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um einen Verbrecher, der der öffentlichen Sicherheit etwa, um im Kauderwälsch bürgerlicher Sittenstrenge zu reden, ge- fährlich gewesen wäre, sondern um einen jungen Hitz- köpf, der sich in wildem, jachem Zorn einmal gegen einen Gegner gewandt und dies Vergehen durch lange Haft gesühnt hat. Heißt das nicht den Betroffenen auf das tiefste verstören und verbittern? Bedeutet das nicht für so Manchen den ersten Schritt auf abschüssiger Bahn? Die Polizei will mich nicht schaffen lassen, gut, so will ich es anders zu treiben suchen: müssen sich nicht solche Vor­stellungen unwillkürlich bei dem aufs schwerste Geschädigten bilden? Wie, so viele, die ärger gegen Recht, Gesetz und Sitte gefrevelt, Börsenschwindler, treulose Bankiers, Betrüger, Hoch- stapler, Falschspieler, die Künstler derfeinen" Verbrechen bewegen sich frei in Berlin , niemand kümmert sich um sie. Der heißblütige Dreinschläger wird auf's Pflaster gesetzt und auf die Landstraße gejagt, die zahllosen Duellanten, die mit Vorbedacht einen mörderischen Zweikampf ausfechten, sind Respektspersonen"... Hier schweigt der Z 2, Abs. 2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1842. Was Hilsts? Otto Schneider, der sich was ist natürlicher? nicht in die Ausweisung schicken kann und zögert und bleibt, wird durch eine'Verfügung des Polizeipräsidiums vom 7. Januar 1893(I.-Nr. 7352 V M. 02) in eine Geldstrafe von 100 M. genommen, die ge- gebeuenfalls in eine zehntägige Haft umzuwandeln ist, weil er dem Ausweisungsbefehl nicht nachgekommen sei, und er- hält den Befehl, Berlin innerhalb dreier Tage zu ver- lassen. Die Polizei ist unerbittlich, er muß hinweg von Arbeit und Brot. Auf ein Gesuch vom 20. Januar 1893, das der Vater an den Minister des Innern, den Grafen Eulenburg richtet, erwidert der damit betraute Oberpräsident der Provinz Brandenburg , der Staatsininister von Achenbach(O. P. Nr. 2565),daß es bei der durch Verfügung des Herrn Polizeipräsidenten zu Berlin vom 15. Dezember v. I. von Landespolizeiwegen erfolgten Ausweisung bewenden bleiben muß." Nun geht der unglückliche Vater mit einem Gnaden- gesuch an den König von Preußen. Der Minister des Innern erwidert darauf am 20. März 1894(J.-Nr. 35d): Auf die aus dem königlichen Kabinet an mich zur Prüfung und Erledigung abgegebeile Vorstellung vom 9. Januar dieses Jahres eröffne ich Ihnen, daß die seitens des hiesigen königlichen Polizeipräsidenten auf grund der wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung erfolgten gerichtlichen Bestrafung Ihres Sohnes Otto Schneider gegen denselben verfügte Ausschließung von dem Aufenthalte in Berlin und Umgebung nach§ 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1842 in Verbindung mit Z3 des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867 gerechtfertigt ist. Es muß daher bei dieser Maßregel sein Bewenden haben." Damit schließt diese Geschichte. Alle Wege sind beschritten, jedes Hilfsmittel ist er- schöpft von Rechts wegen, es giebt keine Berufung mehr. Wer aber zweifelt, daß der endgiltige Entscheid im schroffen Widerspruche steht zum Rechtsbewußtsein der Masse? Wlrd nicht das Volk sich, da nun einmal von Begnadigungen die Rede ist, die Fälle Lueius, Salisch, Kirchhoff, Prager ins