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ihrer Rückkehr wieder unter die Gesindeordnung stellen, und das zu- gunsten einer Unternehmerklasse, die durch den Krieg unendlich reicher geworden sind.(Sehr wahrl bei den Soz.) 400 000 Landarbeiterleichen modern in Feindesland, mindestens die doppelte �ahl hat im Kriege ihre Gesundheit verloren. Wie wollen Sie mach rechts) da die Landarbeit verrichten lassen.(Abg. Kreth(k.>: Wir werden Sie um Rat fragen. Heiterkeit.) Galizische. polnische nnd andere Arbeiter werde« Sie nicht mehr bekommen. Das einzige Mittel, Arbeiter auf das Land zu bekommen, ist die moderne Laildsklaverci aufzuheben und den Landarbeitern die Rechte nnd den Schutz der gewerblichen Arbeiter zu geben.(Sehr richtig! bei der Soz. Arbg.) Der Lex Grober(Aushebung des Sprachenparagraphen) stinnnen selbst- verständlich auch wir zu. Auch demkleinsten Fortschritt für die Gewerkschaften hätten wir gern zugestimmt! dieses Gesetz aber ent- bält keinen Fortschritt, sondern nur neue Gefahren für die Gewerkschaften. Dafür können wir die Verantwortung nicht über- nehmen, wir müssen das Gesetz daher ablehnen.(Lebhafter Beifall bei der Soz. Arbg.) Abg. Dr. Lasziuski(Pole): Eine Aenderung des Reichsvereinsgesetzes ohne Aufhebung des Sprachenparagraphen reißt nur die Wunden der Polen   auf und macht ihre Ausnahmestellung von neuen: deutlich und würde es ver- ständlich machen, wenn die Polen   sie ablehnten. Trotzdem werden wir der Vorlage zustimmen, in der Hoffnung, daß nach den Er- klärungen der Regierung in der Kommission zu erwarten ist, daß die Polen   nicht weiter schikanös behandelt werden sollen. Die Abstimmung über den zweiten Gesetzentwurf(Aufhebung des Sprachenparagraphen) wird auf Antrag S e Y d a(Pole) eine namentliche sein. Staatssekretär Dr. Helfferich: Ich wiederhole die in der Kommission abgegebene Erklärung, daß Berufsvereine nicht deshalb als politisch angesehen werden sollen, weil sie aus Reichsangehörigen nichtdeutscher Nationalität be« stehen. An der Beratung über die Initiativanträge aus dem Hause wird die Regierung wie auch früher sich nicht beteiligen. Der Gesetzentiourf der Regierung enthält lediglich eine Deklaration des bestehenden Gesetzes. Dagegen glaubte die Regierung, auf einenr umstrittenen Gebiet keine Acnde- rung eintreten lassen zu sollen, solange der Krieg dauert. Jetzt gehören alle Arbeiten und alle Tatkraft dem Krieg. Wenn das Ergebnis des Weltkrieges mit dem rechten Geist ausgenommen wird, so wird der Geist der Einigkeit, der Brüderlichkeit, der gegenseitigen Achtung auch über den Krieg hinaus erhalten bleiben und sich frucht- bar criveisen. Auf diesem Boden werden wir nach dem Kriege wcilerbaucn.(Beifall.) Abg. Haussen(Däne) fordert die endliche Aufhebung des Sprachenparagraphen, dieses Schandflecks" des Reichsvereinsgesetzes. Abg. Kerschenstciner(Vp.) erkennt die Notwendigkeit der Heraushebung der Gewerkschaften aus den politischen Bereinen nnd die Notwendigkeit, ihnen die Freiheit zur Erreichung ihrer Ziele zu geben, an, hat aber trotzdem pädago- gische Bedenken gegen die Zulassung Jugendlicher zu politischen Ver- einen. Wenn gesagt wird, welches der Unterschied zwischen öffent- lichen und nicht öffentlichen Versammlungen sei. so sage er, in nicht öffentlicken Versammlungen waschen sich die Mitglieder gegenseitig die Köpfe, in öffentlichen waschen sie die Köpfe der anderen.