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|ir. 154. 83. Jahrgang.

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Aienstag. 6. Juni 1916.

Mus Groß-öerlin. Wurst. Nach der neuen Verordnung des Magistrats kommt Wurst auch auf die Fleischkarte in Anrechnung. Wer also Wurst kauft, erhält weniger Fleisch oder Fett. Nun wird die Wurst, die jetzt zulässig ist, aus den inneren Teilen des Viehes hergestellt, und es wäre doch ernstlich zu erwägen, ob nicht ein bestimmtes Quantum Wurst besonders auf die Fleisch- karte verabfolgt werden kann, wie das in einigen Gemeinden der Fall ist. Zu dieser Frage erhalten wir folgende fach- männischen Darlegungen Der Berliner Magistrat hat vor einiger Zeit verfügt, daß nur noch wenige Wurstsorten hergestellt werden dürfen. Leider ist nicht gesagt, was die Wurst enthalten mutz, oder besser, was der Käufer für sein Geld bekommt. Diese Verordnung zeigt deutlich, wie es nicht gemacht werden darf. Datz für Grotz- Berlin nicht die gleichen Bestimmungen erlassen wurden, öff- net dem Betrug Tor und Tür. Wurst ist heute mehr denn je Vertrauenssache. Was hellte alles unter diesem Namen verkauft wird, ist eine Schmach. Was für die festgesetzten Höchstpreise als Wurst verkauft wird, entspricht keineswegs dem Wert des angelegten Geldes. Der Magistrat wollte billige Wurst schaffen, was sehr anzuerkennen, leider aber nicht gelungen ist. Besonders reichlich wird jetzt Grützwurst hergestellt. Warum gerade Grützwurst, wird der Laie fragen. Sehr einfach! Sie bringt den größten Gewinn. Von dem jetzt so kostbaren Blut und Fett wird wenig, letzteres wohl kaum, gebraucht. Das Neueste auf dem Gebiete der Grützwurstmacherei ist die Verwendung von Rübenarten. Hier wird nach allen Regeln der Kunst Fleisch gestreckt, um nicht zu sagen überhaupt keins gebraucht. Der schnelle Verkauf der noch warmen Würste bringt den Fleischern noch einen besonderen Verdienst. Durch die jetzige Art der Wurstmacherei, die rentabler als sonst ist, werden die Konsumenten erheblich übers Ohr gehauen. Wiederholt ist angeregt worden, die Wurstmacherei gänz- lich zu verbieten. Wir halten dies für unangebracht im Jnter- esse der Allgemeinheit. Zunächst ist zu beachten, datz es durch die Wurstfabrikation möglich ist, viele Teile der Schlachttiere vorteilhafter als sonst zu verwerten. Auch ist Wurst für die- jenigen, die erst des Abends ihrMittagbrot" verzehren können, eine angenehme und billige Fleischnahrung. Auch ist zu beachten, datz durch die Wurstfabrikation eine Streckung des Fleisches möglich ist. Notwendig ist jedoch, datz die Wurst so hergestellt wird, datz sie einen Nährwert hat. Ist dies unter den jetzigen Verhältnissen möglich? Diese Frage muß bejaht werden. Voraussetzung ist jedoch, datz nicht die Interessen der Hersteller ausschlaggebend sind. Die beste Lösung ist die Verstod tlichung der Wurstfabrikation. Für den Magistrat als Fleisch- grotzhändler ist dies nicht undurchführbar. Gr kann Blut, Lungen, ein Teil Leber, Därme, Schweinemiker. Kalbsgekröse, Schweineköpfe mit Backen usw. aller auf dem Schlachthof ge- schlachteten Tiere(soweit sie nicht der Militärverwaltung ge- hören) zurückbehalten, und eine andere Regelung der Grotz- fleischpreise wäre bald gefunden. In einigen Wnrstfabriken die heute stillstehen ober in besonders hierzu eingerichteten Betrieben wäre dann das alles unter strenger Kontrolle zu vertvursten. Wieviel Wurst aus dem Rohmaterial hergestellt werden kann, ist zu berech- nen, so