 10 Proz. geringer geworden sind. Diese Beschlüsse passen sich den Kriegszuständen an und tragen in ihrer eigenen Struktur einen Schutz gegen Wieder- holungen. Die Vorwürfe der äußersten Linken dagegen, daß auch noch indirekte Steuern beschlossen worden sind, sind völlig un- berechtigt. Das Deutsche Reich besteht nicht nur aus dem Reich selbst, sondern auch aus Einzelstaaten und Kommunen und aus dieser EntWickelung hat sich der Grundgedanke ergeben, daß die indirekten Steuern dem Reich, die direkten den Einzelstaaten und Kommunen gehören. Trotzdem hat ja schon das Reich auch den Weg der direkten Besteuerung beschritten; aber eine weitere Ausdehnung dieser direkten Steuern wünschen die Verbündeten Regierungen nicht und werden sie zu verhindern wissen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Abwarten!) Außerdem kann niemand behaupten, daß durch die hier beschlossenen indirekten Steuern die großen Massen betroffen werden.(Oho! bei den Sozialdemokraten.) Nicht einmal beim Tabak infolge der vorgesehenen Differenzierung der Steuer. Biel   eher hätte das bei der Abschaffung des Wertzolls der Fall fein können, wie sie in der Konimission von sozialdemokratischer Seite beantragt wurde. Die Opposition der äußersten Linken gegen den Umsatzstempel findet bei mir am wenigsten Verständnis, denn gerade diese Steuer nimmt doch Rücksicht auf die Leistung-- fäbigkeit, indem sie jeden nach Maßgabe ihres Verbrauchs trifft. Ich halte diese Steuer für ausbaufähig, dazu ge- hören aber Erfahrungen. Im allgemeinen kann ich es nur begrüßen, daß die Debatten in der Oeffentlichkeit über die Steuerfragen ruhig und sachlich geführt worden sind und daß daraus der Gedanke hervorklang, daß dem Reiche gegeben werden muß, was des Reiches ist. Als Ruhmesblatt in der Geschichte des Reichstages aber wird eS zu verzeichnen sein, daß er den fonnellen Ertrag dieser Steuern im Wege des Kompromisses erheblich über die Vorlagen der Verbündeten Regierungen hinaus erhöht hat. Damit hat sich der Reichstag   den Dank des gesamten deutschen Volkes verdient. (Bravo  !) Abg. Mcrtin(Deutsche   Frakt.) erklärt, daß auch seine Freunde bis auf einen kleinen Teil dem Kom- promiß zustimmen und bedauert, daß sich kein Weg gefunden habe, die reinen Kriegsgewinne erheblicher heranzuziehen. Abg. Bernstein(Soz. Arbg.): Von den volkswirtschaftlichen Wirkungen deS Krieges kommen für die Steuerfrage erstens die allgemeine Verteuerung der Preise und des Zinsfußes und zweitens die Verschiebungen im Wohlstand, im Vermögen in Betrocht. Eine Steuer- und Finanzpolitik Hai danach die Aufgabe, der Teuerung möglichst abzuhelfen und für die Verschiebung im Wohlstand einen Ausgleich zu suchen. Das Bündel Steuern, das uns hier vorliegt, tut hinsichtlich der Teuerung das Gegenteil(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) und berücksichtigt die Wohlstandsverschiebung nur ganz unzulänglich. Vor allemwäre es not-
wendig gewesen, die Steuern in einem Mantelgesetz zusammenzufaffen. (Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Denn jede Finanzpolitik soll etwas Organisches sein. Wir werden die Steuern jedenfalls als Ganzes betrachten und behandeln. Steuern auf Verbrauch und Verkehr lehnen wir ab. Die indirekten Steuern greifen irgendwo in den Wirkschaftsprozeß ein, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen. Die Umsatzsteuer verwerfen wir, denn der Umsatz ist kein Maßstab des Gewinnes. Ebenso ver- tversen wir die Tabaksteuer, die eine ganze Reihe von Geschäfts- leuten und Arbeitern mit Ruin und Arbeitslosigkeit bedroht. Eine auf indirekten Steuern beruhende Steuerpolitik wäre verständlich in einem kapitalschwachen Lande, wo die Kapitalbildung nicht erschwert werden darf. Deutschland   ist aber ein kapital- reiches Land, der ganze Streit, der den Weltkrieg herbeigeführt hat, war ja ein Streit um Kapital- anlagen im Ausland.