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blattes war der Sammelplatz der von der Front zurückommenden und dahin abgehenden Genossen, die dort sagten, was ihnen auf dem Herzen lag. Zur Zeit der schrecklichen Epidemien, als die Sol­daten scharenweise über Nisch zurückzogen, war die Redaktion des Parteiblattes täglich stark besucht, so daß es ein wahres Wunder zu nennen ist, daß Genosse Duschan Popowitsch, der Redakteur des Blattes und Genosse Dragischa aptschewitsch, die mit Parteigenossen den Verkehr aufrechterhielten, nicht erkrankten und Opfer der furchtbaren Epidemie wurden. Genosse Trischa Kable­rowitsch, Mitglied der Stuptschina, erkrankte an Fleck­typhus. Sein kräftiger Körper überwand die Krankheit..

Die letzte Nummer des Parteiorgans erschien noch einige Tage vor der Einnahme von Nisch   durch den Bulgaren  . Das Blatt be= tont in seinem Leitartikel, daß Serbien   nun wohl vernichtet werde. man möge aber das Vertrauen und den Mut nicht verlieren, Ser= bien und das serbische Volt wird durch den Sozia= Iismus befreit werden. Hoch der Sozialismus! Das war der letzte Ruf der serbischen   Sozialdemokratie, das letzte Lebenszeichen der serbischen   Partei. Dann kamen die Bulgaren  und die tragischen Ereignisse folgten einander. Das Blatt wurde weggefegt, die Partei verschwand und in dem blutigen Durchein­ander zerstoben die Genossen wie Spreu im Winde. Die Genossen Laptschewitsch und Popowitsch, die das Blatt bis zum letzten Augen­blick fertigstellten, konnten sich irgendwie bis nach Belgrad   zurüd durchschlagen."

Der Genosse Kahlerowitsch war inzwischen nach dem Ausland verschlagen worden, wo er, wie wir hereits wissen, seine Wirksam. teit als Abgeordneter und Vertreter der serbischen   Partei energisch fortsette. Die in Serbien   gebliebenen Genossen hatten aber jede Verbindung mit ihr verloren. Erst am 15. Mai langte beim Ge­nossen Laptschewitsch ein Brief an, den Kaplerowitsch amt 8. Mai aus Bern   an ihn richtete. Interessant ist folgende Stelle aus die­sem Briefe:

" Schon früher habe ich Sie davon verständigt, daß ich im vorigen Jahre, am 5. Dezember, in Sfutari ein Memoran­dum an die Regierung richtete, in dem ich sie aufforderte, so­fort Frieden zu schließen. Den offiziellen Kreisen Ser­ biens  , den Scheinpatrioten und den Chauvinisten hat das fret­lich nicht gefallen. Sie griffen mich heftig an und erklärten wieder und abermals, daß wir deutsche und österreichisch- unga­rische Agenten wären. Die nüchtern denken Abgeordneten haben das Memorandum für am Blaße und richtig befunden."

Genosse Laptschewitsch, der zusammen mit Kaplerowitsch die Partei in der Skuptschina vertritt, fügte zu diesen Worten hinzu: " Was Kaplerowitsch getan hat, ist die Fortsetzung unseres Verhaltens vom ersten Tage des Krieges an. Er konnte gar nicht anders handeln." ( z)

Der Nachfolger Kitcheners.

Paris  , 8. Juni.  ( W. T. B.) Die Blätter erfahren aus London  : Die Wahl der Regierung für die Nachfolgerschaft Kitcheners wird auf French fallen.

London  , 7. Juni.  ( W. T. B.)" Manchester Guardian" glaubt bestimmt, daß Lloyd George   der Nachfolger Kitcheners sein wird.

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Der französische   Tagesbericht.

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 8. Juni 1916.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplah.

Der Artilleriekampf beiderseits der Maas   dauert mit unverminderter Heftigkeit an.

Deftlicher Kriegsschauplah.

