bic Beziehung zwischen Kapital und Arbeit nach dem Kriege, linier den Anwesenden werden eine Reihe von amtlichen Vertretern der australischen Staaten genannt, Vertreter aus Kanada , weiter bekannte Großindustrielle, Bankiers usw. Nach einer Rede des Vorsitzenden der Bereinigung Sandbach Par- ke r, der für die Eigenwirtschaft des britischen Reiches. eintrat, als Mtttel dazu die„wissenschaftliche Anwendung des Tarifs" empfahl und versprach, daß die„Teilung der Profite" zwischen Unterneh- mern und Arbeitern für diese viel vorteilhafter geschehen werde, wenn erst die deutsche Konkurrenz beseitigt sei, die sie bisher ge> hindert habe, ergriff der A r be i te r p a r tei ler George H. Roberts das Wort und sagte: »Diese Versammlung bedeutet einen Wendepunkt im indu- striellen und kommerziellen Leben unserer Nation, weil sie die Notwendigkeit anerkennt, ein besseres Einvernehmen zwischen Kapital und Arbeit zu schaffen. Eine der Lehren des Krieges für die britische Demokratie war die Bedeutung des britischen Reichsgedan- kens. Man hatte den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Wir hatten im Mittelpunkt des Reichs gelebt, ohne es zu sehen. Mit all unseren Möglichkeiten waren wir das am wenigsten ab- geschlossene Reich der Welt. Es wäre ein Verbrechen, wenn wir die Hilfsquellen vernachlässigen sollten, die auf unseren eigenen Gestaden liefen. Großbritannien sollte seine eigenen Hilfsquellen soweit wie möglich entwickeln und wo es ihm nicht gelingt oder wo die Natur oder andere Umstände«S hindern, sollte es von britischer Arbeit im britischen Imperium versorgt werden. Wir haben während des Krieges große Ueberraschungen erlebt. Manche meiner Freunde halten noch immer die Traditionen vor lOO Jahren fe st, aber wenn ich die Arbeiterklasse noch ver- stehe, so wird das deutsche Volk Generationen von Reinigung durchmachen müssen, ehe wir bereit sein wer- den, es wie ehedem aufzunehmen. Meine Anwesenheit hier ist durchaus nicht ohne Zusammenhang mit den Zielen Ihrer Organisation. Ich habe mir noch keine Meinung über die besten Mittel(der wirtschaftlichen Entwickelung des Reiches) gebildet, mein Denken ist noch im Fluß. Die Vergangen- heit ist vorüber und kann nie mehr wiederkehren. Wir sind bereit, diese Probleme in ihrer neuen Gestalt zu betrachten und wenn Herr Sandbach Parker eine einzige Lösung vorgeschlagen hat, so kümmere ich mich nicht um Freihandel, Schutzzoll oder was immer, sondern glaube an mein Land und das britische Imperium und bin bereit, in dieser Richtung zu wirken. Man hat die Arbeiterschaft oft geftagt, wie die E i n s ch r ä n- kungen der Produktion gerechtfertigt werden könnten. Ich will sie hier nicht verteidigen, aber sage, daß sie nicht bloßem Mutwillen entsprungen sind, sondern oft der Selbsterhaltung. Wenn wir unsere Hilfsquellen, so wie wir eS wünschen, entwickeln, müssen Kapital und Arbeit zueinander kommen, in- dem beide ihr Denken von allem Phrasenschwatz(Cant) und Vorurteilen befreien, und sie werden miteinander be- raten, wie sie den Interessen des Reichs dienen können, um dieses zu dem zu machen, was es sein soll, der große Führer der Welt- tätigkeit.