Eedächniß zurückrufen? Giebt es wirklich keine Berufung mehr? Eine giebt es noch, die an die öffentliche Meinung. Sie wird den Stab brechen über einen Zustand, der den Bürger der Willkür polizeilicher Maßregeln überläßt, da wo er gerade des Schutzes am meisten bedürftig ist. Und zum Schluß eine Frage. Haben nicht die Ver- eine zum Schutze entlassener Gefangener, die ja unter hoher Protektion stehen, gerade jetzt die schönste Gelegenheit zu einer thatkräftigen Kundgebung� Polifirrtje lU'&ciTirttt. Berlin , den 27. April. Das preußische Herrenhaus behandelte heute neben Eisenbahn- Vorlagen auch den Etat. Bemerkenswerth an den Debatten war die Energie, mit der der preußische Ministerpräsident Gras Eulenburg für den Reichskanzler eintrat. Caprivi scheint demnach vorerst über die Miqnel und Eulenburg vollständig gesiegt zu haben. Es ist ein Beweis Deiner Klugheit," sprach er,daß Du Wallradens Freundschaft suchtest, und ich belobe Dich deshalb. Die Herren Freier sind wenngleich deutsche ungelenke Thiere dennoch nicht zu verwerfende Gönner, und ich fordere von Dir, daß Du Deinen augenblicklichen Einfluß aus Wallraden dazu benützest, einen oder den andern ihr genehm zu machen, damit sie zur Ehe schreite. Beide sind ganz vernünftig in ihren Bedingmigen, die sie mir machten. Der Königseck zahlt tausend Gulden bar; der Montfort bietet eine Präbende im Stiftmünster, oder zwei- hundert Sonnenkronen Jahr für Jahr, zehn Jahre hin- durch. Es soll Dein Schade nicht sein, wenn Du die Widerspenstige zu einem oder dem andern zu bereden sähig bist. Empfange daher meinen Segen und sei klug. Be- sonnenheit und Vernunft verschaffen diesem Rocke Ehrfurcht." Mit den edeln Herren ging der Oheim von bannen. Wallrade versicherte sich, daß kein Lauscher nahe sei, trat dann mit durchdringendem Blicke hart vor Dagobert hin und fragte:Nun, Bundesgenosse! Habt Ihr gethan nach meinen Worten?" Dagobert bejahte.Wird er ge- horchen?" fuhr sie fort, dringend und fest.Er wird!" erwiderte der Bruder.In wenig Tagen schon."Hm! ich weiß," sprach Wallrade mit fliegendem Lächeln:ich er- fuhr bereits... er geht nach Mörsburg, als bischöflicher Jagdmeister. Es kommt darauf an, ob er mir dort lästig scheint. In diesem Falle rechne ich auf Euern neuen Bei- stand, ihn von bannen zu treiben." Diese Worte empörten Dagoberts Gefühl, so gut er bis jetzt an sich gehalten hatte.Ich begreife nicht," sprach er mit Heftigkeit:welch unglücklich Schicksal diesen Mann, der einem Verbrecher nicht ähnlich sieht, zu einem Geächteten. Vogelfreien gemacht bat, der vor der Drohung eines Weibes sich verbergen muß, jede Stätte verlaffend, wo er gedenkt zu bleiben,... aber so wenig mir gelüstet, der Theil- nehmer eines Geheimniffes zu fem, so wenig biete ich auch ferner meine Hand zu diesen im Verborgenen schleichenden Ecwaltthätigkeiten. Hat dieser Mann Euch so schwer beleidigt, daß nur sein Verderben Euch zu versöhnen ver- mag... sagt's, und ich werfe diese Kutte auf einige Tage von mir, um mit dem Degen in der Faust den zu strafen, der Euch mißhandelte. DaS ist Bruderpflicht. Aber Bnndcsrath. In der heutigen Plenarsitzung des Bundesraths wurde den Beschlüssen des Reichstages zu dem Gesetzentwurf betreffend die Abzahlungsgeschäfte, dem Ge- setzentivurf betreffend die Abwehr und