Slr.234. 33 1� AeMgt des„Vmalts" KttÜlltt b....»..» A! J.Mt 1916.
Chronik des Weltkrieges. S«. August isi�. Bei Jtaraut sind sämtliche Forts gefallxn, ebenso ist Longwy nach tapferer Gegenwehr genommen. Gegen den linken Flügel der Armee des deutschen Kronprinzen gingen aus Verdun starke Kräfte vor, die zurückgeschlagen wurden. Das Oberelsaß ist bis auf unbedeutende Teile westlich Colmar von den Franzosen geräumt. Die dreitägige Schlacht bei krasntck endete mit einem Sieg der österreichischen Truppen. Die Russen wurden aus der ganzen etwa 70 Kilometer breiten Front geworfen und haben fluchtartig den Rückzug gegen Lublin angetreten. Sie verloren über 3000 Gc- fangene. Wie verspätet über Kopenhagen gemeldet wird, verließen die Abgeordneten der sozialdemokratischen Dumasraktion in der Duma- sitzung vom 8. August den Sitzungssaal, so daß die Dertranens- resolution und die Kriegskredite in der Abwesenheit der Sozialdemokraten angenommen wurde. Der Wortführer der sozialdemokratischen Fraktion erklärte unter anderem: «Das klassenbewußte Proletariat der Länder, die jetzt den Krieg führen, konnte leider den Krieg nicht oerhindern. Wir sind aber tief überzeugt, in der internationalen Solidarität aller Ar- beiter werden wir die Mittel finden, um dem Krieg und dem Greuel ein baldiges Ende zu setzen. Möge der Friedensvertrag nicht von den Diplomaten, sondern von den Völkern abgeschlosien werden. Außerdem sind wir überzeugt, daß der Krieg den breiten Dolksmassen aller Länder endlich die Augen öffnen wird über die wirkliche Quelle der Herrschaft und Ausbeutung und daß der jetzige Ausbruch der Barbarei der letzte sein wird." 2«. Slugust ISIS. Aus dem ösllichen Kriegsschauplatz neue erfolgreiche Per- folgungskämpfe. Die Festung Bresi-£itowsk ist gefallen. Auf der ganzen Front ist die Berfolgung in vollem Gange. Lebhafte Angriffe der Italiener an der Tiroler Front und vor dem Görzer Brückenkopf wurden mit schweren Verlusten für die Angreifer abgewiesen.
politische Uebersicht. Die Presse über den Jchäferschen Aufruf. Der gestern hier in seinen wesentlichen Teilen wieder- gegebene Aufruf des„Unabhängigen Ausschusses für einen deutschen Frieden" steht zurzeit im Mittelpunkt der Preßerörterungen. Die freisinnige und die Zentrumspresse schweigt sich vorläufig noch über den Aufruf aus. Allein schon die Aeußerungen der konservativen und nationalliberalen Presse und ihrer Schleppen- träger im freisinnigen Lager sind bezeichnend für die Haltung weiter Kreise des Bürgertums gegenüber den Kriegszielen der im„Unabhängigen Ausschuß" vereinten„unentwegten" Elemente. Mit einer begeisterten Fanfare hat der Exgenofie Bern- hard in der„Vossischen Ztg." den Aufruf des„Unab- hängigen Ausschusses" begrüßt, dessen Programm ihm durch- a u s diskutabel erscheint. Er meint in gutgespielter Naivität, daß zwischen den Kriegszielausfassungen weiter Kreise, die von den Alldeutschen bis nahe zur Sozialdemo- kratic, vielleicht sogar bis in deren Reihen hineinreichen, eigentlich nur ein Unterschied rein quanti- tativer Natur bestehe.