(Sehr richtig I b. d. Soz. Arbg.) Dieser Krieg hat zweifellos die Reichen im Deutschen Reich noch reicher gemacht. Daher der berechtigte allgemeine Ruf nach einer Kriegsgewinnsteuer. Was die Regierung in der Richtung brachte, war unzulänglich uud wurde durch die Annahme des Wehrbeitrages in der Kommission verbessert, der aber durch das Kompromiß wieder herausgeworfen wurde. Was das Kompromiß statt dessen brachte, bezeichnete Herr Wiemer treffend mit seinem Gleichnis, daß aus einer blühenden Jungfrau ein verschrumpeltes altes Weib geworden ist. Das Interessante ist nur, daß er dieses Weib heiraten will. Er denkt mit der.Herzogin von Gerolstein', wenn man nicht krieczt, was man liebt, dann liebt man, was man kriegt. (Heiterkeit.) Jeder Kriegsgewinn muß sehr stark besteuert werden, denn von diesem Unheil soll wenigstens niemand materiellen Vorteil haben.(Sehr wahr! bei der Soziald. Arbg.) Deshalb haben wir einen entsprechenden Antrag eingebracht. Die Angst vor einer allzugroßen Kriegsgewinnsteuer können wir nicht teilen. In England greift man mit viel stärkerer Hand gegen die Kriegsgewinne ein als bei uns. Uebrigens hat sich der englische   Schatzsekretär in seiner Etatrede an die englischen Verhält- nisse gehalten und die deutschen Finanzen aus dem Spiel gelassen. Das sollte man auch bei uns tun. Denn Spitzen gegen das Aus- land tun niemand weh, sondern läuschen nur das eigene Volk.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Wir wollen nicht, daß es Leute gibt, die Vorteil vom Kriege haben, deren Weizen blüht, je länger der Krieg sich hinzieht. Wenn Herr Hirsch gestern auch noch so sehr protestiert hat, so ist dock Tatsache, daß in seinen Kreisen sich die Leute befinden, die die stärlsten Profite vom Kriege ziehen und sehr bemüht sind, diese Profite einzuhamstern und festzulegen. Man kann in den Berichten der Handelszeitungen lesen, was bei den Schwereisernen vorgeht. SlinneS und Thysien z. B. ziehen jetzt auch die Werften in den Bereich ihrer Tätigkeit. Was hier von Liebknecht   über die Zeichnung der Reichsanleihe gesagt wurde, stand schon lange vorher in derTimes". Ebenso waren im Ausland auch die Aeußerungen des Staatssekretärs Hclfferich bekannt. Man kann eben das Ausland vor solchen Informationen nicht abschließen. Gewiß soll man in feinen Aeußerungen vorsichtig sein, aber auch mit seinen Gedanken von EroberungS- Plänen(Präsident Dr. Kaempf bittet den Redner, zur Sache zu kommen.) Ich komme sofort darauf.(Heiterkeit.) Das gehört zum Thema, denn jede Verlängerung des Krieges erhöht die Ausgaben und die Steuern. Je länger der Krieg sich hinzieht, um so mehr wächst das Kapital, der Krieg bat durchaus eine plutokratische Ten- denz. Nicht nur der Kapitalbesitz wächst, sondern auch der Kapital- ertrag in jeder Form des Zinses. Darum brauchten wir eine soziale Steuerpolitik und in dieser Hinsicht ist da- Kompromiß durchaus un- zulänglich. Den Grundsatz: Dem Reich die indirekten, den Einzel- staaten und Kommunen die direkten Steuern können wir am aller- wenigsten in dieser Zeit anerkennen, wo das Reich vor so gewaltigen Ausgaben steht. Jeder VolkSwirtschafller muß eine baldige Beendi- gung des Krieges wünschen. Warum kommen wir denn nicht zum Frieden? Weil die Vertreter der Regierungen der Herr- schenden Parteien durch ihre Erklärungen sich selbst den Weg zu einer vernünftigen Politik verrammeln. Es gäbe ein Mittel, schnell zum Frieden zu kommen, wenn alle Regierungen der kriegführenden Länder zurücktreten und die Sache der' Sozialdemokratie überlassen würden. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die erst durch den Krieg in die Sozialdemokratie hineingetragen worden sind, bin ich der Meinung, daß nur auf der Grundlage der sozialdemokratischen Grundsätze der Frieden gesichert wäre. Der Staatssekretär hat gestern gegenüber einer Bemerkung meines Freundes Dittmann... (Präsident Kaempf: Sie können die Debatte von gestern heute nicht sortsetzen.) Dann kann ich nicht beweisen, was ich eben gesagt habe. Ich will nur noch ein- sagen. Ich habe einen rein sachlichen Artikel geschrieben, der den grundsätzlichen Gegensatz zwischen Grey und dem Reichskanzler darlegt. Er ist von der Zensur gänzlich ge- strichen worden.