die Unterdrückung 'von Viehseuchen , und dem Gesetzentwurf zum Schutze der Waarenbezeichnungen die Zustimmung ertheilt. Dem Aus- schußantrage betreffend die Ansführnng des Reichs-Stempel- gesetzcs wurde ebenfalls die Zustimmung ertheilt. Der kapitalistische Nothstand entlockt herzbrechende Klagen derBossischen Zeitung". Die Reichsverwaltung hat eine Anleihe auf 160 Millionen Mark zu 3 pEt. und zum Kurse von 87,70 pEt. aufgelegt, was auf das ge- gebene Darlehen eine Verzinsung von 3,421 pEt. entspricht. Noch vor 3 Jahren wurden 200 Millionen Reichsanleihe zu 84,40 pEt. und 1892 sogar 160 Millionen zu 84,40 pEt. ausgegeben und jetzt soll man 87,70 geben! Was kann da der Bankier oder Börsenspekulant noch am Kurse ver- dienen! Freilich sind zu diesen Bedingungen dem Reich statt der verlangten 160 Millionen sogar 400 Millionen angeboten. Aber was will das sagen? In Paris sind' auf eine nur 2�/sprozeutige Stadt- auleihe von 200 Millionen Franks, trotzdem sie zu noch höherem Kurse als die Reichsanleihe ausgeboten wurde, 17 Milliarden, also mehr als das 85fache gezeichnet worden. Was will es dabei sagen, wenn dem Reiche das doppelte von dem Verlangten zu Gebote steht? Da sieht man erst, wie gering der Kredit des Reiches steht. Die deutschen Kapitalisten sind, ivie das Bourgeoisblatt meint, an einen geringen Zinsfuß bisher nicht gewöhnt, und es ist Unrecht, sie in der süßen Gewohnheit hohen Zinsgenusses zu stören. Und ein ivie schreckliches Unrecht das Reich begeht, weist die Vossische" an einem klassischen Beispiel nach. Vor einem Menschenalter habe ein Großgrundbesitzer dem ältesten seiner beiden Söhne sein Gut schuldenfrei hinterlassen und dem jüngeren Sohne den Werth des Gutes in baarem Gelde ausgezahlt. Jeder der Söhne habe nun ein Vermögen von einer Million; der eine bewirthschafte das Gut, der andere habe sein Vermögen in Staatsschnldscheinen, die damals noch 5 pEt. und mehr Zinsen brachten, angelegt. Das Gut des einen Sohnes habe dank der Aenderung der Kulturen und der Erleichterung des Verkehrs mittels der Eisenbahnen sich im Werthe und den Erträgen verdoppelt und verdreifacht, während das Einkommen des anderen Sohnes durch die Herabsetzung des Zinsfußes sich verringert habe. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Hat der Gutsbesitzer sein gesetzliches Recht auf eine hohe Grundrente, so hat sie der Kapitalist aus einen hohen Zinsfuß. Wer beides bezahlt, die Grundrente und die Kapitalzinsen, ist Nebensache, wenn sie nur der Großgrund- besitzer und der Kapitalist nicht zu zahlen brauchen. Beide zu mästen ist einmal Aufgabe des aroeitenden Volkes, bei dem wie amtlich und außeramtlich feststeht, kein Noth- stand vorhanden ist, ehe es nicht vollständig weißgeblutet hat. In dem Kampfe um die Theilung der Beute aus dem Schweiße des Volkes vergessen konservative Agrarier und liberale Bourgeois gleichmäßig alle Scham, und die frei- sinnige Tante Voß steht um kein Haarbreit hinter der Kreuz-Zeitung " des Herrn v. Hammerstein zurück. Eine Partei ohne Abgeordnete, Abgeordnete ohne Partei. Das ist das Neueste am politischen Horizont. Das Baperland erfreut sich dieser merkwürdigen Erscheinung. Die Fraktionskollegen des Dr. Ratzinger erklärten sich nnt demselben solidarisch, indem auch sie die Satzungen des