„Und auch dieser Unterschied ist vielleicht nur in der Einbildung vorhanden." Mit den An- hängern eines annexionslosen Friedens will Herr Bernhard sich erst unterhalten, nachdem sie auseinandergesetzt haben werden, wie sie„nach ihrer Fasson" die wirtschaftliche und finanzielle Zukunft Deutschlands gestalten wollen. Eines hat er allerdings auch gegen die Verfasser des Schäferschen Aufrufes auszusetzen, und zwar, daß sie gar nicht von seiner genialen Idee «Land oder Geld", die er in der„Voss. Ztg." und in seinem Vortrage am 1. August breitgetreteu hat, Notiz genommen haben. Bekanntlich besteht dieser Vorschlag, gleich- sam als zeitgemäße Illustration zum Sombartschen Wort von den„Helden und Händlern", darin, daß Deutschland die okkupierten Gebiete zurückgibt, wenn ihm von gegnerischer Seite entsprechende Kriegs- entschädigungen gezahlt werden. Die„Helden" wollen aber zunächst von diesem„händlerhaften" Vorschlag nichts wissen, und so weist Graf N e V e n t l o w in der„Deutschen Tageszeitung", bei aller Sympathie für Bernhard, seinen Vorschlag mit den Worten zurück, wenn es sich um die Frage Geld oder Land handle, sehe er das Verhältnis so wie das zwischen dem E i und der Henne. «Wir ziehen— bemerkt er schonungslos— die Henne vor, auch wenn es sich um das k l ü g st e Ei handeln sollte." Gegenüber dem begeisterten Einigungsgerede Bernhards bemerkt Graf Reventlow, der Hinweis auf die rein quantitative Natur der bestehenden Unterschiede sei„zu optimistisch". «Wir halten es für möglich,— fährt er fort— daß man in einigen Kreisen der politisch linken Seite mit der Zeit die serligen Zukunfissragen soweit durchdenken werde, daß vielleicht nur noch quantitave Unterschieds übrig bleiben. Vor der Hand liegt aber die Sachs noch so, daß dort prinzipielle Einwände er- hoben werden gegen Anwendung deljenigen Mittel, welche o l l e i n eine Sicherung der deutschen Zukunft tatsächlich er- möglichen können."' Auch die„Kreuz-Zeitung " warnt vor allzu großem Optimismus, dem neben Bernhard auch die„Berliner Bärsen-Zeitung" Ausdruck gegeben hat. «Warnen möchten wir— bemerkt das konservative Organ— aber doch davor,_ die unter den jetzigen Verhältnissen vor- handenen Gegensätze zu unterschätzen. Diese werden stärker erst hervortreten, wenn»ran vom allgemeinen ins besondere geht. Auch der«Deutsche Nationalausschuß" fordert reale Garantien. Aber wenn die«Börsen-Zeitung " fragt, ob sich denn die Forderungen der beiden Ausschüsse so wesentlich unterscheiden, so möchten wir das doch bejahen. Denn der große Unter- schied ist, daß der Unabhängige Nationalausschuß, dessen Auf- ruf sich ja überhaupt durch wohltuende Klarheit und Bestimmt- heit auszeichnet, sagt, w a s er unter«realen Garantien" versteht. Und darauf kommt es an. Zudem ist eS der Ton, der die Musik macht. Der Aufruf des Deutschen NationalauSschusseS war gutenteils negativ und stark polemisch. De-Halb mußte er veruneinigend wirken. Der Unabhängige NationalauSschuß mit seiner kräftigen, wohl begründeten Losung: gegen England! und seinen positiven Zielen wirkt einigend, werbend." Während so das führende konservative Organ sich gegen- über den Anbiederungen von links vorläufig noch kühl und �
