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5U52. 33»« ijeilntje des Jormnrtö" berliner WlksdlM.--"w. 4.?.«

Reichstag. V8. Sitzung. Sonnabend, den 3. Juni ISIS, vormittag« 10 Uhr. Rm BundeSratsiisch; Dr. Helfferich. Die zweite Beratung de« Cesetzentwurf« über di« Erhöhung der Tabakabgabeu wird fortgesetzt. Abg. Henke(Soz. Arbg .): Ueber da«, wa« die Industrie unter der neuen Tabakbesteuerung zu leiden haben wird, geht man hier mit einer gewissen Sorglosig- teil fort. Wenn einige« Verständnis sür die Lage der Tabatindustrie und Tabakarbeiter herrschte, so würde man diese Vorlage, die die Aermsten der Arbeiter trifft, sicherlich fallen lassen. Wenn nach dem Kriege da« Heer al« Auftraggeber wegfällt, wird ein starker Rück- gang der Produktion eintreten; das wird zu ArbeitSlosig« keit und zur Vernichtung zahlreicher Existenzen, nicht nur bei den Arbeitern, sondern auch bei den Händlern führen. Selbst Herr Gothein beklagt im.Tageblatt' diese Steuerpolitik, die zugleich so kurzsichtig ist, daß sie nicht einmal der Sozialdemokratie, ganz abgesehen von der Arbeitsgemeinschaft die Mitarbeit ermöglicht. Wir sind sicher, dag die bürgerlichen Parteien sich zusammenfinden werden, um die not- wendigen Kosten zu dewilligen, aber hüten werden sie sich, diese Kosten aus den Taschen der Besitzenden zu bewilligen. sSehr wahrl bei der Soz. Arbg.) Man weist darauf hin. dast die direkten Steuern stärker gewachsen sind al« die indirekten. Aber weit stärker sind die Einkommen und Vermögen der Besitzenden gestiegen.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Welche Gefühl« muff die Vorlage bei den Tabakarbeitern und Händlern hervorrufen, die im Schützengraben räglich bereit sind, ihr Leben hinzugeben! Die ssolge dieser Vorlage »nutz eine Summe von glühendem Hast sein. lZustimmung bei der Soz. Arbg.) Zu Anfang de« Kriege« rief Rohrbach den Besitzenden zu, wenn sie nicht bereit seien. Opfer zu bringen zugunsten der Besitz- losen und Armen, so stehe der günstige Ausgang de» Kriege« sehr dahin. Man hat hier beantragt, die grasten Reeder wegen ihrer starken Einbußen infolge des Kriege« zu entschädigen. An eine Hilse aber für die Tabakarbeiter und Tabakbändler sür rhre Einbuste denkt niemand. Wer eine solche Gesetzgebung mitmacht, der must gar kein Gewissen haben. lPrösident Dr. Kacmpf ruft den Redner wegen dieser Aeusterung zur Ordnung.) Solche Gesetzgebung, die auf ein Aufgeben unserer Grundsätze hinauslaufen würde, können wir nicht mitmachen. Herr Bassermann sprach von einer nationalen Tat, die mit dieser Gesetzgebung vollbracht werde. Wäre da« wirk- lich der Fall, so müstte es mit dem nationalen Gedanken sehr schlecht bestellt sein. Die LepenShaltung ist dauernd teurer geworden, weit mehr als die geringe Steigerung der Löhne der Tabaiarbeiter aus« macht. lJm Saal herrscht zufolge der Unterhaltung der Abgeordneten grost« Unruhe, so dost der Redner schwer zu verstehen ist. Präsident Dr. K a e m p s bittet um Ruhe.) Diese Unruhe ist der beste Beweis für die Interesselosigkeit der bürgerlichen Parteien gegenüber den Tabakarbeitern. sSebr richtig I bei der Soz. Arbg.) Auch die Hausindustrie ist in der Tabokindustrie stark vertreten. S. 7, 8 Stunden arbeiten hier Kinder noch auster der Schulzeit. Während in der übrigen Hausindustrie die K i n d e r a r b e i t ab- nimmt, nimmt