(Präsident Kaempf: Ich bitte zur Kriegsgewinn- fteuer zu sprechen!) Dem Kompromiß, in dem die direkten Steuern nur der Vorspann für indirekte Steuern sind, die eine schwere Be- lastung der Volkswirtschaft bedeuten, können wir nicht zustimme». Ich bleibe dabei, nur bei der Sozialdemokratie ist der Völkerwillen, nur bei der Sozialdemokratie eine gerechte Steuergesetzgebung. (Bravo  ! bei der Soz. Arbg.) Staatssekretär Dr. Helfferich: Der Abg. Bernstein hat uns England wieder als Vorbild der Finanzierung des Krieges hingestellt. Ich kann seinen Argumenten nicht folgen. Wir gehen von der Ansicht aus, daß während des Krieges dem deutschen   Volke an Belastung nur das zugemutet werden soll, was unbedingt notwendig ist, um eine ordentliche Finanzwirtschaft im Gleichgewicht zu erhalten. Wenn England glaubt, weitergehen zu müssen, interessiert uns das erst in zweiter Linie. Die direkte Besteuerung geht übrigens in England gar nicht wesentlich über das hinaus, was bei uns insgesamt an direkten Steuern im Reich, Einzelstaaten und Kommunen bereits vorhanden iit. Dabei ist die hohe direkte Besteuerung in England aber begleitet von einer Erhöhung der indirekten Steuern, bei der Ihnen(zu den Sozialdemokraten) die Augen übergehen würden. Ich greife nur als kleine Auslese heraus: Bier. Zucker, Tabak. Tee, Kakao, Zigaretten, getrocknetes Obst, Mineralwasser, Zündhölzer, Postabgaben usw. Bei einem solchen Vergleich schneidet Deutschland   nicht schlecht ab. Herr Bern- stein hat gesagt, meine Rede hätte kriegverlängernd gewirkt. Solche Reden sind doch aber mehr gehalten worden von Herren, die ihm bedenklich nahe stehen. Es wirkt zweifellos kriegvcrlängernd, wenn gestern von einem Frieden gesprochen wurde, bei dem es weder Sieger noch Beliegte gibt.(Widerspruch bei der Soz. Arbg.) Da- muß im Ausland den Eindruck erwecken, als ob wir Deutsche  , die heute Sieger sind, nicht mehr Aussicht hätten, Sieger zubleiben, und das muß kriegverlängernd wirken.(Sehr wahr! rechts.) Gestern sagte ich, Herr Dittmann habe wohl geglaubt, er spreche im englischen Parlament; nach den Schlußworten bei Abg. Bernstein muß ich sagen, ich glaube, er hat sich vorgestellt, er wäre in Zimmerwald. (Unruhe ber der Soz. Arbg.) Abg. Dr. Seyda(Pole): Unsere Bemühungen auf Verbesserung der Steuervorlage im sozialen Sinne sind leider vergeblich gewesen. Unsere Stellung« nähme zu den Steuervorlagen wird uns um so schwerer gemacht, da die Regierung uns nach wie vor die G leichberechtigung versagt.(Hört! hört! bei den Polen  .) Wir wollen aber nicht den Anschein erwecken, als ob wir in der jetzigen Zeit dem Reich die Mittel versagen, die es zur Ausrechterhaltung der ins Wanken ge- ratencn Reichsfinanzen bedarf. Daher st i m m e n wir dem Kom- promiß zu. Abg. Dr. David(Soz.): Von prinzipiellen Grenzsteinen in bezug auf die Steuergeictz- gebung des Reichs und der Einzelstaaten steht in der ReichSverfassung nichts. Wir halten uns an diesen klaren Rechtsweg. Auch in der Praxis ist das uns immer vorgeführte Prinzip der Scheidung zwischen direkler und indirekter Besteuerung in Einzelstaaten und Reich so durchlöchert, wie ein Sieb. Die direkte Besteuerung im Reich fing an mit der Tantiemesteuer, dann folgte die Erbschafts-