reserviert verhält, sind die annexionistischen Einigungsapostel schon eifrig bei der Arbeit, um eine einheitliche geschlossene „innere Front" der Annexionisten herzustellen.„Das Eisen ist warm l" frohlockt der„ehrliche Makler" Oktavio von Z e d- l i tz in der„P o st": „In dieser ernsten Stunde, in der der Kampf des Bier- Verbandes gegen Deutschlands Unabhängigkeit, die Unversehrt- heit seines Gebiets und die Freiheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung den Höhepunkt erreicht hat, müssen überhaupt ja die einzelnen Kriegsziele gegenüber dem einen großen Kriegs- ziele dauernder Sicherung dieser Güter nach Ost wie nach W e st zurücktreten. Der Zeitpunkt ist gekommen, alle Richtungen, die dieses eine große Kriegs- ziel, wenn auch auf etwas verschiedenem Wege, erstreben, zu einer geschlossenen starken Volks- st r ö m u n g zu vereinigen, die ein starkes Gewicht für die Erringung des die Erreichung des Äriegszieles verbürgenden Sieges in die Wagschale zu werfen vermag. Aber auch hier gilt das Wort: man soll das Eisen schmieden, so lange es warm i st." Wie„das Eisen" geschmiedet wird, darüber vermag der nationalliberale„Deutsche Kurie r", der dem Schäfer- schen Aufruf freudig zustimmt und zugleich die Mitteilung macht, die Reichstagsabgeordneten Dr. Böhme und Löscher, führende Männer im Deutschen Bauern- b u n d, seien dem„Unabhängigen Ausschuß" beigetreten, bereits einige Einzelheiten mitzuteilen: „Man spricht in unterrichteten Kreisen davon, daß Führer des NationalauSschusseS und Unabhängigen Ausschusses miteinander Fühlung suchen, um zu erforschen, ob nicht eine gemeinsame Grundlinie für den dentschen Friedenswillen gefunden werden könnte." Ob diese Mitteilung den Tatsachen entspricht oder nur einen„Fühler" darstellt, ist gleichgültig. Tatsache ist jeden- falls, daß an der Herstellung einer gemein- samen Front der Annexionisten von ver- schiedener Seite eifrig gearbeitet wird. Es muß deshalb von unserer Seite heißen: die Augen offen halten und mit verzehnfachter Energie dafür arbeiten, daß der Standpunkt der klassenbewußten Arbeiterschaft dem des annexionistischen Bürgertums entgegengesetzt wird. Die kommende Reichstagssesfio«. Der Reichstag ist bis zum 26. September vertagt, fvird aber erst in der ersten Hälfte des Oktober seine Arbeiten wieder aufnehmen. Weiter steht noch nichts fest, ins- besondere nicht, welche Vorlagen dem Reichstag zugehen wer- den: nur die Vorlage über die Verlängerung der Legislaturperiode ist mit Bestimmtheit zu er- warten,_ Innere Geschlossenheit. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichte der«Dresdener Anzeiger" einen Leitartikel, der auch die Aufmerlsamkeit unserer Parleipresse verdient, da er sich in bemerkenswerter Weise mit der Haltung der Sozialdemokratie zum Kriege beschäftigt. Anlaß dazu gaben dem Blatte Vorgänge der neuesten Zeit: die vielbesprochene Rede HehdebrandS in Frankfurt a. M., die Rede Scheide- manns in Dresden und die B a s s e r m a n n S in Stettin . Der Artikel beginnt mit der Feststellung, daß«da» hohe Gut der inneren Geschlossenheit" erhalten geblieben sei,«seitdem auf die zwei inhalt- schweren Worte: Mobilmachung besohlen sich die gewaltige Kraft der deutschen Heere und der deutschen Flotte reckte, unser scharfes Schwert blitzend aus der Scheide flog und die deutsche Macht, um nicht das Opfer der eigenen unendlichen Langmut zu werden, mit eherner Wucht die Schwelle zu einem neuen Zeitalter der Welt- geschichte überschritt." An diese Bemerkung wird dann folgende Betrachtung über die Sozialdemokratie und die Rede Scheidemanns in Dresden geknüpft: «Die reinliche Scheidung der Geister hat auf dem harten Prüfstein nationaler Bedrängnis helleuchtende Funken hervor- sprühen und die vorher fast im Dunkel gebliebene Trennungslinie innerhalb der Sozialdemokratie hervortreten lassen. Dieses