sie in der Tabakindustrie zu. sHört l hört! bei der Soz. Arbg.) Ebenso steht e« mit der Frauenarbeit, die auch eine starke Säuglingssterblichkeit mit sich bringt. Gerade jetzt wäre ein« besondere Fürsorge für die Säuglinge nötig, im allgemeinen Voiksinteresse, meinetwegen auch im nanonalen Interesse. Statt dessen macht man Gesetze, durch die die Säuglingssterblichkeit ver- mehrt werden must. Auch die Sterblichkeit an Lungenschwindsucht ist umer den Tabakarbeitern am größten. Man hat sich für die Vorlage auf Eingaben der Jntereffenten be- rufen. Man hatte ihnen aber verboten, irgend etwas Aufreizende« in den Eingaben zu sagen, vor allen Dingen nicht«, was zum Klassen- hast aufreizt. Aber auch wenn wir gar nicht« sagen, must diese Vorlage zum Klassen hast aufreizen.<Leb. Sehr richtig I b. d. Soz. Arbg.) Die Taten der bürgerlichen Abgeordneten sind eben anders als ihre Versprechungen an die Wähler. Man will mit dieser Vorlage auch den deutschen Tabakbauer schützen. Es würde sichcnich nichls schaden, wenn die Tabakbauern ihr Land lieber mit Feldfrüchten bestellten. Den deutschen Tabak zu rauchen, dazu gehört eine graste nationale Aufopferungsfähigkeit. lGroste Heiterkeit.) Die Wohlhabenden rauchen ihn auch nicht, wenigstens nicht mit Bewusttsein. sHeiterkeit.) In unserem Rechts- slaate sind die Proletarier und Elenden minder bedacht mit Reckten, und auch dafür ist gesorgt, dast die Hauptinteressenten an der Au«- powerung der Voltsmassen gerade dort fitzen, wo man die Gesetze macht. Wir brauchen ja blast an die Getreidezölle zu denken.(Sehr richtig l bei der Soz. Arbg.) Wa« wir bei der Zensur und dem Be- lagerungSzustand erleben, ist die Militärdikiatur. Wa« wir in der Tabakindustrie seststellen. ist eine Verstärkung der militärischen Reaknon und eine ungeheure Vermehrung der Steuer« belastung zuungunsten der Minderbemittelten. Da» ist eine Auf- reizung zum Klassenhast, ein sehr gesährlicke« Spiel, und geradezu ein Nagel zum Sarg der bürgerlichen Gesellschaft.(Lebhafter Beifall bei der Sozialdemokraklischen Arbeitsgemeinschaft.) Staatssekretär Dr. Helfferich: Der Abg. Henke hat sich auch mit der Person der Bundesrats- bevollmächtigten in der Kommission beschäftigt. Die Auswahl dieser Bevollmächtigten geht ihm gar nicht» an. so wenig wie dem Bunde»- rat die Tatsache, dast die Wähler gerade Herrn Henke in den Reich»« tag gesandt haben.(Heiterkeit.) Die Regierungen und die Parteien dieses Hauses sind einig, dast bei der Ordnung der Reichsfinanzen an dem Tabak unter keinen Umständen wird vorbeigegangen werden können. Wer das nicht einsieht, betrachte die Belastung des Tabaks bei uns und in dem nn» als steuerliche« Vorbild hingestellten Eng« land. Bei uns beträgt die Belastung pro Kopf 2,W M., in England betrug sie vor der letzten Erhöhung 7,83 M. und jetzt sogar 10,45 M. (Hört I hört I) Dabei beträgt der Konsum bei unS 1,71 Kilo pro Kopf, in England 0,90 Kilo, kaum die Hälfte. SS kann sich also lediglich um da» Mast und den Zeitpunkt der Tabalbesteuerung handeln. Der gegenwärtige Zeilpunkt ist sicherlich geeigneter al» die Zeit nach dem Kriege, denn gegenwärtig ist die Zahl der Tabakarbeiter sehr erheblich, um 28 000, gestiegen, und ein Rückschlag durch Spekulation wie bei den früheren Steuererhöhungen ist die»- mal ausgeschlossen. ES wird diesmal keine Arbeitslosigkeit durch die Steuererhöbung eintreten; deshalb hall« ich auch die dagegen vor- gesehenen Mastnahmen feiten» der Kommission für überflüssig. Er- neut hat Herr Henke behauptet, die Vorlage sei auf Auspowerung der Massen gerichtet und werde glühenden Haß züchten. Etwa« Maß, meine Herren! Die Vorlage bringt sür ein« Zigarre eine Be- lastung von 0,86 Pf.