Bauernbnndes nicht anerkennen. Ein mißlungener Militärboykott. Der ärztliche Bezirksverein Leipzig lehnte am 24. April endgiltig mit 100 gegen 20 Stimmen eine beantragte Statutenänderung ab, ivelche die Nichtzulassung bezw. den Ausschluß sozial- demokratifcher Mitglieder forderte. Es handelte sich nament- lich um die Herren Dr. Pölitz und Dr. Große. Nun sind die Herren Militärärzte in die Grube ge- fallen, die sie sich selbst gegraben haben. Die Sozialdemo­kraten bleiben und die Militärärzte müssen austreten. Die Militärverwaltung hat nun wieder einmal die Erfahrung gemacht, daß der Boykott eine zweischneidige Waffe ist. Der Gipfel der Komik. Der Geheime Chefredakteur derHamburger Nachrichten" bricht Lanzen für die Freiheit der Presse. Das hätte der weiland Engros- Euer Folterknecht bin ich nicht, werde es nie sein. Ich habe des armen Mannes Weib gesehen, sein Kind... nicht mein Mund, nicht nieine Hand wird das Geringste thun: diese Unschuldigen langsam mit zu martern durch die Qual des Gatten und Vaters." Sein Weib, sein Kind?" fragte Wallrade schneidend: Sie sind hier? Diese Nachricht danke ich Euch. Schon hier? Sehr wohl. Der Herr von der Rhön wird wohl thun, so schnell als möglich von dannen zu ziehen. Nicht meinetwegen allein;" setzte sie langsam und lauernd hinzu: auch wegen des weichherzigen Bruders Empfindsamkeit, der die Laune hat, jungen Ehefrauen allein zugethan zu sein, wäre es auch seines eigenen Vaters Weib, seine Stief- mutier." Wallrade!" rief Dagobert entsetzt, und seine Zunge erstarrte ob der frechen Anklage.Lengnet!" entgegnete ihm Wallrade heftig und frecher:Leugnet, was ganz Frank­ furt weiß, ivas bis in meine tiefe Einsamkeit drang, und meinen Haß gegen Euch befestigte. Leugnet, was Eure Zunge lähmt, als ob sie Gottes Hand getroffen. Wagt es, mich zu beschuldigen und Euch heilig zu sprechen. Ich strafe nur ein Verbrechen. Ihr lebt aber noch in Schuld und Fehl. Euer falscher Mund konnte mich gestern berücken, heute aber steht der eigensüchtige, verleumderische, boshaft- üppige Bube Dagobert wieder in seiner vollen Blöße da, und von nun an keine Gemeinschaft zwischen uns. Thut was Euch beliebt. Das Schwert des Henkers legt sich zwischen Euch und mein Geheimniß, damit es der Schuldige nicht verrathe. Es ist todt für Euch. Versucht aber auch ja nicht den Schleier zu lüften; offenkundig machte ich oann Eure eigene Schande, und dieser Arm..." hier hob sie drohend ihre Rechte...ist stark genug, auch in des Bruders Brust Genugthuung zu suchen. Verlaßt mich jetzt." Stumm vor Kränkung. Wuth und Abscheu maß Dago- bert die entartete Schwester mit einem Blicke der tiefsten Verachtung, und wendete sich von ihr, wie der fromme Märtyrer von dem Bilde Baals, dem zu opfern die Tyrannei ihn zwingen will. Fest entschloffen, die Unheil- athmende nie wieder zu sehen, ging er hinweg. (Fortsetzung folgt.) Lieferant der gedruckten Strafantrags-Formulare sich aui nicht träumen lassen! Es wird fortgeprügelt. Der«Berliner Börsen- Courier" schreibt: Von der körperlichen Züchtigung des internationalen Spitz- buben Haiden, welcher am Sonntag im Zuchthaus zu Branden- bürg a. H. einen Fluchtversuch machte, sollvorläufig"'Ab- stand genommen worden sein, weil der Gesundheitszustand de-. Verbrechers kein guter ist. Sobald