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Nr. 96.

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11. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm Adresse: " Sozialdemokrat Berlin"

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Donnerstag, den 26. April 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Bur Vertheidigung der er Behörde auch die Anrufung eines Richterspruches hafter Menschen durch einen Federſtrich die Möglichkeit Gewillensfreiheit.

III.

Seit mehreren Jahren hat im Auftrage der Frei­religiösen Gemeinde zu Berlin   der Dr. Bruno Wille  , wie vor ihm andere Sprecher der Gemeinde, einen freireligiösen Jugendunterricht ertheilt. Nach seiner ganzen Anlage und Organisation hatte derselbe für Dissidentenkinder den näm­lichen Zweck, den für Kinder christlicher und jüdischer Eltern der Konfirmandenunterricht der betreffenden Geist lichen erfüllte. Wie jener chriftliche oder jüdische Jugend­unterricht der Geistlichen mit der Konfirmation beim Ueber tritt der Kinder aus der Schule ins Erwerbsleben, schloß auch der freireligiöse Vorbereitungsunterricht mit der Jugendweihe ab.

fangen war, daß gegen jede rechtsirrthümliche Verfügung| das Provinzial- Schulkollegium Tausenden ernster und ehren­möglich fei. nimmt, ihren Kindern religiöse Unterweisungen nach ihrem Er unterrichtete also weiter und ließ durch seinen Rechts- Sinne und von dem Manne ihrer Wahl ertheilen zu lassen, anwalt zunächst Beschwerde beim Kultusminister gegen die wenn diesem Manne durch den nämlichen Federstrich ein Verfügung des Provinzial- Schulkollegiums erheben. großer Theil seines Erwerbes genommen, ja sogar die

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Der Kultusminister wies durch Schreiben vom 13. Jan. Berechtigung zu anderweiter gleicher Erwerbsthätigkeit 1894 die Beschwerde als unbegründet zurück; er selber habe überhaupt aberkannt wird, so gestattet der preußische die Verfügung veranlaßt, zu der das Provinzial- Schulfollegium Staat jenen Tausenden und diesem Einen nicht die um das frivole durch den§ 11 der Regierungsinstruktion vom 23. Oktober Anrufung richterlicher Entscheidung 1817 berechtigt sei. Jn der Sache selbst", sagt er, handelt Prozessiren zu vermeiden. es sich um die Ertheilung eines Unterrichts, welcher den Und dabei wird noch immer von einzelnen naiven schulplanmäßigen Religionsunterricht ersehen soll. Leuten die Behauptung kolportirt, daß wir in einem Rechts­Zur Ertheilung dieses Unterrichts bedarf es einer Ron- staate leben! zession, welche der p. Wille nicht befigt."

Ja, wie können Herr v. Bosse und das Provinzial­Schulkollegium sich diese ungeheuerliche Verfügung ge­trauen?

