scheinen ewzufieven. Hs«rin besteht etne schwer« Gefahr för unser ganze» politisches und nationales Leben, da gerade viele in ihrem Wirkungskreise bodenständige Heimatsblätter von dem Zusammenbruch ereilt würden. Die Versammlung ermächtigt daher den Vorstand, den Herrn Reichskanzler unter Hinweis auf die hohe Bedeutung der Presse für die siegreiche Durchführung deS Krieges dringend zu bitten, unver züglich alle Maßnahmen veranlassen zu wollen, die geeignet find durch Eingreifen der Staatsgewalt die drohende Katastrophe vom deutschen Zeitungsgewerbe abzuwenden.' Wirtschaftliche Wünsche für den Waffenstillstand. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß dem Ein treten des eigentlichen vollen Friedenszustandes eine Periode des Waffenstillstandes vorausgehen wird, während der auf Grund einer zunächst nur in großen llmriffen skizzierten Friedensgrundlage dann die zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Einzelheiten deS Friedensvertrages festgestellt werden. Angesichts der außerordent lichcn Ausdehnung dieses Krieges sowie namentlich auch der überaus einschneidenden Wirkungen, welche er auf wirtschaftlichem und Wirt schaftspolitischem Gebiete mit sich gebracht hat, läßt sich wohl er- warten, daß die Zeitdauer dieser Periode des Waffenstillstandes, so sehr man auch die Friedensverhandlungen zu beschleunigen be strebt sein wird, keine ganz kurze sein dürfte. Unter diesen Um ständen erscheint es aber dann dringend erforderlich, für diese Periode gewisse provisorische Maßnahmen herbeizuführen, um die Ueberführung der kriegswirtschaftlichen Verhältnisse in den Friedens zustand vorzubereiten und zu erleichtern. Der»Ständige Ausschuß deutscher Vereine zur Förderung des Außenhandels' hat sich mit diesen Fragen beschäftigt. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die nachstehenden Punkte, deren Durchführung dem gleichen Interesse aller kriegführenden Staaten entspräche, sofort bei Beginn deS Waffenstillstandes durch besondere Vereinbarung verwirklicht werden sollten: 1. Ermöglichung der Wiederanknüpfung geschäft licher Beziehungen mit Firmen und Personen in Feindes land durch Vermittlung neutralländischer VertrauenSpcrsonen eventk unter Kontrolle der Zensurbehörden.— Ermöglichung brieflichen und telegraphischen Verkehrs mit Geschäftsfreunden im feindlichen Aus� lande ohne andere Verzögerung, als durch die notwendigste Zensur- kontrolle erfordert wird. Insbesondere auch Ermöglichung der Er- örterung schwebender Streitsragen mit Lieferanten, Bauunternehmern, Installateuren, Druckern usw. in Feindesland. 2. Vorbereitung einer RechenschafiSablegung der Sequester über den geschäftlichen Stand der sequestrierten Firmen und Vermögensbestände sinSbesondere auch über etwa erfolgten Ver- kauf von Waren oder Mobiliar und ähnliche Maßnahmen); Ver- pflichtung der Sequester zur AnSkunftseiteilung auf bestimmte An- fragen, Rechenschaftsablegung auch der seindeSländischen Banken über den Stand der bei ihnen sequestrierten Depots durch Lieferung von a. dato abgeschlossenen Kontoauszüge. 8. Ermvglichung von Nachforschungen nach dem Verbleib der bei Kriegsausbruch unterwegs gewesenen Waren- sendungen und Auskunfterteilung darüber seitens der Behörden des FeindesstaateS, der sie etwa beschlagnahmt hat. Freilassung der in seindeSländischen Häfen festgehaltenen Waren, soweit sie nicht Bannware betreffen und ihre Festhaltung nur durch den KriegsauS bruch veranlaßt wurde, und Ermöglichung ihres Weitertransports nach neutralen Bestimmungsorten.
