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Amerikanischer Imperialismus. Von Heinrich Cunow . Die Vereinigten Staaten von Amerika haben, wie ge- meldet wird, den westindischen Jnselbesitz Dänemarks für die beträchtliche Summe von 5 Millionen Pfund Sterling ange- kaust. Wirtschaftlich haben die westlich von Portoriko ge- legencn Inseln der Jungferngruppe, die ungefähr 642 Quadratmeilen mit 36 666 Einwohnern(davon nur etwa 3566 Europäer, der Rest meist Neger und Mulatten) umfassm, nur geringen Wert, denn der Anbau von Zuckerrohr und Baumwolle ist im letzten Jahrzehnt noch weiter zurück- gegangen, nur die Rumerzeugung der Insel Sankt Thomas hat noch immer eine gewisse Bedeutung. Wenn demnach die amerikanische Regierung so erpicht auf diese dänischen Inseln ist, daß sie ihre Versuche, die 642 Quadratmeilen in ihren Besitz zu bringen, immer wieder er- neuert und. nachdem ihr Kaufgebot vom Jahre 1366 von dem dänischen Parlament ziemlich schroff zurückgewiesen worden ist, jetzt durch Angebot eines im Verhältnis zum Wertobjekt geradezu ungeheuren Preises ihren Zweck zu erreichen sucht, so müssen sie andere Gründe bewegen, als nur der Wunsch, dem Besitz von Portoriko noch einige kleine Nachbarinseln hin- zuzufügen. Und tatsächlich hat der Ankauf, zu dem übrigens die Volksvertretung Dänemarks noch ihre Zustimmung geben muß, eine ganz besondere Bedeutung. Er bedeutet einen weiteren Schritt der nordamerikanischen Union zur Sicherung ihrer Herrschaft über das Karibische Meer und die kleinen mittelamerikanischen Republiken, vornehmlich aber über das Zugangsgebiet zum Panamakanal und damit im weite- ren zugleich eine Verbesserung der Macht- stellung der Vereinigten Staaten im nörd- lichen Teil des Stillen Ozeans , dem großen Mittelmeer der Zukunft. Nachdem die Vereinigten Staaten durch den Krieg mit Spanien (1898) die Herrschaft über Kuba (die Selbständigkeit Kubas ist nur Schein) und Portoriko erlangt und somit ihre Position im Autillenmeer wesentlich verstärkt hatten, stellte sich sofort bei ihnen auch das Begehren nach dem dänisch -west- indischen Kolonialbesitz ein? denn Sankt Thomas besitzt einen großen geschützten Hafen, dessen von den Dänen angelegte Be< festigungen sich mit dem nötigen Kapitalaufwand weiter aus- bauen lassen, fo daß hier eine große amerikanische Kriegsflotte einen sicheren Stütz- und Zufluchtshafen zu finden vermag. Sofort nach der Besitznahme Portorikos wandte sich daher die amerikanische an die dänische Regierung mit einem Kauf- gebot; aber der Widerstand des dänischen Parlaments ver- hinderte das Zustandekommen des Handels. Jetzt hält man allem Anschein nach in Washington die Stimmung Dänemarks nicht nur dem Verkauf für geeigneter, sondern es hat sich auch, da inzwischen der Panamakanal gebaut worden ist, das Ver- langen der amerikanischen Imperialisten, neue sichere Stütz- punkte für eine zukünftige amerikanische Flottenaktion zu fchafsen, wesentlich erhöht— daher bietet man dem kleinen Dänemark einen Preis, der alle Bedenken niederschlagen soll. Auf Geld kommt es ja zurzeit drüben im Dollarlande kaum an. In erster Linie richtet sich die Erwerbung natürlich gegen England, das durch seinen Besitz der Bahama- inseln und Jamaikas sowie der nordwestlich gelegenen, mili- tärisch befestigten Bermudainseln eine starke Flottenbasis im Antillengebiet zur Verfügung hat. Ter Ankauf des dänisch -westindischen Jnselbesitzes ist demnach nur ein neuer Schachzug der Vereinigten Staaten in ihrer mit Konsequenz und Geschick durchgeführten imperia- listischen Politik, wie sie drüben nicht erst seit den letzten Jahrzehnten, sondern schon seit fast einem Jahr- hundert folgerichtig durchgeführtwird, Wenn auch zeitweilig durch innere Kämpfe unterbrochen.