steuer, der Wehrbeitrag, die Besitzsteuer, und jetzt die KriegSgcwinn- steuer. Wenn man sagt, man muß Rücksicht nehmen auf die Finanzen der Einzelstaaten und Gemeinden. so liegt unS das genau so am Herzen wie den anderen Parteien uns der Regierung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber die Frage ist, liegt eS im Interesse des Reich- und der Einzelstaaten und Gemeinden, daß wir eine Vercinheitlichkeit der gesamten Steuer- gesetzgebung erzielen? Zweifellos ist der heutige Z u st a n d des ü b e r k o m m e n e n C h a o s. des Kunterdunts von Steuern im Reich, Einzelstaaten und Kommunen himmelschreiend und ftihrt zu den größten steuerlichen Ungerechtigkeiten. Also gerade im Interesse der Einzelstaaten und Kommunen fordern wir eine Vereinheitlichung der tsleuergefetzgebung innerhalb des ganzen Reichs. Diese EntWickelung wird sich auch allen Widerständen zum Trotz durchsetzen, die harten Tatsachen nach dem Kriege werden dazu führen. Wenn einmal die Milliarden« ausgaben kommen, dann kann man mit dem Steuerchaos nichl mehr weiter wirtschaften, dann wird eine einheitliche Reichs- einkommen- und Vermögenssteuer die Grundlage für die gesamte Steuergesetzgebung bilden. Das wird auch der Festigung des Reichsgedankens förderlich fein. Man muß endlich den Mut haben, das ans der Vergangenheit Ueberkommende, gänzlich Unzuläng- liche zu beseitigen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ge- wiß gibt es eine Grenze für die Belastung des Besitzes. Aber heute ist diese Grenze noch lange nicht erreicht. Deshalb bestand während des Krieges keine Notwendigkeit, so bescheiden mit direkten Steuern zu sein und indirekte ungeheuerlich zu vermehren. Möglichst schikanös und verärgernd sind diese Steuern, eine unwirtschaftliche und verärgerte Groschcnfetzcrei. Wollte man schon die Postgebühren erhöhen, so hätte man es ein- heitlicher machen können. Der Staatssekretär sagt, die Steuern belasten die Masse nicht. Die Bevölkerung wird die Antwort dar- auf geben; wenn wieder frei gesprochen werden kann, werden die Steuern eine ganz gewaltige Rolle spielen. Die Umsatzsteuer ist eine allgemeine Gewerbesteuer, aber nach ihrer Erhebung vom Umsatz, nicht vom Gewinn, eine ganz rohe. Sie trifft jeden Ver- braucher, aber der Staatssekretär übersieht, daß der kleine Ber- braucher durch jeden Groschen härter belastet wird wie der große. Bei den direften Steuern haben wir deshalb auch das Prinzip der Progression. Auch trägt diese Steuer die Tendenz der Verschärfung in sich. Wenn je ein Kompromiß kompromittierlich war, so dieses Steuerkompromitz, das der Regierung sogar noch eine Zugabe ge- bracht hat. Die Parteien hatten die Macht, auf dem Resultat der ersten Lesung zu bestehen. Die Regierung konnte die Steuergesetz- gebung nicht am Wehrbeitrag scheitern lassen. Gerade bei den Steuern muß das Parlament den Ausschlag geben, das ja die Masse repräsentiert, die die Steuern zu zahlen haben. Das Kom» promiß soll nach dem Staatssekretär die Verkrüppelung des Steuer- Werks verhindert haben. Aber statt eines Steuerwerks haben wir ja nur ein Sammelsurium, ein Steuerknntcrbunt ohne leitenden Gedanken, einen Rattenkönig von Steuern. Wir sind bereit, dem Reich die Mittel für das Durchbalten einer geordneten Finanz« Verwaltung zu geben, aber unzweckmäßige, ungerechte, gemeinschäd- liche Steuern zu machen, sind wir nicht verpflichtet. 1013 erklärte auch Herr Erzberger, unter außerordentlichen Umständen würde eine Wiederholung des Wehrbeitrages erfolgen. Er sagte auch, durch die Bresche, die der Wehrbeitrag in die Finanzhoheit der Einzelstaaten gelegt habe, werde die Reichsvermögensstcuer ihren Einzug halten. Damit vergleiche man die Art, wie Herr Herold sich heute gegen eine Reichsvermögenssteuer gewandt hat. Der Staatssekretär berief sich heute auf dasniemals" der Regierung gegenüber einer Wiederholung des Wehrbeitragcs. Nicht einmal der Weltkrieg sollte Umstände schaffen, die dieses Niemals brechen, obwohl wir doch in diesem Kriege das Wort gehört haben: Not kennt kein Gebot.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Aber die Regierung ist gerade in Steuerangelegenheiten dem Parlament gegenüber überhaupt nicht zu einem Niemals berechtigt. Was nach Herausstreichung des Wehrbeitrages übriggeblieben ist, ist nur noch ein denaturierter Wehrbeitrag.