Gerade diejenigen Leute, die sich als Hüter der Staats­Das ist doch noch eine Rechtsauslegung, die Anspruch ehre hinzustellen lieben, hätten hier einmal Gelegenheit, den auf Originalität machen darf. Der Minister hatte selbst Beweis zu liefern, ob es ihnen ernst damit ist. Man darf Als durch die Ministerialverfügung vom 16. Januar früher dahin entschieden, daß der Wille'sche Unterricht nicht deshalb einigermaßen gespannt darauf sein, welche Maß­1892 die Dispenfirung der Dissidentenkinder vom Religions als ein Ersatz für den schulplanmäßigen Religionsunter regeln, auf die Petition der Freireligiösen Gemeinde zu unterricht der Schule davon abhängig gemacht wurde, daß richt anerkannt werden könne, wie in der Einleitung Berlin   hin, das preußische Abgeordnetenhaus ergreifen fie außerhalb der Schule einen anderen, dem Ermessen der Be- dieses Artikels ausführlicher flargelegt wurde. Dem wird, um gegen die ungeheuerliche Verfügung des Provinzial­hörden nach hinlänglichen Religionsunterricht genössen, suchten Wille'schen Unterricht konnten die Behörden aber Schulkollegiums in Sachen Wille Abhilfe zu schaffen und verschiedene Dissidenten durch Eingaben bei den Behörden nur unter der Voraussetzung etwas auhaben, den unwürdigen Rechtszustand zu beseitigen, der einem durch die Anerkennung jeuen freireligiösen Jugendunterrichts als daß er ein gewöhnlicher, der obrigkeitlichen Konzession be solche Mißgriffe der Behörden Geschädigten das Beschreiten Ersatz für den Religionsunterricht der Schule zu erwirken. dürfender Jugendunterricht war. Da sagt nun der Minister: des Rechsweges verschließt. Sie wurden aber durchweg abschläglich beschieden. Die Der Wille'sche Unterricht ersetzt zwar den Schulunterricht Indeß der Kultusminister v. Bosse und das Provinzial­Dissidentenkinder in den Volksschulen wurden sammt und nicht, aber es giebt doch irgend welche Leute, die den Schulkollegium haben noch andere Leistungen in dieser Sache sonders zum Besuch des religiösen Schulunterrichts ge- Wunsch hegen, daß er ihn ersehen möchte( später berief fertig gebracht. zwungen. Es ist zur Würdigung der noch folgenden Er er sich dafür auf die Eltern einiger Dissidententinder, die Nachdem Wille eingesehen hatte, daß eine in weitesten eignisse wichtig, sich den hierdurch geschaffenen Rechts- dahingehende Eingaben gemacht hätten); folglich bin ich Kreisen gänzlich unbekannte Verordnung aus der Blüthezeit zustand flar zu machen: Die Behörden einschließlich des berechtigt, ihn als einen tonzessionspflichtigen zu behandeln. des Absolutismus ihm den Rechtsweg abschneidet, stellte er Kultusministers bestritten dem Jugendunterricht des Dr. Wille Wille hat keine Ronzession für den Unterricht jugendlicher seinen Konfirmandenunterricht in der Freireligiösen Gemeinde ausdrücklich die Qualifikation, als Ersatz für den Religions- Personen; verbieten wir ihm also schlankweg diesen Unterricht! ein. Er hat aber mittlerweile durch acht nach der Straße. unterricht der Schule dienen zu können. Somit hätte er Wir sind überzeugt, daß kein Gerichtshof der Welt androhung ertheilte Unterrichtsstunden eine Strafe von 800 füglich den Behörden nur noch als Vorbereitung für die diese Bosse'sche Logit für zutreffend halten und seine Ver- Mark oder 80 Tagen Haft verwirkt, die das Provinzials Ronfirmation oder Jugendweihe, also als eine Religions- fügung für rechtskräftig erklären würde. Schulkollegium auf dem Exekutionswege beizutreiben ver­übung gelten dürfen. Religionsübungen haben aber nach suchte. Da er nicht zahlen konnte, steht seine demnächstige der Verfassung von den Behörden unbehelligt zu bleiben. Juhaftirung bevor. Unbehelligt war diese Religionsübung denn auch seit Wille versuchte nun zunächst durch Eingabe an die Jahren geblieben. Da ging plöglich dem Dr. Bruno Wille   Die von dem Kultusminister angezogene Ministerial  - städtische Schuldeputation fich die Unterrichtserlaubniß in eine vom 24. November 1893 datirte