datz auch hier eine Kontrolle möglich ist. Einem Fleischermeister dürfte man jedoch die Leitung nicht über- tragen, sonst könnte man leicht trübe Erfahrungen machen. In Berlin gibt es tüchtige Erstgesellen, die mit Erfolg Groß- betriebe geleitet haben, diese bürgen mehr für guteS Gelingen des Planes. Folgende Wurstsorten würden anzufertigen sein: Grütz- Wurst, Leberwurst mit Mehlzusatz, Blut- und Leberwurst ohne Mehlzusatz, eine Brühwurst und eine Sülz « oder Sülzwurst. Eventuell könnte auch eineKriegswurst", wie sie einige süd- deutsche Städte herstellen, angefertigt werden. Die Praxis würde schon nach kurzer Zeit die beste Methode der Fabrikation ergeben. Eine bureaukratische Geschäftsführung müßte der- mieden werden; Fachmann und Kaufmann müssen gemeinsam arbeiten. Eine Kommission, zu der Fachleute hinzuzuziehen sind, könnte in kurzer Zeit alle Vorarbeiten erledigen. Der Verkauf der fertigen Ware könnte den Fleischer- meistern übertragen werden oder in den Markthallen und anderen Geschäften erfolgen. Hier würde sich ebenfalls un- schwer der richftge Weg finden lassen. Datz die Wurstmacherei im Großbetrieb rentabler ist, be- streiten auch die Fleischermeister nicht. Was sie dagegen ein- wenden, ist, daß vielen kleinen Meistern eine gute Verdienst- quelle genommen wird. Dieser Einlvand kann aber nicht aus­schlaggebend sein in der jetzigen Zeit, wo Millionen große Opfer bringen müssen. Der Fleischverkauf nach den jetzigen Preisen und Vorschriften ist ja auch noch ein lohnendes Ge­schäft._ Die städtische Wurst macherei würde den Bür- gern eine bessere Wurst als bisher liefern können. Wird die Sache am richtigen Ende angefaßt, so wird es auch klappen. So wie bisher darf es in der Wurstfabrikation nicht weiter- gehen!_ Der erste Tag der Fleischkarte« Gestern hat die Fleischkarte in Berlin ihre Herrschaft angetreten. Der bisherige Zustand, Fleisch auf die Brotkarte irgendwo zu ent» nehmen, wo man solches bekommt, hat sein Ende erreicht. Glücklicher« weise, möchte man sagen. Denn in der Hauptsache bekam der, welcher nickt gerade einige Stunden stehen wollte oder konnte, nur durch Glücks zufall einen Bissen Fleisch. Biel wurde.hintenrum" verschoben. Man mußte schongute Beziehungen" zu einer Schlächter- meisterfamilie haben, um Fleisch zu erhalien. Das soll nun anders werden. Die Fleischkarte soll dem Inhaber eine Art Anrecht auf Fleischbezug gebe«. Wer jetzt Fleisch haben will, muß zu dem Schlächier gehen, bei dem er in die Kundenlisie sich hat ein« tragen lasten. Der Schlächter soll täglich bekannt geben, wer an die Reihe kommt. Der Kunde muß also öfter nach dem Schlächter gehen und sehen, wann er dran kommt. Auch ein besonderes Vergnügen. Gestern erfolgte der Fleischderkauf nummernweise. Ein ganze Anzahl Schlächter hatte in den Schau« fenstern bekanntgegeben, welche Nummern an die Reihe kommen, und zwar waren zugleich auch Zeiten bestimmt, wie etwa von 89 Uhr die Nummerb 1 SO. 910 Uhr von 60-100 und so fort. Dadurch wurde» größer« Ansammlungen vcrmieden. Im nächsten

