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Reichstag unö Reichsvereinsgesch Der Reichskanzler verteidigt sich gegen die Angriffe auf feine Kriegs- und Friedenspolitik
VS. Sitzung. Montag, den 5. Juni IV IS, vormittags 11 Uhr. Am Bundesratstisch: Dr. Helfferich. Eine Anleihedenkschrist für die Schutzgebiete und einige Rechnungs» fachen werden debattelos angenommen. Es folgt die dritte Beratung des Kriegskontrollgesetzes. Abg. v. Brockhauseu(k.): Wir halten die Kontrolle für Heereslieferungen nicht für aus- reichend und beantragen deshalb, dem Reichstage das Recht zu geben, die Verträge und Gewinne bei Heereslieferungen unmittelbar durch Einsichtnahme in die Verträge und Bücher selbst zu prüfen. Die Kontrolle durch den Rechnungshof erfolgt viel zu spät, auch nach diesem Gesetz. Staatssekretär Dr. Helfferich: Der Antrag will die Kompetenz des Reichstages an Stelle der Kompetenz des Rechnungshofes setzen. Das scheint nicht angängig. Abg. Noske(Soz.): Der konservative Antrag steht mit dem vorliegenden Gesetz tatsächlich nicht im Zusammenhang. Die Erleichterung der Abrech- nung, die der Entwurf fordert, hat der Reichstag neulich gelegent- lich eines Antrages der Rechnungskommission bei einer Rechnungs- fache schon beschlossen. Was der konservative Antrag will, das Recht der selbständigen Kontrolle für den Reichstag , hat der Reichstag selbst- verständlich, auch ohne diesen Antrag. Abg. Graf Westarp(l) beantragt, das Gesetz behufs gründlicher Prüfung deS Antrages an die Kommission zurückzuverweisen. Abg. Bassermanu(natl.) bittet, das Gesetz an die Rechnungskommission zu verweisen, die die Tragweite des Antrages prüfen soll. Diesem Antrage wird stattgegeben. Es folgt die zweite Beratung der Novelle zum Vereinsgesetz. Die Novelle beschäftigt sich mit den Jugendlichen, denen der Zutritt zu den Gewerkschaften gestattet werden soll. Die Kommission hat außerdem ein zweites Gesetz beschlossen, das den Sprachen- Paragraphen aufhebt. Es liegt auch ein entsprechender noch weitergehender Antrag B e r n st e i n und Genossen(Soz. Arbg.) vor. Abg. Gröber(Z.) wünscht eine Wiederholung der von der Regierung in der Kommission abgegebenen Erklärung, wonaS das Disziplinarrecht der Schule und das des Lehrhcrrn gegenüber dem Lehrling durch das Gesetz nicht berührt wird. Abg. Heine sSoz.): Wir empfehlen die Annahme des Entwurfs der Regierrmg so- wie des Entwurfs der Komniission. Es handelt sich hier eigentlich nur um ein Gewerkschaftsgesetz, das wir als ein Notgesetz be- trachten, gegeben für die Zeit unmittelbar nach dem Krieg, weil der jetzige Zustand nicht in die Zeit nach dem Kriege hinübergelenkt werden darf. Diesem ganz unzulänglichen Gesetz gegenüber befinden wir uns in derselben Lage, wie 18SS gegenüber dem von Bassermann vorgelegten Notvereinsgesetzparagraphen und 1399 bei der Regierungsvorlage betreffs des Verbindungsverbots politischer Vereine. Singer führte damals aus, wir stimmen für das Gesetz, weil damit endlich einmal der erste Schritt zu einem Reichsvereins- gesetz geschehen sei. Genau so stimmen wir heute dafür, weil damit der erste Schritt der Befreiung der Arbeiterorganisationen von den unwürdigen Fesseln des Vercinsgesetzes geschieht. Bei der Beratung des ReichsvereinsgesetzeS erklärte zwar die Regierung, daß Ver- fammlungen, die sich mit der Regelung von Lohn- und Arbeits- bedingungcn befassen, nicht Politik treiben, und sie glaubte damit gesagt zu