(Heiterkeit.) Herr Wiemer brauchte das Bild von der zum alten Wciblein vcr- schrumpelten Jungfrau. Man kann dieses Weiblein aber durch Annahme unseres Antrags wieder in die blühende Jungfrau zu- rückverwandeln. Unser zweiter Antrag, in das Vermögensgesctz des Kompromisses wenigstens die Progression einzuführen, würde zum mindesten dem alten Weiblein noch eine gute Dosis frischen Blutes zuführen. Ueber unsere Ausschaltung bei dem Kompromiß sind wir nicht betrübt. Wir standen als drohender Schatten hinter der Vereinbarung, und die verschärfte Skala ist lediglich unserem energischen Drängen zu danken. In den Rahmen des Kompro- Misses würde sich auch die Erbschaftssteuer mindestens für entfernte Verwandtschaftsgrade einfügen lassen, eine Ergänzung, die um so nowendiger ist, als sie später nicht mehr nachgeholt werden kann. Den Antrag Bernstein  , der 100 Proz. des Vermögens- Zuwachses wcgstceurn will, m ü s s c n w i r a b l e h n e n. Er ist steuertechnisch nicht durchführbar und würde ungeheure Härten auch für die kleinen und mittleren Geschäftsleute und einen großen Teil der Arbeiter mit sich bringen. Der Staatssekretär sagt, das deutsche Voll mutz eine Geschlossenheit bewahren nach innen und außen. Mit seinen Steuervorlagen hat er der inneren Geschlossen- heit des Volkes nicht gedient. Die Geschlossenheit nach außen wird das deutsche   Volk trotzdem aufrecht erhalten, solange die Notwendig- keit es erfordert, wird es auch seine vaterländische Pflicht erfüllen. nicht wejjen, sondern trotz dieser Steuern.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Blunck(Dp.): Der Abg. Bernstein hat im Ausschuß der Regierung alle Steuern verweigert. Wenn er jetzt einen Antrag auf völlige Weg- steuerung jedes Vermögens- und Einkommenszuwachscs ankündigt, so ist das mit Genugtuung zu begrüßen. Er scheint wieder unter die Revisionisten zu gehen.(Heiterkeit.) Der Krieg verschiebt die Grundlagen unserer Steucrverhäktniffe vollständig. Wenn er noch in diesem Sommer zu Ende geben sollte, was ich nicht glaube, so werden wir im Reich 7100 Millionen Steuern gegen 2700 Millio- nen vor dem Kriege aufzubringen haben, in den Bundesstaaten außerdem nock, 3500 Millionen, Gegenüber solchen Verschiebungen wird man an den alten Grundsätzen nicht festhalten können. Ich bedaure, daß die sozialdemokratische Fraktion und ein Teil der Freunde des Grafen Westarp ihre grundsätzlichen Einwendungen nicht zurückzustellen vermögen. Abg. Bernstein(Toz. Arbg.): Wir wollen durchaus nicht ausnahmslos jeden Zuwaws weg- steuern, sondern hätten schon durch Ergänznngsanträge für den Fall der Annahme unseres Antrages für Ausnahmen gesorgt. Im übrigen bitte ich bei der Kritik unserer Anträge meine Person stets auszuschalten. Wenn die Anträge auch Bernstein   und� Ge­nossen heißen, so mutz ich es ablehnen, für jeden Antrag persönlich verantwortlich gemacht zu werden.(Hört! hört! bei den Sozia!» dcmokraten.) Ich weiß nicht, ob der Abg. Albrecbt mit allen An- trägen einverstanden ist, die unter seinem Namen hier gestellt wer- den. Der Staatssekretär hat es als einen Vorzug bezeichnet, daß bei uns die Ausgaben für den Krieg in Form von Anleihen ge- deckt werden. Ich bin ganz entschieden dagegen, daß in dieser Weise die nächste Zukunft schon mit diesen Ausgaben belastet wird. Anleihen sollten so wenig wie möglich aufgenommen werden. Meine Rede wirkt nicht kriegsverlängernd. Auch unserer Regierung kann man den Vorwurf nicht ersparen, daß sie nur mit den Rc- gierungen, nicht mit den Völkern reckmet. Und über die Stim- mung der arbeitenden Klassen in allen Ländern bin ich besser unter- richtet wie der Staatssekretär. Die Tätigkeit der Völker ist darauf gerichtet, sobald als möglich dem K r i e g s e l e n d ein Ende zu machen. Ich weiß, daß nur eine Tätigkeit in diesem Sinne krieg- verkürzend wirkt.(Sehr wahr! bei der Sozialdemokratischen Ar- beitsgemeinschast.).