— In den Schützengräben habe ich den Millionärssohn Seite an Seit« mit dem Sohn des ArbeitSmanneS aus Norfolk gesehen und wenn dieser zurückkehrt, wird er ein Recht darauf haben, den Ruhm Großbritanniens und des Imperiums zu teilen." Ein folgender Redner, das Unterhausmitglied Hauptmann Balhurst, tat noch den Ausspruch, daß„allzu wohlfeile Lebensmittel und allzu wohlfeile Arbeit eine Gefahr für England" seien. Daß der Versammlungsbericht bei der Rede Roberts' wieder- holt ZujtimmungSrufe zu vermerken hat, ist nicht überraschend. Es wäre in der Tat unverständlich, wenn die Herren, die dies« „glänzende" Versammlung zusammensetzten, von einem solchen parlamentarischen Vertreter der Arbeiterschaft nicht entzückt ge- wcsen wären. Ter Mann ist ja, wenn auch sein Denken noch„in Fluß" ist, schon ganz deutlich zum Programm Joe Chamberlains h'.nübergesteuert. Er ist bewußter Imperialist, Anhänger des Wirtschaftskrieges der?!ationen und des WirtschaftSftiedenS der Klassen und hat gegen eine die Lebensmittel verteuernde Schutzzöllnerei keine grundsätzlichen Einwände mehr. Aber sein Umlernen geht doch weiter. Gibt er doch zu verstehen, daß er der Versöhnung von Arbeit und Kapital die„Vorurteile" zu opfern bereit ist, die bis- her die Arbeiter veranlaßt haben, für gewerkschaftliche Schutzbestim- mungen gegen übermäßige Ausbeutung der Arbeitskraft zu kämp- fen! Daß Roberts, die Extremisten des internationalen Natio- nalismus übertrumpfend, vor Erneuerung der internationalen Ge- meinschaft die deutschen Arbeiter einer Quarantäne unterwerfen will, die gleich mehrerere Geschlechterfolgen dauert, mußt« seine Zuhörer nicht minder entzücken. Sicherlich sind große Massen der englischen Arbeiterschaft vom Fanatismus und von der Kurzsichtigkeit, die sich in dieser Rede ausspricht, freigeblieben. Als Dokument einer in allen Klassen ver- breiteten Denkweise verdient sie gleichwohl gelesen und politisch ge- würdigt zu werden. Sie macht besonders scharf die Gefahren ficht- bar,� denen eine Arbeiterbewegung ausgesetzt ist. die von dem sozia- listischen Ideen entweder nur oberflächlich berührt worden ist— gleich den Massen der englischen Gewerkschaftler— oder sie in der Arbeit für den nächsten Tag und in der Sucht nach wirklichen oder scheinbaren politischen Augenblickserfolgen au» den Augen verloren hat. Im Proletariat ist eine geschichtliche Kraft, solange«» sei ner Idee folgt. Diese Idee kann auch seine Führer über methodische Unzulänglichkeiten ihrer Schulung erheben. Sobald sie sich von ihr entfernen, droht ihnen das Schicksal, mittelmäßige Nachtrotter der bürgerlichen Machtpolitik zu werden."(z) Norman /tngells Stellung zum Kriege. Die von mehreren Zeitungen verbreitete Nachricht von der Verurteilung NormanAngellSzu einer schweren Zuchthaus- siraw gibt der Frage nach dem politischen Standpunkt und der Haltung dieses Militärdienstverweigerers während des Krieges eine erhöhte Aktualität. Vor einiger Zeit ging durch die bürger- liehen Blätter Italiens die Kunde von einem angeblichen Gesinnungswechsel des Verfassers der„Großen Illusion", ja eine Zeitung, der„M e s s a g e r o", wußte zu berichten, daß er von seinen ehemaligen pazifistischen Idealen abgekommen und, durch den Krieg eines Besseren belehrt, sich den Reiben der extremsten Kriegsapostel angeschlossen hätte. Gegenüber all diesen Gerüchten kommt jetzt C i c o t t i in einem„Avant i"-Artikel vom 6. August noch einmal auf das Verhalten Norman Angclls und die von ihm eingenommene Stellung zum Kriege zurück, um durch aktenmäßige Feststellungen jeder Mißdeutung seiner Absichten und jeden Zweifel an der Festigkeit und Konsequenz seiner Gesinnungen entgegen- zutreten.