Monat dürfte sich eine bessere Regelung herbeiführen lassen, wenn das Publikum sich bei einem anderen Schlächter in die Kundenliste eintragen lassen kann, bei dem weniger Andrang herrscht. Etwas kompliziert war die Berechnung des Preises für die in dieser Woche abzugebende Fleischmenge von 930 Gramm. Auch in den Gastwirtschaften durften gestern Fleischgerichte nur gegen Abgabe von Fleischkartenabschnitten verabfolgt werden. Wild und Geflügel ist fleischkartenfrei. Mord und Totschlag. Eine ganz ungewöhnliche Häufung von Sterbefällen durch Totschlag und Mord hat in Berlin sich in diesem Frühjahr bemerk- bar gemacht. In den sieben Wochen von Anfang April bis in die zweite Hälfte des Mai hinein starben hier infolge von Totschlag oder Mord, soweit behördliche Festellungen darüber vorliegen, nicht weniger als 14 Personen. Was diese Zahl bedeutet, möge eine Bergleichung mit den zu anderen Zeiten gemachten Beobachtungen zeigen. So sind aus den dreizehn Wochen von Anfang Januar bis Ende März dieses Jahres nur 12 Sterbefälle, die durch Tot- schlag oder Mord verursacht waren, zur Kenntnis der Behörde ge- langt. Das ganze Jahr 1916 brachte nur 22 festgestellte Fälle von Totschlag und Mord, woran die vier Vierteljahre mit 2, 9, 6, 8 Fällen beteiligt waren. Ungünstiger hatte das Jahr 1914 ab- geschlossen: bekannt wurden aus ihm 38 Fälle, die sich mit 9, 10, 10, 9 auf die vier Vierteljahre verteilten. Aber selbst gegenüber 1914 darf man bei den bisher aus 1916 und besonders aus den Frühjahrswochen gebuchten Fällen von einer Häufung reden, die auffallen muß. Daß bei an sich so kleinen Zahlen ein Zufall von sehr starkem Einfluß sein kann, ist selbstverständlich. Hoffen wir, datz auch diese in letzter Zeit beobachtete Steigerung nur aus Zu- fälligkeit fich erklärt. Der erste Naturschutzpark um Groß-Berlia ist mit Unterstützung des Zweckverbandes von einem naturfreudigen Privatmanne, dem einer Försterfamilie entstammenden Polizeisekretär Stübner aus Berlin-Treptow in der Königsheide bei Baumschulenweg ange- legt worden. Zunächst wurde das Ende der neunziger Jahre wegen des Kanalbaues abgeholzte Jagen 144 angeforstet und sofort ein- gezäunt, um eS gegen Naturschänder zu schützen. Wir finden hier schon 400 Ahorubäume von sechs bis sieben Meter Höhe, 6000 Eichen, 2000 Akazien, 600 Korkulmen, über 1000 Ebereschen, Kiefern und Birken. Von der Königlichen Oberförsterei Eberswalde wur- den 1000 wertvolle Edeltannen der verschiedensten Art zur Ver- 'sügung gestellt. Zahlreiche Singvögel haben diesen Tag und Nacht unter Aufsicht stehenden Naturschutzpark zur ungestörten Brut- statte erwählt. Demnächst sollen auch einige Wildarten eingesetzt werden. Unweit davon, an dem Wege nach Johannistal, vor dem großen Fenn, wurde das schon seit über 20 Jahren verödete Jagen 136 im Einvernehmen mit dem Zweckverbande von Herrn Stübner mit 2000 Traubeneichen neu angeforstet und eingezäunt. Bemer- kenswert ist hier die dem Wachstum dienlichere und mehr dem Natürlichen entsprechende Bogenform der Anpflanzung im Ge- gensatz zu der sonst in unseren Wäldern üblichen Reihenforstung. Etwa 600 Meter westlich von dieser schönen Kultur wird der Zweck- verband auf einer früheren Brandstelle einen großen Spielplatz an- legen lassen. Durch Unachtsamkeit des Ausflüglerpublikums ver­brannte Waldflächen sind leider gerade in der Königsheide sehr zahlreich zu finden. Sie sollen jetzt in schneller Folge sämtlich nach und nach angeforstet werden. Arbciterbildungsschule. Donnerstag, den 8. Juni, abends 81,4 Uhr, findet im Hörsaale der Schule, Lindenstratze 3, 4. Hof rechts, 3 Treppen, der zweite der wissenschaftlichen Einzelvor« träge statt. Genosse Ernst Däumig wird das Thema: Me s opotamien und die englische Herrfchaft in Indien " behandeln. Eintrittspreis 13 Pfennig. Die Bibliothek der Schule ist an allen Donnerstagabenden geöffnet. Zur Massenspeisung. Der Wirtschaftsausschuß