Läute- rungSwerk wäre geeignet, den größeren Teil der Sozialdemokratie frei von allen Schlacken und ihr etwa noch anhaftenden Unrein- Herten zu machen. Ungleich wertvoller als die Narretei und Unvernunft einzelner sogenannter Sozialdemokraten sind uns die Worte eines Scheidemann — Name wurde hier zugleich Vorbedeutung— von dem Vaterland der Arbeiter. von ihrem besonderen Interesse an dessen Aufrechterhaltung in nationaler und wirtschafrlicher Unabhängigkeit, jene» Be- kenntnis von der Hinfälligkeit des Glaubens an internationale Solidarität und von den schweren Enttäuschungen der Sozialdemokratie, aus denen sie lernte und die rechten Schlußfolgerungen zog. Solche Worte ver- dienten die Aufmerksamkeit aller derTausende, die auch in unserer Stadt einen der größten Versammlungsräume, die man kennt, bis zum letzten Platz füllten. Sie sollten jenen in die Ohren klingen, die noch immer ihren Wirklichkeitssinn in Fesseln schlagen und bis heute noch nicht den Weg aus der Welt des Scheins in die des Seins ge- funden haben. Wohltuend wirkt die Erinnerung an diese freimütigen Bekenntnisse gegenüber jenen Braun- schweizer Vorgängen aus den letzten Tagen, die mit ihrer Ablehnung der«verderblichen und parteischädigenden Politik des 4. August" und der Verurteilung der Persönlichkeit deS im ersten braunschweigischen Wahlkreise alt gewordenen ReichStagSabgeord- neten Blas so sehr da» Siegel des Undanks und des Unverstandes tragen, daß selbst auS der sozialdemokratischen Preffe tiefste Tnt- rüstung gegen sie hervorbricht." Dann wird auf die erwähnten Reden v. HevdebrandS und Basiermanns hingewiesen, die in ihren Grundgedanken das Gleiche wollien, und schließlich zu den AuSlasiungen der drei Parteiführer bemerkt:„Solche Gedanken sind es, die Männer von unantastbarer Gesinnung, vom Volke selbst erwählte Führer bewegen... Vor dem Kriege kam es wohl kaum vor, daß Sozialdemokraten in gleichem Atemzuge mit den Führern bürgerlicher Parteien ge- nanut und uneingeschränkt belobigt wurden. Sicher ist besonders, daß der voni Parteivorstand— besten Mitglied Scheidemann ist— am LS. Juli 1014 veröffentlichte Aufruf Beifall auf bürgerlicher Seite nicht finden konnie. Und es darf an ein bekanntes Wort von Bebel erinnert werden, der auf einem Parteitage erklärte, daß er sich immer unbehaglich fühle, wenn man ihn im gegnerischen Lager lobe.— Erwähnt sei noch, daß der«Dresdner Anzeiger" zu jenen Blättern gehört, die für schärfste, rücksichtsloseste Kriegssiihrung ein- treten und erst vor kurzem in einem Artikel für völlige Vernichtung Englands eintrat._ Jesuitengesetz und VereinSgesetz. Verschiedene Zentrumsblätter haben, wie die Baumeistersche „Internationale Korrespondenz" zu ihrer Rechtfertigung ausführt, Andeutungen gemacht, daß zwischen Konservativen und Zentrums- leuten ein unverbindlicher Meinungsaustausch, Sondierungen, stattgefunden haben können, ob ein Kuhhandel hinsichtlich des Jesuitengesetzes und der Vereinsgesetznovelle möglich sei. Dazu erklärt die„K r e u z ze i t u n g": „Demgegenüber können wir nur nochmals feststellen, daß von feiten der konservativen Partei auch keinerlei derartige
Sondierungen stattgefunden haben. Möglicherweise ist der Gedanke von anderer Seite erwogen worden, was dann zu den Gerüchten Anlaß gegeben haben mag, die in den obigen Aeußerungen der ZentruinSpresse ihren Niederschlag gefunden haben."