� Wenn nicht die Verurteilung AngellS allein beweiskräftia genug wäre, bemerkt C i c o t t i, so würden mehrfache briefliche und öffentliche Erklärungen, die er während der beiden letzten Jahre abgegeben hat, schon die ganze UnHaltbarkeit aller Gerüchte von einer geistigen Wandlung bloßstellen. In dieser Hinsicht ist ein ösfentliches Antwortschreiben Angell» aus einen Brief des Ameri- kaners Dr. W h a r r y besonders beachtenswert. Dieser hatte die Frage an ihn gerichtet, ob nicht die von ihm vertretene Ansicht durch die Erfahrungen diese» Krieges überwunden und entwertet sei. Die dem Amerikaner erteilte Antwort ist so charakteristiich und enthält soviel beherzigenswerte Wahrheiten, daß es sich wohl verlohnt, sie in ihren Grundzügen wiederzugeben. Ich lache über
alle jene, schreibt Norman Angell , die die gegenwärtigen tragischen Ereignisse zum Anlaß nehmen, um mich zu verspotten, weil meine Voraussagen über die Möglichkeit eines europäischen Krieges sich nicht bewahrheitet haben. Ich finde eS sehr betrübend, daß Menschen, die Vorkämpfer der Kulturnationen zu sein behaupten und sich in dieser Eigenschaft verpflichtet fühlen. Deutsch - land zu hassen, sich darüber freuen können, daß der Krieg die Pazifisten widerlegt und die Illusionen von einem Fortschritt ver- nichtct hat. Wenn alle Hoffnungen sanken, so hat sich das müh- same Menschenwerk vieler Jahre in eine Ruine verwandelt was weit beweinenswerter ist, als der Bankerott meiner Voraussichten oder, wenn man will, meiner Illusionen. Es besteht bloß ein Unter- schied. Während ich und alle, die ihren Ideen Treue bewahrten, heute ihren Mißerfolg als ein Unglück ansehen können, müssen die, die uns verhöhnen, ihn als eine Folge ihrer Verschuldurig betrachten. Denn wenn sie in der furchtbaren Stunde der Knie die Treue bewahrt und sich ruhig und fest an ihrer Idee festhaltend, statt sich am Vorabend des Krieges von der allgemeinen geistigen Kriegspanik ergreifen zu lassen, in jedem Lande dem blinden Kriegsgetriebe entgegengestellt hätten, wenn sie nicht untergetaucht wären in dieser trüben Flut, kurz, wenn alle die, die am Vorabend der Weltkatastrophe unsere Gesinnungsgenossen waren, sich mit uns vereint hätten in der energischen Opposition gegen den Krieg, in England wie in Frankreich , in Ruhland, Deutichland und Italien , es wäre nicht zum Kriege gekommen oder mescs furchtbare Ereignis wäre aufgehalten worden, zurückgedämmt, zeitlich wie räumlich von der Geisteskraft so vieler aufgeklärter Männer, von denen die Massen und die Völker ihre Orientierung erwarten: ihre� Losung und Parole in der drängenden Not der Stunde. Ist eS nicht seit- sam, daß gerade die, die ihren Teil der Verantwortung für die Er- eignisse auf sich nehmen müßten, in ihnen lediglich die Wider- lcgung unserer Voraussagen erblicken?" In einer späteren Schrift hat dann Norman Angell seinen..Gewissenskonflikt' dargelegt, der ihn bewogen hat, den Militärdienst zu verweigern. Er weist darin auf die tragische Lage des modernen Menschen hin, dessen Seele rein von Haß und erfüllt von Abscheu gegen Mord und Vergewalti- gung, durch den Krieg gezwungen wird, selbst ein Werkzeug des Hasses und der brutalen Gewalt zu werden. Ueberhaupt hat Norman Angell in den beiden Kriegsjahren keinen Augenblick auf- gehört, den kriegerischen Geist zu bekämpfen und in zahlreichen Schriften die traurigen und komischen Verirrungen dieses Geistes bloßzustellen. Er gelangte schließlich zu dem Ergebnis, daß es jetzt das richtigste sei, ganz von der Frage nach der Schuld am Kriege, nach der Verantwortung für ihn abzusehen, und alle seine Kräfte lediglich den positiven Aufgaben zuzuwenden: der Aus- tilgung des Vchkerhasses, der Beseitigung künftiger Konflikte und der Ermöglichung einer internationalen Gemeinschaft, die lediglich gegründet ist auf gegenseitiges Vertrauen und gegen- seitige Verantwortung. So hat er denn auch Worte eines auf ge- rechter Würdigung beruhenden Verständnisses für Deutschland ge- funden. Nichts sei törichter, schreibt er, als einen Rassen- gegensatz zwischen Deutschland und England zu konstruieren; diesen beiden Völkern, die vielmehr einen hohen Grad der Ver- wandtschaft und Aeünlichkeit aufweisen.