für Volksspeisung, der gestern im Berliner Rathaus unter Vorsitz des Oberbürgermeisters Mermuth tagt«, nahm die Berichte seiner Kommisstonen entgegen, welche be» reitS lebhast an der Arbeit sind. Bei der daraus folgenden Be- ratung wurde zunächst der Grundsatz endgültig festgestellt, daß die Volksspeisung allen Schichten der Bevölkerung gleichmäßig zu- gängig sein und nicht den Charakter einer Unterstützung, sondern den einer Lieferung gegen Entgelt, und zwar gegen die Selbst« kosten der Stadt, tragen soll. Die Ausgabe der Speisen soll gegen Wochenkarten erfolgen, d. h. für sechs Tag« auf einmal; wer dies besonders verlangt, soll jedoch auch am Sonntag gespeist werden. Das Verhältnis der Naturalspeisung zu bereits bestehenden städtischen Lebensmittelverteilungen wurde eingehend erörtert. Mau gelangte zu dem Ergebnis, daß gegen eine nahrhafte Mittag. speise wöchentlich zwei Drittel von der Fleischkarte und ebensoviel von der Kartoffelkarte abgegeben werden, dagegen die Brotkarte, die Butterkarte und die Zuckerkarte den Haushaltungen für ihre sonstigen Mahlzeiten ungeschmälert verbleiben soll. Die Kommis- sion für die Beschaffung und Ausrüstung der erforderlichen Räum- lichkeiten hat ihren Plan nahezu fertiggestellt und ist in seiner Ausführung begriffen. Der Aufruf zur Anmeldung wird, wie be- reits berichtet, in den nächsten Tagen erfolgen. Erhebliche Schwierigkeiten werden auch in der vorliegenden Angelegenheit durch die kommunale Zerrissenheit Groß-BerlinS in viele Gemeinwesen erwachsen. Wer in einem Vorort wohnt und in Berlin arbeitet, soll auch au den Massenspeisungen teilnehmen können. Da aber entstehen die Schwierigkeiten in der Anrechnung der verschiedenen Kartenabschnitte und in der eventuellen Umrech- nung. Gerade der Krieg hat bewiesen, wie unheilvoll die gemeind- liche Teilung Groß-BerlinS ist. Mietesteiger»«ge« iu Sicht. Der Treptower Hausbesitzervertin hat seine sämtlichen Mit- glieder durch Unterschrift zur Mietesteigerung verpflichtet. Ein Teil der Mitglieder ist darauf nur mit der Maßgabe eingegangen, daß von den zuziehenden Mietern höhere Mieten als blsher gefordert werden sollen. Dabei stehen in Treplow, wo die Mieten schon immer sehr hoch waren, infolge des Krieges nur wenige mittlere und größere Wohnungen leer. Auch die Mieteausfälle durch Ein« ziehung wenig bemittelter Mieter zum Kriegsdienst sind hier im Verhältnis zu anderen Gemeinden kaum nennenswert. Daher be- findet sich die Gemeinde Treptow in der angenehmen Lage, Miete« Unterstützungen bis zum Betrage von 30 M. monatlich zu zahlen. Zu der beschlossenen Mietesteigerung liegt also kein stichhaltiger Grund vor.__ Bom Kettenhandel. Der Fachausschuß für Kartoffeln, Gemüse und Obst der Preisprüfungsstelle Groß-Berlin beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung u. a. auch mit der Frage des sogenannten Kettenhandels. In einem Falle wurde festgestellt, daß Zwiebeln, ehe sie an den Verbraucher gelangt sind, innerhalb von drei Tagen viermal den Besitzer gewechselt haben, und zwar wurde die Ware innerhalb dieser Zeit mit nicht unerheblichen Zwischengewinnen von