Südlich von Smorgon drangen deutsche Erkundungs. abteilungen über mehrere feindliche Linien hinweg bis in das Dorf Kuuawa vor, zerstörten die dortigen Kampf­anlagen und kehrten mit 40 Gefangenen und einem er­beuteten Maschinengewehr zurück.

Auf der übrigen Front bei den deutschen   Truppen keine besonderen Ereignisse.

Balkan  - Kriegsschauplah. Ortschaften am Dojran- See wurden von feindlichen Fliegern ohne jedes Ergebnis mit Bomben beworfen. Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht. Wien  , 8. Juni.  ( W. T. B.) Amtlich wird ver­Russischer Kriegsschauplas.

lautbart:

In Wolhynien   haben unsere Truppen unter Nachhutkämpfen ihre neuen Stellungen am Styr erreicht.

An der Jkwa und nördlich von Wizniowczyk an der Strypa wurden mehrere russische   Angriffe abgewiesen. An der unteren Strypa greift der Feind abermals mit starken Kräften an. Die Kämpfe sind dort noch nicht abgeschlossen. Am Dnjestr   und an der bekarabischen Front herrschte gestern verhältnismäßig Ruhe.

Italienischer Kriegsschauplas.

Auf der Hochfläche von Asiago gewann unser Angriff an der ganzen Front südöstlich Cesuna- Gallio weiter Raum. Unsere Truppen setten sich auf dem Monte Lemerle( südöstlich von Cefuna) fest und drangen östlich von Gallio über Ronchi vor.

Abends erstürmten Abteilungen des bosnisch- herzegowinischen Infanterieregiments Nr. 2 und des Grazer Infanterieregiments Nr. 27 den Monte Meletta.

Die Zahl der seit Beginn dieses Monats gefangen ge­nommenen Italiener   hat sich auf 12 400, darunter 215 Offiziere, erhöht.

An der Dolomitenfront wurde ein Angriff mehrerer feind­licher Bataillone auf die Croda del Ancona   abgewiesen. Südöstlicher Kriegsschauplak.

Unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Paris  , 8. Juni.  ( W. T. B.) laffung zahlreicher Toter zurück. Die deutsche Artillerie setzte die Amtlicher Bericht vonj Mittwoch nachmittag. Bei Fontenoy westlich von Soissons   ununterbrochene Beschießung des Forts und der benachbarten wurden zwei deutsche Patrouillen, welche die Aisne   zu überschreiten Gegend fort. Die französische   Artillerie bekämpfte fie energisch. versuchten, zerstreut. Die französische   Artillerie zerstörte mehrere Aus den Vogesen   wird nur kräftige Befchießung seitens der Deut deutsche Beobachtungsposten bei Nouvron. In den Argonnen ließen schen gegen die ersten französischen   Linien am Hartmannsweilerkopf  die Franzosen bei Fille Morte mit Erfolg drei Minen springen. Auf gemeldet.

Heftiger Weise weiter. Die Deutschen   meldeten Heute, daß die Panzerfeste Vaur am Abend des 6. Juni in ihre Hände ge­fallen sei. Am 7. Juni um 7 Uhr 50 Min. morgens war fie immer noch in unserer Hand. Von dieser Zeit an konnte wegen der Heftigkeit der Beschießung feine Verbindung mit der Feste hergestellt werden. In den Vogesen   wurden deutsche Erkundungsabteilungen, die gegen unfere Stellungen füdlich von Celles vorgeschickt wurden, durch unser Feuer zurückgetrieben. Auf dem Rest der Front zeitweise unterbrochenes Geschüßfeuer. Belgischer Bericht: An der Front der belgischen Armee herrschte Ruhe.

Die englische Meldung.

London  , 7. Juni.  ( W. T. B.) Amtlicher Bericht. Gestern abend und heute schwere beiderseitige Befchießung östlich von Ypern  . Der Feind eroberte gestern unsere bordersten Gräben bei den Trüm mern des Dorfes Hooge  . Seine Angriffe auf andere Teile der Linie mißglüdten. Ein anderer kleiner Angriff westlich von Hooge   heute morgen wurde abgeschlagen. Australier drangen in der Nacht in deutsche Gräben östlich vom Bois Grenier ein, fügten dem Feinde Verluste zu und brachten Gefangene ein. Auch wir unternahmen eine erfolgreiche Streife östlich von Cuinchy.