Verfügung des Pro- Verfügung vom 23. Oftober 1817 nimmt auf eine frühere philosophischer Propädeutik( Vorbereitungsunterricht) zu ers vinzial- Schulfollegiums zu, in der ihm jede derartige Thätig- Verordnung vom 26. September 1808 Bezug, in der ver- wirken. Die Eingabe wird auf Anweisung des Provinzial- Sul­feit bei 100 M. Geldstrafe oder 10 Tagen Haft im Einzel- fügt wird, daß gegen die im Verwaltungswege erlassenen follegiums ohne Angabe von Gründen abschläglich beschieden. falle untersagt wird, da er eine konzessionspflichtige Strafverfügungen der Unterrichtsbehörden die Anrufung Auf seine Beschwerde dagegen, da er als akademisch gebildeter unterrichtliche Thätigkeit" ausübe, obgleich er nicht im ber richterlichen Entscheidung ausgeschlossen Lehrer, der das philosophische Doktorexamen bestanden Besige der erforderlichen Konzession" sei. sein soll ,, um das frivole Prozessiren zu ver- hat, die volle Qualifikation dazu befize, erwidert der Minister meiden". am 24. März: Nach der Staatsministerial- Instruktion vom 31. Dezember 1889 genügt die wissenschaftliche Befähigung allein nicht, um die Erlaubniß zur Ertheilung von Privat= unterricht zu erlangen. Vielmehr sollen Personen, bei denen in religiöser oder politischer Beziehung Bedenten vorliegen, von dem Lehrstande fern gehalten werden. Da Sie, wie die bisher gepflogenen Verhandlungen und der von Ihnen am winterlichen Himmelszelt, das gemüthliche Fest; eines deutsche Meer nach den Gebirgen des Appenzells, die von denen, die die heitere Kette schlingen um Haus- und in ihren Schneegewändern wie riesige am Himmel Kirchenaltar, das bürgerliche Leben mit dem Glauben an gelagerte Geister und Weltwächter herabfahen auf die stolze ein Göttliches, an ein Fenseitiges verbinden. Eine freund- Bischofsstadt. Alle Glocken des Thurgaus, des Gallenstifts liche Wehmuth, die man gern und gaftlich in den Busen und der schwäbischen Ufer sangen ihr feierliches Lied über aufnimmt, weil ihre Bein lebensstärkenden Balsam bereitet, des See's Spiegelfläche, auf welcher das wandelnde Mond­bemeisterte sich der Brust Dagoberts  , und was alle Er bild dahin glitt, wie eine Silberscheibe auf ebener Eisbahn. mahnungen seines geistlichen Schirmvogts nicht vermocht Gelobt seist du, Nacht des Heils;" sprach Dagobert mit hätten, brachte sie zuwege. Der junge Mann schloß sich in demjenigen erhebenden Gefühl, das das einfachste Menschen­Dagobert schwieg, lächelte aber im Stillen über den sein Gemach, fern vom Geräusche der Welt und saugte an wort zum Gebete stempelt: Vor länger denn tausend leidenschaftlichen Spott, der, im Uebrigen dem biedern den Blumen der Erinnerung. Sein redlich Herz drängte Jahren brachtest Du uns den Glauben, schöner und sanfter Gemüthe des Habsburgers gänzlich fremd- beständig vor ihn, diese goldene Zeit seiner Knabenfreuden zu feiern, wie als der Mondstrahl, der Dich heute erhellt. Aber noch jetzt, leuchtete, sprach er von Sigismund. Der Herzog fuhr in- es einem wadern   Jüngling zustehe. Wie beklagte er es, so oft Du wiederkehrst, senkt sich Friede und Freude in dessen schmunzelnd fort:" Der gnädigste Herr wird, wie es daß ihm die Mittel nicht befchieden waren, das Glück eines bie elendefte Hütte, wie in die stolzeste Fürstenburg der verlautet hat, heute oder morgen zu Costniz einreiten. Ein Menschen zu gründen. Wie bedauerte er, daß er feinen Christenheit. Du milde Nacht, den Unschuldigen hold und fluger Gedanke! Die Weihnachtsfeier wird uns demnach Todfeind wußte, den er hätte versöhnt in die Arme schließen ein ersehnter Gast, schenke auch mir den Frieden, Deinen den Heiland der Christenheit bringen. Die friedenstiftende können! Da fiel ihm plötzlich seine Schwester Wall- Begleiter. Schenke ihr dereinst Dein gnadenvolles Licht, Majestät wird ihren Einzug halten, da man in den Kirchen rade ein, gegen die der beinahe vergessene Groll wieder neu ihr, die noch im Dunkel wandelt, damit ich jenseits sie wieder fingt: In dulci