Holland nach Dresden , von Dresden nach Kattowitz , von Kattowitz an einen Berliner Großhändler und von diesem erst an Berliner Kleinhändler verkauft, die sie endlich dem Verbraucher zuführten. Die Preisprüfungsstelle Groß-Berlin hat beschlossen, datz nur dann die volkswirtschaftliche Notwendigkeit eines Zwischenhandels in Zukunft von ihr anerkannt werden soll, wenn er Obliegenheiten erfüllt, die für die zweckmäßige Verteilung der Lebensmittel von unzweifelhafter Wichtigkeit sind. In anderen Fällen wird die Preis- Prüfungsstelle erwägen, ob eine Unzuverläsiigkeit im Handel, eine Zurückhaltung der Ware oder eine im Verhältnis zur Volkswirtschaft« lichen Leistung unangemessene Preissteigerung vorliegt und ge- gebenenfalls die nötigen Schritte zur Strafversölgung veranlassen. Bei einem Sparkasscnschwindcl erwischt wurde gestern eine 21 Jahre alte Arbeiterin Martha Wirth. Das Mädchen erschienjmt einem Sparkassenbuch, um eine größere Summe abzuheben. Sem Gebaren erregte aber Verdacht. Man schickte es deshalb mit der Weisung weg, später noch einmal wieder zu kommen und be- nachrichtigte unterdessen die Kriminalpolizei. Diese nahm die Ver- dächtige bei ihrer Rückkehr in Empfang, und es ergab sich, daß sie nicht nur dieses, sondern auch noch andere Sparkassenbücher ge- stöhlen hatte. Sie beabsicktigte demnächst einen 31 Jahre alten schon wiederholt bestrasten Bäcker Ernst Schulte zu heiraten, mit dem sie seit längerer Zeit ein Liebesverhältnis unterhielt. Um sich eine eigene Wohnung einrichten zu können, gingen die beiden ge- werbsmäßig auf den Einbruch aus. Hierbeiarbeitete" der Bäcker, während seine BrautSchmiere stand". Das Mädchen bestritt erst hartnäckig und wollte das Sparkassenbuch von einem unbekannten Manne erhalten haben. Die Wohnung anzugeben, weigerte es sich. Man fand aber bei ihm einen Zettel, auf dem zufällig die Wohnung angegeben war, und als man dort nun nachsuchte, fand man nicht nur allerhand Beute, sondern auch gleich den Einbrecher Schulte. Beide legten jetzt ein Geständnis ab und wurden dem Unter- suchungsrichter vorgeführt. Den letzten Einbruch hatten sie bei einer Witwe in der Lübbener Straße ausgekundschaftet und dann auch ausgeführt. Verloren gegangen ist am Donnerstag eine rote Kinderstrick- sacke nahe der Waldschänke Sadowa. Abzugeben Boxhagen, Gryphiusstr. 12, Ouergebäude IV, rechts. Mus öen GemeinSen. Kriegsunterstützungen in Weistensee. Dem Kriegsunterstützungsbureau lagen am Schluß des Vor« jahreS 8386 Anträge auf Gewährung von Unterstützung au die Familien der zum Heeresdienst Einberufenen vor. Diese Zahl ist bis Ende März d. I. auf 6648 gestiegen. Es gelangen jetzt 223 600 M. Kriegsunterstützung pro Monat zur Auszahlung. Die Anträge der Kriegerfrauen auf Gewährung von Mietsbeihilfen haben dauernd zugenommen. Sie sind von 790 im Monat Juni 1918 auf 2067 im Monat Januar 1916 gestiegen. Bereits im Monat Januar d. I. erreichten die ausgezahlten Mietsbeihilfen die Höhe von 34 266 M. Den Familienmitgliedern der im Felde stehenden Krieger wurden freie ärztliche Behandlung und freie Medikamente gewährt. Seit dem 1. Juni 1918 bis Ende März 1916 wurde der Arzt in 630 Fällen in Anspruch genommen, Auf Gewährung der Reichswochenhilfe wurden 42 Anträge gestellt. Die bisher bewilligte Summe betrug 3801 M._ Sozialdemokratische Lebensmittelinterpellatio» in Bernau . In der letzten Stadtverordnetenversammlung wurde von unseren Genossen folgende Interpellation eingebracht: Gedenkt der Magistrat Maßnahmen zur Regelung der Lebensmittelversorgung für die Bernauer Bevölkerung zu treffen? Genosse H e l b i g führte be« gründend dazu aus, daß ein großer Teil der Bevölkerung nicht in der Lage sei. die ihnen zustehenden Nationen erstehen" zu können, weil ihnen die Mittel dazu fehlen, ein anderer Teil aber außerhalb Bernaus beschäftigt und bis zur