Der russische   Kriegsbericht.

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Petersburg, 8. Juni( W. T. B.) Amtlicher russischer Westfront: Die Erfolge unserer Bericht vom 7. Juni. Truppen in Wolbynien, Galizien   und der Bukowina werden weiter ausgebaut. Die Zahl der Gefangenen und der seit der Vertreibung des Feindes aus seinen start ausgebauten Stellungen gemachten Beute wächst noch immer. Seit dem Beginn der letzten Kämpfe bis zum 6. Juni mittags haben die Armeen des Generals Brussilow   an Gefangenen eingebracht neunhundert Difiziere und mehr als vierzigtausend Soldaten. Ferner find 77 Geschütze, 49 Minenwerfer, ebenso Scheinwerfer, ebenso Scheinwerfer, Fernsprechgerät, Felds füchen, eine Menge anderen Kriegsgeräts und beträchtliche Munitionsvorräte in unsere Hände gefallen. Einige Batterien wurden von unserer Infanterie vollständig mit allen Geschüzen und Munitionswagen weggenommen. Die letzten Kämpfe zeigen dem Feinde tatsächlich ein Anwachsen unseres Kriegsmaterials. Die Kämpfe haben dazu beigetragen, das Vertrauen zu stärken, daß mit dem weiteren Anwachsen des Materials die Zerstörung der feindlichen Anlagen eine bedeutend wirkungsvollere sein wird. Die in den letzten drei Kampftagen erreichten Erfolge beweisen die Tapferfeit und die Angriffsfreudigkeit unserer Truppen.

Seine Majestät der oberste Kriegsherr sandte noch gestern abend um 10 Uhr aus dem Hauptquartier folgende Depesche, in der er die Truppen des Generals Brusfilow zu den erzielten Erfolgen beglückwünscht: Uebermitteln Sie meinen heißgeliebten Truppen an der Ihrem Oberbefehl anvertrauten Front, daß ich mit Befrie­digung ihre Heldentaten verfolge, daß ich ihren Vorwärtsdrang lobend anerkenne und ihnen meine herzlichste Dankbarkeit aus­spreche. Möge Gott der Herr uns seine gnädige Hilfe leiben, den Feind aus unserem Lande hinauszuwerfen. Ich bin überzeugt, daß alle einmütig den Kampf bis zum glorreichen Ende für die russischen Waffen durchkämpfen werden." Nikolaus.

Die Vorsicht verbietet gegenwärtig, die Namen der tapferen Regimenter zu nennen, die zum Teil mit dem Verlust sämtlicher Offiziere gekämpft haben, ebenso ist es unmöglich, die Namen unserer Heldenmütigen Generale und Offiziere zu veröffentlichen, welche den Heldentod starben oder verwundet wurden, ebenso wie die Gegend anzugeben, wo die Kämpfe fich abipielten. Rautasusfront: Aus der Richtung von Erzingjan brach dem linken Ufer der Maas   dauerte der Artilleriekampf in den Paris  , 8. Juni.  ( W. T. B.) stärkeren türkischen Kräften angesetter Angriff Abschnitten der Höhe 304 und des Cauretteswaldes an. Auf Mittwoch abend. Auf dem linken Maasufer Herrichte große in unserem Artilleriefeuer zusammen. Unsere auf Bagdad  dem rechten Ufer wurde gegen acht Uhr abends ein mächtiger Tätigkeit der Artillerie in der Gegend der Höhe 304. Auf dem angefegten Truppen eroberten nach Stampf die bei Khani- Kin start deutscher Angriff баз gegen Fort Unsere Kavallerie attackierte die Vaug durch unsere rechten Ufer geht das Bombardement auf unsere erste und zweite befestigten türkischen Stellungen. Maschinengewehre gebrochen. Die Stürmenden wichen unter Burüd- Linie von der Gegend von Douaumont   bis Damloup in sehr türkischen Gräben und machte mehrere feindliche Bataillone nieder.

mit Amtlicher Bericht von ein

Nach den Schlachten.