Das tägliche örot. Neue Höchstprcisregelung für Wild. Amtlich. Berlin , 25. August. sW. T. B.) Tie auf Grund der Bundesratsverorduung vom 28. Oktober v. I. über die Regelung der Fisch- und Wildpreise festgesetzten Höchst - preise für Wild haben die Zufuhr erschwert, zum Teil sogar völlig verhindert. Hauptsächlich deshalb, weil es Preußen wegen der Vorschrift in 8 t der genannten Verordnung nicht möglich war, die Höchstpreise für Berlin , trotz der besonders gearteten Verhältnisse, zu erhöhen, und weil, um den Berliner Markt nicht noch mehr zu benachteiligen, auch von einer Er- höhung der Preise für die übrigen Bednrfsgebiete abge- sehen worden war. Nunmehr ist auch hier eine N e u r e g e- l u n g erfolgt. Eine Bundesratsverordnung vom 17. August ermächtigt den Reichskanzler, Großhandelspreise für Wild festzusetzen: zur Berücksichtigung der besonderen Marktver- Hältnisse können jedoch die Landeszentralbe- hördenfürihrenBezirkoderTeileihresBe- zirks Abweichungen von den Preisen anordnen, für die wiederum der Reichskanzler Höchstgrenzen vorschreiben kann. Um ferner die Zufuhr von Wild im sogenannten„Kon- signationsverkehr" zu verstärken, wird in der Verordnung be- stimmt, daß, wenn die Ware an einem anderen Ort als den der gewerblichen Niederlassung oder des Wohnorts des Ver- käufers verbracht und dort für dessen Rechnung verkauft wird, die für d i e s e n Ort geltenden Preise maßgebend sein sollen. Die Kleinhandelsgrenze von 16 Kilogramm ist fallengelassen worden und an ihre Stelle die Vorschrift gesetzt, daß als Kleinverkaus jede Abgabe an den Verbraucher gilt. End- lich ist von nun ab die Verpflichtung zur Einführung von Kleinhandelspreisen nicht mehr den Gemeinden, sondern den Landeszentralbehörden auferlegt, so daß die Einführung solcher Kleinhandelspreise nunmehr für alle Orte, auch für die unter 16 666 Einwohnern gewährleistet ist. Dabei ist die Möglichkeit vorgesehen, den Kleinhandelshöchstpreis für den Verbrauch durch den Iagdberechtigten und durch den Händler verschieden hoch zu bemessen.
Zuckerverteilung und Zuckerproduktion. Die Bundesratsverordnung vom 10. April d. I. gibt den Kommunalverbänden da? Recht, den auf sie entfallenden Zucker von der Reichszuckerstelle selbst zu beziehen und ihn an die Verbraucher abzugeben, entweder in gemeindlichen Verlaufsstellen oder durch Kleinhändler. Diese Verordnung ist den Zucker- Großhändlern selbstverständlich sehr unbequem, da sie dvn zahlreichen Kommunal- verbänden bei dem Bezüge des Zuckers ausgeschaltet werden, was die Gemeinden in die angenehme Lage bringt, den Zwischenhandel- gewinn dafür zu verwenden, die nicht unbeträchtlichen Ausgaben für Verteilung deS Zuckers, Ausfertigen der Zuckerlaricn u. dergl. zu decken. Die Zuckerindustriellen unterstützen das Bestreben der Zucker-Großhändler, diese Bestimmung der Bundesratsverordnung zur Aufhebung zu bringen und der Ausschuß des Deutschen Handels- tagS hat sich soeben in einer Sitzung, zu der er Vertreter der Zucker- industrie und des Zuckerhandels hinzuzog, in gleichem Sinne aus- gesprochen. Aber im Interesse der Verbraucher und der Gemeinden liegt die Aufhebung dieser Be- stimmung keineswegs, wohl aber die gleichfalls in jener Sitzung geforderte Einführung einer Reichszuckerkarte. die einheitlich im ganzen Reichsgebiet für jeden Verbraucher die gleiche Zuckermenge festsetzt. UebrigenS ist die Anbaufläche von Zuckerrüben, wie jetzt amtlich bekannt gegeben wird, nur um 10—12 Proz. gestiegen, obwohl der Bundesrat, um den berühmten„Anreiz zur