(Große Heiterkeit.) Davon müßten die Jugendlichen aus pädagogischen Gründen ferngehalten werden. Die Jugendlichen müßten erzogen werden zur Duldsamkeit und zur Achtung der Ansichten anderer; sie müßten erkennen, daß das Interesse am Slaatsleben ein gemeinsames ist. Eine Jugend ohne , StaatSgesinnung sei immer em Unglück. Das bedeute in keiner ' Beziehung eine Kritsk der Tätigkeit der Gewerkschaften: er ver«. traue- darauf, daß die Gewerkschaften weiter arbeiten werden an der sittlichen Erziehung der Jugend, aber Versammlungen ieien dazu nicht erforderlich. Man müste erkennen, daß allein über die Autorität der Weg zur Freiheit geht. Abg. Schulz-Erfurt  (Soz.): ES tut mir in der Seele weh, daß ich Herrn Kerschensteiner in der Gesellschaft von Herrn Oertel sehe.(Heilerkeit.) Wir bedauern. daß die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft Arm in Arm mit der äußersten Rechten das Gesetz ablehnt; ich bin überzeugt, die Entwickelung wird uns recht geben. Es liegt uns fern, die Jugend m das parteipolitische Getriebe hineinzuziehen, aber die GeWerk- schaften können ohne Versammlungen nicht den erforderlichen Einfluß auf die Jugendlichen ausüben. In der gegenwärtigen schweren Kriegszeit gelangen auch junge Leute anderer Gesellschaftsklassen zu starker Kritik der GefellschastSzustände. Bei den jungen Leuten aus dem Arbciterstande ist dies zu allen Zeiten selbstverständlich. Sie können gar nicht mit gleichaltrigen G>»mnasiasten verglichen ' ivcrden, denn sie- stehen bereits im Berufsleben und lernen den Ernst des Lebens ganz anders kennen. Für ihre Weitererziehung ist nichts so wichtig, Jwie die Tätigkeit in den Gewerkschaften.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer nicht weiß, was die Ge- iverkschaften für die körperliche und geistige Erziehung der Arbeiter- jugend bisher schon geleistet haben, sollte bei dieser Angelegenheit überhaupt nicht mitreden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Erziehung des proletarischen Nachwuchses wird auch in Zu- kunft ganz selbstverständlich im Geiste der sozialdemokratischen Welt- anschanung geschehen. Wir müffcn uns verbitten, diese Welt- anschauung etwa für moralisch anrüchig zu erklären und das durch die Gesetzgebung etwa zum Ausdruck zu bringen. Der Vorlage stimmen wir zu, so wenig sie auch bringt. In der Kommission hat man das Gesetz eine Omelette genannt, hier hat man von den Brosamen des Gesetzes gesprochen. In dieser Kriegszeit haben wir auch Eier und Brosamen schätzen gelernt und iverden daher für das Gesetz mit seinen ganz geringen Fortschritten stimmen. Wenn wir gegen die weitergehenden Anträge stimmen, so nicht wegen ihres Sinns und Inhalts, sondern um das Zustande- kommen deS Gesetzes nicht zu gefährden. Wir geben uns auch der Erwartung hin, daß gleich nach der Erledigung dieses Gesetzes die Regierung dafür sorgt, daß alle schikanösen Maßnahmen unterbleiben. (Beifall bei den Soz.) Abg. Dave(Vp.): Die Anschauungen des Kollegen Kerschensteiner in bezug auf das Vereinsgesetz, speziell die Teilnahme der Jugendlichen am politischen Leben decken sich nicht mit den Anschauungen unserer anderen Freunde. Nebrigens handelt es sich hier vor allem um die Teil- nähme der Jugendlichen am gewerkschaftlichen Leben, und die Ge- werkschaften haben bewiesen, daß sie das Vertrauen verdienen, das wir ihnen entgegenbringen.'