Anton Fendrich in der Schule. '■ In der bürgerlichen Presse Baden» bi» hinein inS Zentrums lager wird gegenwärtig eine Volksausgabe der Fendrichschen Kriegs- lüerntur zur Anschaffung für die Jugend empfohlen. Die Amts verkündigcr machen ganz besondere Reklame für die Versorgung der Schuljugend mit dem Büchlein des sozialdemokratischen KaisergasteS Und es tut bis in sozialdemokratischen Herzen hinein so wohl, daß eS ein positiv tätiger Genosse mit seiner grundsätzlichen Auf- klärungSarbeit zu solchem praktischen Erfolge gebracht hat. Seifenbezug technischer Betriebe. Bekanntlich bestimmt die Bekanntmachung über den Verkehr mit Seife usw. vom 18. April, daß technische Betriebe auf besonderen Antrag einen Bezugsschein für Seife vom KriegSauSschuß für pflanz- liche und tierische Oele und Fette, Seifenkontrolle, in Berlin IHV 7, Unter den Linden 68a erhalten. Diese Bestimmung hat in den weitesten Kreisen von Industrie und Handel leider eine miß- verständliche Auslegung erfahren. Der Kriegsausschuß ist ledig« lich ermächtigt, den Bezug solcher Seifenmengen freizustellen, welche eine technische Verwendung finden, das heißt, zur Fabrikation selber unbedingt benötigt werden, und durch Ersatzmittel nicht vertreten werden können. Es ist aber völlig zwecklos, wenn Fabriken, Bureaus usw. An- träge zwecks Beschaffung von Seife für die körperliche Reinigung ihrer Ange st eilten beantragen, die dem einzelnen Verbraucher auf Brotkarte monatlich zustehende Meng« an Waschmitteln ist so reichlich bemessen, daß sie auch für die Reinigung in den Betriebs- stunden ausreicht. Ebenso wird Seife auch nicht für die Reinigung von Betriebsräumlichkeiten, Gebrauchsgegenständen usw. freigestellt, da zu Scheuerzweckcn ausschließlich fettfreie Ersatzmittel zu ver- wenden sind. Durch die zwecklose Einreichung von An- trägen auf Seifenbezugscheine zu anderen als technischen Zwecken wird die Erledigung wirklich dringender Anträge unnötig verzögert. Es liegt also im eigensten Interesse_ der Industrie, derartige zwecklose Anträge zu Unterlasten und sich bei der Anforderung von Seifenbezugsscheinen � lediglich auf diejenigen Mengen zu beschränken, welche für technische Zwecke unerläßlich sind. Auch sei darauf hingewiesen, daß FreistellungSanträge nur für die dem Bedarf eines MonatS entsprechenden Mengen einzureichen sind. Diejenigen Betriebe, welche für ihre Ange st eilten und Arbeiter Reinigungsmittel vorzuhalten verpflichtet oder gewöhnt sind, müssen angelegentlichst auf die Verwendung fettfreier Seifenersatzmittel hingewiesen worden. Solche Seifenersatzmittel werden in durchaus brauchbarer Beschaffenheit bereits von einer ganzen Anzahl ernfthaster und vertrauenswürdiger Firmen in den Handel gebracht.__ das tägliche örot. Verordnung über Ausfuhrverbote. Amtlich. Berlin , 5. Juni. (W. T. B.) Der B u n d e s r a t hat in feiner heutigen Sitzung eine„Verordnung über Ausfuhrverbote" erlassen. Danach haben die Landeszen- tralbehörden vor dem Erlaß von Verordnungen, die für ihr Bundesgebiet oder einen Teil desselben einAussuhrverbot oder eine Ausfuhrbeschränkung von Gegenständen des notwendigen Lbensbedarfs enthalten, oder in ihrer Wirkung einem solchen Ausfuhrverbote oder einer solchen Ausfuhrbeschränkung gleich- kommen können, dem Reichskanzler Gelegenheit zu geben, im Interesse der Gesamtversorgung des Reichsgebietes Einspruch zu erheben. Beim Erlaß dieser Verordnung bereits bestehende Anordnungen dieser Art sind dem Reichskanzler nachträglich vorzulegen und auf sein Verlangen aufzuheben. Bevor der Reichskanzler ein solches Verlangen stellt, wird er mit der beteiligten Landesregierung sich ins Benehmen setzen und da- für Sorge tragen, daß durch entsprechende Versorgungs regelung uird Preisfestsetzung für die Beteiligten Wirtschafts