sich fein Befinden gebessert hat, soll er aber die üblichen dreißig Peitschenhiebe, welche in den Zuchthäusern als Disziplinarstrafe Anwendung finden, er» halten. Ob diese Art der Behandlung zu Recht besteht und ob ein bestimmterBeamter" für das Prügeln der Gefangenen angestellt ist, darüber darf man billig amtliche Auskunft er­warten. Wir sind ein Kulturstaat! Wer das nicht glaubt, kann leicht geprügelt werden. Die Ehre eines königl. preußischen Generals und eines Fabrikarbeiters. Folgenden Bericht über eine Gerichtsverhandlung finden wir in einem Provinzial- blatt: Colmar , 18. April. Schwurgericht. Die vielbesprochene Ermordung des Fabrikdirektors Hadey bildete Gegenstand der Anklage gegen Johann Peter Auer, 53 Jahre alt, Fabrik- arbeiter zu Stoßweier. Der Angeklagte ist von schmächtiger Gestalt und erdfahl ist sein Gesicht. Von seinen Mitarbeiiern wird er als ein ruhiger und sonst ordentlicher Mensch ge- schildert. Seit dem Jahre 1856 ist er mit Unterbrchung von 14 Monaten in der Fabrik Köchlin fils u. Ko. in Stoßweier beschäftigt. Sein Verdienst war etwas geringer wie früher und hierüber führte er, wie noch andere Arbeiter, Klagen. Die Arbeiter glaubten, der Fabrikdirektor Hadey verschulde die Herabsetzung der Löhne. Hadey hat der Angeklagte am Morgen des 5. März 1 894 getödtet. Der Angeklagte erzählt dieThat wiefolgt: Am 5. März d. I. kam Hadey nach 6 Uhr zu mir. Ich halte abgebrochene Fäden in Ordnung zu bringen. Er schimpfte. daß ich nicht arbeitete, und als ich ihm sagte, die Fäden seien abgebrochen, nannte er michbetrunkene Kanaille". Ich hatte zu Hause nur ein wenig Schnaps getrunken und in der Fabrik etwas Bier. Ich war durchaus nicht betrunken. Gegen 8 Uhr kam der Direktor wieder, schimpfte aufs neue und nannte michCharogne ". Als ich ihm sagte, daß er mich vorhin schonKanaille" genannt, erhielt ich von ihm einen Stoß auf die Brust. Jetzt nahm ich die Eisenstange, womit ich den Treibriemen auf das Rad zu bringen habe, und verbarg sie. Als Hadey gegen 9 Uhr nochmals schimpfend kam, ließ ich ihn ruhig an mir vorbei» gehen, nahm das Eisen und führte von hinten zwei Streiche nach seinem Kopfe; auf den zweiten Schlag stürzte er nieder. Dann warf ich die Stange fort, kleidete mich au und ging nach Hause." Soweit der Angeklagte. Hadey wurde besinnungslos in seine Wohnung verbracht und starb hier nach einer Stunde, ohne nochmals zur Besinnung ge- kommen zu sein. Auf grund der Beweisaufnahme, die nur die Angaben des Älngeklagten bestätigte, bejahten die Ge- schworenen die Frage nach vorsätzlicher Tödtung, verneinten die Frage, ob er diese Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt habe, gaben aber mildernde Umstände nicht zu. Die Slaais- anwaltschaft beantragte 12 Jahre Zuchthaus und Verlust der Ehrenrechte auf 10 Jahre für den bZjährigen Angeklagten . Das Schwurgericht verurtheilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren, also wohl lebenslänglichem Zuchthaus, und Verlust der Ehrenrechte aus die Dauer von 10 Jahren. Für Erwiderung einer thätlichen Beleidigung er- hält also ein deutscher Arbeiter 10 Jahre Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, für Erwiderung einer wörtlichen Beleidigung ein preußischer General zwei Monate Festungshaft und den Kronenorden zweiter Klasse.