(Beifall bei der Freisinnigen Volks- Partei.) Abg. Stadthage»(Soz. Arbg.): Mit den Herren rechts stimmen wir öfter zusammen, die Herren rechts lehnen das Gesetz ab, weil sie fürchten, es wird etwas ge- geben, wir dagegen, weil zu wenig gegeben wird. Herr Kollege Schulz sprach von Brosamen, es sind aber vergiftete Brosamen. iPräsident Kneuipf rügt diesen Ausdruck.) Ohne unsere ständig verneinende Haltung hätten wir auch das� bisher noch nicht erreicht, was in Deutschland   erreicht ist, und Sie, Herr Kollege schulz, würden dann überhaupt nicht hier sitzen.(Sehr wahr I bei der Soz. Arbeitsgemeinschaft.) Das Gesetz bringt keine Verbesserung, sondern Verschlechterungen. Die verschiedenen Auffassungen über den Sinn des Gesetzes traten schon hier in der kurzen Debatte zutage. Heine sagte, das Gesetz sei nicht deklaratorisch, sondern bringe etwas Neues. Legien fragte am 10. Mai hier und dann in der Kommission, wie es mit den öffentlichen Versammlungen der Gewerkschaften stehe, ob die Teilnahme der Jugendlichen daran gehindert werden solle. Die Antwort lautete, Jugendliche dürfen nicht daran teilnehmen. Herr Oertel bestritt da« zwar, aber Herr Müller-
Meiningen widersprach ihm/ und zwar mit Recht; solange der Z 3 besteht, ist ja auch eine andere Auslegung nicht möglich. 191L be- zeichnete der Abg. Bauer die Rede Delbrücks, das Schulrecht und das Vertragsrecht können das Koalitionsrecht beschränken, für die reaktionärste Rede, die er jemals gehalten. Ministerialdirektor Lewald behauptet jetzt, jener Rede des Staatssekretärs Delbrück  habe niemand widersprochen. Der Abg. Heine meinte, unsere Stellung zu dem Gesetz sei heute ebenso wie 1806 und 1899. Er irrt. 1896 erzwangen wir durch unsere Anträge die Erklärung des Reichs­kanzlers, daß das Verbindungsverbot der politischen Vereine noch vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches autgehoben werden würde. Das gegenwärtige Gesetz ist ein Danaergeschenk, auf das der moralische Katzenjammer folgen wird. Leider werden darunter sämtliche Organisationen der Arbeiter zu leiden haben. (Lebhafte Zustimmung bei der Soz. Arbg.) Abg. Graf Westarp(kons.): Ein Teil meiner Freunde wird dem Gesetz nicht zustimmen. Wir halten eine vorzeitige Regelung eines Teiles des Vereins- gesetzes nickt für angebracht. Für die schlietzliche einheitliche Regelung des ganzen Vereinsgesetzes behalten wir nnS die Stellung­nahme vor. Damit schließt die Debatte. Unter Ablehnung aller Abänderungs- anträge wird der Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Rechten und dev Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft angenommen. Die dritte Lesung wird sofort vorgenommen und auch in dieser das Gesetz mit der gleichen Mehrheit angenommen. Die namentliche Abstimmung über das zweite von der Kom- Mission vorgeschlagene Gesetz(sogenannte Lex Gröber auf Aufhebung des Sprachenparagraphen) und die Abstimmung über die Resolutionen wird zurückgestellt. Es folgt die dritte Beratung deS Kriegssteuergesetzes. Abg. Scheidemann,(Soz.): Die sozialdemokratische Fraktion ist bereit gewesen zur Mit- arbeit bei der Beschaffung der Mittel, die zur Leistung der aus dem Kriege erwachsenen außerordentlichen Lasten erforderlsth sind. Dies kann aber nicht dazu führen, neuen Belastungen des Verkehrs und Verbrauchs, durch die in erster Linie die Massen aller kleinen Geschäftsleute und Arbeiter, der mittleren und unteren Beamten be- lastet werden, zuzustimmen. Das deutsche   Volk ist heute schon in so hohem Maße belastet mit indirekten Steuern, die die Lebens« Haltung erschweren, daß schon darin eine