'geStele e'ne unbilligk iSchadrgMt? 5es N'llZ'fu?k?Are?e's ber- mieden wird._ Brot und Schwert. Auf einer Tagung des„Bundes deutscher Gelehrter und Künstler" sprach Geh. Rat Rubner über„Deutschlands Er- nährung". Ue-ber unsere Lage der Ernährung äußerte er sich nach dem Bericht der„Deutschen Tagesztg." durchaus beruhigend „Schwierigkeiten— ja; aber man rede doch nicht von Gefahren. Wäre denn ein schlechter Friede besser als eine zeitweilige schlechte Ernährung? Könnten wir unseren Kriegern dann noch ins Auge sehen? Der Stand unserer Volks ernährung gibt keinen Anlaß, unsere militärischen Unternehmungen einen Tag früher als nötig abzubrechen Die Leitung unserer äußeren Politik braucht sich nicht im gc ringsten in ihren großen Aufgaben beirren lassen. Längst wird der letzte Franzose im englischen Dienste verblutet sein, e h e D e u t s ch- land weiß, was wirklich Hunger ist.' Auf einen ähnlichen Ton waren die Ausführungen von Walter B l o e m über den„Geist des deutschen Heeres" gestimmt. Er begann laut„Tagesztg." mit dem Bekenntnis:„Träumt Ihr den Friedenstag? Träume, wer träumen mag. Krieg! ist das Losungswort, Sieg! Und so schall ' eS fort." Dann legte er an vielen Stücken aus dem Leben dar, wie der Krieg für den Soldaten eine große„Neuorientierung' seine? ganzen Lebens und Wesens gebracht hat. Der Soldat hat nur ein Kriegs ziel: don Sieg, der einen Frieden bringt, der die ungeheuren Opfer lohnt. Vorher hört der Soldat nicht auf und man soll nicht wagen, das zu verlangen! Das ist der Geist des eereS draußen! Nichts wissen wollen die Soldaten aber von Miesmacherei in der Heimat. Das soll sich die Heimat merken.' Aus der Praxis der Z. E. G. In den westlichen Städten bleibt der illegale Butterhandel weiter. Ausländische Lutter wird von allen möglichen Leuten zu Wucherpreisen losgeschlagen. Die Konsumgenossenschaften, die sich an das Einseiter-Verbot der Z. E. G. halten, müssen vom Verkauf der Auslandsbutter absehen, obwohl sie solche zu relativ billigen Preisen beziehen und abgeben könnten. Die Konsumgenossenschaft „Befreiung" in Elberfeld wurde schon vor einigen Wochen von der Z. E. G. verhindert, L06 Tonnen Butter zum Preise von 2,37 M. pro Pfund zu beziehen. Jetzt kaufte nun die Genossenschaft, ge drängt durch den großen Buttermangel in Elberfeld sL3 Gramm pro Kopf und Woche!), in Holland 200 Tonnen gleich 10 000 Kilo- gramm Butter und ließ sie im Waggon direkt nach Elberfeld spe- dieren. Pflichtgemäß meldete sie das Quantum bei der Z. E. G. an und erhielt prompt die Aufforderung, den Verkauf zu unter- lassen und die Butter umgebend an das Dortmunder Lager der Z. E. G. zu senden. Inzwischen hatte aber bereits der Elber. felder Oberbürgermeister die Butter zugunsten der gesamten Elberfelder Einwohnerschast beschlagnahmt. Das half aber nichts. die Z. E. G. bestand auf ihrem Schein. Einspruch bei der Düssel - dorfer Regierung war vergeblich. Nach fast achttägigem Verhandeln mußte die Butter nach Dortmund gesandt werden. Gleichzeitig er- hielt die Stadt den Bescheid, sie würde von Dortmund andere Butter bekommen. Der Mangel war nämlich besonders fühlbar geworden, da in der fraglieben Woche kein Fleisch an die Bevölke- rung verteilt wurde und sämtliche Eier der Beschlagnahme ver fielen. Der Erfolg ist nun, daß die Butter ganz sinnlos nach Dortmund läuft, von dort gleich wieder nach Elberfeld erpediert werden kann, da die Stadt doch Butter haben muß und soll, viel- leicht inzwischen ranzig wird und dann statt 2,88 M. pro Pfund infolge der Vermehrung der Fracht- und Lagerspesen 3 M. kosten muß._
v.