Produltion" zu geben, die Preise für Rüben und Zucker erhöht hatte. Im Vor- jähre war durch eine Bundesraisverordnung der Anbau von Zucker- rüben um 25 Proz. eingeschränkt worden, damit mehr andere Nahrungsmittel angebaut würden; die Landwirte hatten aber den Anbau von Zuckerrüben nicht nur um 25. sondern um 34 Proz. eingeschränkt, weil die Höchstpreise für andere Feldfrüchie, z. B. Früh- karloffeln, so hoch waren, daß es für den Landwirt vorteilhafler war, diese anzubauen statt Zuckerrüben. Die Folgen haben wir jetzt zu spüren: es fehlt an Zucker zum Einkochen des ObsteS für Mar- meladen, die doch bei dem steigenden Fettmangel in immer größeren Mengen gebraucht werden. Schon bei den vorjährigen Rübenpreisen haben die Landwirte und die Zuckerfabriken sehr gute Geschäfte gemacht. Nun sind die Preise erhöht worden, der Nüvenanbau stieg jedoch keineswegs in befriedigender Weise, weil eben immer noch verhältnismäßig höhere Preise namentlich sür Frühkartoffeln an- gesetzt waren. Der normale Friedensbedarf an Zucker, der 1,5 Millionen Tonnen betrug, ist wegen deS gesteigerten Bedarf? für Marmeladen und dann auch, weil Zucker für mili- lärisch-technische Zwecke verwendet wird, jetzr nicht mehr ausreichend. Und wenn, wie von einer Nachrichtenstelle gemeldet wird, bei der diesjährigen Ernte mit 1,3 bis 1,8 Millionen Tonne» Zucker gerechnet wird, so bedeutet das keine Aussichten auf eine reich- lichere Zuckerzuweisung für das nächste Jahr. Es zeigt sich auch hier wieder, daß all diese Anreize zur Produktion durch Erhöhung der Höchstpreise nicht zu dem erforderlichen Erfolge führen, sondern dieser nur durch ein Eingreifen der Staatsgewalt in die Produktion, durch ProduktionSzwang erreicht werden kann. Die Ein- wände der Landwirte und ihrer Jntereffenvertreter, daß ein solcher Zwang in der Landwirtschaft undurchführbar sei, sind nicht stich- haliig. Dagegen ist zuzugeben, daß der Mangel an Düngemitteln und an ArbeitSlrästen hindernd auf den Anbau wirken kann. Aber doch ebenso auf den„freien" Anbau nach eigenem Profitintcresse, wie bei Zwangsanbau im Interesse der Allgemeinheit! Wenn für diese die Bodenfläche Deutschlands so ausgenutzt werden soll wie es nötig und möglich ist, muß endlich unsere alte Forderung: Regelung der Produktion durch Anbauzwang durchqesiihrt werden. Dieselben Kreise, die von der selbstverständlichen Pflicht der LandeSverteidiung sprechen, dürfen doch nicht für sich eine Ausnahme davon verlangen, wenn und weil es sich um ihren eigenen Profit handelt I
WaS werden die Winterkartoffeln kosten? Der Generalsekretär der christlichen Gewsrischaften Stegerwald hat als Vorstandsmitglied des KriegsernährungsamteS in einer großen Versammlung zu Esten erklärt, die Großstädte werden ihren Einwohnern Winterkartoffeln zu 4,75 M. frei Keller liefern können. Infolge einer Anfrage der„Rheinischen Zeitung", unseres Kölner ParteiblatteS, bestreitet die Kölner Stadtverwallung die Richtigkeit der Stegerwaldschen Angaben entschieden. Die Kartoffeln würden frei Keller winde st ens 5,30 M. kosten, und zwar laut folgender Kalkulation: niedrigster Höchstpreis an deu Erzeuger 4 M., von der ReichSkartoffelstelle lviel zu hoch l) festgesetzte Vergütung an den Lieferungskreis 30 Pf., Fracht mindestens 10—15 Pz., Schwund bei den frischen Kartoffeln 10 Proz.— 40 Pf., Sacken und Sackoerschleiß 80 Pf., Spesen am Orte 15 Pf., zusammen 5,30 M. Da alle Be- träge äußerst niedrig eingesetzt sind, würden die Kartoffeln wohl aus 5,50 M. kommen, über IM. mehr als imBorjahre.