schwere Schädigung der Volksinteressen liegt. Wir haben diese V o l k s b e l a st u n g stets bekämpft und bekämpfen sie auch jetzt. In der gegenwärtigen Zeit ist die Ablehnung neuer Verbrauchs- und Verkehrs- abgaben für uns doppelte Pflicht, weil die Massen der Verbraucher durch die Kriegsleuerung in ihrer Existenz stark gefährdet sind und weil der Verkehr in der Kricgszeit und in der schwierigen Zeit des Ueberganges zur Friedens- Wirtschaft am wenigsten neue Belastungen verträgt. Wir lehnen darum die Erhöhung der Tabakbesteuerung, ebenso auch die Verkehrs- steuer als den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und der Wiederbelebung unserer Volkswirtschaft schädlich ab. Die für die Balanzierung des diesjährigen Etats erforderlichen Steuern hätten, wie wir es angestrebt haben, sehr wohl ohne neue Steuern auf den Verbrauch und den Verkehr gewonnen werden können durch eine schärfere Heranziehung des Besitzes. Eine solche schärfere Belastung des Besitzes läßt sich schon durch die besonderen Vorteile rechtfertigen, die den Besitzenden aus den Erfolgen der deutschen Kriegführung erwachsen sind. Heute sind wir leider genötigt festzustellen, daß die Opferfreudigkeit der besitzenden Klassen angesichts der schweren Not- läge des Landes versagt hat und daß die Taten, die in den Be- schlüssen deS Hauses zum Ausdruck kamen, den Worten der patriotischen Hingabe, die hier besprochen worden sind, in keiner Weise entsprechen. Das Kriagssteu�rg�setz beruht aiff der Anerkennung der Tatsache, daß der- Krieg durch die Wirkung-des kapitälistischen Systems für eine, kleine Minderheit zur Ouclle ungeheuerer Be- reicherung geworden ist. Seine Grundgedanken billigen wir rück- haltlos. Die Beschlüsse zweiter Lesuug entsprechen allerdings nicht den Ansprüchen, die mindestens an ein Kriegssteuergesetz gestellt werden müssen. Da aber durch das Gesetz nur der Besitz getroffen wird, stimmen wir ihm zu in der Erwartung, daß der Gedanke, den ins massengroßs gewachsenen Bedarf des Reiches auS Steuern auf den Besitz zu decken, in erheblich erweitertem Umfange bei der nach dem Friedensschluß unerläßlichen großen Finanzreform zu konsequenter Durchführung gelangen werde. Dies zu erreichen, ist Sache deS Volkes, das aus der ersten Kriegssinanzreform seine Lehre zieht und für eine entsprechende Vertretung seiner Interessen im Deutschen   Reichstag   sorgen wird.(Beifall bei den Sozialdemo- kraten.) Abg. Haast(Soz. Arbg.): Unsere Haltung zu den Steuergesetzen wird im wesentlichen von folgenden Erwägungen bestimmt. Die Kriegs st euer dient letzten. Endes den, imperiali st ifchen Krieg, den wir verwerfen. Durw die Zustimmung zu ihr wird auch nicht eine für die Arbeiterklasse ungünstigere Besteuerung ab- gewendet. Wir stehen einem festen Block aller bürgenlichen Parteien gegenüber, der für sein Steuerkompromiß hier mit einer Drei- viertelmehrheit geschlossen auftritt. Die Sozialdemokratie ist mit ihrem Stimmengewicht völlig ausgeschaltet. Dieser Steuerblock hat die von der Regierung vorgeschlagene Belastung des Verkehrs und Verbrauchs durch die Ausgestaltung de§ Warenumsatzstempels noch gewaltig vermehrt. Abgelehnt sind dagegen die Anträge der Sozialdemokratie, die darauf gerichtet waren, den gesamten Kriegsgewinn, soweit es sich nicht um kleine Vermögen und Einkommen handelt, der Allgemeinheit zugute kommen zulassen, oder auch nur durch nochmalige Erhebung einer Ouote des Wehr- beitrages oder