in der„Täglichen
Profestor Rundschau': Wer vom Süden in den Norden reist, gerät immer wieder in Erstaunen über die Unzulänglichkeit der in Preußen getroffenen Maßnahmen. Wir haben in Württemberg eine einheitliche Brotkarte für da» ganze Land. Sie gilt aber auch in Bayern und in Baden. Kommt man nach Preußen, so rndet man in jedem Ort eine andere Brotkarte. Wie- viel Umständlichkeiten verursacht da» I Aber auch wieviel Mehr- verbrauch. Denn der Reisende bekommt in den Gasthäusern eine Tagesbrotkarte, die eine Zulage zu der seinem Haushalt zustehenden Menge bedeutet.... Und dann die Versorgung mit Molkereiprodukten. Man ließ in Preußen die Butterpreise hinauftreiben bis zu der Höhe von nahezu 3 M. und setzte dann die Höchstpreise auf etwa 2.S0 M. fest. Jn�Süddeutschland war der Butterpreis damals 1,60 bis 1,80 M. Sollte man nun Preußen folgen, den Butterpreis übermäßig hoch ansetzen oder nicht vielmehr einen niedrigeren Höchstpreis festhalten, aber zugleich den Verbrauch und die Ausfuhr regeln? Man hat das letztere vorgezogen. Und mit Recht. Aehnlich ist es mit dem Fleisch und den Eiern gegangen. Wir haben in Württemberg längst die Fleisch karte. Warum hat man sich in Norddeutschland nicht dazu entschlosten? Der E i e r h a n d e l ist in Württemberg mono polifiert worden. Hat man in Preußen ähnlich vorgesorgt?... Und endlich die Durchführung der vom Reich getroffenen Anordnungen. Hat man wirklich in Preußen die Grundbesitzer ebenso scharf herangenommen wie in Bayern und Württemberg die Bauern? Hat man etwa in Berlin die Hamsternester in den größeren Haushaltungen ausgeräumt, wie eS in München geschehen ist? Als kürzlich in Stuttgart eine genaue Revision sämtlicher Fleisch- geschäfte vorgenommen wurde, zeigte eS sich, daß dort keinerlei unzu- lässige Anhäufungen von Waren stattgefunden hatten. Und wie war in Berlin ? Hätte man auf dem Berliner RathauS (und Polizeipräsidium. Die Red. des„Vorw.") die gleiche Einsicht, Um- cht und Willenkraft bewiesen wie in den großen süddeutschen Städten Stuttgart , München , Straßburg und anderen, so sähe es etzt in der Reichshauptstadt bester auS. Und hätte die preußische Re- gierung mit der gleichen Schnelligkeit eingegriffen wie die süddeut- chen Regierungen, so würden viele Klagen m Preußen vermieden worden sein."_ Vierlose Tage. Die Reichsregierung hat die Einführung bierloser Tage in Aussicht genommen I Das wurde, wie der„Kreaz-Ztg." aus Dresden berichtet wird, in der letzten Sitzung des Vereins der Dresdener Gastwirte mit- geteilt. Gegebenenfalls soll ein beschränkter Ausschank und eine Verkürzung der Polizeistunde erfolgen. ES sind darüber bereits amt- liche Mitteilungen an die sächsische Regierung und an den Stadtrat von Dresden ergangen._ fius Industrie und Handel. Die Einzahlungen auf die vierte Kriegsanleihe beliefen sich in der Berichtswoche auf 314 Millionen Mark, wovon 128,1 Millionen Mark mit Hilfe der Tarlehnskassen geleistet wurden. Die über- Haupt von den Tarlehnskassen für die Zloecke der vierten Kriegs- anleihe ausgeliehenen Gelder berechnen sich jetzt auf 431,2 Millionen Mark, während die bis zum 31. Mai geleisteten Einzahlungen die Summe von S427 Millionen Mark gleich 87,5 Proz. des gesamten
Soziales.