- Das ungarische Jnnkerparadies, das soeben der Welt als Hölle enthüllt worden ist, läßt die armeKreuz-Zeitung " noch immer nicht schlafen. In ihrer heutigen Nummer bringt sie einen zwei Spalten langen Leid- und Jammer- artikel, der, nach der üblichen stereotypen Litanei von Hetzern",Aufrührern",Terroristen" u. f. w. zu folgender Weisheit gelangt: Im Alföld überwiegt der Großgrundbesitz. Allein viele Güter befinden sich im Besitze j ü d i ffch e r Pächter, manche sind schon in deren Eigenthum übergegangen, nur wenige christliche Grundbesitzer bewirthschafte» noch ihr Gut in eigener Regie. Da sie ihre Arbeiter besser behandeln als die jüdisch en Pächter, so suchen letztere die Konkurrenz zu beseitigen. Schon vor zwei Jahren kamen jüdische Agitatoren aus Budapest ins Alföld, um daselbst Stimmung gegen die Grundbesitzer zu machen. Inzwischen ist diese Agitation allsonntäglich sortgesetzt und von den jüdischen Pächtern derart geleitet worden, daß sie ihre Spitze gegen die wenigen adligen Grundbesitzer kehrte. Zu diesen, Zwecke bewilligten die jüdischen Pächter höhere Slrbeitslöhne als die christ- lichen Grundbesitzer, hatten aber gleichwohl die Arbeitskräfte billiger, weil sie einen Theil des Lohnes in Naturalien und besonders in Schnaps auszahlten. Nach der Annahme des genannten Wiener Blattes werden die neuesten Unruhen im Alföld zur Folge haben, daß die adligen Grund- besitzer, die bisher noch ihre Besitzungen selbst bewirthschasleten, sich genöthigt sehen, ebenfalls zum Pachtsystem überzugehen und jüdische Pächter einzusetzen, die erfahrungsgemäß nach einer Reihe von Jahren zu wirklichen Besitzern emporzukommen wissen. In Regierungskreisen durchschaut man unzweifelhaft diese Aerhältnisse, wagt es aber aus Rücksicht auf die jüdische Bundesgenossenschast nicht, dagegen einzuschreiten, und so setzt sich die doppelt bedenkliche und krankhafte Entwickelnng fort. indem die angestammien Grundbesitzer mit ihren sozial wichtigen, patriarchalischen Beziehungen beseitigt, die Land- arbeiter aber zu sozialen Revolutionären umgewandelt werden. während das jüdische Element auf Beider Kosten aufsteigt. Diese Entwickelung muß über kurz oder lang zu einer Krisis führen, und wenn man nicht der Revolution zutreiben will, so ist eine Reaktion im christlich- sozialen Sinne auf das ernst» lichste anzustreben. Wenn man dies durchliest und namentlich die von uns gesperrten Stellen ins Auge faßt, so schlägt man sich an den Kopf:Ist solche Gedankenlosigkeit möglich? Wie muß es in diesem Junkerschädel aussehen? Also: Die Juden sind schuld an allem. Die christ- lichen Gruudbesitzer behaudelu ihre Leute besser als die jüdischen Pächter es thun. Jüdische Agitatoren aus Buda- pest wiegeln die Leute gegen die Ausbeuter auf. Die jüdischen Ausbeuter stellen sich an die Spitze der Agitation gegen die Ausbeuter. Und die christlichen Gutsbesitzer wollen jetzt das Beispiel der jüdischen Pächter nachahmen und ihre Arbeiter besser bezahlen! Ist je ein so toller Ealli- mathias erhört worden? Der das schrieb, hat nicht blas geschlafen, wie weiland der alte Homer da muß schon etwas Hirnlähniung eingetreten sein. Wir konduliren kolle- gialisch. Der erste Mai ist vor der Thür überall giebt's wiederAnarchisten" in Hülle und Fülle in Frankreich ,