durch Besteuerung der Erbschaften den Besitz stärker zu erfassen und dadurch Ersatz für indirekte Steuern zu schaffen. Die ganz unzulängliche einmalige Abgabe des Kriegssteuer- gesetzes hat zum Zweck oder mindestens zur Folge, eine wirk- liche Kriegsgewi nn st euer zu vereiteln, wie sie von der großen Masse des Volkes gefordert wird. Sie ist nur ein kümmerliches Feigenblatt für die ungeheuerlichen Lasten, die nament- lich drückend die Arbeiterklasse und den Mittelstand infolge der anderen Steuern treffen. Die Kompromißparteien betrachten selbst ihr Steuerwerk als ein einheitliches Ganzes, an dem sie geschlossen iesthalten. Daß die einzelnen Steuergesetze nicht auch formell mit einander verbunden sind, ist nebensächlich. Dem gesamten Steuer- werk haben die Kompromißparteien den Stempel ihres Klassengeistes aufgedrückt. Sie haben auch das ganze Steuerwerk und alle feine Teile zu verantworten. Wir lehnen die Steuern ab.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Debatte. Der Frachturkundenstempel, die Tabaksteuer, die Postgebührenordnung und der Warenumsatzstcmpel werden gegen die Stimmen der beiden sozialdemokratischen Fraktionen in dritter Lesung angenommen. In namentlicher Abstimmung wird das Kriegssteuergesetz mit 812 Stimmen gegen 24 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen. Die Lex Gröber wird in namentlicher Abstimmung mit 263 gegen 74 Stimmen angenommen. Hierauf wird sofort in die dritte Lesung eingetreten. Abg. Seyda(Pole): Wenn die Regierung auch jetzt noch an dem Sprachenpara« graphen festhält, so wird das Volk daraus nur die Folgerung ziehen können, daß nach dem Kriege alles beim Alten bleiben soll. Das Gesetz wird in dritter Lesung angenommen. Es folgt Die dritte Lesung des Etats. Reichskanzler v. Bethmanu Hollweg: Der Reichstag hat soeben mit großer Mehrheit die Steuern be- willigt, die das Reich bedarf, um auch im Kriege eine geordnete
Finanzwirtschaft fortzuführen. Der Reichstag hat sich damit den Dank der Nalion verdient und unseren Feinden gezeigt, daß wir auf allen Gebieten bereit und willens sind, auszuhalten. Ich will an diese Worte des Dankes einige allgemeine Bemerkungen an- knüpfen. Vor einem halben Jahre, am 9. Dezember, habe ich zum ersten Male auf Grund unserer militärischen Lage von unserer Friedensbereitschaft gesprochen. Ich konnte das tun in der Zuversicht, daß sich die Kriegslage weiter verbessern würde. Die Entwicklung hat diese Zuversicht bestätigt. Weitere Fortschritte sind gemacht. Auf allen Fronten sind wir noch stärker geworden. (Lebhafter Beifall.) Wenn ich bei dieser Entwicklung damals aus« sprechen konnte, daß wir bereit zum Frieden Ivären, so habe ich das nicht zu bedauern, auch wenn unser Angebot beim Feinde keinen Erfolg gehabt hat. In der kritischen Zeil vom Juli 1914 war es Aufgabe eines jeden vor Gott  , vor dem Vaterlande und vor seinem Gewissen verantwortungsvollen Staatsmannes, nichts ungeschehen zu lassen, was in Ehren den Frieden erhaltcu tonnte.