(Hört! hört I) Angesicht» besten kann ich eine solche Sprach« nickt al« vaterländisch erachten. Unsere Feldgrauen, die täglich ihr Leben einsetzen, werden bei ihrer Rückkehr sicherlich ein andere» Augenmaß sür diese Dinge mitbringen, al» die Sozial- d«nokraten zu besitzen scheinen.(Bravo !) Abg. Dr. Haa»(Vp.): Wir haben un» die Steuern viel sorgsamer und ernsthafter überlegt al» die Herren von der Sozialdemokratischen Arbeit«- gemeinschaft. Diese Herren sind ja schnell fertig, indem sie einfach alle« ablehnen, auch da» denkbar vorzüglichste Steuerwerk. Wir dagegen gingen davon au», daß in der jetzigen Zeit nicht eine Situation herbeigeführt werden darf, bei der da« Reich nicht die nötigen Mittel zur Kriegssührung erhält. Hätte der Reichstag hier versagt, so wäre da» eine Bankrotterklärung de« ParlamentartSmu»

selbst gewesen.(Sehr richtig! bei der Volkspartei.) Wir haben die Steuern nicht gegen die Sozialdemokraten machen wollen, sondern hätten uns gefreut, wenn sie mitgewirkt hätten, aber st« wollten nicht. Wenn die Sozialdemokratie hier die Mehrheit hätte und die Verantwortung tragen müßte, so bin ich Lberzengt. dast sie die Steuern mitgemacht hätte.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Auch Sie(zu den Sozialdemokraten) hätten indirekte Steuern machen müssen, denn mit direkten Steuern allein kann da» Reich nicht au»- kommen.(Beifall bei der Volkspartei.) Abg. Antritt(Soz.): Der Staatssekretär scheint unsere Gründe für die Ablehnung der Vorlage noch immer nicht begreifen zu können. Man sagt, das Tabakgewerbe kann während de» Kriege» eine neue Auflage ertrogen. Die Besitzenden wollen eben die Opfer des Kriege» nicht selbst tragen, sondern sie aus den Taschen der Armen bezahlen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die Reichen sollen geschont werden, da« ist die Grundtendenz der Vorlage. All« Dar- legungen, daß die Reichen schon genug belastet sind, helfen darüber nicht hinweg und beweisen nur, dast auch dieser Staatssekretär sich lediglich al« Beauftragter der besitzenden Klassen fühlt. An dem Schutze unserer Grenzen haben vor allem doch di««in Interesse, die die Millionen- und Milliardengewinne einstecken. Anstatt diese nun auch zu den Kosten heranzuziehen, bekommen wir neue Verbrauchs- und Verkehrssteuern sür das außerordentlich schwer geplagte darbende Volk. Der Hinweis de» Staatssekretärs auf Eng- land ist ganz verfehlt. In England wird kaum die Hälft« de» Tabaks pro Kopf konsumiert wie bei un«. In Deutschland sind in der Tabak- industrie 225 000 Arbeiter beschäftigt, da« sind nur 20 000 weniger al» in Frankreich , Oesterreich. Italien und den vereinigten Staaten zusammengenonimen.(Lebhafte» Hört! hört!) Nach der auster- ordentlichen Belastung durch dies« Vorlage wird man für 10 Psennige eine anständige Zigarre gar nicht mehr be- kommen können. Schon während de« Kriege« ist die d-Pf.-Zigarre auf 7 gestiegen und entsprechend die teueren Sorten.