Zur Regelung des Arbeitsnachweises. Vom Kaiserlichen Statistischen Amt ist im Austrage deS Reichsamts des Innern ein Verzeichnis der(nicht gewerbs- mäßigen) Arbeitsnachweise im Deutschen Reiche nach dem Stande vom 1. Mai 191S herausgegeben worden. Das Ver- zeichnis soll, indem es die leichte Auffindung der an den einzelnen Orten uird für die einzelnen Gewerbszweige bestehenden Arbeits- nachweise ermöglicht, den Ausgleich zwischen Angebot und Nach- frage auf dem Arbeitsmarkte fövdern; es soll insbesondere den Heimkehrenden Kriegern bei ihrem Wiedereintritt in das Erwerbs- leben als Wegweiser zu den Vermittlungsstellen dienen. Die Unter- lagen für das Verzeichnis bilden die Anzeigen, die nach den auf Grund eines Beschlusses des Bundesrats vom 12. Mai 1015 durch die Bundesregierungen erlassenen Verordnungen von sämtlichen nicht gewerbsmäßigen Arbeitsnachweisen erstattet»verden mußten. Die Anzeigen wurden, soweit sie bis zum 1. Mai 1916 eingegangea waren, in das Verzeichnis ausgenommen. Insgesamt sind die Adressen von 3602 Arbeitsnachweisen verzeichnet; davon entfallen 2062 auf Preußen, 488 auf Sachsen , 306 auf Bayern , 119 auf Hamburg , 114 auf Baden, 94 auf Württemberg , 72 auf Hessen . Außer der Anzeigepflicht ist infolge des erwähnten BuudesralS- beschlusses durch die anschließenden Ausführungsbestimmungen der Bundesstaaten für die größeren Nachweise auch eine Verpflich- tung zu regelmäßiger Meldung der überschüssigen offenen Stellen geschaffen worden. Die Meldung erfolgt teils unmittelbar beim Kaiserlichen Statistischen Amt, teils bei lokalen öffentlichen Arbeits- nachweisen oder ArbeitsnochweiSzentralen. Auch diese Einrichtung dient dem Ausgleich der Arbeitsgesuche und--angcbote.
verantwortlicher Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.
gezeichneten Betrage»«rrSichen. � � �_■ r:-:_,_ Für de» JnferÄenteil vermra».: rh.Sl»ck«.»erlt». Druck».vackagtvorwSrt« Buchdruckern K. LerlagSanstalt Pank Singer k to, Berlin SW.
Gerichtszeitung. Charlottenburger Ausschreitungen vor Gericht. Die Charlottenburger Vorgänge bei Butter- und Fleisch- Polonäsen beschäftigten gestern das Schlvurgericht des Land- gerichts III. Die auf LandfriedenSbruch lautende Anklage richtet sich gegen da« Dien st mädchen Anna Bischoff, die Arbeiterin Ida Duchrow, den Hauswart Karl Echammer, dessen Frau Frieda, die Grete Sadowsiy und den Kutscher Otto Liebenow. Die Angeklagten befinden sich seit dem 16. Mai in Untersuchungshaft. Die Angeklagten Schammer, der vorbestraft ist, sowie der bisher völlig unbestrafte Liebenow sind als Rädelsführer unter Anklage gestellt. Am Abend de» 4. Mai dieses Jahres kam es in Charlottenburg vor mehreren Lebensmittelgeschäften zu Unruhen, die nachts in der Gegend der Kaiser-Friedrich-, Bismarck-, Grolman- und Kantstraße zu sehr lebhaften Szenen führten. Geschäftsschilder wurden abgerissen, die Schaufensterscheiben zertrümmert und Vorräte entwendet. Die An- geklagten bestreiten ihre Schuld und behaupten fast sämtlich, daß sie aus Neugierde sich in die Nienschenmenge begeben und dann ohne ihre Schuld in dem Gedränge mit fortgerissen worden seien. Auch der Angeklagte Schammer behauptet dies. Seine Ehestau gibt zu, daß sie in drei Läden eingedrungen sei, sich die Markttasche voll Levensmittel aller Art gepackt habe. Sie ist mit ihrer gestillten Tasche mehrmals nach Hause gegangen und dann zurückgekehrt. Bei ihr sind Makrelen, Bulter, Ochsenmaulsalat, Oelsavdinen, Eier, Marmelade, Kunsthonig, Pflaumen und andere Sachen vorgefunden worden. Die Geschworenen sprachen drei Angeklagte frei und sprachen nur den Ehemann Schammer des einfachen Landfriedensbruchs, die Ehefrau Schammer deS fchwcren LandstiedenSbruchS schuldig und billigten ihnen mildernde Urnstände zu. Der 17jährige Liebenow wurde auch deS«infachen