Beendigung der Verlausszeit noch nicht zurückgekehrt ist. Es sei weiter beobachtet worden, baß Besserbemittelte von den übriggebliebenen Waren höhere Rationen, als ihnen zustehen, ins Haus geschickt erhalten, während andere wiederum stundenlang warten mußten, bis sie die gewünschten Einkäufe erledigen konnten. Redner verlangte die Einführung der Massenspeisung und die Errichtung der dazu benötigten Räume. Vom Bürgermeister wurde erklärt, daß sich der Magistrat mit der Frage der Massenspeisung bereits beschäftigt und beschlossen habe, eine Umfrage bei den Kommunen zu halten, welche die Massenspeisung bereits eiugeführt haben. Zur bevorstehenden Bürgermeisterwahl wurde eine siebengliedrige Kommission gewählt, der auch Genosse H e l b i g angehört. Die Kommission hat unter den 144 Bewerbern für den Bürgermeisterposten zunächst eine engere Wahl zu treffen._ Mus aller Welt. L500 Zentner Käse verdorben. Recht interessante Einzelheiten über die Art, in welch leicht- fertiger Weise heute noch trotz größter Knappheit und Teuerung mit Lebensmitteln verfahren wird, ergab eine Verhandlung vor der Strafkammer in D a n z i g. Wie das.Westpreußische Volks- blatt berichtet, waren die Händlerin Luise Selinskt und der Kaufmann Leo L e ß voin Schöffengericht rn Neustadt wegen Vergehens gegen das Nahruugsmittelgesetz zu 100 Mark Geldstrafe verurteilt worden, hatten aber gegen das Urteil Berufung eingelegt. Wie nun vom Berufungsgericht festgestellt wurde, hatte der Angeklagte Leh im Auftrage der Se­linskt auf einer Auktion in Danzig einige Zentner verdorbenen Käse aufgekauft und dann weiter verkauft. Es handelte sich um Holländer Käse, der in Stettin solange gelagert hatte, bis er minderwertig geworden war. Von dort aus trat der Käse dann eine Wanderung an. Durch Vermittlung von Agenten wurden dreizehn Waggons, das sind etwa 2600 Zentner, von die- fem Käse nach verschiedenen Städten, darunter auch Berlin und Danzig , verkauft. Frau Selinski konnte den Käse aber nicht los werden, da er in allen Farben schillerte und inwendig Maden und Würmer waren. Ihr Beauftragter Letz wollte deshalb den Käse in Neustadt wieder versteigern lassen, mußte sich aber schleunigst drücken, als die zur Versteigerung gekommenen Käufer die Ware näher besahen. Der Angeklagte Letz erklärte, datz er den Käse für 60 M. den Zentner gekauft und in Neustadt für 40 M. verkauft habe. Das sei ein Preis für Futtermittel; man habe also nicht Käse zur menschlichen Ernährung erwarten können. Die Händlerin Selinski will den Käse überhaupt nicht gesehen haben, da sie in Berlin war. Das Berufungsgericht sprach die Händlerin Selinski frei, da sie an der Straftat unbeteiligt war und verwarf die Berufung des Letz. Letzterer hatte gewußt, datz der Käse zur menschlichen Ernährung nicht verwendbar sei, ihn aber dennoch zu diesem Zwecke verkauft. Der AngeLazte Letz ist noch sehr billig davongekommen. Sei» gefährliches Expsriment, diesen Käse, von dem er wußte, daß er vollständig verdorben war, als menschliches Nahrungsmittel weiter in den Handel zu bringen, hätte eine strengere Bestrafung gerecht» fertigt. Neben ihm hätten aber auch noch mehrere andere Per- tonen die Anklagebank betreten müssen, vor allem diejenigen, die den Käse so lange zurückhielten, bis er verdarb. Vielleicht läßt sich das Versäumte noch nachholen. In dieser Zeit ist es keine Privat­sache mehr, wenn jemand so große Posten Lebensmittel verderben läßt und jo dem allgemeinen Verbrauch entzieht.