(Hört! hört!) Der Rückgang de« verbrauch« ist daher schon heute zu merken. Nur die großen, kapitalkräftigen Betriebe haben von den Steuererhöhungen Vorteil gehabt, die Mittel« und kleinen Betriebe sind immer zurückgegangen. So haben gerade di« Parteien zur Zerstörung de« Mitlelstande» beigetragen, die den Mittelstandsschutz bei den Wahlen in geradezu marktschreierischer Weise auf ihre Fahnen schreiben.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Die Löhne der Tabakarbeiter, die der Staatssekretär anführte, zeigen deutlich, daß eine auch nur einigermasten menschenwürdig« Lebenshaltung damit völlig unmöglich ist. Auch nach Inkrafttreten dieser Steucrvorlage werden wieder Zehntausende arbeit«- lo« werden, wenn nicht jetzt, so doch unmittelbar nach dem Kriege. Die Behauptung zu wiederholen, daß die Organisation der Tabak- interessenten sich mit dieser Steuervorlog« einverstanden erklärt hat, dazu gehört eine eiserne Stirn.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) Es handelt sich da nur um«ine winzige Zahl von Tabakintercssenten, um ein« Handvoll Großfabrikanten. Die ganze Borlage ist ja nur«in Abklatsch de» Vorschlages des Deutschen Tabakverein» unter Führung de» Senator« Bürmann, in dem die großen und allergrößten Fabrikanten sitzen, sie ist also da» ureigenste Produkt interessierter Großindustrieller und Großkapitalisten. Aber selbst da hat sich eine heftige Opposition erhoben, di« nur durch die Drohung zum Schweigen gebracht wurde, die Regierung würde sonst noch ein« schlimmer« Stcuervorlage bringen. E» handele sich da also geradezu um einen Erpressungsversuch.(Vize- Präsident Dave: Sie dürfen der Regierung auch nicht in bedingter Weise eine strafbare Handlung vorwerfen.) Wa» haben diese Großindustriellen nicht allein an den Heere»- liesernngen verdient. WaS für Preise sind da gezahlt worden, und wa« für elende Qualitäten wurden geliefert, namentlich bei den Liebesgaben, viel- fach sind mir solche au« den Schützengräben zugesandt, aber mein versuch, sie zu rauchen, ist mir recht übel bekommen.(Heiterkeit.) Die Grotzfabrikanten schaffen sich mit dieser Steuervorlaae die kleinen Konkurrenten vom Hals« und können dann di« Preise beliebig erhöhen. Schon jetzt können vi« kleinen und mittleren Geschäfte nur noch durch den Verdienst an den Zigaretten bestehen und jetzt soll ihnen auch noch diese Möglichkeit durch die Steuerzuschläae für Zigaretten genommen werden. Da« nennt man dann MittelstandSpolitik. (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Schon immer hat die Re- gierung die Interessen der Zigarren- und Zigaretteninteressenten gegeneinander ausgespielt und dadurch ihre Steuervorlagen durch« gedrückt. Luch jetzt will man die Zigarette wieder besteuern, um den Uebergang von der Zigarre zur Zigarette zu erschweren. Auch hier werden die Arbeiter wiederum betroffen, und zwar sowohl al« Produzenten wie al« Konsumenten. Denn die billigen Zigaretten von 1 bis l'/g Pf. werden nicht von den reichen Kommerzienräten geraucht, sondern von den Aermsten der Armen. Wir haben nach dem Krieg mit dem Nahen de« Zigarettenmonopol» zu rechnen, und je weniger kleine Zigarettensabrikanten dann vorhanden sind, umso leichter wird e« durchführbar sein. Deshalb liegt die Zerstörung der kleinen Zigarettenfabriken im Interesse der Regierung. Freilich werden dadurch auch Tausende von Arbeiterfamilien