„Bis zum Ausbruch des Krieges hielt jeder Engländer den Deutschen für den ersthaftesten Rivalen auf dem Felde der edelsten Bestrebungen der Kultur und Zivilisation. Wie ist es demgegenüber möglich, die Deutschen inS- gesamt als eine Horde von Hunnen darzustellen und ihnen allen alle Schuld an dem Emporkommen des Militarismus zuzuschreiben, der doch eine ganz allgemeine und internationale Erscheinung ist?" Wer diesen Militarismus selbst mit Waffengewalt überwinden will, der entfernt sich in Wahrheit von dem Ziel, das er erstrebt: dem friedlichen Zusammenwirken der Völker und kräftigt den Militarismus auch in Deutschland statt es von ihm zu befteien, was übrigen» auch in anderen Ländern nicht weniger not täte." Diese Aeußerungen bilden eine wertvolle Illustration zur praktischen Haltung dieses Vorkämpfers der Friedcnsideee und fügen sich zusammen zu dem Bilde eines wahrhaften Europäer» oder, wie C i c o t t i ihn nennt, eines„gewaltigen Welt- b ü r g e r S und geistigen Genossen Romain Rolland s".(z) Eine amerikanische Zeitungsftimme über Sie englische Depeschenzensur. New Dork, 21. August. Durch Funkspruch vom Ver- t r e t e r d e s W. T. B. In einer Besprechung der Unterdrückung von Bcrichien amerikanischer Korreivondenten aus Deutschland durch die englische Zensur sagt„New Dork American" in einem Leitartikel: Die natürliche Antwort auf die Frage, warum die Be- richte unteidrückt werden, ist, daß sie sich sehr unterscheiden von den Berichten von Sieg über Sieg, welche die englischen Presse- bureauS nach Amerika schicken. In dürren Worten: England betrügt sein eigenes Volk hinsichtlich der wahren Lage an der französischen Front und kann nicht dazu beitragen. daß die Wabrheit in Amerika bekannt werde, da da? englische Volk bald die Wahrbeit auS den amerikanischen Zeitungen erfahren würde. Die Tatsache ist jedem geübten Zeitungsmann in Amerika bekannt. daß die spalten- und seitenlang herüberkommenden Berichte, seitdem die Alliierten ihre kombinierte Offensive begonnen haben, stark nach englischem Geschmack gefärbt worden sind. Die höchst erbärmlichen Erfolge der Alliierten sind zu einem großen Siege ausposaunt worden, während die sehr wichtigen Gegenangriffe und Gewinne der Deutschen mit einer oder zwei Zeilen langen allgemein gehaltenen Meldung übergangen werden. Kleine Kriegsnachrlchten. Kopenhagen , 26. August.(SB. T. B.) Al» der schwedische Dampfer„Gerd" gestern vormittag aus der Ostsee in den Sund einlief, wurde er von einem deutschen Kriegsschiff ange halten und zur Untersuchung nach einem deutschen Hafen übergeführt. Genf , 26. August. (W. T. B.) Nach einer HavaSmeldung aus Korfu ist der Präsident der griechischen Kammer Michel Theo- t o k i s gestorben,_
politische Uebersicht. Noch eine Ablehnung. Wie der Teutschen Friedensgesellschaft, so hat der Herr UnterstaotSsekretär Wahnschaffe auch der Sozialdemo- kratischen Arbeitsgemeinschaft auf ihr Gesuch um Freigabe der Erörterung der Kriegsziele ablehnend ge- antwortet.