haben, Gewerkschaften können nicht als polilische Vereine angesehen werden. Auch der vorgelegte Gesetzentwurf hat ihrer Meinung nach nur deklaratorischen Charakter. In Wahrheil schafft er etwas Neues, er beseitigt einen Widerspruch zwischen dem Gesetz und dem tatsächlich herrschenden Zustand. Wäre daS Bereinsgesetz von Anfang an von der Rechtsprechung so angewendet worden gegen die Gewerkschaften, wie man es 1913 und 1914 unternommen hat. so Höne sich die Notwendigkeit der Aende- rung schon früher auch bei anderen Leuten als bei uns herausgestellt. Während des Krieges hat man die Gewerkschaften sogar von Staats wegen veranlaßt, noch weit niehr auf politische Dinge einzuwirken. sSehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das Gesetz legalisiert, was die Gewerkschaften immer schon getan haben und auch tun müssen. Man könnte die Frage aufwerfen, warum die Gewerffchaften nicht einfach politische Vereine sein wollen. Das geht nicht wegen des Jugendparagraphen. Die Gewerkschaften müssen die Jugend- lichen an sich heranziehen, und für die Jugendlichen kann es nach der Schulentlassung gar nichts Ersprießlicheres geben, als daß sie sich beizeiten in den Kreis ihrer Berufsgenossen einordnen und da- durch höhere, soziale Pflichten kennen lernen und nicht bloß in Ver- gnügen und Sonderinieressen aufgehen. Gerade diese Zeil ist für die Jugend die gefährlichste. Die Mitarbeit an ihren Berufs- interessen ist das, was der Jugend am leichtesten verständlich ist und wobei der Jugendliche fühlt, daß er etwas leistet und nicht bloß als Objekt betrachtet wird, wie in den BildungSvcreinen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Wir nehmen das Gesetz also an, geben aber unsere For- derungen nicht auf, den Sprachenparagraphen und den Jugendparagraphen aufzuheben.(Leider erklären die Verbündeten Regierungen, diese Fragen sollen erst bei der Neuorientierung geregelt werden. Wie sich manche diese Neu- orientierung vorstellen, beweist ein Aufsatz in der letzten Nummer der .Deutschen Juristenzeitung" von dem früheren bayerischen Minister Landmann, der sagt, es müsse erst die notwendige Vermehrung deS Heeres zu Wasser und zu Lande nach dem Kriege sichergestellt sein gegen die wechselnden parlamentarischen Mehrheiten, ehe an die Aushebung des Sprachenparagraphen gedacht werden könne. Herr Landmann ist ja Minister a. D. und hoffentlich nicht das Sprach- rohr der Regierung. WaS auch immer sich als notwen- dig herausstellen mag für die Verteidigung des Vaterlandes nach dem Kiege: an das Etatsrecht des Reichstages wird keine Regierung tasten dürfen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Sprachenparagraph und jedes Ausnahmegesetz gegen irgend welchen Teil der Bevölkerung muß beseitigt werden. Wir begreifen überhaupt nicht, wie man heute noch daran denken kann, derartige Beschränkungen aufrecht zu erhalten. Von allen Seiten kniet man geradezu vor dem Volke, das im Kriege seinen Opfermut so herrlich bewährt, dann aber sagt man; Um diesem Volke sein elementarstes