— Nichts ist geschichtlich unrichtiger, als die' oft verkündete Weisheit, erst unter der Präsidentschaft Mac Kinleys oder Roosevelts sei in den Vereinigten Staaten der Imperialismus aufge- schössen. Er steckt schon seit seinen Jugendtagen dem kapi- talistischen Nankeestaat in allen Gliedern. Sobald nach ihrer sogenannten Befreiung die Union ihre kapitalistischen Kräfte erwachen fühlte, begannen auch schon die Versuche, durch alle Mittel, Krieg, Kauf, diplomatische Ränkespiele, das Bundes- gebiet auszudehnen. Nachdem das die Stromgebiete des Mississippi und Missourri umfassende damalige Louisiana für 15 Millionen Dollar eingehandelt war, folgte 1819 unter ge- schickter Ausnutzung der Verlegenheiten Spaniens der Ankauf Floridas für 5 Millionen Dollar. Aber nicht nur Florida , auch das südlich gclgene Kuba hätte die Unionsregierung der jungen Republik gar zu gerne angegliedert. Immer wieder wurde in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts innerhalb der leitenden Kreise der Union die Annexion Kubas gefordert. Bereits 1823 heißt es in einer Instruktion John Ouincy Adams, der damals noch als Staatssekretär des Aus- wältigen fungierte, an den amerikanischen Bundesgesandten in Madrid :„Es ist kaum möglich, sich der Ueberzeugung zu verschließen, daß die Annexion Kubas durch un- seren Bundes st aat für den Fortbestand und die Erhaltung der Union notwendig sein wird!" Doch zunächst blieb Kubas Annexion ein schöner Traum. So begann man denn mit der Ausdehnung nach der Pazifik- küste: dem Feilschen mit England um das Oregongebiet und dem Schüren der Loslösungsbesstebungen der texanischen Landbesitzer von Mexiko . Auf Betreiben der Union erklärte sich Texas für eine von Mexiko unabhängige, selbständige Re- publik und wurde darauf einfach von den Vereinigten Maaten annektiert. Die Folge war ein Krieg mit Mexiko , das, durch innere Unruhen in seiner Verteidigung gehemmt, im Frieden von Guadaloupe-Hidalgo(1848) nicht nur Texas , sondern auch Neumexiko und Neukalifornien sowie die nördlich des Rio Grande del Norte gelegenen Teile der Staaten Coahuila , Chihuahua und Tamaulipas an die Vereinigten Staaten ab- treten mußte— im ganzen ein Gebiet von ungefähr der drei- fachen Ausdehnung Deutschlands . Dem Krieg folgte 1853 der verunglückte Ueberfall William Walkers auf die mexi- konische Provinz Sonora und zwei Jahre später der Kon- quistadorenzug nach Nikaragua . Zugleich wurden nun, nachdem man an die Westküste Amerikas gelangt war, die Umtriebe zur Annexion Kubas wieder aufgenommen und nebenher versucht, im Stillen Ozean festen Fuß zu fassen. Noch 1852 ging der Kommodore
I Perry mit einer Expedition nach Japan , durch die dieses Land dem amerikanischen Handel erschlossen wurde. Ferner setzten sich die Amerikaner auf den Sandwichinseln fest. Die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen den Nord- und Südstaaten der Union und der darauf folgende Bürgerkrieg unterbrachen diese Bestrebungen; doch schon 1867 wurde Rußland das Pelzland Alaska für 7 Millionen Dollar ab- gekauft und die Agitation für die Annexion der Antillen wieder begonnen. Auch nach Sankt Thomas stand ickon da- mals den Nankeekapitalisten der Sinn; 1867 wurde dem Kongreß sogar der Antrag unterbreitet, sich kurzweg dieser Insel zu bemächtigen, doch scheiterte der schöne Plan an dem Widerstande des Senats. Darauf folgten verschiedene Unternehmungen im Stillen Ozean . 1893 wurde unter dem Schutze amerikanischer Kriegs- schiffe die einheimische Dynastie auf den Sandwich-Jnseln ent- thront und 1898 diese Gruppe formell annektiert. Das Jahr darauf teilte sich die Union mit Deutschland in die Samoa - Inselgruppe. Doch der Appetit kommt mit dem Essen. Alle diese Aus- dehnungserfolge vermochten das Trachten nach dem Besitz Kubas nicht zu dämpfen. Ein mit amerikanischem Geld ge- schürte? kubanischer Ausstand bot im Jahre 1897 den plau - siblen Anlaß zum Eingreifen. Amerika verlangte die' Ab- berufung des spanischen Generalgoiwerneurs Weyler, dann die Autonomie der Insel und entsandte das Kriegsschiff „Maine " nach Havana , das dort am 15. Februar 1898 in die Luft flog, nach spanischer Behauptung— weil es die Ameri- kaner