brotlo». (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Angesicht» dieser ver- heerenden Wirkungen der Tabaksteuervorlage wagt e« der Staat«- sekretär noch zu sagen, dast da« Volk diese Belastung ohne Murren ertragen wird. Er ivird bald eines Besseren belehrt werden, der Unmut de« Volkes ist heute schon sehr groß. Wen» die kleinen Ge- werbetreibenden erst au« dem Schützengraben zurückkehren, dann werden Sie Ihr blaue« Wunder erleben. Wenn Sie da« Drohen de« Unmutes noch nicht hören, so danken Sie da» nur der schrankenlosen Zensur. Immer weiterer Kreise be- mächtigt sich der Gedanke, daß alle schweren Kriegsopfer von den kleinen Leuten gebracht werden für ein Vaterland, das, wie auch die Vorlage zeigt, nur ein Vaterland der Reichen ist. Schon jetzt ist dieser Gedanke weit verbreitet unter den Arbeitern dabeim und im Schützengraben. Da« deutsche Volk verlangt in dieser schweren Zeit, nicht mit Verbrauch»- und Verkehrssteuern neu belastet zu werden; da« Volk will, dast die Lasten de» Kriege« auch von den Nutznießern de« Kriege«, den reichen Leuten, getragen wird. Da» Volk lehnt diese Vorlage ab, weil e« sich nicht auch sein letzte« Genußmittel will verteuern lasten. Da» arbeitende Volk verlangt vom Reichstag gebieterisch di« Ablehnung dieser in- direkten Steuervorloge und statt dessen ausreichende Er- nährung, Freiheit und Frieden.(Bravo l bei den Sozialdemokraten.) Wbg. Henke(Soz. Arbg.): In der Kommission hat die Regierung versprochen, den im Felde stehenden Geschäftsleuten solle möglichst Unlaub für die Orb- nung ihrer geschäftlichen Angelegenheiten gewährt werden. Ich bitte den Staatssekretär, sich hierfür nachdrücklich bei den militari- then Stellen zu verwenden. Der Staatssekretär scheint Wert arauf zu legen, gegen die Sozialdemokraten einen Ton anzu- schlagen, der ihm den Beifall der Rechten sichert. Sein Urteil über unsere ihm natürlich nicht angenehme Kritik läßt un» völlig kalt. Herr Birmann hat zwei Seelen, eine al» Großfabrikant und eine als Senator. Ich habe lediglich auf di« erste Bezug genommen. Wenn meine Kritik auf den Staatssekretär reinen Eindruck macht, o zweifle ich nicht, baß seine Kritik auf eine gewisse andere Seite ehr großen Eindruck machen wird, und das scheint dem Staats- ekretär die Hauptsache zu sei». Person» grata bei der Sozialdemo­kratischen Arbeitsgemeinschaft zu werden, darauf legt er keinen Wert, viel mehr aber auf den Beifall im Hauptquartier. Die Er- höhung der Löhne der Tabakarbciter haben wir nie bestritten, son- dern haben nur betont, daß diese Erhöhung nicht im entsprechenden

Verhältnis zur Verteuerung der Lebenshaltung steht.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Abg. Haa« meinte, wir hätten für die Steuern gestimmt, wenn wir die Mehrheit und damit die Verantwortung hätten ja wenn! Wenn wir die Mehrheit hätten, wäre manches ander» geworden. Bor allem haben wir von Anfang an erklärt. daß wir die Verantwortung für all da» Unangenehme, was di« bürgerlichen Parteien selbst auSzubaden haben, ablehnen.