(Beifall.) Ebenso haben wir nach, erfolgter Abwehr unserer Feinde nichts, un­versucht lassen wollen, was geeignet war, die großen Erschütterungen Europas   noch mitten in diesem Kriege abzukürzen. Später habe ich einem amerikanischen   Journalisten gesagt, daß Friedensverhand- lungen ihr Ziel nur erreichen könnten, wenn sie von den istaatsmännern der kriegführenden Länder geführt würden ans Grund der Kriegslage, wie sie dir Kricgskartc zeigt. Von der anderen Seite ist das zurückgewiesen worden. Man hoffte, die Kriegslage zu verbessern. Inzwischen hat sich die Kriegs- läge verbessert, zu unseren Gunsten. Wir haben die Uebergabe der englischen   Armee von Kut el Amara  , die Niederlage und die ge- waltigen Verluste der Franzosen vor Verdun  , das Scheitern der russischen Märzoffensive, den gewaltigen Vorbruch der österreichisch- ungarischen Truppen gegen Italien  , die Sicherung der Linie vor Saloniki, und in diesen Tagen haben wir mit jubelndem und dank- barem Herzen die Seeschlacht am Skagerrak erlebt.(Brausender Beifall.) So ist die Kriegskarte inzwischen anders geworden. Unsere Feinde wollen auch weiterhin die Augen davor verschließen. (Mit erhobener Stimme): Dann müssen,.dann werden und dann wollen wir weiterkämpfen bis zum endgültigen Siege.(Stürmisches Bravo I) Wir haben das Unserige getan, um den Frieden anzubahnen. Unsere Feinde haben uns mit Hohn und Spott zurückgewiesen. Jedes Friedensgespräch, das wir jetzt beginnen, ist nichtig und nicht zu seinem Ziele führend.(Lehafte Zustimmung.) Verschiedene Staatsmänner in Eng- land und auch anderswo haben den Versuch unternommen, unserem Volke an den Puls zu fühlen und durch partikularistische nnd inner- politische Gegensätze unsere Schlagkraft zu lähmen. Diese Herren leben in merkwürdigen Vorstellungen. Wenn sie sich nicht selbst täuschen wollen, müssen sie selbst dabei bemerkt haben, wie fest der Herzschlag des deutschen Volkes ist.(Lebhafte Zustimmung.) Es gibt keine Einwirkung von außen her, die unsere Einigkeit irgend« ivie erschüttern könnte.(Stürmischer Beifall.) Gewiß, auch wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten. Wir haben eingehende Auseinandersetzungen in der Kommission gehabt, wir haben starke Differenzen, namentlich in der H-Boot-Frage und in unseren Beziehungen zu Amerika   gehabt, die Ansichten sind schroff aufeinandergestoßen. Aber ich kann und will es hier feststellen, daß in diesen Verbandlungen von allen Seilen die gegenseitige Ueber- zeugung und Absicht geachtet worden ist. Die Verhandlungen sind immer auf sachlichem Boden geblieben. Unsere vertraulichen Aussprachen in der Kommission haben das Bedürfnis nach einer öffentlichen Ausspracke nicht befriedigen können. Welche Gründe uns abhalten, der breiten Oeffcntlichkeit alle die Auf- klärungen zu geben, die sie wünscht, wissen Sie. Ich glaube, wir waren in der'Kommission mit wenigen Ausnahmen einig darüber, daß eine Erörterung dieser Frage vor der breiten Oeffentlichkeit, wenn sie den Gegenstand erschöpfen sollte, das Land schädigen würde. Davon kann ich nicht abweichen. Allerdings, meine Herren, wünsche auch ich die Zeil herbei, wo ; die Zensur mit allen ihren Beschränkungen und Belästigungeit, die nun einmal untrennbar mit ihr verbunden ist, ihr Ende erreicht hat. Ich will die Zensurdebatte von neulich nicht wieder neu beleben. Ich glaube nicht, daß der vorige Mittwoch im Lande den Eindruck eineö sehr erhebenden Tages hervorgerufen hat.(Sehr richtig!) Nur einige wenige Worte will ich sagen. Für jeden von uns gab es nur c i n Ziel, nämlich den Krieg zu einem siegreichen Ende zu führen. Und nur unter diesem Gesichtspunkt soll auch die Zensur arbeiten, mag eS sich um militärische oder politische Dinge handeln. Ich werde dahin wirken, daß in solchen politischen Angelegenheiten, die nur lose rnit der Kriegführung zusammenhängen, der Zensor- st ist so wenig wie irgend möglich angewendet wird. (Beifall.) Tie Presse, die trotz aller Widerwärtigkeiten und Schwierig- leiten in dieser ernsten Zeit ihre schwere Aufgabe mit Pflichtgefühl auffaßt und erfüllt, die soll in gerechter und unparteiischer Würdigung ihrer Ziele nach meinen, Willen so wenig Fesseln empfinden wie irgend möglich.