Berschärfung der Kriegführung. I» den letzten Tage» ist mehrmal» sowohl von konservative: al» auch nationaUiberaler Seite darauf gedrängt worden, daß der Kvieg nunmehr mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ge- führt werden soll. Denselben Standpunkt vcrtrittt auch da» Zentrum, wenigsten» bringt die„German ! a" einen langen Artikel, in welchem sie an die von der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" gebrachte Nachricht anknüpft, daß bei den französischen Truppen be- sondere Abteilungen vorhanden sind, die die Slufgabe haben, alles zu töten, wa» sie an Feinden in den Schützengräben vorfinden. Tie„Germania " meint allerdings,«S wäre zunächst endlich an der Zeit, daß die Völker, die außerhalb beS kriegerischen Ringen» stehen und sich darum einen objektiven Blick für da» bewahrt haben müssen, wa» an Gewalt den Feinden gegenüber zulässig sein kann, sich eno- lich auftaffen zu einem energischen: Bis hierher und nicht weiter! Leider fei auf solche Schritte nicht mehr zu hoffen, insbesondere nicht, daß die Bereinigten Staaten von Nordamerika sich dazu eut- schließen könnten. Das Zentrumsblatt erklärt dann: „Nur Selbsthilfe kann da noch etwas ausrichten, jene bittere Rache, zu der das mit Füßen getreten« Völkerrecht uns selbst ermächtigt. Das ist nach der heut bekanntgewordenen
Antwort an daS Präsidium des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auf eine Anregung wegen Aufhebung von Repres- salien in der Gefangenenbehandlung auch der Standpunkt unserer Regierung. Das„Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist danach von uns bisher immer in weisester Vorsicht uns Mäßigung an- gewendet worden, aber es ist das einzige Mittel, den Feind zur Vernunft zu bringen. Wir wollen damit keineswegs einem gleichen Morden wehrloser Feinde das Wort reden, wie eS drüben festgestellt ist. Das würde zivilisierter Soldaten unwürdig sein und doch im Einzelfalle nur Unschuldige treffen. Nein, wir haben wirksamere Mittel: Die heutige Fahrt unserer Luftschiffe nach England und ihr neuer Angriff auf die City von London , das Herz des Krieges, das die Kampfenergie mit allen Mitteln der Bestialität immer wieder in allen Kreisen des Vierverbandes anfeuert und zu neuem Wirken treibt, gilt ja schon der Rache für den Mordgeist unserer Feinde. Sie sollten wir ausdehnen auf alle Zentren, an denen die wahren Schuldigen an der Ver- wilderung der Kriegführung sitzen. Vergcltungsboniben müßten wieder und immer wieder auch auf das Herz von Paris her- rriedersausen, bis sie die Verantwortlichen zur Besinnung bringen oder hinwegfegen!" Es ist eigentlich kein Geheimnis, daß der Deutschen Regierung noch Kampfmittel zur Verfügung stehen, die bisher aus ganz be- stimmten Gründen nicht angewendet worden sind und es fragt sich nun, ob die übereinstimmende Stellungnahme der Konservativen, der Natwnallibcralen und de» Zentrums auf die Anwendung dieser Kampfmittel hinzielt. NationaUibcrale Blindheit. Anlaßlich einer Besprechung de» Schä ferschen Aufrufs bemerkt die„Nationalliberale Korrespondenz", das offizielle Organ der nationalliberalen Partei, nach besonderer Hervorhebung der Begrüßungsartikel in der„Vossischen Zeitung" und im„Leip- ziger Tageblatt": „Man darf den Unabhängigen Ausschuß zu dieser Wirkung feines Aufrufs vorbehaltlos beglückwünschen, auch in der Forderung, alle Macht- und Kampfmittel rückhaltlos einzusetzen, um den Feind zum Frieden zu zwingen, hat er, von ein paar Querköpfen abgesehen, die in einer erträumten Welt leben, die große V o l k S m ehrhei t hinter sich... Eine Einigung der Geister bahnt sich an, wie sie jenem Deutschen Nationalausschuß vorgeschwebt haben mag, die aber nicht er, sondern die Männer von Zielklarheit und unerschütterlichem Wollen herbeizuführen vermochr haben. Die berufene Vertretung der Nationalliberalen Partei hat sich in allen ihren Kundgebungen seit KriegSbeglinn auf diesen Boden gestellt. Sie wird eS mit Genugtuung begrüßen, wenn Regierung und Parteien ihn einmütig und ohne ferner zu schwanken betreten." Daß das Organ der nationalliberalen Partei dem Programm des„Unabhängigen Ausschusses" vorbehaltlos zustimmen würde, konnte nach den verschiedentlich«! Kundgebungen ihrer Organisationen und Führer für niemand zweifelhaft sein. Daß es aber sich so weit versteigt, von der„großen Volksmehrheit" zu sprechen, die angeblich hinter dem Schäferschen Aufruf stehe, ist selbst unter den heutigen Verhältnissen, in denen politische Blindheit oft eine Folge der mangelnden Helligkeit ist, eine kühne Leistung.