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Staatssekretär Helfferich:- Die Forderung, dast die Gewerbetreibenden der Tabakindustric nach Möglichkeit an« dem Felde zur Regelung ihrer Verhältnisse beurlaubt werden möge», hätte hier nicht von neuem erhoben zu werden brauchen, denn diese Zusage ist bereit« in der Koinmissio» vom Kriegsminister gegeben worden. Der Vorredner glaubte mir vorwerfen zu sollen, daß ich mich mit besonderer Verve gerade gegen die Herren Sozialdemokraten richte, um irgendwo persona grata zu sein. Ich glaube, daß ich hier im Hause hinreichend be- kannt bin und man wohl auf allen Seiten weiß, daß ich meinen Standpunkt, den mir mein Gewissen vorschreibt, nach jeder Seite hin mit dem Nachdruck, den ich für richtig halte, zu vertreten weiß- (Bravo I) Im übrigen werden unsere Feldgrauen für da» fort- gesetzte Reden davon, daß die KriegSinteressenten«in« Verlänge rung de« Kriege« herbeifuhren, ebensowenig Verständnis haben wie dafür, daß die Freunde de» Herrn Henke sitzen bleiben, wenn hier die Rede ist von großen Erfolgen unserer Flotte und von den Tölen, die dabei zu beklagen sinid.(Lebhaftes Bravo! rechts.) Abg. Meycr-Herford(natl.): Diesmal wird di« Folge der geringen Besteuerung de« Tabaks sicher keine groß« Arbeitslosigkeit sein. Würde man den Tabak aller­dings noch einmal bluten lasse», so würden unabsehbare Folgen eintreten. Wir sehen diese Steuer als endgültig an und erwarten, daß man den Tabak nicht zur Verblutung bringen wird. Die Tabak st euervorlage wird hierauf ange- nommen. E« folgt die zweite Beratung der außcrordent- lichen Reichtabgabe auf Post« und Telegraphengebiihren. Abg. Bock(Soz.): Das Interesse draußen an diesen Steuervorlagen ist sehr groß- Auch bei dieser Vorlage wünschen viele Petitionen Ablehnung der gefaßten Beschlüsse. Die Post als Verkehrseinrichtung sollte nicht zur Einnahmequelle für da« Reich insbesondere in der Kriegezen benutzt werden. Daher lehnen wir diese außerordentliche Reichs- abgäbe ab. Da« Reichspostamt hat erst kürzlich selbst hervorgehabe». daß der Postscheckverkehr sich gerade infolge ocr Verbilliguug und Vereinfachung so günstig entwickelt habe. Das trifft für die Ein­richtungen der Post- und Telearaphenverwaltung überhaupt zu. Gerade die Stabilität in den Preisen und Gebühren hat zu der günstigen Entwicklung de« Posttvesen« beigetragen. Staats- sekretär Helfferich meinte, wir hängen a» einem Programm, wenn wir die indirekte» Steuern ablehne». Dies unser Programm aber ist auf Grund reiflicher Prüfung festgestellt. Auf der anderen Seite aber ist es ein unhaltbares Dogma, daß das Reich keine direkten Steuern erheben dürfe. Die Verhältnisse sind stärker und werde» über dies Dogma siegen. Die angeregte Ausnahme für gemein- nützige Vereine. Gewerkschaften usw. von dieser Kriegsabgabe I>ai man abgelehnt. Die andere Ausnahm« aber, die B c f r e i u n g der Fürsten , ihrer Witwen und Gemahlinnen von der Kriegs- abgäbe ist bestehen geblieben.(Hört! hörtl bei de» Sozialdcmo- kraten.) Wir haben den Antrag auf Beseitigung dieser Ausnahme zugunsten der regierenden Fürsten jetzt wieder eingebracht. Der Resolution der Kommission auf baldmöglichste Einführung einheit- licher Postwertzeichen für das ganze Reich stimmen wir zu. Es würde das die Beseitigung der besonderen bayerischen Briefmarken bedeuten. Wir können der Vorlage unmöglich zustimmen, wenn wir das Vertrauen bei unseren Wählern nicht verlieren wollen. Gerade jetzt im Kriege mußte man eine weitere Belastung des Ver- kehrS vermeiden. Hatte der Reichstag sich energisch gegen all diese indirekten Steuern gewandt, so wäre das Reichsschatzamt gezwungen gewesen, den