Recht einzuräumen, niüssen wir erst allerlei Gegenleistungen und Gott weiß was haben. Die Aufrechterhaltung des Sprachenparagraphen auch während des Krieges ist das schwerste Unrecht, es ist ein Zeichen des mangelhaften Willens des mangelnden Wage- muts, der mangelnden Erkenntnis. Wer glaubt, nach dem Kriege den alten Faden weiterspinnen zu können, wird sich sehr täuschen. Wir werden deshalb nicht nur für das Gesetz der Kommission stimmen, sondern mit aller Entschiedenheit auch die Aushebung der landes- rechtlichen Bestimmungen gegen Landarbeiter und der Beschränkungen politischer Vereine verlangen, wie eS die Kommission in ihren Resolutionen tut. Auch nach Annahme dieses Gesetzentwurfs werden Behörden noch sagen: Zwar haben Jugendliche das Recht in Gewerkschaften und ihren Versammlungen zu erscheinen, aber wir verbieten es ihnen auf Grund der Schulordnung oder polizeilicher Sicherheitsmaßnahmen oder was weiß ich. Ich sehe das kommen, und diese Be- Hörden handeln dann bewußt dem Willen des Gesetzgebers entgegen und suchen auf bewußt unehrlichem Wege das Gesetz zu durchkreuzen. Das Gesetz ist nur ein Stückwerk. Wir mußten ihm zustimmen, um es in der Kommission überhaupt durchzubringen und nicht einer Demonstration wegen zu gefährden. Anders steht eS mit dem klaren Willen des Reichstages, den Sprachenparagraphen zu beseitigen. Die Jugend bor jeder Berührung mit der Politik bewahren zu wollen, ist ein ganz vergebliches Beginnen. In der Schule, in der Familie, auf der Straße erfahren sie von politischen Dingen. Wir leben eben in einer Zeit, in der daS öffentliche Leben das private überwuchert, und es ist ein Anachronismus, wenn man die aus- gesprochen politischen Vereine den Jugendlichen verbietet. Wir be- halten uns daher vor, Anträge zu stellen, die daS Vereinsgesetz von diesen Beschränkungen reinigen. Vorläufig bitten wir während des Krieges, als Kriegsmaßregel und als Notgesetz dieses Gesetz an- zunehmen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Müller-Meiningen (Vp.): Vereins- und Versammlungszensur möge man unseren Feinden überlassen. Die Kommissionsfassung des Gesetzes bedeutet trotz aller Bedenken einen Forlschritt. DaS Gesetz, das der Reichstag 191S machte, war sicherlich besser, aber leider akzeptiert eS die Regierung durchaus nicht. Das Gesetz ist wesentlich deklaratorisch, hat aber auch erhebliche politische Bedeutung. Freilich gibt es überhaupt keine Fassung, die von den Gerichlen und Verwaltungsbehörden nicht mißbraucht werden könnte. Diese müssen begreifen lernen, daß es sich hier um ein Bertrauensgesetz handelt gegen die Organisationen der Arbeiter und Arbeitgeber, denen für ihre Dienste während der Kriegszcit der Dank des Vaterlandes gebührt.(Sehr richtig! b. d.Vp.) Wir haben in der Kommission noch ein zweites Gesetz gemacht, das den Sprachenparagraphen, das Polengesetz, aufbebt. Im August 1915 sprach der Reichskanzler aus, daß die Gegensätze zwischen Deutschen und Polen schwinden müssen. Danach ist der Sprachenparagraph nicht mehr haltbar.— WaS die Jugendlichen anlangt, so denken wir nicht daran, die ganze Jugend in das politische Leben hineinzuzerren. Nur in die Gewerkschafts- Versammlungen sollen die Jugendlichen zugelassen werden. Es muß Sache der Gewerkschaften sein, die Disziplin unter ihren Jugend- lichen aufrechtzuerhalten. Täten sie das nicht, so hätten sie selbst den größten Schaden davon.(Sehr richtig! links.) Im Interesse des Burgfriedens und der sozialen Gerechtigkeit bitte ich alle Parteien um Annahme dieser beiden Gesetze als einer Vertrauensgesetzgebung. (Bravo ! bei der Volkspartei.) Abg. Dr. Juuck(natl.): Der Novelle zum Vereinsgesetz als solchen stimmen wir zu. in der Frage der Jugendlichen und des Sprachcnparagraphen lassen wir unseren Freunden in der Abstimmung freie Hand. Abg. Dr. Oertcl(k.): Durch die Ausschußberatungen bin ich sehr enttäuscht. Ich bin nicht aufgeklärt worden darüber, weshalb es denn nötig war, diese Materie trotz des Burgfriedens jetzt aufzurollen. Die angeführten Gerichtsentscheidungen haben unserem Willen als Gesetzgeber durchaus entsprochen.