selbst gesprengt hatten. Der sich daraus ergebende Krieg brachte der Union bekanntlich die Lostrennung der Insel Kuba von Spanien und ihre Messung unter amerikanisches Protektorat, sowie den Besitz Porto Ricos, der Phi- lippinen und Guams (Hauptinsel der Marianengruppe im Stillen Ozean) ein, wogegen sie an Spanien eine Abstitdungs- summe von 26 Millionen Dollar zahlte. Nun, nachdem man sich im Golf von Mexiko , dem Kari- bischen Meer und dem Stillen Ozean die nötigen Stützpunkte geschaffen hatte, galt es, sich der Landenge von Panama zu bemächtigen und zur Verbindung des Atlanstschen mit dem Stillen Ozean den Lessepsschen Kanalbau fortzusetzen. Da Kolumbien , dem dieses Gebiet gehörte, für die Ueberlassung zu hohe Ansprüche stellte, riß sich die Provinz Pa- nama auf Betreiben der Vereinigten Staa- ten von Kolumbien los, konstituierte sich als unabhängige Republik und übertrug dann gegen eine Entschädigung von 16 Milio- nenDollarderUnionalleHoheitsrechteüber das Kanalgebiet. Das ist in knappen Worten die Geschichte der amerika - nischen Expansionspolitik und ihrer Erfolge. Man sieht, wie berechtigt es ist, wenn amerikanische Sozialisten über den deutschen Imperialismus zetern, von einem amerikanischen aber nichts zu entdecken vermögen. Eine eigenartige politssste Farbenblindheit. Jetzt ist der Panamakanal, wenn auch noch immer nicht ohne Gefahr benutzbar, so ziemlich fertig— und nun muß die Herrschaft der Vereinigten Staaten über ihn besser gesichert werden. Als eines der Mittel dazu hat man in Washington den Erwerb und die Befesstgung des dänischen Besitzes im Karibischen Meer erkannt. Aber bald wird man finden, daß diese Sicherung lange nicht genügt und durchaus weitere Erwerbungen durch Geld oder Gewalt nötig sind. »* * Wie wenig J)er Vorwurf des Genossen Cunow gegen die amerikanischen Sozialisten— sie seien blind gegen die Aeuße- rungen des amerikanischen Imperialismus— in seiner All- gemeinheit zutrifft, geht aus Nachstehendem hervor: die amerikanischen Sozialiften zum mexikanischen Konflikt. Das Exekutivkomitee der avierikamschen sozialistischen Partei hat airläßlich des Konflikts zwischen den Bereinigten Staaten und Mexiko folgenden Appell an Wilson veröffentlicht: »Mexikos Nationalbesitz wird auf 7 Milliarden Dollar geschätzt. Mehr als die Hälfte davon beftndet sich in den Händen von Amerikanern. Die sozialistische Partei sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und dem systematischen Druck, den amerikanische Kapitalisten in den letzten Jahren auf die Regierung der Vereinigten Staaten ausübten, um beide Länder in einen Krieg zu stürzen. Die sozialistische Partei hat gewisse Gründe für die Annahm«, daß das Ergebnis dieses Krieges die gewaltsame Okkupation eines Teiles der mexikanischen Besitzungen sein würde. Wir erheben P r o t e st gegen da« Vergießen amerikanischen Blute? im Interesse des amerikanischen Golde». Wir verfügen über ausreichendes Material für den Nachweis, daß die mexikanischen Ueberfälle auf das amerikanische Territorium vorbereitetund bezahlt werden von amerikanischen Kapitalisten. Wir erachten es als statthaft und notwendig, daß Maßnahmen zum Schutz der amerikanischen Grenze ergriffen werden, glauben aber, daß die die Grenze schützenden Truppen d i«» s e i t» des Flusses Rio Grande sich befinden müssen. Im mexikanischen Volke ist da» Gefühl der nattonolen Würde lebendig. Es braucht nur die Erinnerungen General Grant» nachzulesen, um sich zu überzeugen, daß die Bereinigten Staaten, selbst nach Anficht eines amerikanischen Generals, schon einmal einen ungerechten Krieg gegen Mexiko geführt und von der Hälfte seines Territoriums Besitz ergriffen haben. Naturgemäß ist beim mexikanischen Volke nun der Verdacht rege geworden, und wir finden,' daß es hierzu allen Grund hat. Wir fordern einen Schutz unserer Grenze, bei dem unsere Soldaten den Rio Grande nicht überschreiten sollen; zugleich fordern wir aber auch die exemplarische Bestrafung