Reichswagen auf die neue Bahn der direkten Besteuc- rung zu drängen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Carsten»(Vp.): In erster Linie freilich muß die Post VerkchrSanstalt bleiben. Andererseits aber müsse» diese Vcrkchrsanstalten auch rentieren. Die Telcphongebühren sind heute so niedrig, daß die Ausgaben dadurch nickt gedeckt werden. Im übrigen haben auch wir dieser Vor- läge gegenüber schlvere Bedenken. Am meisten stört mich das Briefporto von IS Pf. Die Folge wird eine starke Abwanderung zur Postkart« sein. Erfreulich ist der Beschluß, daß zwei Jahre nach dem Kriege eine Reform dieser Vorlage erfolgen muß, wenn der Reichstag es verlangt. Grober Mißbrauch wird häufig mit der Portofreiheit der sogenanuten StaatStelegramme au« dem Felde und mit der Portofreiheit der Fürsten getrieben. so ist da» Telegramm eine« Rittmeister» an seinen Freund, er möge eine Dame, die zufällig durch Hannover komme, einer andern vorstellen, al« portofreie» StaatStelegram in vor allen anderen vorliegenden Telegrammen befördert worden.(Hört! hört!) Im November v. I. Ivurde eine Depesche an den Herzog von Braunschweig portofrei befördert, nwrin ihm die Beamten und Diener des herzoglichen.Hoftheater» ihre untertänigsten Glück- wünsche uuterbreltete». Da« betreffende Postamt in Braunschweig wie» die Oberpostdicektion bei einer Eingabe auf dies« mißbrauch- liche Benutzung der Gebührenfreiheit hin, erhielt aber den Bescheid, daß in einem ähnlichen Falle da» Reichspostamt zugestimmt habe, daß derartige Telegramme al« uiimittelbure Dienstpflicht und nicht als persönliche Angelegenheit der Absender anzusehen und ge­bührenfrei seien. Dem Kompromiß stiininen wir zu entsprechend unserem vaterländischen Pflichtgefühl in dieser schweren Zeit. Abg. Bogtherr(Soz. Arbg.)(zur M'fcliSftsordnung): Ich habe den Einoruck, baß am BundesratStisch mehr Vertreter sitzen als im Hause. Das erscheint mir mit der Würde deS Hause» nicht vereinbar, und ich beantrage daher, die Sitzung zu vertagen. (Unruhe.) Abg. Dr. Müller-Meiningen (Vp): Der Antrag de» Vorredner» ist vollständig ungerechtfertigt. Gerade seine Partei ist am allerschlechtesten hier vertreten, nämlich durch ihn ganz allein.(Hörtl hörtl) Ein Anlaß zu einem der» artigen Vorgehen ist also durchaus nicht gegeben. Präsident Dr. Paasch« stellt di« UnterstlltzungSfrage für den Antrag auf Vertagung. E» erheben sich für ihn nur 7 inzwischen mit anderen Abgeordneten in den Saal gekommene Mitglieder der Sozialdemokratischen Ar- beitsgemeinschaft. Abg. Bogtherr(Soz. Arbg.): Die Folge der Vorlage wird sicher ein« Einschränkung de» Ver- kehrs sein. Es ist doch ganz zweisello», daß die Belastung, die hier beschlossen wird,«ine dauernde wird. Wir haben vollständige Be- seitigung d«r Portofreiheit der Fürsten beantragt. ES ist eine Halb­heit. sie nur von der besonderen Kriegsabgabe zu befreien.(Kehr­richtig! bei der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft.) DaS Kapitel de» Mißbranchs dieser Portofreiheit ist sehr umfangreich. Der Wildhandel der fürstlichen Jagden rechnet ß. B. damit, daß ihm das erlegte Wild bis nach dem Domizil de» Händlers frei befördert wird.(Hört! hört! bei der Sozialdemokratischen Arbeiisgemein- schaff.) Das ist ein ziemlich ungenierter Mißbrauch einer ver- kchrsanstalt.(Vizepräsident Paasch«: Sie dürfe» nicht von einem