(Hört! hört! b. d. Soz.) Aber während des Krieges sind ja außerdem solche Entscheidungen gar nicht mehr zu erwarten. Vor allem erscheint uns die Vorlage als der erste zag- hafte Schritt in die Nebelträume der sog. Neu-Orientierung. Es bandelt sich hier um ein Sondergesetz zugunsten der Gewerkschaften. (Widerspruch b.d. Soz. Arbg.) Das hat Herr Legten selbst zugegeben, und seine Autorität ist mir in diesen Tagen doch etwas mehr wert als Sie von diesem Winkel.(Heiterkeit.) Den Gewerkschaften entgegen- zukommen, sind auch wir bereit, deshalb haben wir beantragt, daß die Bestimmungen über Anmeldung des Vorstandes und der Ein- reichung der Satzungen, wie sie für die politischen Vereine gelten. auf die Gewerkschaften keine Anwendung finden sollen.— Wir wollen die Jugendlichen deshalb nicht in die Gewerkschafts- Versammlungen hineinlassen, weil die Gewerkschaften bekannt- lich die Jugendlichen zum Klassenbewußtsein erziehen wollen. Daß dabei auch der K l a s s e n h a tz genährt werden kann, wird niemand bestreiten. Gegen die Heranziehung der Jugend« lichen in die Lohnkämpfe hat sich auch ein bekannter freisinniger Führer entschieden gewandt. Wenn man die Jugendlichen zur Er« vrterung wirtschaftS- und sozialpolitischer Fragen zuläßt, so Iverden sie damit auch zur Erörterung allgemein politischer Fragen zu- gelassen, darüber täuschen wir uns nicht, denn diese Fragen lassen sich gar nicht trennen. Dabei ist nicht einmal eine Grenze nach unten für das Alter festgesetzt. Meine Bedenken werden auch von Mitgliedern deS Zentrum«, der Nationalliberalen und auch der Fortschrittlichen Volkspartei , zweifellos auch von verschiedenen Mitgliedern der Deutschen Fraktion geteilt, wenn sie auch vielleicht auS Liebe zur Fraktionseinheit für die Vor« läge stimmen. Ebenso stimmen die Vertretungen der Stände, der Landwirtschaft und des Handwerks, sogar die vaterländischen Ar- beitervereine mit mir überein und protestieren gegen die Annahme dieses Gesetzes. Besonders lebhaft sind auch die Bedenken in den Kreisen der Lehrer. Die Frage ist noch nicht geklärt, wie es eigent- lich mit der Schulzucht, mit der Zucht in den Fortbildungsschulen steht. Kann Forlbildungsschülern im Interesse der Schul- zucht der Besuch von Gewerkschaftsversammlungen verboten werden? Vor allem muß eine unzweideutige Erklärung darüber abgegeben werden, ob auch hier der Satz gilt: Reichsrecht geht vor Landesrecht. Natürlich haben auch die evangelischen Synoden sich entschieden gegen die Zulassung der Jugendlichen zu den Gewerkschaftsversammlungen erklärt.— Wir wissen, daß wir mit unserem Widerspruch allein stehen. DaS stört uns nicht, ebenso wie es uns nicht stört, daß die Sozialdemokratische Arbeits- gemeinschaft mit uns dagegen stimmen wird. Wir lehnen die Ver- anlwortung für diese Gesetzung ab. Es ist der erste Schritt der Neuorientierung. Wohin die Reise geht, lassen die anderen Eni- schließungen des Ausschusses ahnen. Die Bahn, die hier betreten wird, hallen wir für verhängnisvoll, vor allem für die Aufrecht-