Erinnerungen aus Polen   und Rußland  . Die Seßhaften und die Vertriebenen.

deuteten den Hausbewohnern, daß sie uns gegen Bezahlung Kar­toffeln liefern möchten. Ein des Polnischen   mächtiger Kamerad leistete Uebersekerdienste.

Das junge Mädchen benahm sich auffallend scheu. Am liebsten hätte es sich wohl entfernt, wenn es nicht Bedenken getragen hätte, Unsere Truppe befand sich auf dem Transport. Bei einer Station ihr Heim den fremden Soldaten schutzlos zu überlassen. Wir ver­mit einem jener Namen, deren Aussprache die deutsche Zunge leb- standen diese Scheu, denn wir wußten, daß die Frauen im Kriegs­haften Widerstand entgegensetzt und die im Hirn darum nur schwer gebiet reich an bösen Erfahrungen sind. Wir bemühten uns daher, oder gar nicht Wurzel fassen, war die Bahnfahrt damals zu Ende. möglichst vertrauenerweckende Manieren an den Tag zu legen. Troß­Ein Tagesmarsch sollte uns zum Bestimmungsort, Biala, bringen. dem gaben sich die beiden jungen Menschen die größte Mühe, uns Es war im September. Regengrau wölbte sich der Himmel über nicht zu verstehen, und es dauerte eine Weile, bis der junge Mann den Schlachtfeldern Polens  , als sich die Truppe am frühen Morgen sich unter dem Vorwande, Kartoffeln holen zu wollen, mit einem in Marsch setzte. Wir waren an jener unnennbaren Bahnstation mit Korbe entfernte. Marschbeköstigung versehen worden und konnten den kommenden Die Situation wurde noch etwas unklarer durch das plötzliche Dingen bezüglich der leiblichen Nahrung mit gutem Vertrauen ent- Auftreten eines älteren Mannes, der uns mit lebhafter, allzu leb= gegensehen. Des Himmels gleichmäßiges, trübseliges Grau machte hafter Liebenswürdigkeit begrüßte. Er drückte uns allen der Reihe uns jedoch erhebliche Sorgen, und die Stimmung wäre von vorn- nach die Hände und stimmte sofort ohne jeden Anlaß ein großes Lob­herein so trüb wie der Himmel gewesen, wenn nicht verflossene gute lieb auf die Deutschen   und einen Nuhmessang über die deutschen Tage einen matten Glanz von Frohsinn auf unseren Gemütern Siege in Bolen an. Wir lächelten zwar dankbar, waren uns aber zurückgelassen hätten. So gelang uns denn zu Anfang mancher gute fofort über die Unehrlichkeit des Benehmens des Alten einig. Im Soldatenscherz, und Lied auf Lied tönte weithin über das verwüstete Augenblick interessierten uns die polnischen Kartoffeln mehr als alle Land. Dann begann der Regen, dessen Unabwendbarkeit uns längst russischen Niederlagen. Darum suchten wir, den Wortschwall des flar geworden war. Er führte sich auf jene äußerlich feine, in Wahr- Polen bändigend, zur Sache zu kommen. Nachdem auch er uns einige heit jedoch heimtüdische Art ein, von der man weiß, daß sie auf die Beit mißverstanden, gelang es uns doch, ihm flar zu machen, warum Dauer mit Sicherheit die Kleidung bis auf den verborgensten Faden wir eigentlich gekommen wären. Und der Erfolg war überraschend: durchdringt: ganz allmählich, heimlich und vorsichtig begann es in der Alte wies das junge Mädchen an, sofort ein Feuer im Herde zu wundervoll feinen Tropfen zu sprühen. machen, welcher Aufforderung fie nun unverzüglich nachtam. Wir marschierten auf schnurgerader Chauffee. Rechts und links Schließlich tam der Bolenjüngling zurück und brachte wirklich dehnten sich Acker und Brachland. Dörfer lagen an der Straße oder Kartoffeln in seinem Korbe, so daß den Zurüstungen zu unserem waren in der Ferne im grauen Gewimmel der Regentropfen undeut- Mahle nichts mehr im Wege stand. Sie machten mit Unterstützung Es war auch die lich sichtbar. Still zogen wir unseres Weges, des Bevorstehenden des Mädchens bald die hurtigsten Fortschritte. sicher. Das Scherzen hatten wir wohl noch nicht aufgegeben das höchste Zeit geworden. tut der Soldat nur selten aber die Scherze hatten ihren Charakter Wir waren schon damit beschäftigt, unseren Gulasch mit Pell­geändert: der muntere leichtherzige Frohsinn war galligem Galgen- fartoffeln nebst voraufgegangener Erbsensuppe zu verzehren, ais humor gewichen. noch ein Glied der Polenfamilie die Szene betrat: eine ältere Bäuerin, anscheinend die Ehefrau des begeisterten" Alten und die Mutter der beiden jungen Leute. Ohne Gruß betrat sie den Raum. In der Nähe der Tür blieb sie stehen. Sie war durch unsere An­mejenheit absolut nicht überrascht, sondern längst von allem unter­richtet. In dem zwar unschönen, aber ausdrucksvollen Gesicht der Frau regte sich nichts, nur ihre grauen Augen richteten vorwurfs­volle, Strafe verkündende Blicke auf die noch immer emfig tätige Tochter und auf den Alten, der erst jetzt sein Geschwäb endgültig einstellte. In begütigendem Tone sprach er sie an. Ueber die Lippen der Alten kam jedoch keine Silbe. Unbeweglich blieb fie in der halbdunklen Ede an der Tür stehen, wie um den Augen blick zum Handeln abzuwarten. Das junge Mädchen arbeitete am Herde, um die Spuren unseres Kochens zu entfernen, und wagte nicht, den Blick zur Mutier zu erheben. Den Soldaten ging fic ängitlich aus dem Wege.