Revision im Liebknecht-Prozesi. Wie bürgerliche Blätter melden, hat Genosse Lieb- k n e ch t durch seinen Netteidiger gegen das Urteil des Ober- kriegsgcrichts Revision beim Reichsmilitärgericht einlegen lassen. Diese stützt sich darauf, daß das Recht materiell ver- letzt worden sei, indem die Verurteilung wegen einer Tat er- folgte, die nicht vorliege._ Minister v. Schorlemcr über die Teuerung. Der preußische Landwirffchastsminister v. Schorlemer-Lieser hat einem ungarischen Journalisten eine Unterredung gewährt, in deren Verlauf sich der Minister, nach dem Bericht dcS„Berliner Tageblattes" über die Teuerung folgendermaßen äußerte: „Die Teuerung ist nicht zu leugnen. Sie trifft Deuffchland ebenso wie alle anderen kriegführenden Länder. Aber dieser Teuerung steht vielfach ein größere? Einkommen gegen- über. Auch manche Arbeiter verdienen viel mehr als vor dem Krieg«. Teuerung, da» ist ein relativer Begriff! Die Preise sind höher geworden, aber— wie schon bemerkt— auch der Verdienst. Am meisten leiden unter der Teuerung die Leute mit festem Ein- kommen, also in erster Reche gewiß die Beamten, deren Lage man nach Möglichkeit zu erleichtern sucht. Daß die Teuerung von den Produzenten verursacht wird, ist keineswegs erwiesen. Häufig ist die Ursache deS Uebels der Umstand, daß bei uns die Ware durch sehr viele Hände wandert, bis sie glücklich den Konsumenten er- reicht. DaS ist, was im allgemeinen„Kettenhandel" genannt wird. Außerdem werden die Preise bei mangelnder Ware durch den Wettlauf der Käufer in die Höhe getrieben. Mcxn wird es, dem Produzenten nicht verdenken können, wenn er in Anbetracht der gestiegenen Erzeugerkosten sein Erzeugnis bestmöglichst verwertet. Daß die Bauern mit ihrer Ware zurückhalten, trifft im allgemeinen auch nicht zu. Aber ebensowenig kann man den Handel für alle Mißstände verantwortlich machen. Soweit er sich noch betätigen kann, hat er sich bemüht, dem Konsum reichlich Waren zuzuführen! Die Vorschläge zur Beseitigung der Teuerung sind vielfach un- ausführbar. Nicht jeder ÄriegSgewinn ist auch Kriegswucher. Dem Erzeuger muß unter allen Umständen ein lohnender Verdienst be- lassen werden, weil er sonst kein Interesse daran hat, die Pro- duktion zu vermehren. DoS ist eine allgemein gültige wirffchaft- liche Regel, und ebenso sicher ist es, daß der Staat die Erzeugung nicht erzwingen kann." Daß der Minister die Landwirt« gegen den Vorwurf der Preissteigerung in Schutz nimmt, erklärt sich aus seiner Stellung. Seine Behauptung aber, daß die Steigerung der Preise einen Aus- gleich in den ebenfalls gestiegenen Löhnen findet, ist total falsch. Daß in einzelnen Zweigen des Wirtschaftslebens die Löhne ge- stiegen sind, ist richtig; aber nirgends wohl hat diese Steigerung Schritt gehalten mit der Verteuerung de» Lebensunterhalts. Wie steht eS aber mit den Arbeitermassen, deren Löhne nicht gestiegen sind? Und mit den Kriegerfrauen, die auf ihre karge Unter- stützung angewiesen sind?
Letzte NackricktSK. Die Treibereien der Venizclistcn. Bern , 26. August.(W. T. B.) Der Mitarbeiter des„Secolo" in Athen drahtet, gestern sei im Hause von VenizeloS eine große politische Zusammenkunft abgehalten worden. Vcnizclos be» absichtige wieder zur Politik zurückzukehren, um der Reihe folgen- schwerer Irrtümer für die Zukunft Griechenlands ein Ende zu be- reiten; es sei beschlossen wovden, für nächsten Sonntag eine große öffentliche antineutral« Versammlung einzuberufen und die Kriegserklärung gegen Bulgarien an der Seite der Ententemächte zu fordern. Die Versamm- lung sei mit Hochrufen auf Chriswdulos, dem Kommandanten von Serres , der den Bulgaren Widerstand geleistet habe, geschlossen worden. Es gehe das Gerücht, daß die Antivenizelisten beabsichtigten, ein« Gegenversammlung einzuberufen.