(Beifall.) Das Bestehen der Pressezensur hat einen sehr bedauerlichen Mißstand hervorgerufen, über den ich einige Worte sprechen muß. Ich meine die Treibereien mit geheimen und offenen Denkschriften, die teils anonym, teils mit Namen im Umlauf gebracht sind.(Sehr richtig! links und im Zentrum.) In Hunderten von Exemplaren ist dieser Tage ein anonymes Heft verbreitet worden, das in der Pamphletliteratur, so weit sie mir bekannt ist, an erster Stelle marschiert. sErneute lebhafte Zustimmung links und im Zentrum.) In diesem Heft finden Sie mit der Miene des besorgten Patrioten vorgetragen Dinge aus der politischen Vorgeschichte des Krieges, die eine freie Erfindung, eine Kette von Unrichtigkeiten und Ent« stellungen des wahren Sachverhaltes sind.(Lebhaftes Hört! hörtl links.) Nur ein paar Beispiele. Dieser Mann wagt eS zu schreiben, daß der deutsche Reichskanzler nahe anr Zusammenbrechen gewesen sei, als ihm der englische   Botschafter den Abbruch der Beziehungen mitgeteilt habe. Natürlich braucht der Schreiber dieses Heftes das historische Faktum nicht zu wissen, daß der Abbruch der Be« ziehungen bereits einige Stunden vorher in einer Unterredung, die der englische   Botschafter mit Herrn v. I a g o w, der in meinem Auftrage handelte, erfolgt war. Der Schreiber braucht nicht zu wissen, daß meine Unterredung mit Sir Edward Goschen, die er im Auge hat, der Abschiedsbesuch war, den mir der britische Bot- schafter machte, und er braucht nicht zu wissen er kennt nur die englischen Quellen, die ihm gut genug sind, um den deutschen  Reichskanzler zu verleumden(Bewegung. Lebhaftes Hört! hörtl links und im Zentrum), daß Sir Edward Goschen   bei dieser Unterredung innerlich so erschüttert war, daß ich, weil es sich um einen persönlichen und menschlichen Vorgang handelte, aus natür- lichem Anstandsgefühl es unterlaffen habe, jemals öffentlich davon zu sprechen.(Lebhaftes Hört! hört! links und im Zentrum.) Aber das paßte eben in das Bild: Schwäche des Reichskanzlers! Er st unken und erlogen ist eS.(Lauter Beifall links und im Zentrum.) Weiter heißt es in dem Heft aus der Geheimgeschichte der letzten Wchrvorlage, ich sei der Mann, der sich mit Händen und Füßen gegen die Wehrvorlage gesträubt hat.(Lachen links und im Zenrrum.) Ich rate dem Schreiber dieser Schrift, sich an den damaligen Kriegsminister General   v. Heeringen zu wenden. Ich weiß zwar nicht, ob dem General v. Heeringen, den wohl das ganze Haus nur als einen geraden und aufrichtigen Mann und Soldaten kennt, erwünscht sein wird, sich mit einem Verleumder einzulaffen. (Lebhafte Zustimmung links und im Zentrum.) Jedenfalls wird General v. Heeringen bestätigen, daß ich eS gewesen bin, der bei dieser Wehrvorlage für jede Vermehrung der Armee eingetreten ist, daß ich es war. der jede Forderung deS KriegSministers bis auf den letzten Mann vertreten hat.(Hört! hört! links und im Zentrum.) Dann die Behauptung, daß wir Japan   vor Kriegsausbruch durch eine große Anleihe auf unsere Seite ziehen wollten. Alles Pbantasiegebilde! So geht es weiter durch das ganze Heft. Lassen Sre mich noch eine der widerwärtigsten Behauptungen näher beleuchten.