Bis gegen Mittag waren wir marschiert. Ein Dorf war erreicht. Und da es Zeit zum Mittagessen war, an ein Abkochen im Freien aber nicht gedacht werden konnte, luden wir uns bei den polnischen Landleuten zu Gaste. In fleinen Gruppen drangen wir in die ein­zelnen Hütten, nachdem unsere Vorgesetzten uns das Versprechen ab­genommen hatten, nach einer Stunde, ohne ernstliche Ermahnung ab­zuwarten, wieder daraus hervorzukriechen.

Zu vier Mann hatten wir in einem Bauernhause Unterschlupf gesucht. In einer kleinen Stube trafen wir einen jungen Mann und ein junges Mädchen. Ein Viertel des bescheidenen Raumes nahm der Herd ein, an den Wänden entlang standen Bänke und in der Ecke erhob sich ein Tisch. Das war alles. Aber der Raum war peinlich sauber und sab in seiner Aermlichkeit doch freundlich aus. Auch das Aeußere der beiden jungen Menschen zeugte von Ordnungsliebe und Reinlichkeits­finn. Da Betten in der Stube fehlten, zogen wir den Schluß, daß ivir in ein berhältnismäßig wohlhabendes Haus geraten waren. Die Mehrheit der gedrückten polnischen Landbevölkerung ist in der Wohn­kultur noch nicht zur Trennung von Schlaf- und Wohnräumen fort­geschritten.

Wir legten unsere Vorräte an Fleischkonserven bereit und be­

Wir aben aus und gingen, nachdem wir dem inzwischen völlig verstummten Senior des Hauses einige Ropetenstüde in die Hand gedrückt hatten.