aller Ame- rikaner, die als Inspiratoren und Organisatoren der Ueberfälle auf unser Territorium anzusehen sind." Zur Vorgeschichte öes russischen Ministerwechsels. Die allmählich durchsickernden Nachrichten auS Rußland be- stätigen unsere Annahme, daß die Gründe des russischen Minister- Wechsels in hervorragendem Maße auf dem Gebiet der inneren Politik zu suchen sind. Das schließt freilich nicht aus, daß hierbei (jseichzeitig auch Gründe der äußeren Politik mitbestimmend waren, und noch weniger, daß die innerpolitischen Faktoren auch in Rußland ihre Rückwirkung auf dem Gebiete der äußeren Politik
finden. Tritt doch in der ganzen Tätigkeit der russischen Reaftions- Parteien schon seit einiger Zeit das deutliche Bestreben hervor, für die Zeit der„Liquidation" des Krieges Vorkehrungen zu treffen. um nicht von der Welle der Volksbewegung fortgeschwemmt zu werden. Die Furcht vor den kommenden Ereignissen ist bei den russischen Konservativen so stark, daß ihre Vertreter öffentlich, mehr aber noch in Denkschriften, die in einflußreichen Konventikely zir- kulieven, für eine„Aufrüstung" gegen die„innere Gefahr" und für entsprechende Matznahmen auf dem Gebiete der äußeren Poli- tik eintreten. Ueber eine dieser konservativen Denkschriften wurde bereits vor etwa zwei Wochen in der deutschen Presse berichtet. Ein W.-T.-B.-Telegramm aus Kopenhagen kommt nun auf diese Angelegenheit zurück und ergänzt sie durch Angaben, die die Ein- reichung dieser Denkschrift beim Zaren mit dem Ministerwechsel in Verbindung bringen. In der genannten Denkschrift wird, nach dieser Meldung, ausgeführt: „Dank der erreichten Einheitlichkeit in den Handlungen der Alliierten hat der Krieg eine für Rußland günstige Wendung genommen und wird wohl bald beendigt werden. Daher muß die Regierung sich schon jetzt auf die Zeit nach dem nahe bevor- stehenden Abschluß des Krieges vorbereiten. Die Regierung widmete ihre ganze aufmerksamkeit den Bedürfnissen der Kriegs- zeit und schenkte dem innerpolitischen Leben in Rußland wenig Beachtung. Dagegen lassen die revolutionären Organ i- s a t i o n e n die Zeit nicht ungenützt verstreichen und arbeiten an der Vorbereitung einer nach dem Kriege zu beginnenden Revo- lution. Di« Denkschrift bezeichnet als revolutionäre Organisa- tionen(I) die allrussischen Städte- und Semstwoverbände, die KriegSindustriellen-Ausschüsse, die periodischen Kongresse der liberalen Organisationen, und behauptet, alle diese Organisa- tionen handelten nach den Anweisungen von revolutionä- ren Ausschüssen im Ausland«(!). Die Tätigkeit dieser revolutionären Organisationen, heißt eS in der Denkschrift weiter, stieß bisher auf keinen entsprechenden Widerstand der Regierung und schlug daher tief Wurzel. Was aber unternimmt die Regierung, um die drohende Revolution schon jetzt im Keime zu ersticken? Die Antwort darauf ist, daß die Regierung eine unverzeihliche Schwäche zeigt. Nachdem im Frühjahr und im Sommer 191S unter dem Druck der revolutionären(!) Reichs« duma die festesten Träger des konservativen und monarchistischen Gedankens, Maklakow, Schtscheglowitow, Sabler und R u ch l o w, zurücktreten mußten, wurde die Regierungs- gewalt Stürmer übertragen. Die auf Stürmer gesetzten großen Hoffnungen wurden jedoch getäuscht. Stürmer verlieh der Innenpolitik eine feldgraue Schutzfarbe. Zwar liebäugelte Stürmer nicht mit den linksstehenden Parteien, unternahm aber auch nichts, um mit der revolutionären Tätigkeit dieser Schichten rasch aufzuräumen. Das ganze Bestreben Stürmers war darauf gerichtet, sich in Geheimnis und Stille einzuhüllen. Die Denkschrift zählt die von Stürmer begangenen Sünden auf, so zu Anfang seiner Tätigkeit die Erlaubnis zur Abhaltung der liberalen Kongresse, seine ausweichende, allzu milde Haltung der Reichsduma gegenüber, seine ausgleichende Taktik gegenüber den liberalen Geseldschaftsorganisationen, die Nichtbeachtung des Kampfes der Presse der Rechten gegen die liberalen