Landstiedensbruchs schuldig befunden, aber die Einsicht von der Strafbarkeit seiner Handlungsweise ver- neint. Der Staatsanwalt beantragt« gegen den Ehemann Scham- mer 1 Jahr Gefängnis, gegen Frau Schammer 9 Monate Gcfäng-- nis. Das Gericht verurteilte den Angeklagten Schammer zu einem Jahr, die Frau zu acht Monaten Gefängnis, >wei Wochen wurden bei ihr als verbüßt angerechnet. Der Ange- lagt« Liebenow soll in eine Erziehungsanstalt ge- bracht werden._ Brotkartendiebstahl. Einen schwunMlften Handel mit Brotkarten betrieb Ernst Rademacher, der gestern unter der Anklag« des Dieb- stahls vor ber 1. Strafkammer des Landgerichts II stand. Der Angeklagte ist am 20. März dabei betroffen worden, wie er in der Nähe der Pfandkammer in der Schönhauser Straße an Passanten und Gäste von Schanklokalen Brotkarten zum Kaufe anbot. Er wurde angebalten, und es wurden noch ein paar Brot- karten bei ihm vorgefunden, die er von einem Dritten getauft haben wollte. Nach Feststellung seiner Persönlichkeit wurde er wieder entlassen. Die Sache nahm fiir ihn eine unangenehme Wendung, als er am 30. März wieder bei einem solchen Handel be- trösten wurde. Diesmal fand man bei ihm wieder noch mehrere Brotkarten vor. Es wurde festgestellt, daß diese aus einem Ein- bruch in die Räume der Brotkommission in der Bergmannstratze, wo 2000 Brotkarten gestohlen worden sind, die anderen aus dem Ein- bruchsdiebstahl in der Gotenburger Straße herrührten, wo den Einbrechern 1000 Stück zur Beut« gefallen waren. Der Angeklagte blieb vor Gericht dabei, daß er die Brotkarten von einem Unbe- kannten gekauft habe. Während der Staatsanwalt gegen ibn iregen Diebstahls 114 Jahre Gefängnis beantragte, veruc- teilte das Gericht den Angeklagten wegen gewerds- und ge- wohnheitsmäßiger Hehlerei zu l Jahr Zuchthaus. Ueberspanuung des Begriffs grober Unfug. Einer starken Ueberspanuung des Begriffs„grober Unfug" vermochte da8 Kammergericht in seiner letzten Sitzung nicht abzuhelfen. Weil sie französischen Kriegsgefangenen auf der Straße in Bochum zugewinkt hatte, war ein damals l7jähriges junges Mäd- chen, Fräulein Breiska, wegen groben Unfugs von der Strafkammer zu einem Verweise verurteilt worden. Tie Strafkammer uhrte begründend aus: Aus einer Straße in Bochum hatte sich eine größere Anzahl Personen angesammelt, die einen Transport 'ranzösischer Kriegsaefangener beobachteten. In der Menge befand ich Fräulein Breiska. Sie winkte den Kriegsgefangenen zu. Sie behauptete, sie habe sich nichts dabei gedacht. ES steht aber fest, daß die Menge über ihr Verhalten empört war und sich an einen Schutzmann wandte. Das Publikum fühlte sich in seinen vaterländischen Gefühlen dadurch gekränkt, daß sich die Angeklagte o auf der Straße benahm. Unter den obwaltenden Umständen «i der Bestand der öffentlichen Ordnung durch die Angeklagte ver- letzt worden. Es ist grober Unfug anzunehmen. Da die frühere Lehrerin der Angeklagten, die sich im übrigen deren Verhalten nur aus Mitgefühl erklären konnte, ihrer geistigen Regsam- keit ein gute» Zeugnis ausstellt, so ist auch anzunehmen, daß die Angeklagte bewußt gehandelt und die nötige Einsicht gehabt habe. Der Vater der Angeklagten legte Revision ein. Das Kammergericht verwarf die Revision mit folgender Begründung: Aus den Ausführungen des Landgerichts gehe nicht hervor, daß es sich über den Begriff des groben Unfugs geirrt habe. Es gehe auch von der auch vom Kammergericht vertretenen Ansicht des Reichsgerichts aus, wonach grober Unfug gegeben sei, wenn eine solche Beunruhigung deS Publikums hervorgerufen werde, die geeignet sei, unmittelbar den Bestand der öffentlichen Ordnung zu gefährden. Das Kammergericht konnte eine andere Entscheidung nicht fällen, weil es'nach dem Gesetz an die tatsächliche Fest« stellung der Vorinstanz gebunden war.__.(r)