jubilo! Es thut mir leid", setzte er in seinem Herzen aufgefladert war. Ja, rief er nach sehen mag, mit der hienieden mir keine Vereinigung erlaubt rasch abbrechend hinzu, daß ich zum Empfang des Herrn kurzem Bedenken: Ich will ihr die Hand zur Eintracht ist. Lente das Herz Derer, die mich hassen, zur Liebe und Satteldecke und Steigbügel puzen muß, sonst fände ich bieten, und das feindliche Verhältniß in ein freundliches Versöhnung, und mache alle glücklich, die mir fromm auf wohl noch Gelegenheit, mich länger mit Euch zu unter umgestalten, und also den Christtag würdig begehen. Dazu dem Lebenspfade die Hand bieten!" Eine Thräne zittterte halten, guter Dagobert!" Der Lettere verstand diese helfe mir Gott und Esthers Gedächtniß; das Andenken des im Auge des Betenden; er schämte sich ihrer nicht. Sein schon manchmal vorgekommene Beurlaubung, die immer lieben, aber unglücklichen Mägdleins, dem die Segnungen Herz war beklommen, aber nur von ruhiger süßer Wonne. auf die steigende Galle des Herzogs deutete, und entfernte unsers Glaubens und seine erhebenden Feste unbekannt keiner Schuld sich bewußt, kehrte er in die Stadt zurück, sich allsobald. Da er jedoch heraustrat auf die winter- sind!. In seinem Stüblein brachte er die Stunden zu, wo die Menge durcheinander wogte, wie am hellen Mittag. lich beschneite Gasse, über die der dunkelblaue Himmel so- bis der Weihnachtsabend sich still und kalt herniedergesenkt Alle Fenster waren hell erleuchtet; in dem erbärmlichsten eben seine ersten Sterne heraushing; da er über den Markt hatte über Stadt und See. Nun litt es ihn nicht mehr Häuslein brannte ein fümmerliches Licht. Ueberall, wo schritt, wo in Hütten von Holz und Segeltuch allerlei im engen Hause. Das Geräusch des kaiserlichen Einzugs, Kindersegen daheim war, ragten dunkle Tannenbäume Spielwerk und Leckerzeug feilgestellt wurde zur Freude der der am Tage stattgefunden hatte, war nicht vermögend ge- empor, mit den Früchten des Herbstes geschmückt und mit Kinder, die am heiligen Abend damit beschenkt werden wesen, ihn seiner Einsamkeit zu entreißen. Der talten schwankenden Kerzen, die sich auf den Zweigen wiegten, wie sollten, einer heiteren Sitte gemäß;- da wich in ihm die Nacht gelang es, und verhüllt, wie ein Geist, schritt er nach die Vöglein des Waldes. Festlich geziert alle Stuben, Erinnerung an des Herzogs Worte dem mächtigeren Ge- dem Mauerdamm, an dessen Grundfeste die Wellen des Wohnklöße und Leckereien auf jedem Tische, Entzücken in dächtniß der fernen Heimath und der entschwundenen Jugend Bodensees   Brausend anschlugen, des Frostes spottend, der jedem Kinderauge, wonnevoller Dank zum Höchsten in jedem jahre. Denn sie war wirklich unvermerkt herangekommen, bisher fruchtlos versucht hatte, ihnen Eisfeffeln anzulegen. Vater, in jedem Mutterblicke. Hier tummelten sich muntere die fröhliche Weihnachtszeit, der lichte Stern am trüben Des Jünglings heiterer Blick schweifte über das dunkle Knaben um den hölzernen Gaul mit Federn geschmückt und

Durch diese erstaunliche Zusendung glaubte der Dr. Wille im Einverständniß mit dem Vorstande der Gemeinde sich Wenn ein Hauseigenthümer ein polizeiliches Straf nicht in der verfassungsgemäß und landrechtlich gewähr mandat über 5 M. bekommt, weil er einen Müütaften auf leisteten Ausübung des Rechtes der freien Religionsübung der Straße hat stehen lassen; wenn ein fideler Nachtschwärmer stören lassen zu dürfen, da er die Zusendung für eine rechts- 5 Mart zahlen soll, weil er um Mitternacht allzu laut ge irrthümliche Ueberschreitung der Verwaltungsbefugnisse des sungen hat: Freut Euch des Lebens", so können sie beide Provinzial- Schulkollegiums hielt und in dem Wahn be- dagegen richterliche Entscheidung beantragen. Wenn aber

Feuilleton.

Der Jude.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.

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Von C. Spindler  .

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