erhallung der in unserer Zeit so notwendigen Autorität.(Lebhafter Beisall bei den Konservativen.) Abg. Behrens(Deutsche Fr.): Wir wünschen, daß die Vorlage Gesetz wird und lehnen deshalb alle weitergehenden Anträge ab. In bezug auf die Jugendlichen ändert die Vorlage an dem gegenwärtigen Zustand eigentlich nichts. Uebrigens haben die Gewerkschaften wichtigeres zu tun, als den Jugendlichen irgendwelche Theorien beizubringen. Die Schulzuchl wird meines Erachlens durch dies Gesetz nicht berührt. Won den evangelischen Synoden haben nnr zwei Stellung gegen dies Gesetz genommen. Auch der Evangelische Oberkirchenrat teilt offenbar die Bedenken des Vorredners nicht. Ministerialdircktor Dr. Lctvald: Das Recht der Schule wird durch das Vereins- gesetz nicht eingeschränkt, ebensotvenig das Recht der Eltern und Vormünder. Auch das Disziplinarrecht der Fortbildungs- schulen, das im einzelnen durch die Landesgesetzgebung geregelt ist, bleibt unberührt. Wir haben die Vorlage eingebracht, weil es anerkannte Tatsache ist, daß gegenwärtig eine erhebliche Zahl Personen unter 18 Jahren den Gewerkschaften angehört und weil ganz unzweifelhaft in den Gewerkschaften aller Richtungen Politik iin Sinne der Wirtschafts- und Sozialpolitik getrieben wird. Herr Oerie! hatte an sich nichts gegen die Teilnahme der Jugendlichen an Gewerk- schasten. Aber gerade bei der Lohnfrage könnte doch schließlich der Klassenhaß noch eher gepredigt werden, als bei irgendwelchen sozial- politischen Fragen.(Sehr richtig!) Die Gefahren, die Herr Oertel befürchtete, kennt die Regierung genau, aber sie glaubt nicht, daß daS Gesetz eine Verschärfung jener Gefahren bedeutet. Abg. Herzfeld(Soz. Arbg.): Unsere Anträge zu dieser Vorlage sind nicht etwa eine De- monstration, wie gesagt wurde. Sonst wäre der größte Teil un- sercr parlamentarischen Arbeit Demonstration. Wir haben uns noch nie davon abhalten lassen, Verbesserungsanträge zu stellen, ganz gleich, welche Stellung die Regierung einnimmt. Wir sehen in dem Gesetz eine völlige Umwälzung, es bedeutet einen Teil der Neu- orientierung, ein Geschenk. Aber solche Geschenke sind im polnischen Leben nicht von Wert.(Sehr richtig! bei der Soz. Arbg.) I m politischen Leben kann man Erfolge nur erringen' auf d e m W e g e d e s K a m p f e s, d e s K l a s s e n k a m p s e s. (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Was die Arbeiter- klaffe sich nicht durch rücksichtslosen Klassenkampf erwirbt, das wird sie nicht erhalten, das werden nur Brosamen sein wie dieses Gesetz.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Nur weil der Klaffenkamps eingestellt ist, hat das Gesetz diese Form erhalten. Es besaßt sich mit den Jugendlichen. Ja, ist denn irgendwo eine be- sondere Agitation der Gewerkschaften unter den Jugendlichen zu ver- zeichnen gewesen? Das Gesetz ist die Folge der Auslegung der Bc- stimmungen des jetzigen Gesetzes durch die' Gerichte, aber Ivos war denn der Grund zu einer solchen Auslegung? Doch nur die Tat- fache, daß die Gewerkschaften eine Macht geworden sind, daß man sie für das Rückgrat der sozialdemokratischen Partei hielt und die Partei treffen wollte.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Das geht aus der Denkschrift des Berliner P o l z e ip r ä si d e n t e n vom Jahre 1913 deutlich hervor. Es heißt darin, daß in der Parteigeschichte die Gewerkschaften eine wichtige Rolle spielen. (Hört! hört! bei der Soz. Arbg.), und weiter weist die Dentschrist auf das Zusammengehen zwischen Partei und Gewerkschaften hin. Auch in Zukunft werden die Gewerkschaften natürlich Gewerischafts- Politik und Parteipolitik gegen die Unternehmer treiben, und je mehr sie das tun, je mehr sie erstarken, desto mehr wird das neue Gesetz in dem Sinne des alten ausgelegt werden.