Wir fühlten uns als ungebetene und recht ungern gesehene Gäste. Wir tamen zu den Polen   als Vertreter des Krieges, der Elend und Grauen in ihr Leben getragen hat. Wir brachten ihnen

feine Freude und durften feine Güte von ihnen erwarten. Ihre lnfreundlichkeit deuteten wir als den Widerschein des Schmerzes, den der Krieg in ihre Scelen gegraben.

Der Und draußen war es nicht freundlicher als drinnen. Regen war ohne Unterlaß, die Chaussee, auf der wir unseren Marsch fortsetten, war mit einer dicken Schlammschicht überzogen, die unseren Schritt bannte. Automobile sausten an uns vorüber, den Schmus oft meterweit umherstreuend.

Da tam uns ein Zug von Menschen, Tieren und Gefährten entgegen, der unsere Aufmerksamkeit, die bis dahin ganz auf den Schuß unserer Leiber vor dem durchdringenden Regen gerichtet war, böllig auf fich lenkte; ein Bug von Flüchtlingen, die der Krieg bom Heimatort und vom dürftigen Eigentum vertrieben hatte. Den Trupp eröffnete ein alter Bauer mit steinharten Gesichtszügen. Er leitete einen beklagenswerten Gaul am Zügel, der einen leichten, hoch mit allerlei Hausrat beladenen Wagen durch den Schmutz der Straße zog. Neben dem Wagen, sich auf ihn stüßend, mühten sich die Frauen vorwärts. Andere, anscheinend ärmere Familien folgten. In Körben, Säden oder Bettüchern schleppten sie die ge­rettete Habe auf Kopf und Rücken. Frauen trugen in einem Arm ein Kind, in der anderen Hand noch ein Bündel, vielleicht mit einem legten Rest von Nahrungsmitteln. Größere Kinder hingen am Rod der Mutter; und diese Frauen durften von Glück reden, denn sie fonnten somit ein größeres Bündel auf dem von Not ge schwächten Rücken tragen. Ihre nackten Füße sanken tief in den Straßenschlamm. Ein Knabe trieb ein abgemagertes Kalb. Bei unserer Annäherung drängte er sich näher an das Tier, wie um ihm Schuß zu bieten. Er streichelte zärtlich den dünnen Hals des Kalbes, als wollte er es beruhigen. Dann folgte wieder einmal eine Gruppe, die noch Wagen und Pferd gerettet, und darauf wieder Jamilien mit Bündeln und Baden. Und so fort ein langer Bug müder menschlicher Gestalten.

Wie lange mochten sie schon so gewandert sein, und wie ferne lag wohl noch ihr Biel  ? Und was werden sie vorgefunden haben, nachdem sie den Ort ihrer Sehnsucht erreicht? Vielleicht einen Trümmerhaufen, vielleicht eine Brandstätte, ein Nichts!

Die Kleidung der Gequälten, vor allem die dünnen Fehen am Leibe der Frauen und Kinder, waren völlig durchnäßt und klebten am Körper.

Von uns nahmen die Flüchtlinge wenig Notiz. Sie haßten nicht mehr, in ihrem Gesichtsausdrud lag dumpfe Verzweiflung, stilles Ergeben. Waren diese Wesen überhaupt noch einer menschlichen Regung fähig?

Die Kinder zitterten vor Frost, biele weinten laut, andere win­selten mit matter Stimme. Doch den Müttern fehlte wohl die Kraft zu einem beruhigenden Wort.

Diese Menschen haben den Krieg mit allen seinen Schrecken erlebt. Und sie sehen in ihm niemals den Freund, der ihnen Freiheit und Förderung bringt. Sie er sehnen den Frieden am stillen, wenn auch farg bestellten Herd. Wir dachten lange an den Zug der Traurigen. Was wir dachten, möchten wir verschweigen. Nur daß wir für diesen Tag doch das Scherzen verlernt, sei noch gesagt.

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Es begann schon zu dunkeln, als wir Biala erreichten, und spät in der Nacht saßen wir noch am Feuer, um unsere Kleider zu trodnen. Wir hatten ja noch ein Dach und ein Feuer. R. S. ( z)