Aufklärungs- minister, endlich die milde Behandlung der Juden und das Be- streben, die Judenftage nicht in den Vordergrund treten zu lassen. Dies alles geschah zu einer Zeit, wo eine starke Regie- rungsgewalt ohne Ausflüchte und Ausweichungen nötig war. Stürmer ist dieser Rolle nicht gewachsen. Seine Kabinettskol- legen sind ebenfalls unbedeutende Personen ohne ausgeprägte Ansichten und ohne Energie." Die Denkschrift schließt:«Die Regierung darf ihre Auf- merksamkeit nicht nur den Kriegsbedürfnissen widmen und die Fragen der Innenpolitik vernachlässigen. Die linksstehenden Parteien haben das Bestreben, den Krieg zu verlängern, um sich inzwischen zu organisieren und die künftige Revolution vorzu- bereiten. Man soll zwar bis zum endgültigen Siege kämp- fen, muß aber verstehen, rechtzeitig den Krieg zu be- endigen, sonst würden alle Früchte des Sieges durch die Revolution zunichte gemacht. Die Regie- rung mutz aber schon jetzt die Revolution ersticken." Im großen und ganzen entspricht diese Wiedengabe der konser - vativen Denkschrift sowohl den Gedankengängen der führenden „echtrussischen" Cliquen, wie den Nachrichten, die über diese Kund- gebung in die russische Press« gedrungen sind. Ihr Inhalt entspricht durchaus der üblichen„cchtrussischen" Demagogie, die bestrebt ist, die nichts weniger als„umstürzlerischen" gesellschaftlichen Ver- bände als„revolutionäre Organisaftonen" darzustellen, die ihre Weisungen vom„Auslände" erhalten, und die nicht» weniger als „schwächliche" und �nachgiebige" Regierung der Kapitulafton vor den Liberalen und Revolutionären zu beschuldigen. Der Zweck dieser Demagogie ist sonnenklar: einerseits sollen die großen ge- sellschaftlichen Verbände, die bei aller ihrer burgftiedlichen Lohali- tät und patriotischen Kriegsbeflissenheit den Echtrussen als gefähr- liche Kristallisationspunkte der oppositionellen Bewegung erscheinen, in die Luft gesprengt werden, andererseits sollen die im Vorjahre abgesägten reaktionären Minister, die PertrauenSmänner der Hof- Partei und des Hochadels, wieder zur Macht gelangen. Wie nun berichtet wird, soll die obenerwähnte Denkschrift dem Zaren in den Tagen zwischen dem letzten Kronrat und der zweiten Reise Stürmers nach dem Hauptquartier von einflußreichen Personen überreicht worden sein. Stürmer erhielt anscheinend Kenntnis von den in der Schrift gegen ihn erhobenen Vorwürfen, denn bald darauf lud er einen Mitarbeiter der„Birschowija Wjedomosti" ein, dem gegenüber er den festen Entschluß der Regierung darlegte. gegen die revolutionär« Tätigkeit der allrussischen Städte- und Semstoverbände«inzuschreiten. Auch scheint die Denkschrift Stür- mer dahin beeinflußt zu haben, bei der Neubesetzung von Minister- Posten sein« Gegner auf der äußersten Rechten durch Berufung Makarow», der 1S12 nach dem Massenblutbad in den Lena- Goldbergwerken verabschiedet werden mutzte, zu versöhnen. Da Makarow, zusammen mit den früheren Ministern Maklakow und Schtscheglowitow an der Spitze der konservativen Nebenregierung steht, bedeutet sein Eintritt in die Regierung im Verein mit den anderen Verschiebungen im Kabinett, die übrigen» noch nicht ihren Abschluß gefunden haben, und mit der offen betonten reaktionären Haltung Stürmers einen glatten Sieg des Echtrussen- tum», da» für die kommenden„inneren Komplikaftonen" schon jetzt seine Vorbereitungen trifft. »• • Sericht über Sie Sitzung ües russischen Minifterrates im Hauptquartier. „Rußkoje Slowo" vom 16. Juli erhält über die letzte Minister- ratsfitzung im Hauptquartier folgende detaillierten Mitteilungen: Die Sitzung begann 0 Uhr abends und dauerte anderthalb Stunden. Auf der amtlichen, vom Ministerpräsidenten aufgestellten Tages- ordnung standen nur zwei Fragen: die Versorgung der Arme« und die Regelung der Transporte. Zur ersten Frage gaben die Beamten des Siabes de? Höchstkommandierenden Erklärungen ab. Daraus ging hervor, daß die Armee vollkommen genügend mit allem Not« wendigen versehen ist.