(Sehr wahr! bei der Soz. Arbg.) Solche moralische Pauken, wie sie Herr Dr. Müller gehalten hat, nutzen nicht, die Gerichte sind Organe der herrschenden Klassen, sie werden immer in deren Sinne urteilen. Der Klassenkampf wird nach dem Kriege aufs neue entbrennen, Partei und Gewerkschaften werden ihn sühren, und das neue Gesetz wird den Staatsanwälten und Gerichten die Handhabe bieten, gegen die Gewerkschaften vorzugehen. DaS Gesetz ist ja geradezu ein Juwel für Gerichte und Staatsanwälte, es ist geradezu dazu ge- macht, diesen die Auslegung zu ermöglichen (Sehr richtig! bei der Soz. Arbg.), es ist sür sie ein gefundenes Fressen. Vergessen wir doch nicht, daß das Gesetz angewandt werden wird zu einer Zeit, wo der Kampf � zwischen Arbeitern und Unter- nehmern entbrannt und zur Siedehitze gesteigert sein wird. Denn davon bin ich überzeugt, daß infolge der gewaltigen Umwälzungen dieses Krieges der Klassenkampf heftiger als je werden wird.(Leb- hafte Zustimmung bei der Soz. Arbg.) Der Lehrhcrr und die Schule werden nach wie vor den Lehrlingen den Besuch von Gewerkschaftsversammlungen verbieten können. Der Z 17 ist ein AiiSiiahmegesel! gegen die sozialdemokratische Partei; die bürgerlichen Parteien haben doch keine Veranlassung, die jungen Leute unter 18 Jahren aufzunehmen, denn bis dahin besuchen sie ja noch die Schule oder die Universität. Der Arbeiter aber tritt mit 14 Jahren ins Leben und lernt den Klassenkampf am eigenen Leibe kennen. Für die Arbeiterjugend ist die Politik eines der großen Kulturmittel.(Widerspruch rechts.)� Dann haben Sie keine Ahnung. (Rufe rechts: Wir kennen sie besser als Sie.) Sie haben keine Empfindung sür die politische Erziehung der Jugend. DaS Gesetz bedeutet nicht nur ein Ausnahmegesetz gegen die Sozial- demokratie, sondern auch gegen die Gewerkschaften.(Sehr wahr! bei der Soz. ArbeitSg.) Es ist auch ein Ausnahmegesetz gegen die Staatsarbeiter. Von dem Grundsatz, daß daS KoalitionSrecht durch Vertrag beschränkt werden kann. wollte der Staatssekretär Delbrück im Jahre 1912 nicht ab- gehen und die Regierung will es auch heute nicht tun. Dieser Standpunkt ist ungesetzlich, er widerspricht dem A 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches , weil solche Verträge gegen die guten Sitten verstoßen. Das wurde bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches anch von der Regierung anerkannt. Heute soll das nicht mehr wahr sein. Und das Gesetz soll ein Fortschritt für die Gewerk- schasten sein! Nein, eS ist ein Gesetz für gute Gewerkschaften, für geduldete Gewerkschaften, sür Gewerkschaften mit Wohlvcrhalten. (Sehr wahrl b. d. Soz.) Diesen Weg kann die sozialdemokratische Arbeiterschaft nicht mitgehen. Wir haben beantragt, statt dieses Ge- setzeS den Entwurf anzunehmen, den der Reichstag im August 1915 fast einstimmig beschlossen hatte. Ein Ideal ist auch dieser Entwurf nicht, aber einen Fortschritt hätte er doch bedeutet. Aber die bürger- lichen Parteien und die Sozialdemokratie sind zurückgewichen vor der Erklärung der Regierung, an ihrem Entwurf dürfe kein Buchstabe geändert werden.(Hört! hört I bei der Soz. Arbg) Die Land- arbeiter haben in diesem Kriege ihre volle Pflicht getan, ja, sie haben sogar das schwerste geleistet. Und nun will man sie bei